Donnerstag, 31. Mai 2012

Wahn, grenzenlos


"Chaos" in Griechenland, und was fällt dem Rest Europas dazu ein? Na? Grenzen dichtmachen, was sonst.
"Es gibt im Rat bereits eine Diskussion darüber, wie man die Grenzen zumachen könnte im Fall eines Ausnahmezustandes. Alle Staaten bereiten sich auf solche eine Möglichkeit vor."
Panik erfasst die Titanic.
Zunächst müsste geklärt werden, welche Stufe von Bedrohung zur Anwendung kommt. "Angrenzende Länder könnten im Falle einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung von sich aus umgehend und für zunächst 30 Tage die Grenzen dicht machen."
Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung? Ein Massen-Exodus von einer Million illegaler Immigranten wird befürchtet. Gibt es sonst noch etwas zu befürchten für die ordnungs- und sicherheitsliebenden Mittel- und Nordeuropäer? Nö, wieso denn, wenn nur diese lästigen Griechen nicht wären, die uns jetzt zu überschwemmen drohen.

Die Meldung stammt aus der Tageszeitung Der Standard aus Österreich, einem seit jeher um Ordnung und Sicherheit besorgten Land. Ja, grenzt denn neuerdings Österreich an Griechenland? Nö, das nicht, aber Österreich suhlt sich gern in der Beschaulichkeit einer 'Insel der Seligen' und möchte seinen gemütlichen Status unbedingt aufrechterhalten.
Österreich, das mit Griechenland keine gemeinsamen Grenzen hat, wäre von einem solchen Ausnahmezustand kaum betroffen. Die Kontrollen müssten nur auf den Flughäfen erfolgen, die eine direkte Verbindung nach Griechenland haben.
Hauptsache, es gibt etwas zu tun, wenn der europäische Kontrollwahn - wie war das nochmal mit der bürgernahen Utopie offener Grenzen? - sich organisiert. Und wehe, irgendein griechischer Immigrant kommt auf die Idee, die selige Alpeninsel auf dem Landweg zu entern.

Keep Talking Greece weiß von unbestätigten Gerüchten:
Nach allseitiger europäischer Grenzschließung sollen aufsässige griechische und andere Immigranten nonstop und rund um die Uhr mit Tränengas bekämpft werden. Nach deren erfolgter Vernichtung wird ein Recyclingprogramm in Kraft treten, selbstverständlich eines, das EU-Normen gehorchen wird.

The Big Bang


Ruhe bewahren
und
draufhauen

Casseroles Night in Canada

Die kanadischen Bürger schlagen Krach, und das im großen Stil. Gestern war - "from coast to coast" - die 'Lange Nacht der Töpfe' ausgerufen worden, und alle strömten zusammen, hauten drauf, hatten Spass und blieben cool. Ruhe bewahren und draufhauen - fällt jemandem ein noch zündenderer revolutionärer Schlachtruf ein?


Wer es auf die Straße nichts schafft, stellt sich vors Haus, auf den Balkon, ans offene Fenster und haut drauf. Nach Leibeskräften. Muss man sich so vorstellen:


Offensichtlich hat es in Vancouver in Strömen geregnet, was die Leute weder vom Zusammenströmen noch vom Draufhauen abgehalten hat.




Was für glücksstrahlende Gesichter. Das muss vom Draufhauen kommen. Vom Krachschlagen. Vom Sich-Gehör-verschaffen. Von der Lust am rhythmischen Lärm. Kennt eigentlich jeder, der mal ein Kleinkind war und lieber rebellisch auf den Topf draufgehauen hat anstatt brav etwas hineinzumachen.

Gestern erzählte ich begeistert jemandem, der sich laut Selbstauskunft "politisch links" positioniert, von dem kollektiven politischen Topfschlagen, das ganz Kanada erfasst hat, und erhielt als Reaktion ein leicht gequältes Gesicht, gefolgt von "na ja ... schon ziemlich infantil das Ganze, oder?", worauf mir nichts Gehässigeres einfiel als "du Ärmster, dich haben sie zu früh aufs Töpfchen gezwungen, stimmt's?" Danach sprachen wir nur noch übers Wetter.

Casseroles 26 mai
"If you keep us from dreaming, we'll keep you from sleeping"


Mittwoch, 30. Mai 2012

Pianoforte


How to make love to the piano.


Play it again, please.

And again.

And again.

And again.

Zum Schießen


Vorgestern war Memorial Day in Amerika. Viel Feierliches wurde gesprochen. Es fand auch eine feierliche Gedenkfeier aus Anlass des 50. "Jahrestages" des Vietnamkrieges ("Auf alles schießen, was sich bewegt!") statt. Dabei fielen die Worte:
Wir hassen Krieg. Wenn wir kämpfen, dann nur, weil es sein muss, um uns zu schützen.
Wer hat's gesagt?

Nein, das war nicht der da. Von dem stammt das da:
Ich möchte euch einfach klar machen: Wenn wir über Krieg sprechen, sprechen wir in Wirklichkeit über Frieden.
Kleiner Tip:

Das erste Zitat kam aus dem Mund eines Friedensnobelpreisträgers, der sich dessungeachtet auch einen Namen als Drone Warrior-in-Chief* gemacht hat. Derzeit heimst er einen Preis nach dem anderen ein.


*Oberster Feldherr über den Einsatz von ferngesteuerten Raketen

Aufgebrüht


Sprechblasen vom Frankfurter Lokalboulevard:

BrüBrüBlaBa

Brühwarmer Brüderle-Blah im Bankenviertel

"'Savoir vivre' kann nicht heißen, dass nur wenige zahlen und alle genießen."
Nope, brother, das haben wir schon längst gecheckt.

Umgekehrt wird ein Schuh draus.

Drum sagen wir auch nicht savoir vivre,
sondern 'wissen, wo's lang geht'.

Mind the Crap


Wenn ich etwas liebe, dann sind es spontane Wortschöpfungen - geboren aus dem Augenblick der Not, der Klarsicht oder dem Sinn fürs Absurde.

Voilà:
(Evacuating) The Tispanic
Alles drin in diesem struppigen Wortgewächs:

- situative Panik, buchstabiert auf Spanisch;
- reimt sich auf Hispanic;
- jeder denkt sofort an die unselige Titanic und deren jämmerliches Absaufen.

Panik auf der Tispanic. Da rattert es im Assoziationsgetriebe: Aha - die Ratten verlassen das sinkende Schiff. Zwar wird uns immerzu erzählt, der Kapitän bleibe bis zum bitteren Ende an Deck und gehe als Letzter von Bord oder notfalls mit unter. Das ist aber reine Folklore und gilt nur für den ehrbaren Berufsstand der Kapitäne, keineswegs für den der Politiker und Banker. Den Blick fest gerichtet - nicht etwa auf den Eisberg, sondern auf die Rettungsboote.

Könnte ich jetzt stundenlang und mit wachsender Begeisterung drüber ablästern, wäre da nicht eine weitere geniale Wortschöpfung, die alles Ablästern ins Feinstoffliche pulverisiert.

Voilà:
And that, my friends, is that.



What one says when one is afraid to say 'shit'.

Montag, 28. Mai 2012

Katzenjammer


Ich bin ja sonst nicht so der Katzencontenter.
Aber der muss sein:


Hommage à Lagarde


the lady's hit by the music.

