Freitag, 31. Juli 2009

Sinneswandel

Die Tage werden merklich kürzer. Zum Zeitpunkt der Sonnenwende war mir davor etwas bang gewesen. Und tatsächlich, es gibt Tage, da schlägt mir nicht nur die morgendliche Dreivierteldunkelheit um halb sechs aufs Gemüt, sondern - mehr noch - das Gewahrwerden, dass es von nun an jeden Morgen noch dunkler sein wird. An solchen Tagen grantle ich auf dem Fahrrad rum, bis ich urplötzlich feststelle, dass es dafür überhaupt keinen Grund gibt:

Gute Tage sind das.

Donnerstag, 30. Juli 2009

Strandkultur

Unter dem Pflaster liegt der Strand, heißt es ja fast sprichwörtlich. Auch zum Beispiel bei den Urbanauten, die aus quasi nix einen urbanen Kulturstrand gezaubert haben. 'Unter dem Pflaster liegt der Strand?', fragte zweifelnd heute ein urbaner Restaurantmitarbeiter, 'seit heute wissen wir es endlich - es gibt keinen Strand unterm Pflaster', und fügte hinzu, während er missmutig zum Fenster hinaus schaute, 'vergiss es.'
Trotzdem fragte mich bei der heutigen Flaschenboy-Überführung eine Passantin, ob etwa der Gastgarten zu einer dieser neumodischen Großstadtstrandbars umfrisiert werde. Ich konnte guten Gewissens verneinen. Wie groß war deshalb meine Überraschung, als ich auf dem Rückweg zwei zusammengeklappte Liegestühle entdeckte, die sich im Hof zwischen das Gartengestühl geschmuggelt hatten. Was hatte das zu bedeuten? Verschiedene Gerüchte schwirrten umher, keines ließ sich verifizieren. Nur so viel: Da ist es zwei phantasiebegabten Menschen gestern nacht gelungen, sich unter Sternenhimmel und Zuhilfenahme von ichweißnichtwas zu fühlen wie fast an der Copacabana. Sehr einmalig soll es gewesen sein.

Mittwoch, 29. Juli 2009

Absturzgefährdet

Nichts bleibt, wie es war. Gestern genervt, heute gegafft. Heute nahm ich den Krach von gestern gar nicht mehr wahr, so gebannt stand ich am Restaurantfenster und hielt Maulaffen feil. Irgendwann hielt ich es drinnen nicht mehr aus; es zog mich mit Macht hinaus in die Gehwegnasen-Vorhölle. Mitten hinein in diese chaotisch anmutende Ausgrabungsstätte, an der - einem geheimnisvollen, für mich kaum zu erschließenden Systemprinzip folgend - das Unterste zuoberst gekehrt wird.
Schon jetzt lässt sich eindeutig feststellen, dass in puncto Gehwegnase das Restaurant die Nase vorn hat: Keine andere Straßenecke bekommt einen so ausladenden Riesenzinken; keine andere Straßenecke bietet so viel krawallige Action. Ich war nicht die einzige, die sich der Gafferfreude hingab, auch nicht die einzige, die fotografierte, halt nur die einzige mit einer weißen Schürze und einem Flaschenboy im Schlepptau. Alle starrten wie hypnotisiert auf die aggressiv gebleckten Zähne der Baggerschaufel,
auf das stete Heben und Senken, auf die permanente Suchbewegung des Schaufelarmes nach der richtigen Position, auf die Veränderung des Schaufelwinkels im entscheidenden Moment,
auf das Innehalten der schwankenden Schaufel kurz vor dem finalen Biss in den Boden, bis es schließlich hieß -
Zugriff! Für eine bange Sekunde hielten dann alle die Luft an, bevor endlich zu sehen war, was die Schaufel zutage förderte - das Richtige? Oder irgendwas Verkehrtes? Volle Ladung? Oder nur ein paar Erdkrümel? Oder womöglich gar nichts? Wenn letzteres passierte - und es passierte mehr als einmal -, war es dem Baggerführer sichtlich peinlich, weil der schaulustigen Menge unisono ein enttäuschtes 'Ooh!' entfuhr. Griff er dagegen in die Vollen, kündete ein langgezogenes 'Aaaah!' von tiefer Befriedigung infolge Spannungsabfuhr.
Bei diesem Volltreffer wurde sogar spontan Beifall geklatscht. Das Dumme war nur, dass der Betonklotz, kaum dass er auf der Schaufel balancierend nach oben schwebte, sein Gleichgewicht verlor und meteoritengleich zurück in die Tiefe stürzte. Mindestens vier der versammelten Foto-Gaffer (mich eingeschlossen) brüllten gleichzeitig 'Neiiin!'. Keineswegs aus Enttäuschung oder Schreck, sondern aus Ärger: Hatten wir doch alle abgedrückt, als der Klotz erfolgreich geborgen schien. Keiner von uns war schnell genug am Drücker gewesen, um das unerwartete Scheitern fotografisch festzuhalten - das wäre doch das symbolträchtige Motiv der Stunde gewesen. Der Absturz lauert schließlich überall. Wer wüsste das nicht in diesen unangenehmer werdenden Zeiten.

Nichts bleibt, wie es war. Gestern stand der Altglascontainer noch dort, wo jetzt der Bagger parkt. Heute mittag stand der Container dort, wo heute morgen noch das Pixiklo stand.
Gut, ein Klohäusl mitten auf der Straße, kann man verstehen, dass sie es dezent ein wenig nach hinten und dafür den Glascontainer in die erste Reihe gerückt haben. So finde ich ihn auch leichter. Denn es ist ja nicht gerade so, dass der Zugang zum Glascontainer barrierefrei wäre - was per Luftlinie nach einem Katzensprung aussieht, ist de facto ein aufwendiges Gekurve um Baulöcher und -fahrzeuge herum, immer auf der Suche nach einer abgesenkten, aber noch nicht ausgehobenen Stelle am Gehweg, die mir der tolpatschige Flaschenboy nicht allzu übel nimmt.
Ich ertappte mich bei der Phantasie, den überquellenden Flaschenboy Hals über Kopf in den Baugrund zu kippen, um dann gierig zu gaffen, wie die Baggerschaufel mit einem kraftvollen Hub denn Flaschenberg nach oben wuppt und auf die andere Seite der Straße hievt. Erstaunt hörte ich meine Stimme ein lautes, langgezogenes 'Aaaah!' machen.

Dienstag, 28. Juli 2009

Nasebohren

Seit heute weiß ich, dass ein Bagger etwas anderes ist als ein Traktor. Hier ist ein Bagger zugange, der jede Straßenecke in ein Inferno verwandelt.
Ein gefräßiges Monster. Es gräbt und schaufelt und baggert wie besessen. Wo Straßenecke ist, soll Gehwegnase werden. Es kommt einem vor wie ein unablässiges, gigantisches, so breitflächiges wie ertragreiches, entsetzlich nerviges Nasebohren. Dabei laut ohne Ende. Von dem Krachmacher brummt mir noch jetzt der Schädel.

Montag, 27. Juli 2009

Vom Bau

Um neun Uhr heute früh wurde es irrsinnig aufregend. Eine Baubrigade rückte an. Baufahrzeuge, von denen ich allesamt keine Ahnung habe,
aber ich nenne sie mal Traktoren, Tieflader und Raupenfahrzeuge, weil die so schön martialisch klingen, und martialisch ging es zu, heute früh um neun. Was für ein Getöse. Sie luden Unglaubliches ab.
Man hätte meinen können, sie riegeln den kompletten Straßenzug ab wegen einer der Militanz verdächtigen Großdemo.
Dabei wollen sie bloß Gehwegnasen bauen. Keine Geh-weg-Nasen, vielmehr Gehweg-Nasen. Eine Gehwegnase ist, wenn der Gehweg sich an einer Straßenecke verbreitert in den Straßenraum hinein. Wenn ich das richtig verstanden habe, zum Zwecke der besseren Verkehrsübersicht des Fußgängers. Es sei.
Dann sprühten sie fette rote Kreise auf die Straße, die sollten wohl die künftigen Nasenlöcher der Gehwegnase markieren.
Dann hauten sie mit einem fetten Hammer lauter fette Nägel in die fetten roten Kreise.
Wenn ich es richtig verstanden habe, zum Zwecke einer "verkehrsoptimalen Rundung" der Gehwegnase. Es sei auch dieses.
Zu meinem Glück taten und erklärten mir die Bauleute all das, während ich gerade mit dem Flaschenboy lautstark vorbeigescheppert kam. So hatte ich Gelegenheit zu fragen, ob die neuen Nasen denn auch ordentlich abgeflachte Nasenschwellen bekommen würden, zum Zwecke der konvenienten Lenkung eines in sich instabilen Flaschenboys. Klar, antworteten sie, sie dächten ja auch an die Radfahrer, die Kofferzieher, die Kinderwagenschieber, die Rollstuhlfahrer; und mein Flaschenboy, versprachen sie mir, würde über die Gehwegnasenschwellen schweben wie von selbst. Das stimmte mich milde. Ich fing an, mich auf die neuen Gehweggurken zu freuen.

