Mittwoch, 30. März 2011

Scharf geschossen


Nachdem ich gestern abend so bombig drauf war, begab ich mich heute auf die Suche nach Munition.

Gesucht, gefunden:


Lifting the Veil: Obama and the Failure of Capitalist 'Democracy'

Von Scott Noble.

Ein starker Film.

Sub-headed 'Barack Obama and the failure of capitalist democracy', this film explores the historical role of the Democratic party as the 'graveyard of social movements', the massive influence of corporate finance in elections, the absurd disparities of wealth in the United States, the continuity and escalation of neocon policies under Obama, the insufficiency of mere voting as a path to reform, and differing conceptions of democracy itself.

Dauert knapp zwei Stunden, davon ist keine einzige Minute verschenkt. Es wird Klartext gesprochen. Handverlesene, kluge Interviewpartner in angemessen sarkastischer Grundstimmung. Reichtum und Armut in Amerika. Ans Groteske grenzend: Obama vor und nach seiner Wahl. Ein paar unglaublich gute, scharfzüngige Kabarettisten, mein Favorit: George Carlin, Vollblut. Extrem gute Musik, extrem gut auf einzelne dokumentarische Filmsequenzen passend. Von Pink Floyd (Money) bis Bach (Erbarme dich). Überhaupt, Old Europe: Albert Camus wird zitiert. Ich könnte mich an lauter Superlativen aufhängen.

Sehenswert, absolut sehenswert.

Wer Lust auf mehr hat: Hier findet sich ein komplettes Munitionslager.


Dienstag, 29. März 2011

Kriegslüstern


Man lernt nie aus.

Bisher war ich immer davon ausgegangen: Wenn einer mit einer Knarre auf mich losgeht, beabsichtigt er mich zu erschießen. Danach bin ich mausetot.

Richtig muss es heißen: Sollte jemand in meiner Gegenwart involviert sein in eine kinetisch offensive Aktion, bin ich danach dauerhaft kinetisch inaktiv.

Sollte wider Erwarten ich diejenige sein, die jemanden abknallt, und wegen Mordes verknackt werden, dann sage ich vor Gericht: Moooment - was reden Sie für einen Unsinn? Mord? Ich war lediglich in eine kinetisch offensive Aktion involviert, damit das klar ist!

Worauf sie mich vermutlich in eine geschlossene Anstalt einweisen werden. Das ist der Unterschied zwischen mir und dem amerikanischen Präsidenten. Den weisen sie nicht ein. Hat das Bombenrunterschmeißen in Libyen etwas mit Krieg zu tun? Unsinn! It's a kinetic military action, stupid! Klar? Klar.

Jeden Tag einen neuen dampfenden Haufen politischen Verdunkelungsgeschwafels unter die Nase gesetzt zu bekommen, ist schon eine arge Herausforderung. Irgendwie fühle ich mich da so kinetisch involviert. Früher war ich mal Pazifistin. Heute könnte ich in die täglich verabreichte Dosis an Orwellschen sprachgymnastischen Verrenkungen lauter Streubomben schmeißen.

Aus reiner Notwehr, wohlgemerkt. Gegen die tagtäglich stattfindende semantische Kriegsführung.

Montag, 28. März 2011

Gottes Lohn


Es soll ja immer noch Leute geben, die sich aufregen über Löhne, die so niedrig sind, dass kein Mensch davon leben kann. Oder über schlechtbezahlte Praktika. Oder über langjährig stagnierende Realeinkommen. Oder darüber, dass das sauer, egal womit verdiente Geld hinten und vorne nicht reicht. Leute, die sich über so etwas noch aufregen, haben wohl den Schuss nicht gehört. Den allerletzten Schrei. Der kommt, wie so oft, aus Amerika.

Dort gilt es bei Unternehmern neuerdings als hip, Arbeitskräfte einzustellen, ohne ihnen einen Cent dafür zu bezahlen. Hip bedeutet in dem Fall so viel wie: Wie dumm muss ein Arbeitgeber sein, der sich Arbeitnehmer nimmt und denen auch noch etwas dafür gibt? Schließlich gibt er ihnen bereits etwas, nämlich Arbeit. Soll er dafür etwa noch drauflegen? Womöglich Geld? So weit kommt's noch.

Dass es überhaupt so weit kommen konnte, den Menschen fürs Arbeiten Geld zu bezahlen, kann aus heutiger Sicht nur als steinzeitlicher Denkreflex bezeichnet werden. Der moderne Unternehmer geht mit der Zeit und sagt: Wenn ich meine Mitarbeiter unbezahlt arbeiten lasse, zahlt sich das aus - für mich, für wen sonst.

Wer jetzt entrüstet ausruft, das sei ja ein Rückfall in die Sklaverei!, der hat den Schuss wirklich nicht gehört. Immerhin haben damals die Sklaven etwas zu essen und ein Dach über dem Kopf bekommen. Von Plänen der amerikanischen Unternehmerschaft, ihren Gratismitarbeitern Massenschlaflager oder betrieblich gesponserte Suppenküchen anzubieten, ist nichts bekannt. Allerdings will sie im Gegenzug auf die altertümliche Gepflogenheit des Auspeitschens verzichten.