Es kann sich jeder selbst aussuchen, womit er Psychopathen bewirft, die ganze Länder - und damit Menschen - willentlich in den Ruin treiben. Manche greifen zu Joghurt, manche zu Eiern oder Tomaten, andere zu Schuhen. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.

Vielleicht nicht das schlechteste Wurfgeschoss von allen ist eine geballte Ladung Musik. Möge sie Christine Lagarde um die Ohren fliegen,
"... für ihre absolut lächerlichen Bemerkungen über griechische Kinderarmut, die sie weniger betroffen mache als die weitaus schlimmere Armut afrikanischer Kinder. Deshalb widme ich der geschäftsführenden Direktorin jener globalen Organisation, die am meisten beigetragen hat zu Kinderarmut in Afrika und Lateinamerika, und die jetzt alles in Bewegung setzt, um ähnliche 'Reformen' nach Griechenland zu bringen, die folgende Strophe..."
- und dann haut der griechische Wirtschaftsprofessor Yanis Varoufakis der siegessicheren Dame ("There's a lady who's sure...") den grandiosen Led Zeppelin um die Ohren, dessen grandioser Song Stairway to Heaven der Dame wie auf den Leib geschrieben ist.

There's a lady who's sure all that glitters is gold,
and she's buying a stairway to heaven
When she gets there she knows, if the stores are all closed
with a word she can get what she came for.
And she's buying a stairway to heaven.

There's a feeling I get when I look to the west,
and my spirit is crying for leaving.
In my thoughts I have seen rings of smoke through the trees,
and the voices of those who stand looking.

And it's whispered that soon, if we all call the tune,
then the piper will lead us to reason.
And a new day will dawn for those who stand long,
and the forest will echo with laughter.
If there's a bustle in your hedge row don't be alarmed now,
it's just a spring clean for the may queen.
Yes, there are two paths you can go by, but in the long run,
there's still time to change the road you're on.

Your head is humming and it won't go, in case you don't know.
The piper's calling you to join him
Dear lady, can you hear the wind blow, and did you
know your stairway lies in the whispering wind?

And as we wind on down the road,
our shadows taller than our souls,
there walks a lady we all know
who shines white light and wants to show
how everything still turns to gold.

And if you listen very hard,
the tune will come to you at last,
when all are one and one is all,
to be to rock and not to roll.*
Gehen Sie schon mal in Deckung, verehrte may queen, weil, when we all are one and one is all, to be to rock and not to roll, dann wird es keine goldene Treppe mehr in den Himmel geben, sondern nur noch eine schlechtgepflasterte zur Hölle, zu der Sie dann gerne fahren dürfen.

Um weitere Wurfgeschosse nicht verlegen, empfiehlt der musikalische Volkswirt aus Griechenland - als sardonischen Soundtrack - noch den alten Partisanensong Bella Ciao aus dem antifaschistischen Widerstand in Italien, in der wunderbar aufgekratzten Interpretation von Manu Chao:


Es gibt gewiss hässlichere Methoden, um zum Teufel geschickt zu werden. Aber kaum beflügelndere.

Und jetzt alle:


*(Eine deutsche Übersetzung findet sich hier.)

Sonntag, 27. Mai 2012

Casseroles of Quebec, unite!


Quebec, 22. Mai 2012

Die Kanadier zeigen, wie ziviler Ungehorsam geht. Jeden Abend. Die halbe Nacht durch. Seit über hundert Tagen. Täglich werden es mehr (am Dienstagabend über 250.000 in Quebec). Sie sind wie im Rausch, dabei kämpfen sie eigentlich 'nur' für ihr demokratisches Recht auf freie Rede, freie Versammlung und freien Protest unter freiem Himmel.

Nicht zu vergessen: das Recht auf geräuschvollen Widerstand.

Angefangen hat alles mit massiven Studentenprotesten gegen die massive Erhöhung der Studiengebühren (Red Square Revolt). Weil das der kanadischen Regierung nicht passte, hat sie in einem Nacht- und Nebel-Eilverfahren ein repressives Gesetz durchgepeitscht ("Loi 78"), das die Versammlungs-, Rede- und Protestfreiheit rigide einschränkt: Seit Freitag ist jede spontane Versammlung unter freiem Himmel illegal.

Streetart:
wurde der Polizei von Quebec
zur freundlichen Kenntnisnahme vorgelegt,
als sie von den Protestierenden
einen Demonstrationsrouten-Verlauf forderte

Weil das den Protestierenden nicht passte, haben sie gerufen:
jetzt erst recht!

Weil dem Rest der Bevölkerung einleuchtete, dass sich demokratische Grundrechte nicht im Hauruck-Stil in die Tonne treten lassen, hat sie gerufen: nicht mit uns!

Weil die Bevölkerung sah, dass Protestieren sinnvoll ist, hat sie gerufen: nicht ohne uns!

Und seither sind alle auf der Straße, Abend für Abend, und schlagen Krach. Schlagen auf Töpfe. Bratpfannen. Woks. Schlagen mit Kochlöffeln, Schneebesen, Deckeln. Schlagen mit allem, was die Küche hergibt. Mir scheint fast, in vielen kanadischen Küchen ist derzeit nur noch die Spüle übriggeblieben, alles andere wird perkussiv verfremdet und zum Protest umfunktioniert.
Um acht Uhr abends renne ich aus dem Haus mit einem Kochtopf und einem Kochlöffel, und während ich meinen Protestkumpels entgegenlaufe, höre ich Leute auf ihren Balkonen auftauchen, und dann fängt die Musik an. Ich wünschte - falls ihr woanders lebt -, ich könnte euch angemessen rüberbringen, wie sich das anfühlt; vielleicht schafft es dieses Video:

Es ist magisch. Es fängt ruhig an, hier und da ein Sound, dann baut es sich auf. Jeder auf der Straße beginnt zu lächeln. Wenn ich ankomme, grinsen wir alle - Junge und Alte, Kinder und Studenten, Paare und Rentner und Arbeiter und komische Kauze und Hunde und, okay, Nachbarn - grinsen wir alle das breiteste Grinsen, was ihr je erlebt habt, während wir herumtanzen und so viel Krach wie irgend möglich machen. Wir geraten völlig aus dem Häuschen, werden fast ekstatisch vor Freude darüber, unseren Gefühlen freien Lauf zu lassen, Freude, unserem Widerstand eine Stimme zu geben gegenüber einer Regierung, die uns zum Schweigen bringen will, Freude darüber, zusammen und miteinander verbunden zu sein.


Seit fünf Jahren lebe ich in meiner Nachbarschaft, und nie zuvor habe ich mich so stark als Teil einer Community gefühlt. Diese Proteste werden eine langanhaltende Wirkung haben, wie die Menschen in der Stadt miteinander in Verbindung treten, und diese Wirkung ist unglaublich und unglaublich tief. Ich bin in Montreal geboren und aufgewachsen, habe diese Stadt immer geliebt, habe allen erzählt, dass es die beste Stadt der ganzen Welt ist, aber ehrlich - nie habe ich diese Stadt mehr geliebt als genau jetzt.

Dies ist eine Revolution des Zusammenhaltens, der Solidarität.

Am nächsten Abend waren es doppelt so viele Menschen. Heute abend werden es noch mehr sein.