Sonntag, 26. Juli 2009

Website


spinn.web.de

Samstag, 25. Juli 2009

Wischmop

Heute ist Samstag. Samstag ist kein Putztag, mithin ein Schanigarten-berichterstattungsfreier Tag. Es passiert auch so genug auf der Welt. Wechseln wir mal vom Land, in dem vor langer Zeit der Schanigarten erfunden wurde, in jenes Land, welches erst kürzlich den sogenannten Rüeblimob erfunden hat, in die Schweiz also. Der Rüeblimob - wiederum eine Worterfindung von Ugugu, der Rest der Schweiz hält sich an die internationale Sprachregelung 'Carrotmob' - funktioniert so:
Die Idee ist einfach erklärt: Wir erledigen alle unsere zu erledigenden Einkäufe am selben Tag und im gleichen Laden. Einen mit dem Besitzer zuvor verhandelter Anteil des Umsatzes, der dadurch in kurzer Zeit entsteht, wird von ihm in Renovationsmaßnahmen gesteckt, welche die Energieeffizienz steigern und die Umwelt schonen. Das Ziel des Mobs also: Einkäufe erledigen und damit den Laden CO2-neutral machen.
Klingt aller Ehren wert, vielleicht eine Spur trockener als es sein müsste. Gottlob gibt es dieses Video aus San Francisco zum gleichen Thema, bei dem ich Tränen gelacht habe, obwohl die Idee zur Action durchaus ernstzunehmend ist. Am 7. August soll nun in Basel ein Gemüseladen "gestürmt" werden. Daumendrücken für die Rüeblimobber.

Nun zur eigentlichen Neuigkeit des Tages. Ich habe einen neuen Job. Oder Zusatzjob. Nebenjob. Zweitjob. Drittjob. Multijob. Was auch immer, ein neuer privater Putzauftrag steht ins Haus. Diesmal handelt es sich um die Wohnung eines Bankers. Ins Gespräch gekommen war ich mit ihm bei dieser Veranstaltung, wo er mich nach längerem Plaudern und mehreren Getränken gefragt hatte: 'Könntest du mal bei mir wischen?', darauf ich: 'Du meinst putzen?', darauf er: 'Nein, nicht putzen, sondern wischen. Bei mir ist geputzt!'
So eine Aussage kann eine gestandene Putzfrau ins Staunen bringen. Zu was braucht er dann eine Putzfrau, wenn alles geputzt ist? Putzen heißt immer all inclusive. Bei mir.
'Du sollst ja auch nicht zum Putzen kommen, sondern zum Wischen.' Da, schon wieder. Ich bat ihn konkret zu werden. Also: Bodenfliesen, Wandfliesen, Spiegel - 'alles wischen. Und die Fenster. Und den Staub. Alles wischen.' Aha, bin im Vollcheck. Wischen eben. Erklärend fügte er hinzu: 'Du wirst sehen, bei mir ist es nicht schmutzig, es muss einfach nur gewischt werden.' Klingt gut. Klingt nach höherem Wellnessfaktor als bei einem Gastronomieküchenboden.
Der Banker hob sein Glas und schaute mich fragend an, was ich von der Sache halte. Mir fiel auf einmal jener frühe Blogbeitrag ein mit der intuitiven Überschrift Banknote. Auch ich hob mein Glas und sagte, 'Good Bank, auf jeden Fall', was den Banker mehr als erheiterte. Er spendierte ein weiteres Getränk, während dessen Konsum er seufzend gestand, dass es schwierig geworden sei mit einem Beruf wie dem seinen; das Berufsbild Banker genieße im sozialen Leben nicht mehr das allerbeste Image. Ich konnte ihn trösten. Dem Berufsbild Putzfrau ergeht es nicht viel besser. Wir verstanden uns.
Die Anzahl der Getränke ließ mich in den darauffolgenden Tagen in Erwägung ziehen, ob die informelle Auftragsvergabe eventuell doch nicht ganz ernst gemeint war? Der Anruf heute morgen stellte jedoch klar: Es war alles ernst gemeint, Mrs. Mop wird dringend zum Wischen gebraucht. Dienstag nachmittag Schlüsselübergabe, Kaffee trinken und Wohnung zeigen. Schon wieder so ein Italo-Edel-Kaffeekochmöbel wird mich erwarten, 'trink so viel du willst'. Damit kann man mich kriegen. Und mit einem Wischmop statt eines Schrubbers.

Freitag, 24. Juli 2009

Hofhund

Hab ich's nicht gestern prophezeit? Dass die Schanigärten bald das ganze Viertel überwuchern werden? Nun, es scheint so weit zu sein: Die gastronomische Außenstelle auf der Straße wird durch eine zweite bereichert, nämlich einen Mini-Schanigarten im Hof. Um genau zu sein, in der Hofeinfahrt. Da, wo vormittags die Lieferanten ein- und ausfahren und momentan noch allerlei herumsteht.
Letzteres muss sich bis Montag ändern. Dann kann das fast idyllisch werden.
Es wird also einen Straßenschanigarten und einen Hofschanigarten geben. Es wird brummen, ich schwöre es. Hat jemand was von Krise gesagt? Gürtel enger schnallen und so? Nicht an diesem umsatzgesegneten Ort der Einkehr; hier wird jedes freie aushäusige Fleckchen auf seine Schanigartentauglichkeit untersucht.
Kann man das lesen? 'Hund' steht da auf der weißen Schale. Es ist an alles gedacht worden. Das wäre dann quasi der dritte provisorische Schanigarten.

Donnerstag, 23. Juli 2009

Der Schanigarten-Blues

Schanigarten? Das Wort kommt aus dem Österreichischen und meint einen (meist) kleinen Gastgarten auf dem Gehsteig. 'Schani, trog in Goatn ausse', forderte der Oberkellner den Kellnerlehrling auf; der schleppte sogleich Tische, Stühle und ein paar Blumenkübel auf das Trottoir - fertig war der Schanigarten. In Wien herrscht eine ausgesprochene Schanigarten-Hochkultur. Wo sonst, wenn nicht in Wien, wird der Goldene Schani verliehen an die kreativsten Gastronomen, eine Art Oscar in Sachen Gastgartengestaltung. Zu den A-Noten zählen Charme und Flair (des Gartens, nicht des Schanis).
Rettet die Schanigartenkultur! Seit den gestern angedrohten städtischen Baumaßnahmen zur Errichtung eines öffentlichen Begegnungsraumes laufen die Umbaumaßnahmen am gastronomisch-aushäusigen Begegnungsraum auf Hochtouren. Sprich: Aus dem bisherigen Schanigarten de luxe muss in Windeseile ein Behelfs-Schanigarten werden. Einer, der trotz aller bau-schikanösen Einschränkungen irgendwie attraktiv ist. Improvisationsfreude ist gefragt, aufseiten der Gestalter wie der künftigen Gäste. Ab Montag. Bis "voraussichtlich" Ende Oktober.
Es geht jetzt den ganzen Tag so richtig rund hier. Heute waren die Gärtner da. Hecken stutzen, Bäume zurückschneiden. Blumenkübel umarrangieren.
Es soll ab Montag ein provisorisches Schanigärtlein mitten auf der Straße geben; der Gehweg bleibt den Bauarbeiten, Fußgängern und Blumenkübeln vorbehalten, und natürlich den Schanis (Kellnern), die alles Gute aus Küche und Keller zum Haus hinaustragen werden, quer über den Gehweg, den Baugeräten ausweichend, einen kühnen Schritt über den Bordstein nehmend, ohne mit dem Gläsertablett zu wackeln, um schließlich die Hungrigen auf der Straße satt zu machen.