Ich komme von diesen Protesten in euphorischer Stimmung nach Hause. Als ich in der ersten Nacht zurückkehrte, setzte ich mich auf mein Sofa und brach in Tränen aus, weil dieser Akt des Widerstandes - laut, geräuschvoll, gemeinsam mit meinen Nachbarn und mit so viel Freude - so viel Anspannung gelöst hat, die ich mit mir herumgeschleppt hatte, aus Angst vor der Regierung, aus Angst vor Verhaftung, aus Angst vor der Zukunft. Plötzlich fühlte ich mich leichter.

"Liebte ich meine Stadt noch mehr als gerade jetzt, mein Herz würde zerspringen." Wir verwenden häufig das Wort "Liebe". Wir fühlen uns stark. Wir fühlen uns verbunden. Wir fühlen uns wie Sieger.

So sieht Quebec zur Zeit aus: Jede Nacht ist gefüllt mit Tränengas und Bereitschaftspolizei, aber auch mit Freude, Gelächter, Freundlichkeit, Zusammenhalt und toller Musik. Unsere Herzen zerspringen. Wir sind so stolz auf uns, auf den Geist von Quebec und seiner Menschen, auf unsere Fähigkeit zum Widerstand und unsere Fähigkeit zum Zusammenhalt.

"It's really kicking off in Quebec"

Ein engagierter, empfehlenswerter, informativer Artikel von Philippe Fournier, der Politik an der Universität Montreal lehrt und unverhohlen stolz ist auf seine Studenten,
"diese junge Generation, von vielen etikettiert als völlig apathisch und unpolitisch, nimmt einen resoluten Standpunkt ein gegen den eingeschränkten Zugang zum öffentlichen Raum, gegen die Kommerzialisierung von Bildung und gegen die knallharte Law-and-Order-Politik einer arroganten, verantwortungslosen Regierung.

Viele mag dies überrascht haben, denn sie (die Studenten) taten es in Eigeninitiative, ohne die Unterstützung ihrer Politologen-Professoren, die schon seit langem kritisches Denken aufgegeben haben zugunsten des funktionalistischen Nachbetens einer Realität, die von Regierungsgeldern finanziert wird."

Samstag, 26. Mai 2012

Hilf dir selbst


... so hilft dir Gott? Falsch. Hilf dir selbst oder fahr' zur Hölle. So muss das heißen im Jahr 2012, wo Griechen eine Lösung für ihre aussichtslose Lage finden, indem sie sich von Dächern stürzen oder sich auf öffentlichen Plätzen die Kugel geben. Manchen ist das zu radikal, die ziehen die Selbsthilfe via Müllcontainer vor, um Essbares fürs Überleben zu finden, oder setzen ihre Kinder aus, weil sie sie nicht mehr ernähren können.

Hilf dir selbst oder fahr' zur Hölle - der neueste Slogan aus dem Hause IMF und aus dem Mund dessen geschäftsführender Direktorin, Christine Lagarde.
"Ich denke, sie (die Griechen) sollten sich selbst gemeinsam helfen," sagte Frau Lagarde.
Herzlos? Aber woher denn. Frau Lagarde hat ein großes Herz, dem sie Luft macht, indem sie mitteilt, dass ihre Sympathien eher den sozial benachteiligten Kindern Afrikas gelten als den notleidenden Menschen in Griechenland:
"Ich denke viel mehr an jene kleinen Kinder einer Schule in einem kleinen Dorf im Niger, die zwei Stunden Unterricht am Tag erhalten, sich zu dritt einen Stuhl teilen und sehr bildungshungrig sind. In meinen Gedanken bin ich die ganze Zeit bei diesen Kindern."
An diesen Kindern möchten sich die Griechen doch bitte mal ein Beispiel nehmen, findet Lagarde. Die tun was. Die jammern nicht bloß herum. Warum muss Lagarde dauernd an die armen Kinder Afrikas denken?
"Weil ich denke, die brauchen mehr Hilfe als die Leute in Athen."
Ist das nicht herzzerreißend? Spricht das nicht jedem verarmtem Griechen aus der Seele, wenn ihm der IMF beisteht und sagt, es gäbe Schlimmeres als abgegraste Mülltonnen und dem Hunger überlassene Kinder?

Wenn Kinder hungern, müssen - wer sonst? - die Eltern an die Kandare genommen werden. Schließlich sind Eltern verantwortlich für ihre Kinder. Egal, wer dafür verantwortlich ist, dass in Griechenland gehungert wird.
In schroffen Worten - schroffer denn je während der zweieinhalb Jahre währenden Schuldenkrise - erklärt sie, griechische Eltern müssten die Verantwortung dafür übernehmen, wenn ihre Kinder unter den Haushaltskürzungen zu leiden hätten.
Im Klartext: Verantwortungslose Eltern sind schuld, wenn ihre Kinder hungern. Könnten ja etwas gegen das Leid ihrer Kinder tun, diese Eltern, nicht wahr? Aber sie tun es einfach nicht, und deshalb sind sie verantwortungslos. Tun was nicht?
"Eltern müssen eben ihre Steuern bezahlen," sagt sie.
Tja, Frau Lagarde, wenn das so einfach wäre mit dem Steuernzahlen. Dafür braucht man Geld, wissen Sie? Und für Geld braucht man wiederum einen Job, schon was davon gehört? Okay, Frau Lagarde denkt halt, wer in Mülltonnen nach Essbarem wühlt, der macht dies mit dem infamen Hintergedanken, auf diesem Wege Steuern zu hinterziehen.

Und deshalb findet Frau Lagarde, den Griechen müsste mal wieder ordentlich aufs Maul gehauen werden. Damit sie endlich zur Vernunft kommen, diese verantwortungslosen, untätigen, immer nur die Hand aufhaltenden Griechen, die ihren Hintern einfach nicht hochbekommen und sich an den Mülltonnen des Landes einen schönen Tag machen. Statt endlich mal die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Auf geht's, Selbsthilfe, wird's bald?

Wird schon, Frau Lagarde, keine Sorge. Kommen Sie bloß nicht auf die Idee, sich so bald wieder in Athen blicken zu lassen, weil, dort könnten Sie von zur Selbsthilfe schreitenden Griechen die Prügel einstecken, die Sie derart marodierend austeilen.

Apropos Selbsthilfe.

Die treibt aktuell reiche Blüten in Griechenland. Der Tag wird kommen, wo diese kreative, solidarische, gemeinschaftlich organisierte Form der Selbsthilfe denunziert werden wird - von Leuten des Schlages Lagarde, die den Griechen den Höllentrip an den Hals wünschen - als Schattenwirtschaft, Schwarzmarkt und kollektiv organisierter, bösartiger Auswuchs von Steuerhinterziehung:

Aus dem Tränengasnebel in Syntagma Square tauchte ein neue Bewältigung der Krise auf. Es handelt sich weder um Wohlfahrt noch um christliche Nächstenliebe, sondern um praktizierte Solidarität.
Nennen Sie es, wie Sie wollen, Frau Lagarde.

Wir nennen es wachsenden Widerstand.


Freitag, 25. Mai 2012

Da wackelt die Matratze


Lachen am Morgen ist gesund. Mit gestrafftem Zwerchfell lässt sich der mühsame Rest des Tages wesentlich entspannter meistern.

Bekanntlich haben in jüngster Zeit die meisten Griechen zu ihrer Matratze zuhause ein wesentlich entspannteres Verhältnis als zu ihrer Bank. Geldaufbewahrungstechnisch gesehen. Kann ich gut verstehen. Ich schlafe auch wesentlich entspannter, seit ich vor längerer Zeit meine paar Kröten unter meiner Matratze verstaut habe, statt sie einem Krötenwanderungsinstitut zum entspannten Verzocken zu überlassen.

Die Polizei drängt die Griechen nachdrücklich dazu, ihr Geld auf ihren Bankkonten zu lassen statt es dem Risiko des Diebstahls auszusetzen.
Griechen, lasst euch nicht euer sauer Verdientes nachts unterm Hintern wegklauen! Seid wachsam! Schlaft vielmehr süß und träumt davon - wenn's hart auf hart kommt -, dass die Regierung nach einem Staatsbankrott euer Geld von euren Konten räumt! Sicher ist sicher!

Also, inmitten eines volle Fahrt aufnehmenden Bank Run die Leute davon überzeugen zu wollen, dass Banken ein sicherer Hafen fürs liebe Geld sind - das allein ist schon zwerchfellerschütternd. Wo doch die Griechen mit einem ausgesprochen guten Riecher unterwegs sind, wenn sie ihre Matratzen für vertrauenswürdiger halten als ihre Bankhäuser. Zumal dem Riecher der Griechen erst vor ein paar Tagen ein höchst vertrauensbildender Duftstoff unter die Nase gehalten wurde mit den Worten:
The strength of banks is very weak right now.
(Die Stärke der Banken ist zur Zeit sehr schwach.)
Goldene Worte des Vertrauens, die jedes Bankkonto in nervöses Kichern ausbrechen lassen, übermittelt aus einem Gespräch zwischen Staatspräsident Karolos Papoulias und dem Direktor der griechischen Zentralbank George Provopoulos. Wen das nicht provoziert zu einem hysterischen Lachkoller, dessen Bankguthaben ist nicht mehr zu helfen.

Der eigentliche Knaller ist jedoch, dass es die griechische Polizei ist, die sich fürsorglich des Geldes ihrer Mitbürger annimmt:
Der Sprecher der griechischen Nationalpolizei, Thanassis Kokkalakis, erklärte gegenüber Reuters: "Viele Menschen haben aus Furcht vor einem Finanzkollaps ihr Geld von den Banken zurückgezogen, und jetzt tragen sie es mit sich herum, suchen zuhause oder in einem Abstellraum ein Versteck dafür. Wir fordern die Menschen dringend auf, dem Bankensystem zu vertrauen und ihr Geld dort zu belassen oder zumindest an einem sicheren Ort, und es nicht zuhause zu verstecken."
Ha! Die Polizei, dein Freund, Helfer und Finanzberater. Ausgerechnet die Polizei! Griechen, macht euch nicht verrückt, lasst euer Geld auf der Bank, damit auch künftig die Polizei bezahlt werden kann, um a) die Banken weiterhin zu beschützen und b) euch weiterhin die Köpfe einzuschlagen, solltet ihr auf den Straßen keine Ruhe geben. Der Einfachheit halber könnte die Polizei eigentlich gleich sagen: Leute, gebt uns euer Geld!

Dass man auf einer Matratze gut schlafen kann, ist nichts Neues.
Dass man sich auf ihr auch gut rollen kann, ist vielleicht gewöhnungsbedürftig, wird sich aber in Bälde herumsprechen.
Weil, *roflmao* war gestern. Heute muss das heißen *romlmao* (rolling on matress laughing my ass off).

Donnerstag, 24. Mai 2012

Regierungsunfähig


Griechenland würde, sollte es einen Weg heraus aus dem Euro planen müssen, lediglich ein 46-Stunden-Zeitfenster dafür haben.
Wahrscheinlich hätte die Regierung des Landes, um irgendeine Art des Ausstiegs aus der Gemeinschaftswährung zu bewältigen, nur so viel Zeit, während die globalen (Finanz)Märkte größtenteils geschlossen sind, nämlich vom Handelsschluss in New York an einem Freitag bis zur Marktöffnung am Montag in Neuseeland.
Sagen die Märkte -
...basierend auf einer Synthese von Euro-Exit-Szenarien, durchgeführt von 21 Ökonomen, Analysten und Wissenschaftlern...
- also den Märkten.

Über diesen knappen Zeitraum von zwei Tagen hätte eine Regierung alle Hände voll zu tun, sagen die Märkte; sie, die Regierung müsste sich nämlich darum kümmern,
... soziale Unruhen zu besänftigen, während sie einen Staatsbankrott zu managen hätte, die Einführung einer neuen Währung zu planen, die Banken zu rekapitalisieren, die Kapitalabwanderung einzudämmen sowie einen Weg zu finden, um zahlungsfähig zu bleiben, wenn erst einmal die Bailout-Rettungsleine gekappt ist.
Sagen die Märkte.

Ganz schön viel zu stemmen für eine Regierung, der nur zwei Tage Zeit für so ein Mammutprogramm gelassen würde (von den Märkten). Was, natürlich, eine große Herausforderung für eine Regierung wäre.

Was sagen dazu die Märkte?
Das Risiko besteht darin, dass diese Aufgabe jedwede neue Regierung überfordern würde in einem Land, das seit 2010 zweimal gerettet werden musste, weil es unfähig war, seine öffentlichen Finanzen zu managen.
Sagen die Märkte.

Gestern fasste ich den Vorsatz, ein bisschen mehr darauf zu achten, worüber nicht geredet wird. Heute frage ich mich, was sie - die Märkte - eigentlich meinen, wenn sie reden? Wenn sie, nur so ein wenig ins Blaue, über die Regierungsunfähigkeit einer Regierung reden, die noch gar nicht regiert? Meinen die Märkte vielleicht, die Griechen sollten am 17. Juni erst gar nicht wählen? Weil die Märkte meinen, dass Demokratie den Märkten sowieso im Wege steht? Meinen die Märkte, nach dem heraufbeschworenen Notstands-Wochenend-Szenario müsste in Griechenland eine starke Hand das Szepter übernehmen? Womöglich eine unsichtbare Hand?

Alles nichts Neues. Goldman Sachs, übernehmen Sie!
Schönes Wochenende.

Dr. rer. nat. No


Ein Lacher am Morgen vertreibt Kummer und Sorgen:
BRÜSSEL - Der französische Präsident Francois Hollande glaubt, eine Lösung für die Eurokrise gefunden zu haben:
Der Name ist Bonds. Euro Bonds.

Aber Angela Merkel spielt weiterhin Dr. No.
Ha ha ha.

Vorläufiges Fazit: Merkel bleibt ungerührt. Wird aber geschüttelt.

Kleine Referenz an den Plot:
(Der fanatische Wissenschaftler) Dr. No bietet Bond, von dessen Fähigkeiten er beeindruckt ist, an, in seiner Verbrecherorganisation mitzuarbeiten.
Ha ha.

No no.

Mais oui.


Mittwoch, 23. Mai 2012

Im Windschatten der Dorfsau


Gänsehautproduktion allerorten:

Schreckgespenst (angeblicher) "Linksradikalismus" in Griechenland.