Es wird ein Begegnungsraum der aufregenden Art werden. Eigentlich könnte das Amt schon jetzt die Hände in den Schoß legen und viele Steuergelder sparen. Weil, das wird sich schnell herumsprechen mit dem neuen gastronomischen Begegnungsraum, denn irgendwie hat das Projekt etwas, Entschuldigung für das blöde Wort, unfreiwillig Eventmäßiges. Das wird rennen, jede Wette. Weil es den Charme des Unfertigen ausstrahlt, das Flair des Vorläufigen. Mal sehen, was die Gäste draus machen werden. Vielleicht schreibt jemand eine wissenschaftliche Arbeit über das Thema 'Der provisorische Schanigarten als Schlüssel zum Verständnis des Funktionsprinzips sozialer Begegnungsräume'. Vielleicht will der neue Schanigarten, aufgrund des überwältigenden Erfolges, nach drei Monaten gar nicht mehr auf seinen alten Platz zurück. Vielleicht wird der provisorische Straßen-Schanigarten sich bald krakenartig ausbreiten in die Nachbarstraßen, bis irgendwann alle Stadtteile zu einem gigantischen Großstadtschanigarten verschmolzen sind. Spätenstens dann ist er ein Fall für die Nominierung zum Goldenen Schani.

Mittwoch, 22. Juli 2009

Nase im Wind

Wenn der Amtsschimmel einmal zu wiehern angefangen hat, hört er nicht mehr auf. Erst kürzlich hat das Ordnungsamt einige Unordnung in den Gemütern hinterlassen. Nun haben sich gerade die Wallungen gelegt, da kommt der nächste Aufreger zur Tür herein.
Diesmal sind es die Amtsträger von der Verkehrsplanung. Das Restaurant, so ist zu erfahren, liege im sogenannten baulichen "Umgestaltungsbereich" eines Straßenabschnittes. Der Straßenabschnitt ist eigentlich ganz nett, so wie er ist: relativ wenig Verkehr, viele große alte Bäume, im Schatten ein paar Bänke zum Sitzen. Jetzt soll der Straßenabschnitt aber zu einem sogenannten "Begegnungsraum" umgestaltet werden. Genau. Ein Begegnungsraum. Als ob es den nicht bereits gäbe in Gestalt des Restaurants mit seinem überaus regen Garten- bzw. Straßenbetrieb. Eben diesem droht jetzt der Würgegriff durch die erforderlichen Baumaßnahmen auf den Bürgersteigen. Die Invasion erfolgte amtlicherseits wie aus heiterem Himmel, ohne Vorwarnung oder -info. Kein Wunder, dass die Nerven schon wieder blank liegen. Zumal, meteorologisch gesehen, ein stabiles Hoch in der Luft liegt und gute Freiluftumsätze verspricht. Baubeginn ist nächste Woche.
Ich habe dann einen Blick in das amtliche Begleitschreiben geworfen, in welchem wundersame Dinge geschrieben standen. Angekündigt werden diverse Objektinstallationen auf verkehrsberuhigten Straßen und Bürgersteigen; die Rede ist von "Sitzbubbles", "farbigen Betonwürfeln" sowie "Sitzauflagen aus Gummigranulat". Das klingt alles schwer postmodern und lässt sogleich die Suchmaschine rotieren. Die Sitzblasen interessieren mich am meisten; die ersten Suchergebnisse führen zu einem 'WC-Sitz Bubble 3D' (39,99 Euro) sowie zu dem premiumverdächtigen 'WC-Sitz Cool Bubble' (77 Euro). Wieso lande ich eigentlich immer bei WC-Sitzen, egal wonach ich im Netz suche? Erst wenn man tapfer die ganzen Klodeckel nach unten scrollt, wird offenkundig, dass es sich bei einer Sitzbubble keineswegs um ein Meditationskissen zum Aussitzen der Kreditblase handelt, sondern um so etwas. Eine Art futuristischer Flachsitzer. Mal sehen, wer künftig auf der baumbeschatteten Bank Platz nimmt und wer auf einer frei herumstehenden Sitzblase.
Betonwürfel muss ich nicht groß guhgeln, das werden Würfel aus Beton sein zum Schienbeinaufschlagen. Gummigranulat ist bestimmt etwas Praktisches, Wasserabweisendes, klingt halt irgendwie unsinnlich.
Aber dann stoße ich auf ein Wort, das mich augenblicklich fasziniert: die sogenannte "Gehwegnase". Steht da wirklich. Gehwegnase wie 'Geh weg, Nase!'. Alle Straßenecken rund ums Restaurant, heißt es in dem Schreiben, sollen zu Gehwegnasen umgebaut werden. Finde ich fabelhaft, bei all den dubiosen Gerüchen, die mich beim Arbeiten umgeben. Das heißt, immer wenn meiner Nase zum Davonlaufen zumute ist, renne ich kurz zum Restaurant raus, bleibe an der nächsten Nasenecke, ähm, Straßenecke stehen, hole ein paar Mal tief Luft und kehre gestärkt zurück. Gehwegnase besiegt Küchengully. Nie mehr sage ich etwas Despektierliches über kommunale Verkehrsplanung.

Dienstag, 21. Juli 2009

Menagerie


Mittagsruhe

Montag, 20. Juli 2009

Pflegeleicht

Es wäre aber auch zu schön gewesen, um wahr zu sein. Dieses Wort. Diese Überschrift. Jetzt ist sie weg. Statt der ursprünglichen trägt dieser Beitrag nun eine neue Überschrift, nämlich 'Krankenschwester'. Wer in den Kommentaren liest, ahnt schon, wie es dazu kommen konnte. Mir jedenfalls schwante beim Lesen so etwas, ohne genau zu wissen, was es sein könnte. Klingt das jetzt hinreichend konfus? Einfach weiterlesen (rote Hervorhebung von mir):

Betreff: CARE-Paket

Liebe Mrs. Mop,

vielen Dank für das konstruktive Telefonat. Wie telefonisch besprochen, möchte ich Sie bitten den geschützten Begriff „CARE-Paket“ nicht in Ihrem Blog zu verwenden.

Zum Hintergrund: CARE wurde 1945 in den USA gegründet, um Hunger und Verzweiflung in Europa mit mehr als 100 Millionen CARE-Paketen zu lindern. Heute greift CARE auf die Erfahrung und die Ressourcen einer modernen, internationalen Hilfsorganisation zurück. Unabhängig von politischer Anschauung, religiösem Bekenntnis oder ethnischer Herkunft setzen wir uns weltweit für Not leidende, arme und benachteiligte Bevölkerungsgruppen ein. Unsere Zielsetzung: Not lindern. Armut bekämpfen. Würde verteidigen. Mehr zum CARE-Paket (http://www.care.de/care-paket.html) und unserer Arbeit weltweit (http://www.care.de/projekt-hilfsprojekte.html) erfahren Sie auf unserer Homepage und/ oder bei unseren Gruppen bei facebook und Co.: http://www.care.de/social-media.html.

Vielen Dank für Ihr Verständnis und liebe Grüße

---------------------------------------------------------------------------
Stephanie Timpernagel

Referentin Online-Marketing und Werbung
CARE Deutschland-Luxemburg e.V.
www.care.de


Selbstverständlich will ich mich keinesfalls an geschützten Begriffen vergreifen, zumal es eine traditionsreiche, historisch bedeutsame internationale Hilfsorganisation ist, die über jenen Begriff ihre schützende Hand hält. Die Organisation tut dies ausgesprochen unbürokratisch: Ein Anruf, ein paar Fragen und Antworten, eine nette Plauderei, und der Fall war gelöst, noch bevor er zu einem wurde. Es hätte mir auch anderes blühen können. Gerade bei Blogs wird ja gern mal mit rabiateren Methoden gearbeitet. Mit Frau Timpernagel war es ein Vergnügen.

Trotzdem blutet mir natürlich das Herz, weil die tolle Überschrift jetzt weg ist. Solche Wortspielereien, sind sie mir erst einmal eingefallen, gebe ich nur höchst ungern wieder her. Krankenschwester, okay, geht so. Aber dieses andere Wort, dieses, naja, Pflege-Packerl, das war schon Kirschsahnetorte. Und das bei dem Fotomodell. Ach ja. Zu schön um wahr zu werden.

Sonntag, 19. Juli 2009

Durch die Blume

Womit man nicht alles seinen Sonntag verplempert. Nach einer kleinen privaten Putzattacke blieb ich vor einem knallbunten Blumensträußchen stehen, einem zehn Tage alten Geschenk. Das charakteristische Müffeln war nicht zu überriechen, dieses Angemoderte, leicht Morbide, ins Jenseits Hinüberkippende. Ich beschloss, meinen anfallartigen Putzrappel mit der Entsorgung des Stinkers zu krönen.
Statt zum Mülleimer lenkten mich jedoch meine Schritte auf den Balkon, wo dem Strauß ein Gnadenbrot zuteil wurde. Von weitem sah er immer noch hübsch aus, gemüffelt hat er nur im Nahbereich, welchen ich mied. Nette Außendeko, fand ich; dann kam nach endlos langem Regen endlich die Sonne heraus. Also Socken ausziehen, Relaxposition einnehmen, Kaffee trinken, Lesen.
Plötzlich beschlich mich das unangenehme Gefühl, angestarrt zu werden.
Ich schaute vom Buch hoch und direkt in die Augen meines neuen Balkonbewohners. Er schaute zurück, und das mit einem Blick, welcher dem Buch keine Chance mehr ließ. Ein paar Mal versuchte ich, in die Lesestrecke zurückzufinden, ging aber nicht. Dieser Blick. Irgendwie so durchdringend und erwartungsvoll. Als ob er etwas von mir wollte.
Eine ganze Zeitlang saß ich da und wir guckten einander an. Einfach so. Passiert ist weiter nichts, aber nach einer Weile fühlte es sich so an wie bei Mogli, der zu lange der Schlange Kaa in die spiraligen Augen geschaut hat. Mir wurde so trancemäßig zumute. Schwer klappten die Augendeckel zu, ich nickte ein. Aber nur kurz, vor allem unruhig.
Beim Öffnen der Augen kreuzten sich wieder unsere Blicke, jetzt guckte der bunte Aussiedler fast vorwurfsvoll, so schräg von der Seite.
Fotografieren soll ja helfen, böse Geister zu bannen. Also draufgehalten. Dann verzog sich die Sonne hinter den Wolken und ich mich vom Balkon. Was soll man auch tun, wenn weder Lesen noch Schlafen möglich sind. Bloggen könnte ich noch, dachte ich mir. Also gut. Fing eh grade wieder zu regnen an.
Eben hat der Regen aufgehört, die Balkontür stand offen, es roch schön frisch herein. Ich ging hinaus, draußen roch es überhaupt nicht frisch, sondern fortgeschritten moderig. Oh mein Gott.
Er sah mich an. Ich sah ihn an. Ich sah, dass er weinte. Er hatte genug. Er wollte nicht mehr. Es war zum Herzerweichen. Endlich verstand ich. Und erlöste ihn. Dann setzte ich mich auf den Balkon und schlug mein Buch wieder auf. Ging nicht. Mein Kopf drehte sich dauernd nach der Stelle, wo der Kleine gestanden hatte. Nicht dass ich den Blickkontakt vermissen würde. Aber irgendwas fehlt.

Samstag, 18. Juli 2009

Krankenschwester

Weibliche Dienstleistung ist ja ein beliebtes Sujet auf Schwulenfesten. Was die Kunst der Straßenperformance angeht, stehen die Putz- und Pflegeberufe ganz hoch im Kurs. Beide Sparten sind sich ja auch eng verwandt: Die Putzfrau pflegt einen Raum, darum wird sie gern Raumpflegerin genannt; die Pflegekraft putzt einen Patientenhintern und heißt dessenungeachtet Pflegekraft, nicht etwa Putzkraft. Das nur so am Rande.
Zum heutigen Höhepunkt der Feiersaison wurden wieder mal blühende Dienstleistungsphantasien ausgelebt.
Der Pflegesektor war darstellerisch stark vertreten,
also, wirklich stark,
auch von hinten. Obwohl hier 'stark' weniger angemessen erscheint, wobei 'schwach' gänzlich unzutreffend wäre. Mir ist das passende Wort noch nicht eingefallen.

Freitag, 17. Juli 2009

Schmutz & Putz

Ein Husbot. Was zum Teufel ist ein Husbot? Nein, kein holländisches Hausboot. Auch keine Abkürzung für den 'Husumer Tagboten'. Und erst recht keine seltene grönländische Schlittenhundrasse. Alles falsch. Das Wort Husbot kommt aus dem Englischen, setzt sich zusammen aus hus(band) und (ro)bot, meint also wohl so eine Art Ehegattenroboter. Wer sich darunter jetzt einen vollelektronischen Begattungsapparat mit Fernbedienung vorstellt, liegt völlig daneben. Romantik und Sex gehören nämlich explizit nicht zu den Dienstleistungen, auf die der Husbot programmiert ist. Aber sonst macht das gute Stück fast alles.
An dieser Stelle interessiert natürlich vor allem die Leistungskraft der Putzsoftware, welche dieses spritgetriebene zweibeinige Monsterchen ja irgendwie in sich tragen muss. Und tatsächlich, der Husbot hat es drauf, er putzt und wäscht und gibt die perfekte Hausfrau, äh, den perfekten Hausmann. Das kann man gut finden, so wie ich, man kann es auch bedauern, so wie ich. Denn viele Husbots, einmal marktfähig gemacht, würden viele Putzfrauenarbeitsplätze wegelektronisieren. Soll sich aber bloß kein Husbot-User einbilden, den Putzhubby gäbe es für lau. Wird ein rechter Spritfresser sein. Wo man doch heutzutage beim Ölpreis eh nicht weiß, wo hinten und vorne ist. Und überhaupt, wo Benzin, da Abgase. Stinkt der Husbot vor sich hin, so lange er in Betrieb ist? Hat er einen Auspuff? Wenn ja, warum ist davon nirgendwo die Rede? Unausgereifter Firlefanz.
Trotzdem, ich finde Husbot, den elektronischen Hausfreund, ganz toll. Weil er so lustig ausschaut; manchmal auch traurig. Ich kann gar nicht genug kriegen von seiner Mimik. Selten einen so sympathischen Arbeitsplatzkiller erlebt. Zu sehen in einem Musikvideo. Gefunden auf der Website einer relativ neuen Zeitschrift namens OPAK. In seiner Juli-Ausgabe befasst sich das Magazin mit dem Schwerpunktthema Schmutz & Putz. Das war Mrs. Mop eine Investition wert. Besser gesagt, wäre es wert gewesen, wenn einer der fünf aufgesuchten Zeitschriftenläden das Heft vorrätig gehalten hätte. War nix. Dann halt nicht.
Übrigens erfolgte der Kaufimpuls durch dieses kleine Appetithäppchen. Schmutz kann unwiderstehlich sein.

Donnerstag, 16. Juli 2009

Dress Code

Um 11.30 Uhr herrschten heute in der Küche 35 Grad. Draußen brütete es schon jenseits der dreißig, drinnen wurden Kartoffelgratins zubereitet. Der Backofen wummerte auf Hochtouren. Die heißen Bleche mit dem fertiggebackenen Gratin ruhten zum Auskühlen großflächig auf dem Herd. Zum Auskühlen! Bei über dreißig Grad Raumtemperatur! Fast hätte ich gefröstelt.
Anwesend zwei Köche, der Hitze wegen leicht gekleidet.
Mir war das schon gestern aufgefallen: Irgendwie haben diese Köche Sinn für situationskomische Wortklaubereien. Zumindest wissen sie die jeweils tagesaktuelle Problemlage sinnig in Worte zu kleiden.

Mittwoch, 15. Juli 2009

Gästebuch


Die Köche waren schlecht drauf heute.

Das Ordnungsamt kam zu Besuch.