In allen schauerlichen Farben an alle Wände gemalt. Alle wollen mitmalen, allen voran die Medien, die Märkte und, natürlich, die Merkel.
"Die griechischen Wähler müssen die gefährlichen Lügen von Syriza durchschauen"
Syriza, das ist diese angeblich linksradikale Partei auf Erfolgskurs, und deren angeblich linksradikaler Führer Tsipras muss jetzt so dringend wie flächendeckend gemobbt und der Lüge bezichtigt werden, damit den griechischen Wählern ein Licht auf- und der rechtskonservativen Partei Nea Demokratia die Wählerschaft nicht ausgehe.
"Sie müssen wissen, dass das, was ihnen von Syriza und ihrem jungen Führer Tsipras erzählt wird, eine Lüge ist."
Gut, dieser Tsipras ist ein gerissener Pokerspieler und hat schon durchblicken lassen, das entsprechende Knowhow käme ihm im Politikbetrieb sehr zugute, und vielleicht lügt er das Blaue vom Himmel runter wie alle anderen auch, aber ob er mehr lügt als Medien, Märkte, Merkel samt Muppets, ist doch eher zweifelhaft, weil, noch mehr lügen als die geht einfach nicht. Beweis?
"Die anderen griechischen Politiker kündigen an, dass sie das Austeritätspaket neu verhandeln wollen, und dass Europa inzwischen bereit sei ihnen zuzuhören."
Das waren jetzt mindestens zwei Lügen in einem Satz; für so eine Lügendichte muss selbst ein gefährliches junges Partei-Pokerface erst noch trainieren (...und er ist wirklich gefährlich" - nämlich im Gegensatz zu Francois Hollande, der von den Märkten inzwischen auf "not dangerous" heruntergestuft wurde).

Übrigens, das mit dem Neuverhandelnwollen und der neu entdeckten Lust Europas am Zuhören geht als neueste faustdicke Lüge auf das Konto von Nea Demokratia, an deren Entlarvung jedoch keine Sau im großen finanzkapitalistischen Chor der mobbenden Muppets ein Interesse hat. Entfährt einem Tsipras ein ähnlich lautendes Statement, wird auf den angeblich linksradikalen Spatz mit Kanonen geschossen - "durchgeknallte Extremisten" seien das, die von Syriza.

Das einzig Gefährliche, Durchgeknallte, Extremistische, was mir bisher bei Tsipras aufgefallen ist, ist sein Vorhaben, im Falle eines Regierungsmandates eine sogenannte "Schuldenkommission" bilden zu wollen. Eine Kommission, die die Rechtmäßigkeit des Schuldenstatus von Griechenland und dessen Bankensystem untersuchen soll, um herauszufinden, welche der Schulden auf legalem Weg aufgenommen wurden und wer jeweils davon profitiert hat, wo betrügerische Absicht dahintersteckte und wer sich dabei bereichert hat. Eine Schulden-Untersuchungskommission! Wenn das nicht durchgeknallt und extremistisch, ja, gefährlich linksradikal ist, was dann?

Mittlerweile schwillt das Kanonengetöse der schießwütigen Muppets auf die angeblichen griechischen Linksextremisten so ohrenbetäubend an, dass kaum jemand Notiz davon nimmt, was im Windschatten des ganzen Theaterdonners gerade passiert. Hinter den griechischen Parteikulissen tut sich nämlich Erstaunliches, ja, Erschreckendes, um nicht zu sagen: Extremistisches (Who's who in Greek politics: the radicalization of the right):

Und zwar im Umfeld von Nea Demokratia (angeblich "rechts-konservative Mitte"), jener Partei also, die den Griechen ungeniert Lügen auftischen darf, dass die Schwarte kracht, und keiner merkt's und keiner sagt was. In diesem Umfeld dreht sich in aller Stille ein obskures Personalkarrussell, das einem leicht den Magen verdrehen kann. Die angeblich rechts-konservative Partei der Mitte geht derzeit am äußersten rechtsextremistischen Rand politisch hausieren und erfreut sich bereits guten Zulaufs von Neo-Nazis, Faschisten und Old-School-Militärdiktatur-Liebhabern.
Die Präsenz von Persönlichkeiten mit solchem politischen Background in Nea Demokratia - die von den meisten Leuten für eine "normale" rechtsgerichtete Partei gehalten wird -, ist ein beunruhigendes Zeichen dafür, dass es in Griechenland verzeihlich wird, rechtsextremistische, neonazistische, rassistische oder extrem nationalistische Ideen zu promoten.
Das Beunruhigende, Gefährliche an der griechischen Situation, so der Autor, sei die weitaus verschwommenere Trennlinie zwischen rechtskonservativem Mainstream einerseits und extremer Rechten andererseits, verglichen mit einer (noch?) relativen Trennschärfe in Ländern wie Frankreich oder Großbritannien.

Und er bringt auf den Punkt, wo die tatsächliche Gefahr des Extremismus in Griechenland zu suchen ist - vor aller Augen, im schützenden Windschatten des hochtourigen Getöses um ein angeblich linksradikales junges Pokerface:
Die wirkliche Radikalisierung, die sich in Griechenland zuträgt, ist inzwischen für jedermann sichtbar, und es ist eine Radikalisierung der Rechten, wo Individuen mit nostalgischen Junta-Sehnsüchten, die ultranationalistische Gefühle zum Ausdruck bringen und - mehr oder weniger - offen Elemente einer faschistischen Ideologie unterstützen, zurück in den politischen Mainstream geschleust werden, unter dem Deckmantel pro-europäischer Politiker.
Übrigens, nicht nur Syriza ist auf Erfolgskurs. Auch Nea Demokratia schiebt sich, neuesten Umfragen zufolge, in der Wählergunst immer weiter nach vorn - eine Radikalisierung, die seitens der Muppets mit dröhnendem Schweigen kommentiert wird, während sie die angeblich linksradikale Sau unter Gejohle durchs Dorf treiben.

Vielleicht sollte man ein bisschen mehr darauf achten, worüber nicht geredet wird.

Dienstag, 22. Mai 2012

Schatz, wir sind uns einig


Man kann von Sozialdemokraten halten was man will, aber sie haben ein legendäres Händchen für Konsens- und Kompromissbildung, vor dem jeder gestandene Ehetherapeut neidlos den Hut ziehen muss.
"Merkel war schlecht für Europa, zu dominant, total unflexibel, getreu dem Motto: der deutsche Weg ist für alle der beste. Hollande ist pragmatischer, aber er betrachtet die EU als ein vitales Bollwerk gegenüber anderen Großmächten. Seine Sicht ist, dass Europa am besten funktioniert, wenn es einen Dialog zwischen Rechts und Links gibt. Anders kann ein vereintes Europa nicht klappen. Schau dir an, was passiert, wenn das Konzept der deutschen Austerität auf die lächerliche Spitze getrieben wird: der Aufstieg extremistischer Parteien. Hollandes Methode ist eine andere."
Klingt waschecht wischiwaschi-sozialdemokratisch. Klingt nach sozialdemokratischer Vernünftigkeit. Nach sozialdemokratischer Vernunftehe. Muss man sich so vorstellen:

"Ich bin gar nicht so sehr rechtsorientiert wie alle behaupten."
"Genauso wenig wie ich linksorientiert bin, Schätzchen."

Karriere jenseits der Schmerzgrenze


Endlich.
Der Arbeitsmarkt boomt.
Es sind wieder Stellen zu besetzen.
Hey, Ganztagsjobs!
Sozialversichert!
Zukunftsträchtig!
Krisensicher!