Dienstag, 14. Juli 2009

Jäger und Sammler

Heute früh kurz bei Plopp & Plutsch vorbeigeschaut - desaströs. Infolge des nächtlichen Dauerregens gab es statt fester, frischer Kullerchen nur noch Mirabellenkompott. Zwar von einwandfreier biologisch-organischer Qualität, aber ein derart intensiv naturbelassenes Aroma verströmend, dass ich von meinem Erntevorhaben Abstand nahm.
Während der zwanzig Meter Fahrt durch Mutter Naturs Gär- und Waschküche (feuchtwarme Luft, 23 Grad schon um halb sechs) beschloss ich, künftig diese öffentliche Wegstrecke als mein privates Krisengartengrundstück zu nutzen, frei nach der Devise: Ernten ohne selbst anzubauen. Einfach mitnehmen, was die Scholle so hergibt. Okay, klingt jetzt vielleicht ein bisschen konsumistisch, so nach take away food - Habenwollen ohne Hand anzulegen, genau von diesem Anspruchsdenken will einen ja das Selbstversorgungsprinzip runterholen: kein Einverleiben ohne sich zu verausgaben. Aber bitte, immerhin bücke ich mich pausenlos, also, tun tue ich schon etwas, meinetwegen ist es Selbstversorgung light. Bei den Mirabellen ist noch längst nicht aller Tage Abend, da kommt noch einiges runter.
Schräg gegenüber vom Mirabellenbaum steht ein Birnbaum, den ich gottlob daran erkenne, dass er bereits kleine grasgrüne birnenförmige Früchte trägt. Noch sind sie unfotogen. Weitere Erntepotentiale werde ich die nächsten Tage eruieren. Für den Anfang nicht schlecht: Birnen einlagern über den Winter, Mirabellenmarmelade kochen und im Keller bunkern.
Ist ja überhaupt etwas Tolles, wie sich aus roher Natur etwas Gutes zum Essen verstoffwechseln lässt. Als ich heute morgen den Keller wischte, kam ein Fleischlieferant die Treppe herabgestiegen, auf der rechten Schulter einen schweren Karton tragend. Laut rief er: "Es gibt leider nur drei Kaninchen, statt sechs bestellten." Er erblickte mich im Keller und fügte erklärend hinzu, es bestünde derzeit ein Lieferengpass für Kaninchen. Schnaufend verschwand er mit Karton im Kühlhaus. Nun habe ich ja mit der Bestellabwicklung rein gar nichts zu tun, fand aber das mit dem Lieferengpass doch bemerkenswert. Wie kann das sein? Die Kaninchen springen, wie schon erwähnt, zu Hunderten in freier Wildbahn herum, man spricht von einer großstädtischen Plage, und der Kaninchenlieferant hat was? Einen Engpass. Sachen gibt's. Kaninchen-Butterberge, sozusagen.
Ich trug gerade meinen Wassereimer die Kellertreppe hoch, als der Kaninchenbringer hinter mir wieder auftauchte. Interessehalber fragte ich ihn, ob es sich um Keulen oder Rücken vom Tier handele, und er antwortete, nein, das seien komplette, unzerlegte Kaninchen, die erst von den Köchen auseinandergenommen werden. Fand ich zumindest ungewöhnlich; es werden ja schließlich auch keine unzerlegten Kühe angeliefert. So könne man das nicht sehen, meinte der Mann mit einem gutmütigen Grinsen, bei Kaninchen sei das etwas anderes als bei Kühen. Während er den Kopf schräg legte und überlegte, wie er sagen sollte, was er sagen wollte, ertönte vom oberen Ende der Kellertreppe die Stimme von Frau Übermop: "Damit man sieht, dass es keine Katze ist."
Fast schmoss es mich rückwärts die Kellertreppe runter vor Lachen. Ich weiß nicht, was mich mehr erheiterte - das mit der Katze oder der Übermop-Tonfall. Der Halbsatz 'damit man sieht, dass es keine Katze ist' kam beiläufig-belanglos daher als handele es sich um eine Marginalie, etwa wie 'an Spiegeleier gehören Salz und Pfeffer'. Im Krieg, so erfuhr ich, seien tatsächlich Katzen als Kaninchen vertickt worden, also musste man sich vorsehen als Käufer.
Ich raste sofort ins Kühlhaus um nachzuschauen, ob sich auch kein falscher Hase unter den dreien befand. Ich tippe auf dreimal Kaninchen, obwohl, beschwören könnte ich es nicht. Und wenn man erstmal ins Nachdenken kommt...kennt man ja.
Aug' in Aug' mit den drei küchenfertigen Häschen wuchsen meiner morgendlichen Krisengrundstücksvision Flügel. Dort purzeln nämlich nicht bloß Mirabellen und bald auch Birnen durch die Gegend, sondern ganze Kaninchengeschwader. Ich weiß, dass auf Kaninchen nicht geschossen werden darf, jedenfalls vermute ich es, aber ich sage ja auch nicht, dass ich auf Kaninchen schießen will, ich sage nur, Schrotflinte lernen wäre schon mal nicht schlecht, so krisentechnisch gesehen.
Vielleicht steige ich auch in die Destillierbranche ein, denn auf dem Rückweg ploppte und plutschte es wieder aus allen Rohren; frische Ware lag abholbereit. Warum nicht in Mirabellengeist machen? Warum nicht dereinst, wenn die Krise uns das letzte Hemd ausziehen wird, sich an Kaninchenbraten mit in Senf geschmorten Mirabellen stärken?
Warum in die Ferne schweifen? Jetzt wird erst mal Mirabellenkompott gekocht.


Montag, 13. Juli 2009

Kopfton

Vielleicht schaffe ich es ja doch ohne eigenes Gartengrundstück durch die Krise? Heute früh, als ich noch ein wenig übernächtigt die erste Steigung hoch knetete, fiel mir etwas auf den Kopf. Es tat nicht weh, aber ich erschrak. Gleich darauf fiel schon wieder etwas auf meinen Kopf, und da war ich dann wach. Steht da ein Riesenmirabellenbaum am Weg, mitten in der Landschaft, und ist dabei, seine reifen gelben Früchte abzuwerfen. In Massen.
Am Freitag war von den gelben Kullerchen noch nichts zu sehen gewesen. Am Montag fallen sie einem auf den Kopf. Na wartet, bis ich auf dem Rückweg wieder bei euch vorbeikomme.
Um die Mittagszeit waren sie dann schon mehrfach überfahren worden, aber im Unterholz lagen die unversehrten, auf weichem Gras, und leuchteten beim Nähertreten überall orange-gelb heraus. Ich probierte eine - vorzüglich. Um mich herum fielen ständig neue Mirabellen nach. Jedes Mal war ein sanftes, gedämpftes Plopp zu hören, wenn sie im Gras landeten. Bei Kopflandung machten sie Plutsch.
Am besten schmecken Mirabellen, wenn sie eine Zeitlang von der prallen Sonne beschienen worden sind: warm, süß, saftig, mit feiner Säure. Manche sind rotwangig und haben klitzekleine Sommersprossen. Die schmecken am süßesten.
Schon toll, wenn einem die Früchte einfach so vor die Füße fallen. Gern auch auf den Kopf. Morgen gehe ich nochmal zur Ernte, dann aber mit System, sprich mit längeren Hosen. Die von heute waren entschieden zu kurz, oder die Brennesseln zu hoch, eins von beidem.

Sonntag, 12. Juli 2009

Eigenbrötler

Vielleicht hatte Frau Übermop ja doch recht neulich mit ihrem Plädoyer für das Selbstversorgungsprinzip. Sie hatte ja kassandrahaft prophezeit, dass die Leute in kommenden Zeiten gut daran täten, die Befriedigung ihrer Grundbedürfnisse verstärkt selbst zu organisieren. Und falls sie, die Leute, dazu nicht in der Lage seien, müssten sie es eben lernen. Und falls die Leute nicht in der Lage seien, es zu lernen, blickten sie härteren Zeiten entgegen. Noch härter nämlich als die ohnehin sich ankündigenden harten Zeiten für alle anderen. Mehr hatte Frau Übermop dazu nicht aus dem Sack gelassen, aber es hat gereicht, mich heute ihrer Worte zu erinnern:
Gartengrundstück zum Kauf oder zur Pacht gesucht.

Vielleicht handelt es sich bei dem Interessenten ja um einen Zeitungsleser, dem vor zwei Tagen dieser Artikel in die Hände gefallen ist. Dort wird berichtet von einem Kleinbauern im südlichen Niedersachsen, der auf seiner Stalltür stehen hat: Ich bleibe auf dem Land / und ernähre mich, wie ich kann. 'Auf dem Hof gibt es kein Fließwasser, also auch kein Klo, nur einen Blecheimer.' Mit den Fäkalien wird die Wiese gedüngt, 'so will es der Kreislauf'. Es gibt Kühe, Schafe, Hühner, eine Ziege und noch viel mehr Getier. Es gibt vor allem viel Arbeit. Sein Wasser bezieht der Landwirt aus einer nicht allzu nahen Quelle, welche er mit den Worten lobt "falls der Aldi einmal nicht mehr aufmacht".
Ein hartes Leben. Aber es gibt mit Sicherheit härtere Leben. Im Keller 'lagern seine Vorräte, 200 Einmachgläser: Gurken, Kürbis, Apfelmus, eingekochtes Fleisch, Birnen, Kartoffeln. Brennholz, Sellerie, Rote Beete. Im Regal reifen einige Käse, und weitere 30 trocknen für den Winter draußen in der Sonne. Der Selbstversorger lebt im Überfluss.' Warum sie den Artikel dennoch überschrieben haben mit 'Gottfried, der Habenichts', bleibt mir ein Rätsel. Ach ja, und Gottfrieds große Leidenschaft ist Tango tanzen. Jeden Donnerstagabend.