Vergewaltiger

Jahreseinkommen: 32.000 bis zu 35.000 Euro
Hervorragende Konditionen
Flexible Einsatzgebiete

Sind Sie an einer Karriere in einem einzigartigen Berufsumfeld interessiert?

Eine Miliz-Unternehmensgruppe in Zentralafrika sucht einen erfahrenen Menschenrechtsverletzer für den Einsatz in einer inoffiziellen Hafteinrichtung.

Unser Wunschkandidat verfügt über Erfahrung in Gewaltanwendung und dem Zufügen extremen Schmerzes und Leids. Die tägliche Arbeitsroutine umfasst Schlagen, Treten, Ohrfeigen, Auspeitschen und langanhaltendes Bewegungseinschränken.

Kenntnisse in Folterpositionen, einschließlich der Anwendung von Draht und/oder Stricken zur Auseinanderdehnung von Gliedmaßen sind von Vorteil. Erfahrungen im Zufügen anderer Formen von Folter und Misshandlung werden vorausgesetzt. Von den Bewerbern wird die Fähigkeit erwartet, ein kleines, aber enthusiastisches Team anzuspornen beim Überschreiten aller Grenzen, die je für möglich gehalten wurden.
Ein Traumjobangebot, welches das Herz jedes spanischen Bereitschaftspolizisten mit einschlägigen Referenzen höher schlagen lassen müsste. Müsste. Wäre da nicht dieses Jahreseinkommen, das in Relation zum Bewerber- resp. Jobprofil letzteres wohl eher als Niedriglohnsektor ausweist. Für die paar Piepen, mag sich der karrierebewusste Durchschnitts-Mozo denken, kann er auch gleich zuhause bleiben und sein heimisches enthusiastisches Team anspornen, alle Grenzen zu überschreiten, die je für möglich gehalten wurden.

Vermutlich verdient zwar jeder spanische Durchschnittspolizist noch weniger als hier in Aussicht gestellt, aber bitte - geht es denn letztlich darum, wieviel einer verdient? Oder nicht vielmehr darum, ob ein spanischer Durchschnittspolizist seine Arbeit liebt und gern verrichtet? Wer fragt schon nach angemessenem Lohn, wenn die handgreifliche Tätigkeit an sich mit all ihren Zu- und Übergriffen bereits eine Belohnung darstellt? Bleib' im Lande und nähre dich redlich, wird sich der übergriffige Riot-Mozo sagen, wieso soll ich in das ferne Zentralafrika, wo ich doch im krisengeschüttelten Spanien einen krisensicheren Job habe.

Übrigens boomt der Jobmarkt nach allen diversifizierenden Regeln der Kunst. Die Branche sucht nicht nur nach gestandenen Vergewaltigern, sondern bittet auch erfahrene Folterer und Kidnapper um entsprechende Bewerbungsschreiben, wobei interessanterweise die Folterknechte am unteren Ende der Lohnskala dümpeln, ich würde sagen: unterm eh inexistenten gesetzlichen Mindestlohn.


Alle drei Stellenausschreibungen finden sich in den regulären Stellenangebots-Rubriken der seriösen britischen Tageszeitungen Guardian und Independent, so dass jeder seriöse Jobsuchende unweigerlich darüber stolpert. Beim Lesen fragte ich mich, welche seriöse deutsche Tageszeitung wohl den Mumm hätte, solche Stellenanzeigen zu schalten. Mir fiel keine ein.

(Wie immer bei Stellenanzeigen empfiehlt sich das Kleingedruckte zu lesen, in diesem Fall das Fettgedruckte.)


Montag, 21. Mai 2012

Hip to the Groove


Hoppsassa,
drei Jahre gebloggt und kein bisschen müde.

Darauf einen hüftbetonten Groove.

Einen doppelten, bitte.

Mop Mop:


Zorn



Dieses Video wurde 13. Mai 2012 aufgenommen, um kurz nach fünf Uhr in der Morgendämmerung, unmittelbar nach der Räumung der Puerta del Sol in Madrid.

Das Video dauert keine Minute. Die darin festgehaltene Szene dauerte länger als vier Minuten. Die festgenommene junge Frau wurde über vier Minuten lang von einem schwer bewaffneten Polizisten gewaltsam in diese Körperhaltung gezwungen. Mehrere Polizeikollegen kamen nicht etwa auf die Idee einzugreifen, sondern schauten fasziniert zu.

Egal welche Friedenstaube mir nächstens etwas von "gewaltfreiem Widerstand" aufs Ohr gurrt - er oder sie sollte sich vorsehen. Mit mir ist nicht gut kuscheln in Situationen, wo Kuscheln kontraindiziert ist. Ich lebe in einer Stadt, die vier Tage lang mit polizeistaatlichen Mitteln vergewaltigt wurde. Ich erlebe ein junge Frau, die vier Minuten lang ähnliches durchmacht. Wer kuscheln will, soll kuscheln.
Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt.


Sonntag, 20. Mai 2012

Out of control


Globalisierung ist, wenn sie überall wie auf Knopfdruck paranoid werden.


Das Haus des Bürgermeisters von Chicago, Rahm Emmanuel, bedarf dringend des Polizeischutzes. In Chicago findet gerade der NATO-Gipfel statt, und aus diesem Anlass finden Proteste statt; Tausende sind aus dem ganzen Land angereist.

Straßensperren, Umleitung des öffentlichen Verkehrs, komplette Schließung einer Schnellstraße, Personenkontrollen, eingeschränkter Flugverkehr; US-Küstenwache patrouilliert mit schwer bewaffneten Booten den Lake Michigan; entlang der zentralen Michigan Avenue sind Scharfschützen postiert; Bomben-Suchhunde durchschnüffeln das, was an öffentlichen Verkehrsmitteln noch fährt.

Sicherheitsvorkehrungen: Hunderttausende Bürger wurden aufgefordert, am Freitag und Montag von zuhause aus zu arbeiten. Wer das "Risiko" auf sich nimmt, dennoch seinen Büroarbeitsplatz aufzusuchen, dem wird dringend nahegelegt, statt Business-Anzug Freizeitkleidung anzulegen, zu Tarnzwecken, you know.

Und so weiter und so bekannt. Wie sich die Bilder gleichen.

Obsessives Sicherheitsdenken und manische Selbstschutzmaßnahmen der globalen Eliten nehmen allmählich pathologische Züge an. Irgendwie besorgniserregend, dieser Kontrollwahn, über den sie jegliche Kontrolle verloren zu haben scheinen.

Ich finde, so langsam gehören die Herrschaften auf die Couch. Leute, könnt ihr nicht endlich mal erwachsen werden und aufhören, euch zu benehmen wie ein Elefant, der aus lauter Panik vor einer Maus auf den nächsten Baum klettert?

Ist ja nicht auszuhalten, das.

Leugnen zwecklos


Freiheitsentziehung - vulgo: Verhaftung - regt sich da überhaupt noch einer drüber auf?

Sicherlich nicht in einer Stadt wie Frankfurt, wo es derzeit schon reicht, sich mit Rucksack und zusammengerolltem Schlafsack in der Öffentlichkeit zu zeigen, um festgehalten, durchsucht (Rucksack und Körper) und gefragt zu werden, was man bitte in aller Öffentlichkeit hier verloren habe; sowie, falls der Festgehaltene sich noch einmal hier oder auch dort blicken ließe, er mit unverzüglicher Festnahme zu rechnen habe. Ausweiskontrolle inklusive, bitte, kein Thema, gerne.