(Memo: Artikel ausdrucken und morgen Frau Übermop mitbringen)

Samstag, 11. Juli 2009

Happy Mopping

Heute war mein erster Putzeinsatz in einer Privatwohnung. Um neun Uhr waren wir verabredet zum Kaffeetrinken, halbe Stunde Wohnung gemeinsam checken, dann musste der auftraggebende Freund auf die Arbeit gehen. Sagenhaft guter Kaffee aus einer kleinen, kompakten italienischen Maschine. "Trink so viel du willst." Solche Jobs mag ich schon von vorneherein. In den Kühlschrank hat er vorsorglich einen Piccolo gestellt. Für den Kreislauf der Putzfrau. Ein Wahnsinnsauftraggeber. Es gibt auch andere.
Wir machten einen Rundgang durch die kleine Wohnung. Fenster, Böden, Bilder und Bilderrahmen, Schränke, Glastische, Türen, Holzleisten und und und, "halt alles mal so richtig von Grund auf". Badewanne, Waschbecken, Toilette, Spiegel, Heizungsrohre und und und, "eigentlich überall, siehst du ja selbst, wie es hier aussieht." In der Tat, ich sah es mit eigenen Augen. Da gehst du durch, sagte ich mir. Einfühlsam erkundigte ich mich, ob es vielleicht sein könne, dass er am Wochenende Damenbesuch erwartet? Ein vernichtender Blick traf mich, ein Daumen wies schräg nach oben hinten,
und ich hielt die Klappe.
In einem schmalen Einbauschrank stand ein wuchtiges Trumm von Staubsauger. "Also, er saugt", sagte der Hausherr, wobei seine Stimme am Ende nach oben ging - statt nach unten, wie wenn einer einen Satz beendet. Es klang verdächtig nach 'er saugt KOMMA ABER'. Ich sagte nichts. "Ja wirklich, er saugt, nur die Saugleistung ist halt nicht so der Knaller", vorgetragen in nochchalantem Ton, als ob es kaum Belangloseres gäbe als die Saugleistung eines Staubsaugers. Ich guckte streng. "Okay, okay, er saugt, aber er saugt halt nicht wirklich." Das ist doch schon mal eine Aussage. Noch dazu eine zutreffende: Dieser Staubsauger klingt wie ein Staubsauger, verhält sich aber nicht wie einer. Er macht nicht gerade das Gegenteil dessen, was ein Staubsauger tun sollte, das nicht, aber effektiv machen tut er eigentlich nichts. Außer Krach.
Als der Hausherr schließlich auf meine Frage "wo hast du einen Eimer?" zur Antwort gab "Eimer, wieso Eimer?", da schwante mir, welche gigantische logistische Herausforderung auf mich zukam. Ohne Eimer ist die Putzfrau nichts. Eimer ist so was von basic, dass ich ihn noch nicht mal auf meiner Checkliste stehen hatte. Und jetzt das.
Auf diesen Schreck tranken wir noch einen Kaffee, fanden die Situation irgendwie ziemlich lustig und beschlossen, halt das Beste draus zu machen. Also, ich. Was ich dann auch tat. Ich gab mein bestes Mopping. Natürlich keineswegs in vier Stunden. Nach vier Stunden war noch nicht einmal jener immer wieder faszinierende Umschlagspunkt erreicht, wo die Putzfrau im Gesamtbild deutlich mehr Sauberkeit und Ordnung wahrnimmt als Schmutz und Chaos. Ein wunderbarer Umschlagspunkt, von dem an alles leichter und schneller von der Hand geht. Ein richtiger Antreiber. Hat das heute lange gedauert, bis ich endlich Land gesehen habe.
Erfreulicherweise handelte es sich um eine Junggesellenwohnung, wo bekanntlich ganz oben statt einer Dunstabzugshaube ein Deckenventilator hängt. Das Geschaufel dieses Riesenviechs und sein gemütliches leises Schnurren haben den Wellnessfaktor der ganzen Ochsentour entschieden angehoben. Der Kaffee wurde mit jeder Tasse besser. Den Piccolo habe ich um 14 Uhr getrunken, als der magische Moment des Umschlags gekommen war. Alles in allem ging es mir verdammt gut, obwohl es verdammt anstrengend war.
Ganz am Schluss klopfte ich die Fußmatte auf dem Balkon aus und las, was darauf stand. Genau, dachte ich, Spielwiederholung wäre nicht schlecht, und dann dachte ich, es kann bestimmt nichts schaden, dem Hausherrn, Auftraggeber, Gastgeber und Freund etwas zu hinterlassen in Sachen Eigenacquise. Kapiert der bestimmt, dachte ich.

Freitag, 10. Juli 2009

Nebenjob

Gerade hat mich ein guter Freund kurz besucht. Er gehört zu den wenigen Menschen meines Umfeldes, mit denen ich mich ganz locker über meine Erfahrungen als Putzfrau unterhalten kann, ohne den sonst bei diesem Thema gern aufkommenden Kommunikationsstress (reicht beim Gegenüber von Peinlichberührtsein bis mittlerem Schockzustand). Wir plauderten über dies und das, auf einmal schaute er eine Weile lang so vor sich hin und sagte dann: Ich möchte gern mal über was mit dir reden. Nur zu, antwortete ich und harrte der Dinge. Es dauerte, bis er mit der Sprache rausrückte. Nach einigen verbalen Verrenkungen und geschätzten 27 mal 'ähm, also, was ich dich mal fragen wollte, also, versteh mich nicht falsch, öhm...' sprach er schließlich mit fester Stimme: Ich bräuchte für morgen dringend jemanden zum Putzen bei mir zuhause. Sag's doch gleich, erwiderte ich. Puh, machte er und schnaufte tief.
Kann ich übernehmen, sagte ich und besann mich auf das, was ich in einschlägigen Online-Putzforen (die heißen dann irgendwas mit Gebäudereinigung) gelernt hatte: Der Profi fragt in solchen Fällen unbedingt und zuallererst, ob der Auftraggeber die Arbeitsmittel stellt. Ein gutes Vorgehen, weil es das Geschäftsanbahnungsgespräch sofort angenehm versachlicht. Man hat was Konkretes zum Drüberreden. Ich frage also, ob der Auftraggeber die Arbeitsmittel stellt, und er sagt erleichtert, ja klar, er habe alles nötige zuhause.
Das wollte ich genau wissen. Wirklich alles? Bodenreiniger? Klar, jedenfalls so eine Art Allzweckreiniger habe er. Glasreiniger? Ähm, nee, dazu nehme er immer Spülmittel. Oh. Besen und Schaufel? Nein, brauchst du nicht, es gibt einen Staubsauger, keinen ganz modernen, aber geht so. Wie, geht so, frage ich misstrauisch, geht wie? Auf Laminat geht er ganz gut, sagt der Auftraggeber. Hm. Grillreiniger? Es stellt sich heraus, dass nur Wohnzimmer- und Badezimmer-Intensivreinigung gewünscht wird; keine Küche, kein Schlafzimmer. Gut. Schwämme und Schwammtücher? Einen Schwamm habe er, sagt der Freund. Einen Schwamm?, frage ich. Ja, mindestens, antwortet er. Aha. Gut, dass wir über alles gesprochen haben.
Der Rest ging schnell und unkompliziert. Vier Stunden sind vereinbart, die Stunde merklich über dem Mindestlohn. Cool. Morgen früh um neun.

Donnerstag, 9. Juli 2009

Auf dem Lokus sitzt ein Jokus


Ja, ist denn das die Möglichkeit? Die Brombeeren reifen!
Wieso tun die das? Die dürfen das doch noch gar nicht, jetzt, Anfang Juli. Sondern frühestens im August. Als relativer Brombeerbanause habe ich mich bei Experten rückversichert; tatsächlich, es heißt, die Früchte könne man von August bis Oktober ernten.
Ich erntete heute, am 9. Juli: reif, süß und vollmundig, mit leicht pelzigem Abgang.
Immer noch erstaunt über die frühreifen Früchtchen, kam ich auf den Recherchetrip. Man glaubt es kaum, wieviele unterschiedliche Dialektausdrücke es für die Brombeere gibt. Der beste von allen kommt unzweifelhaft aus Schlesien. Die Leute dort sagen statt 'Brombeere' ein Wort, das man in meiner Region höchstens zur Bezeichnung eines hirnamputierten Vollkoffers verwendet: Brombeere heißt auf schlesisch - echt jetzt, ohne Scherz - 'Arschbeere'. Arschbeere! Hat man Töne? Hat man keene. Ich rief einen Freund mit ausgewiesener Dialektobsession an und fragte ihn, was er, ohne nachzudenken oder nachzuschlagen, unter Arschbeere verstünde. Er wollte sich vor Lachen gar nicht mehr einkriegen und antwortete: Ganz klarer Fall, das müsse ein umgangssprachlicher Ausdruck für 'Hasenköttel' sein. Der Freund ist Hamburger und sprach das Fremdwort aus wie 'Hasenköddl', was mich an 'Brunsbüddl' erinnerte, wo der Freund längere Zeit gelebt hat. Wie, Köddl?, fragte ich, was das denn sein solle? Er klärte mich über die etymologische Verwandlung von 'Kot' in 'Köttel' auf. Aha. Wieder was gelernt. Ich meinerseits nenne die fragliche Absonderung 'Hasenknödel'.
Wie das dann so ist, der schlesische Arschknödel ließ mir keine Ruhe, ich graste das Guugel-Universum genauso systematisch nach Brombeeren ab wie heute mittag die wildwuchernde Hecke. Und wurde abermals fündig, ausgerechnet bei einem bekannten Onlinewarenversender. Der bietet allen Ernstes einen Klosettsitz namens 'Brombeere' an für schlappe 37,95 Euro, mit der Produktbeschreibung 'sehr kratzfest'. Ich betrachtete melancholisch meine Unterarme, die von der Brombeerhecke sehr feste zerkratzt worden waren. Dachte an die schlesische Arschbeere, wie sie sich wohl auf dem Brombeer-WC-Sitz machen würde. Und kam zu dem Schluss, dass etwaige Analogien mit dem gestrigen Blogbeitrag rein zufälliger Natur wären.