Im Falle so einer Festnahme wüsste man als interessierter Bürger nur zu gerne, was in den Verhaftungsdokumenten eigentlich unter "Verhaftungsgrund" drinsteht. Vermutlich steht da kaum "Mitführen eines zusammengerollten Schlafsackes" oder "Aufenthalt im öffentlichen Raum" - also wird es wohl für die verhaftungs-induzierenden Verdachtsmomente irgendeine handliche bürokratische Begrifflichkeit geben, eine Art polizeistaatlicher Code.

Am besten ein griffiges Codewort.

Ein Codewort, das ein für alle mal klarstellt, was in diesem (jetzt bloß nicht lachen) demokratischen Rechtsstaat tunlichst zu unterlassen ist, will man sein Dasein in keiner Zelle fristen. Wer jetzt denkt, das Codewort könnte möglicherweise heißen "Bedrohung der öffentlichen Sicherheit", der liegt voll daneben. Erstens ist das nicht griffig - bitte, vier Wörter! Wie umständlich! Zweitens bedürfte der Tathergang "Bedrohung der öffentlichen Sicherheit" einer langatmigen Begründung, gar rechtsstaatlich (nicht lachen, hab' ich gesagt) verankerten Beweisführung. Viel zu kleinkrämerisch, viel zu aufwendig, bitte an den Steuerzahler denken, der den ganzen papierenen Unfug bezahlen muss.

Kurz und griffig muss es sein, das Codewort, das den Verdächtigen zum Staatsfeind erhebt und seine Freiheitsentziehung rechtfertigt. Bitteschön:

"Polizeilicher Anlass: Antikapitalismus"

(zum Vergrößern auf Link klicken)

Bullshit im Busch


Tolle Demo. Menschenmassen, so weit das Auge reichte, unglaublich viele Menschen auf den Beinen. Ein besonderes Erlebnis, da mittendrin zu sein.

25.000. Eigentlich waren es 30.000, wenn man die 5.000 hinzurechnet, welche die Blockade von ganz Frankfurt verursacht haben, von wegen Blockupy. Weil, die 5.000 sind ja alle mitmarschiert. Ja ja, es war alles ganz friedlich, wenn man davon absieht, dass auf der Endstrecke (es war kurz vor dem Occupy-Camp) plötzlich ganze Kolonnen von behelmten Blockierern in schwerer Kampfmontur sich wie auf Kommando zwischen die Demonstranten schoben und diese nach rechts und links auseinander zu drängen versuchten. Grund? Kein ersichtlicher. Einfach so. Es roch urplötzlich nach martialischer, willkürlicher Gewalt. Die jedoch nicht zum Zuge kam. Grund? Eine Handvoll fitter, gut organisierter Demonstranten entrollte wie auf Kommando ein überdimensional riesiges Transparent, drückte jedem, der gerade herumstand, einen Zipfel davon in die Hand, und dann sah es mit bloßem Auge so aus, als ob ein riesiger, sich quer stellender Transparent-Tausendfüßler die uniformierten Störer einfach beiseite schob. Unter tosendem Beifall verschwanden sie im Gebüsch. Ein sehr besonderes Erlebnis.

So eine Riesendemo ist ja alles andere als eine homogene Veranstaltung, habe ich gelernt. In einer Demo von solchen Ausmaßen treffen sich lauter sehr unterschiedliche Welten, die alle von je unterschiedlichen Planeten zu kommen scheinen. Es gab Menschenblöcke, in denen habe ich mich gelangweilt, und andere Blöcke, in denen ich mich sauwohl gefühlt habe. Muss man alles abchecken auf so einer Riesendemo, um dann denjenigen Block zu finden, der dem eigenen Naturell am meisten liegt, planetarisch gesehen. Ich entschied mich für diesen Planeten:


- und habe es keine Minute bereut. Lauter Leute mit Power und Stimme, die nicht nur Köpfe, sondern auch Körper hatten, mit denen sie etwas anzufangen wussten. Bombenatmosphäre, bisschen rauhbeinig, dabei sehr herzlich, also gut. Erstklassige Musik aus den Lautsprechern, viel französischen Revo-Hiphop, groovig und hart, hat den Beinen Beine gemacht. Gegen die Wagen-Deko war auch nichts einzuwenden:


Gut gefallen hat mir, wie die Polizei von der freundlichen Lautsprecherstimme des Wagens turnusmäßig aufgefordert wurde, doch bitte endlich Kaffee trinken oder Eis essen zu gehen oder sich sonstwie einen netten Samstagnachmittag zu machen, da es doch für jedermann ersichtlich sei, dass auf dieser Demonstration keinerlei Sicherheitskräfte gebraucht würden.


Dem hat die Polizei zwar nicht Folge geleistet, aber lustig war es trotzdem, obwohl die Aufforderung, sich zu absentieren, eigentlich überflüssig war, denn die Polizei hat ja selbst gemerkt, dass sie auf dieser Demonstration völlig überflüssig ist, aber was soll sie machen. Vielleicht wär's ja ohne Polizei noch friedlicher geworden, und dann hätte sich die Polizei womöglich geärgert, und das will ja auch keiner, dass die Polizei sich ärgert.

Wobei, wenn mich nicht alles täuscht, es die Sicherheitskräfte dieses Wagens waren, von denen die überflüssige Polizisten später ins Gebüsch abgeschoben wurden, aber beschwören könnte ich das nicht. Muss ich ja auch nicht.

Ansonsten noch viel mehr sympathische, interessante Menschen aus ganz Europa. Man läuft ja auf so einer Demo dauernd hinter irgend jemandem her und kann sich so schon mal ein Bild machen, ob man mit der Vorderseite ebenfalls gern Bekanntschaft schließen möchte. Und meistens lohnt es sich, wenn die Rückseite stimmt.









Ich meine, wer will schon jemanden von vorne kennenlernen, der von hinten so aussieht:


Andererseits, als ich heute früh zum Bäcker ging, um mich mit Proviant einzudecken, traf ich auf diese Rückseite:


- fand sie zunächst nicht uninteressant, stellte mich neben den Typen an die Theke und platzte heraus: Ey Mann, das ist ja mal eine super Verkleidung, gehst du auch auf die Demo? Der Typ warf mir einen Blick zu, der sämtliche Brotlaibe zu Eisklumpen erstarren ließ, und antwortete, ja, er gehe auf die Demo, und nein, das sei keine Verkleidung, und ob ich sonst noch was von ihm wissen wollte? Nö, sagte ich, lieber nicht. Ich meine, wer will schon in Handschellen aus der Bäckerei abgeführt werden?

Außerdem wurde dann im Laufe des Tages eh alles gesagt, was es zu dem Thema zu sagen gibt:

Kann man das lesen? Sonst geb' ich gerne Auskunft.

Samstag, 19. Mai 2012

Dialektisch nachgeschoben


Der vorige Post schlug nicht nur Frankfurter Wellen, sondern ließ auch manch einheimisches Herz höher und wärmer schlagen.