Mittwoch, 8. Juli 2009

Sanitäre Geschlechterforschung

Alle zwei Wochen ist mittwochs Fensterputztag. Heute wären also wieder die Restaurantfenster fällig gewesen, jedoch, der Dauerregen warf den Putzplan über den Haufen. Weil Regen jedes geputzte Fenster auf der Stelle in ein ungeputztes verwandelt. "Immer schön flexibel bleiben", meinte Frau Übermop, als ich meinen Dienst antrat: Statt der Fenster bekam ich die Toiletten zugeteilt. Keine Frage, ich putze zehnmal lieber Fenster als Toiletten, was insofern günstig ist für mich, als Frau Übermop hundertmal lieber die Toiletten putzt als die Fenster. Zumal die Toiletten vierzehnmal so oft geputzt werden müssen wie die Fenster, ist ja klar.
Es wurde heute also umdisponiert, zum einen wetterbedingt, zum andern aus, nun ja, sagen wir 'erzieherischen' Gründen, oder wie die Große Mop-Vorsitzende es ausdrückte, "damit du nicht aus der Übung kommst". Denn selbstverständlich hatte ich in den ersten Tagen meiner Putztätigkeit ein Allroundtraining verpasst bekommen, zu welchem auch die Toilettenreinigung gehört. "Überall mal reinschnuppern", hatte das damals auf Übermop-Deutsch geheißen, was im Falle der Toiletten sprachlich vielleicht nicht ganz erste Wahl, andererseits durchaus treffend ist, schließlich kann man sich beim Putzen ja nicht die Nase zuhalten. (Allmählich wird, so hoffe ich, meine Vorliebe für Lindenblüten- und Kamilledüfte nachvollziehbar.)
Jedenfalls wusste ich heute, was auf mich zukommt: Ich mache 'es' nicht gern, aber es macht mir auch nicht übermäßig viel aus, und da ich es schon ein paar Mal gemacht hatte, schnappte ich mir meine Utensilien - Eimer, Desinfektionsmittel, WC-Ente und so - und legte los.
In Ermangelung erwähnenswerter subjektiver Ekelkomponenten schien es mir angemessen, die Sache aus soziologischer Sicht zu betrachten, denn nicht zum ersten Mal stand die Frage im sanitären Raum: Wieso werden Herrentoiletten von ihren Benutzern signifikant sauberer hinterlassen als Damentoiletten? Nun ist zwar so ein Blog nicht das passende Örtchen, um unappetitliche Details aufzulisten, aber so viel sei immerhin gesagt: In jedem öffentlich zugänglichen Klo pflegt ein Eimer zu stehen, in welchen hinein der Benutzer/die Benutzerin all das entsorgen kann, was nicht in die Toilette gehört. Gut, da haben die Herren womöglich weniger zu entsorgen als die Damen, weshalb der Herreneimer fast immer leer ist; nur ist der Dameneimer ebenfalls meistens leer, nicht aber das unmittelbare Umfeld des Dameneimers, sprich der Boden. Können die Mädels nicht zielen oder fangen sie auf dem WC an zu schielen oder was ist da los?
Auch heute war der Damentoiletteneimer wieder mal fast inhaltsfrei, bis auf ein paar kaum nennenswerte Partikelchen. Drumherum sah es aus wie bei Hempels unterm Sofa, wiewohl ich damit den Hempels höchstwahrscheinlich Unrecht tue, denn vermutlich wird es selbst bei Hempels unterm Sofa manierlicher aussehen. Nun gut. Ich tat, was zu tun war. Dann leerte ich den Eimer. Wollte ihn leeren, ging aber nicht. Weil das, was drin war, am Boden des Eimers festklebte. Hartnäckig. So dass mir der Griff in den Eimer - gesegnet sei die Erfindung der Latexhandschuhe - nicht erspart blieb. Nach einiger Mühe hatte ich endlich die fünf alten Kaugummiknuddel entfernt: fünf ausgekaute Kaugummiknuddel, allesamt fein säuberlich zu kugelrunden adretten Bällchen gerollt und von fünf Damen (eine allein wird's ja wohl nicht gewesen sein) so zielsicher wie präzise ins Eimerchen geschnickst. Na bitte, dachte ich, geht doch. Wieso schaffen die das mit winzigkleinen Kaugummikügelchen, nicht aber mit größeren Objekten? Und warum schmeißen sie ihre Kaugummis nicht gleich in die Toilette, wo sie (die Kaugummis) keine Chance haben festzukleben? Und weshalb verwechseln sie eine Gastronomietoilette mit einer Sanitärmülldeponie?
Ja, ich weiß, über so etwas spricht man nicht, aber so etwas macht man auch nicht. Würde so etwas nicht gemacht werden, müsste auch nicht darüber gesprochen werden. Gut, dass man mit Frau Übermop über derlei Genierliches ganz ungeniert sprechen kann; ich kam aus der Toilette, schimpfte wie ein Rohrspatz und fragte sie, wieso das so sei mit den Mädels und den Jungs und den geschlechtsspezifischen Hygieneunterschieden. "Wusstest du das nicht?", fragte sie zurück, "das war schon immer so", und nach einer Pause, "bei sich zuhause auf der Toilette machen sie so was nicht", woraus wir beide im gleichen Atemzug schlussfolgerten, "da haben sie ja auch keine Putzfrau." Und weil Frau Übermop gern das letzte Wort hat, setzte sie noch einen drauf, "... und wenn sie eine hätten, dann würden sie sich vor der Putzfrau schämen, so etwas zu machen."
Sozialpsychologisch astrein auf den Punkt gebracht. Gezielt, getroffen, versenkt. Eins-Null für Frau Übermop. Na ja. In diesem speziellen Fall wohl doch eher Null-Null.

Dienstag, 7. Juli 2009

Lindenstraße

'Es ist würdig und recht, meine Wege, wohin sie auch führen, mit lieblich duftenden Lindenblüten zu bedecken.'
Ein heller, unwiderstehlich sommerlicher Duft liegt dieser Tage in der Luft. Man kann gar nicht so viel ausatmen wie man einatmen möchte.
Komischerweise roch es unter dem nächsten Baum
auch ganz intensiv nach Lindenblüten, obwohl das eindeutig keine Linde ist, obwohl die Blüten haargenau wie Lindenblüten aussehen, oder bringe ich jetzt etwas durcheinander? Wie auch immer, mich macht dieser Lindenblütenduft immer so beschwingt. Machte. Seit heute macht er mich besoffen.
Seit es nämlich gestern abend und heute vormittag heftig, ja unwetterartig geregnet hat und die Stürme alle Blüten von den Ästen gepeitscht haben. Jetzt liegen die Dinger überall als feuchte gelbbraune Pampe auf der Erde und, fürwahr, bedecken alle meine Wege, wohin diese auch führen. Fühlt sich unterm Fahrrad an wie Schmierseife.
Riecht unglaublich. Die regenschwere Luft ist gesättigt von den Blütenausdünstungen: süß, schwer, vital, mit leichter Fäulnisnote. Zum Absteigen gut.

(Ursprünglich wollte ich heute etwas über schlechte Gerüche schreiben. Mitunter bin ich - selbst bei ausgeschöpfter Ekeltoleranz - auf der Putzarbeit mit Gerüchen konfrontiert, die sind nicht von dieser Welt. Zum Umfallen schlecht. Zum Drüberschreiben zu schlecht, habe ich gerade beschlossen.)