Gerade erreichte ein fulminanter Solidaritätsbeitrag dieses Blog. Ein Beitrag zu Ehren Adornos, der jenem allerdings dialektisch die Leviten insofern liest, als er (der Beitrag) in Frankfurter Dialekt geschrieben wurde und damit überzeugend belegt, dass es durchaus ein rischdisches Lewwe im falsche geben kann, wenn man sich nur von den authentischen Wurzeln seiner Muttersprache leiten lässt.

Un jedzd uffgebasst, alle wascheschde Frankfodder Bloggupyer:
Hallo Mrs. Mop,

wollte eine kurze Meldung der weiteren Frankfurter Sicherheitszonen (mir werd ganz warm ums Herz dabei) vermelden.

Der gesamte Hauptfriedhof ist umstellt.

Etliche tausend Polis aus dem gesamten europäischen Raum haben den Hauptfriedhof umstellt, um kommunistische und anarchische Umtriebe auf dem Symbolacker Frankfurter Tüchtigkeit zu verhindern.

Hatte gerade (Freitag 23:30 Uhr) die gewandete Grabplatte meines alten Freundes Adorno mit schwarzem Trauerflor umkränzt (feinste chinesische Seide) und auf dem Kirschlorbeer ein klein wenig guten Bordeaux geträufelt (den Rest gab ich mir selber), wollte gerade mit meiner kleinen Ansprache beginnen, - wumm, wie früher beim Holger - paar auf die Ohren und dann im Polizeigriff auf die Erde resp. auf den Adornoschen Grünbewuchs.

War fast schon chaotisch (also, der Bulle war durchaus unter seiner Rambouniform als erheblich lecker einzustufen - OK, er war extrem doof), aber auf dem Bauch über meinen Adorno gezerrt zu werden - wer wiederholt das mit mir?

Dann die ganze Nacht im Warmen verbracht - Notevakuierung im Keller des Krematoriums - da kam doch ein film 1944... (hach, mei Gedange) - und dann habbe se misch behandeld - abber nur mit de Kamera und dem Fingerscanner (uffreschend - beim Holger gab's noch die eklische Stempelkisse für die Finger) und dann de Abgleisch in de Daadebank.

Na, was glaabsde, von wesche Daadelöschung! Widder emal dabei - un noch immer Volksfeind! - mer könnt fast schon stolz druff sei.

Un jedzd bin isch dehaam - hab mer schon die blaue Flegge eigschmiert und de Arm verbunne und die Klamodde gefliggt - die Bullebuube aus Mek-Pomm habbe sich aach endschuldischd - glaab isch - isch habs abber ned verstanne - weschem Dialeggd - mescht abber nix - bin durch die Konfrontation mit der Staatsmacht (die sinn des Volk - eedsch!) mindestens 20 Jahre jünger geworden - hach wie schee - des is e Geschefdsidee für alde 68er!

Andi-Edsching - brifaad geblescht! - un im Luxusbus von Demo zu Demo - mit schbanische Dabbas un Flamengo bei de Schpanientur - huch - was e Idee - un Raki und des ganz grischisch Zeusch im Luxusbus nach Athen - mir mache schnell Andi-Edsching-Reiseagendur uff!

Jedzd abber zurück zum Thema:

Isch hab des nur geschribbe, demit Se die aale Leut warne duhn, die uff de Friedhof wolle.

Ned schwarz abziehe wesche dem Vermummungsverdacht - un kaa Handdasche wesche de Waffe im Plasdigdeschje - un kaa Blumme - kennt mer ja aach als Waffe benudze - un net heule, die denge doch, die Omma heult übber die verlustisch Demogradie!

Un so en aale Gnoche is mit so em moderne Schlachschdock schnell gebroche!

Abber mer muss sisch kaa große Gedange mache - die Station Hauptfriedhof ist natürlich auch öffentlich gesperrt - da hält kei U-Bahn mehr - vielleischd nii mehr?!

Ich habe gemerkt, dass sich der alte Gööde immer mal wieder in meine Gedanken schleicht - der hed aach die Bulle geruffe, der aale Sack! - und meine Muttersprache übernimmt - das kommt von der Aufregung und ist keinesfalls Absicht.

So - das wollte ich Ihnen noch auf den Weg geben zu Ihrer hoffentlich stattfindenden Demo heute im Herzen der Stadt von Freiheit und Liberalität!

Es grüßt Sie herzlich
...
Ich danke dem Schreiber für die warmen Worte aus dem Herzen und der Babbelschnut Frankfurts, kriege vor Lachen immer noch kaum Luft und mach misch jedzd uff de Wesch, um zu gugge, wieviel in dieser Stadt noch an Freiheit und Liberalität übrig geblieben ist.

Ei, mer wern des Demoding schon gewubbt krieje, eschndwie, gelle.


Von falschen Gefahren im richtigen Leben


Wenn der Wahn sich organisiert, wird die Hysterie zur Methode.

Gestern spät abends ist es der Frankfurter Polizei endlich gelungen, den wahren - bislang nur im Verborgenen operierenden - Brennpunkt revolutionärer Umtriebe zu lokalisieren, einzukreisen und daraus das Recht abzuleiten, alle sich dort herumtreibenden verdächtigen Personen (also alle) zu durchsuchen: Die Johann-Wolfgang-Goethe-Universität (alter Campus Bockenheim) wurde offiziell zur "Gefahrenzone" erklärt.

Mit Grausen soll der alte Herr sich abgewendet haben -


- nicht ohne vorher ein angemessenes Grußwort zu hinterlassen:

wie kann nor e Mensch so hysterisch sei?

Bereits in der Nacht war ein fernes unterirdisches Rumpeln zu vernehmen: Ein paar weitere alte Herrschaften sollen sich geräuschvoll im Grab umgedreht haben. Es wird gemunkelt, dabei handele es um die Herren Adorno und Horkheimer, die sich im Untergrund gezankt haben, ob das mit der "Gefahrenzone Frankfurter Universität" als Beleidigung oder als Auszeichnung zu verstehen sei. Immerhin ist der Bockenheimer Universitätscampus die geistige Heimat der berühmtesten Frankfurter Schule.

Während Adorno, leicht eingeschnappt, gemäkelt haben soll, die Frankfurter Polizei dürfe im Jahr 2012 nicht einfach auf der ehrwürdigen Tradition des magischen Geländes herumtrampeln (dabei großzügig ignorierend, dass er selbst, Adorno, bei einer studentischen Institutsbesetzung die Polizei zu Hilfe gerufen hatte), versuchte Horkheimer ihm gut zuzureden, alles nicht so eng zu sehen: Mensch, Adorno, bleib locker, 'Gefahrenzone Kritische Theorie', was Besseres kann uns posthum doch gar nicht widerfahren!

Was von Adorno - der schon immer schwer davon zu überzeugen gewesen war, es könne ein richtiges Leben im Falschen geben - mit kritisch-theoretischem Kopfwiegen beantwortet wurde, worauf es Horkheimer zu dumm wurde, er kurzen Prozess und eine Flasche Sekt auf machte, dem ewigen Zweifler an seiner Seite in die Rippen boxte und ihm zurief: Das müssen wir feiern!

Und das taten die beiden dann auch geräuschvoll heute Nacht und ließen es unterirdisch richtig krachen, nicht ohne den oberirdischen, sich in der Gefahrenzone des falschen Lebens befindlichen Frankfurter Aktivisten einen angemessenen Trinkspruch zu hinterlassen:
Ei es will uns net in de Kopp enei,
wie kann nor e Mensch net von Blockupy sei!