Montag, 6. Juli 2009

Hauptsache feiern

Manchmal schreibt das Leben Geschichten, die kann man nicht erfinden. Manchmal sagen Menschen tolldreist-geniale Sachen, ohne es zu merken. Frau Übermop, zum Beispiel. Heute. Sie erzählte vom Wochenende, das sie in ihrem Heimatdorf verbracht hat. In der Nähe der ländlichen Gegend, wo sie aufgewachsen ist, waren früher viele amerikanische Soldaten stationiert. Dorfbevölkerung und GIs lebten offenbar in mehr als friedlicher Koexistenz, denn es wurde miteinander gefeiert, dass die Grillplätze wackelten. Oder die Barbecue Locations, egal. Die hohe Volksfestaffinität scheint die beiden Stämme so innig verbunden zu haben, dass selbst heute, wo längst keine Amerikaner mehr vor Ort sind, im Geiste amerikanischer Traditionen weitergefeiert wird. Also wurde logischerweise auch am 4. Juli eine ordentliche Sause durchgezogen.
Und jetzt kommt's. "Stell dir vor, die haben am Samstag den amerikanischen Abhängigkeitstag gefeiert", sagte Frau Übermop ganz beiläufig. Ohne mit der Wimper zu zucken. Mein Unterkiefer rutschte ein bisschen tiefer als da, wo er eigentlich hingehört. Dann wollte ich etwas sagen. Dann ließ ich es bleiben. Abhängigkeitstag. Das ist ohne Worte. Alles Konsens oder was.

Sonntag, 5. Juli 2009

Sonntagslese

Heute früh, als es noch schön kühl war, beschloss ich einen Post zu schreiben, solange es noch schön kühl ist. Sonst nimmt der Tag und damit die Hitze seinen/ihren Lauf, und bis zum Abend ist der Kopf samt Rest derart aufgeheizt, dass einem wieder nur das naheliegendste Thema zum Posten einfällt, nämlich eben die Hitze des Tages.
Heute früh also dachte ich: Jetzt wird es mal Zeit, dass dein Blog eine anständige Blogroll bekommt. Wunderbar, dachte ich, easy job, das schaffst du, bevor die Monsterhitze über dem Planeten zu kochen anfängt und die Finger an den Tasten kleben bleiben. Weil, so dachte ich, eigentlich brauche ich ja nur meinen Guugle reader zu flöhen und meine Lieblingsblog-Abos zusammenzustellen, und fertig ist die Blogroll.
Tja. Inzwischen ist es der Tag fast rum und keine Blogroll, nirgends. Weil tierisch abgestürzt in den Tiefen alter und neuentdeckter Blogs bzw. Blogbeiträge. Nur gelesen, gelesen, gelesen. Sonst nicht viel getan außer geschwitzt. Und weil mir das Thema Hitze mindestens genauso weit zum Halse heraushängt wie die Hitze selber, mache ich's jetzt kurz und liste einfach ein paar Juwelen aus meiner Kollektion auf.

Culture of Life News und Clusterfuck Nation sind schuld daran, dass ich manchmal fast vergesse, neuerdings ein eigenes Blog zu haben, das gefüttert werden will - weil ich bei beiden gnadenlos zu versacken drohe. So viel Klugheit! So viel Schreibkraft! So viel Herzblut!
Ich empfehle wärmstens die Lektüre des aktuellen Clusterfuck-Beitrages zum Tod von Michael Jackson. Der Autor James Howard Kunstler zieht bemerkenswerte Parallelen zwischen der Bankrottheit des amerikanischen Systems und der Bankrottheit des Systems Michael Jackson. Man muss MJ weder mögen noch hassen, um darüber ins Nachdenken zu geraten.
Von 'Bankruptcy' handelt auch Elaine Meinel Supkis' heutiger Beitrag in Culture of Life News: 'The mainstream media is slowly going insane as it inevitably goes bankrupt.' Aktuell hatte die Washington Post ein konspiratives Treffen ('a secret salon') von Journalisten mit Lobbyisten geplant. Gegen Bezahlung. Der Plan flog auf. Starke Geschichte, oder, mit Elaines Worten, "well, tough titties".

Karl Denninger und Mike Shedlock sind schuld daran, dass ich meinen Glauben an die Unschuld beziehungsweise an großmäulige 'green shot campaigns' (Gutwetterkampagnen) zum Thema Wirtschaftskrise verloren habe. Überaus informative, stark frequentierte Kommentarforen.

LOLFed ist stets zur Stelle, wenn mir mal wieder das Lachen vergeht über das, was in Amerika passiert. Sehr witzig kommentierte Bilder, herrlich ätzende Kurzbeiträge, tolle Links. Einer der aktuellen Links führt zu der Zeitschrift Playboy mit einer Reportage über das Leben in Saus, Braus und Stress, welches arbeitslose Investmentbanker aus New York in Buenos Aires führen. "They all buy coke from me and blow it immediately. That's the American way - consume, consume", sagt der Drogendealer Marcello und erklärt, wie einfach er die Gringos erkennt, "(they always) spent a lot of money on drinks and are bad dancers and always too drunk. So it is easy for my guys to find them." Was sich lohnt, denn den miserablen Tänzern knöpft er 120 Pesos für das Gramm ab; örtliche Kundschaft bezahlt nur 50 Pesos.

Ebenfalls aus Buenos Aires stammt FerFals Blog Surviving in Argentina. Der Mann erzählt in drastischen Farben von der Krise, die seit 2001 herrscht. Die Leute dort scheinen bereits einiges gewöhnt zu sein, es lässt sich vieles lernen für kommende Zeiten, von Notvorratshaltung über Kriminalität bis hin zu Waffentipps. Alles sehr nah, sehr konkret beschrieben, ohne politisch korrekte Verrenkungen. Hochinteressant die Berichte über die aktuelle Ausbreitung des H1N1 Virus in Argentinien: Das Killervirus hat vorzugsweise gesunde Teenager und junge Erwachsene im Visier, 'Lungs that "catch fire" in hours'.

Robert Misik von misik.at mag ich, weil er journalistisch in Wien unterwegs ist und dabei nicht nur Wien kritisch im Blick hat, sondern die ganze Welt oder jedenfalls die Krisenherde in ihr, also doch die ganze Welt.

Feynsinn lese ich gern wegen seines soziologischen Durchblicks und weil sich bei ihm feinsinnige und deftige Schreibe nicht gegenseitig ausschließen. Sowohl Feynsinn als auch FerFal vom Argentinienblog leiden gerade unter argen Grippesymptomen. Gute Besserung.

Bei den Stützen der Gesellschaft lungere ich gerne herum, weil Don Alphonso immer so schön die Zündschnur auslegt und hernach im Kommentarbereich der Teufel los ist.

Wulffmorgenthaler sind zwei dänische Comiczeichner, nicht gerade von der subtilen Sorte. Muss man mögen. Ich mag nicht alle Comics von ihnen, aber manche habe ich zum Fressen gern.


Rebhuhn ist schuld daran, dass ich heute an meiner Blogroll gebastelt habe, wenn auch mit mäßigem Erfolg. Das Gute an Rebhuhns Blog: Es bringt mich immer wieder verlässlich auf schräge Gedanken.


Samstag, 4. Juli 2009

Heiße Luft


Schaufenster eines Jalousienhändlers
Standort: pralles Sonnenlicht
Dekoration: drei brennende Minihalogenstrahler und drei rotierende Miniventilatoren
Zeit: 10:45 Uhr
Außentemperatur: 30 Grad Celsius*

Muss man auch erst mal draufkommen: Die Jalousie schützt vor Sonne und Hitze, drum verschafft sie Kühlung. Oder anders gesagt: Weil die heiße Luft weggewedelt wird, bevor sie durch die Lamellen dringen kann, bleibt es hinter der Jalousie schön kühl. Oder so: Wenn da keine heißen Lämpchen hingen, bräuchte es auch keine kühlenden Ventilatörchen. Aber dann bräuchte es ja auch keine Jalousie. Und dann wäre es keine Werbung.

*siehe die rote elektronische Schriftfläche oberhalb der Jalousie. Warum die Kamera nur das obere Drittel der Temperaturanzeige wiedergibt, bleibt mir ein schwülheißes Rätsel. Im Schaufenster selbst waren es 'komplette' 30 Grad C; vor ihm gefühlte 35 Grad, nachdem ich bestimmt 87 mal aus verschiedenen Winkeln vergeblich versucht habe, die rote Schrift vollständig zu fotografieren.

Freitag, 3. Juli 2009

Beschattung


Zur Zeit sehnt man sich ja durchaus nach Alternativen zur Sonnenseite des Daseins. Ab fünf Uhr nachmittags, wenn der Kopf schwer und der Hitze müde wird, verwandelt sich mein neu entdecktes Lieblingsplätzchen in eine meditative Oase des Schattens. Über was da so meditiert wird? Na, über die Schattenseiten des Daseins. Geht gut von da oben aus. Nach einer Stunde Beschattung war ich wieder klar im Kopf.