Es muss heutzutage keiner zur Gratisarbeit geprügelt werden, die Menschen kommen freiwillig. Zu irgendetwas müssen 15 Millionen Arbeitslose ja gut sein, und sei es zu einer unpaid-jobs-Kultur. Wie aus hierin bereits geübten Unternehmerkreisen verlautet, seien die verzweifelt Jobsuchenden besonders hochmotiviert, ja, wörtlich heißt es sogar, diese Menschen seien "hungrig", nicht etwa nach Essen, sondern:
"People who work for free are far hungrier than anybody who has a salary, so they're going to outperform, they're going to try to please, they're going to be creative"
- und darum auf den extra für sie freiwerdenden Stellen besonders gern gesehen. Wir leben in interessanten Zeiten, wo die Wirtschaft auf den Trichter kommt, dass Verzweiflung stärker motiviert als ein regelmäßiges Gehalt.

Es ist im übrigen keineswegs so, dass die unbezahlt Arbeitenden völlig leer ausgehen. Sie erhalten durchaus eine Gegenleistung von ihren zahlungsunwilligen Arbeitgebern, nur halt etwas viel Wertvolleres als Geld, etwas, was gern als unbezahlbar bezeichnet wird, nämlich: Berufs- und Lernerfahrung. Die soll ja besonders nahrhaft sein, wenn schon nicht für den Magen, so doch für den beruflichen Lebenslauf. Wenn da nur nicht diese lästige Sache mit dem Essen und der Miete wäre. Aber hey, genau dafür steht ja die Gegengabe der Lernerfahrung: Lerne, mit nichts über die Runden zu kommen und du hast was gelernt fürs Leben.

Wie zu lesen ist, ist die Bewerberkonkurrenz für unbezahlte Jobs groß. Beispielsweise meldeten sich nach nur einwöchiger Stellenausschreibung 300 Interessenten für eine Redakteursposition; 700 Kameraleute bewarben sich auf einen Job hinter der Kamera. Beide Stellen wurden im Rahmen eines Projekts ausgeschrieben, zu dem eine Autofahrt von Deutschland nach Kambodscha gehörte. Beide Stellen (übrigens 16-Stunden-Arbeitstage) waren nicht nur unbezahlt; vielmehr wurde auf beiden Stellen von den Kandidaten, die "erfolgreich" das Rennen gemacht hatten, erwartet, ihre Reisekosten selbst zu finanzieren. Erfolg hat, wie man sieht, viele Gesichter.

Schwierig wird es allerdings sein, den einkommenslosen Jobbern Steuern abzuknöpfen. Aber auch dafür dürfte sich eine Lösung finden. Um für entgangene Steuererträge gradezustehen, könnten die nichtsnutzigen Nichtsverdiener verpflichtet werden, abends und an den Wochenenden städtische Einrichtungen und Finanzämter zu putzen. Damit hätte man sich zugleich die leidigen Personalengpässe bei Hausmeister- und Reinigungsfachkräften vom Hals geschafft. Geht doch.

Bemerkenswert - und das ist das wirklich Moderne - an der neuen Unternehmens-Gratiskultur ist, dass sie in aller Öffentlichkeit breitgetreten wird wie Quark; völlig ungeniert, unverhohlen händereibend und mit einem an Kraftmeierei grenzenden Sendungsbewusstsein, so dass man sich fragt, ob die noch alle Tassen im Schrank oder vielleicht ein paar Eier zu viel in der Hose haben. Hinter nichtvorgehaltener Hand wird das unbezahlte Arbeiten als wegweisendes Zukunftsmodell "in human resources" verkauft:
"Ten years from now, this is going to be the norm."
Wer jetzt denkt, das Ganze ist ein Witz: ist es nicht. Nicht mal ein schlechter.

Sonntag, 27. März 2011

Verpatzt


Bin ich doch über so ein Wort gestolpert und kriegte mich nicht mehr ein. Das Wort heißt iPutz. iPutz! Was für ein Wort! Ist ja klar, dass da bei jemandem wie mir alle Glocken läuten und sich die verwegensten Assoziationen einstellen. Ich wollte auf der Stelle einen iPutz haben.

Ich imaginierte einen niedlichen kleinen Putzroboter, so auf Rädern und mit Fernbedienung, und ich sitze gemütlich auf dem Sofa und klicke dem Helferlein elektronische Befehle rüber "ei putz, iPutzi!", und das Helferlein schnurrt gigabytemäßig durch die Wohnung und alles wird gut.

Alternativ, dachte ich mir, wäre eine neue Anwendertechnologie namens iPutz keine schlechte Sache, zur Aktivierung der Selbstreinigungskräfte, sozusagen. So eine Art Putz-App, die turnusmäßig anfängt zu blinken, wenn's mal wieder Zeit wird: "I putz!", was dann so viel bedeuten würde wie "Ey, putz' mal wieder deine Hütte!"

Ich war mehr als angetan und produzierte zu dem Begriff weitere Einfälle, die sich hartnäckig im putz-assoziativen Bereich hielten. Das war ein Fehler. Denn ich begann nach dem Wort zu googeln. Vielleicht war das der Fehler. Denn ein Putz ist weder etwas Nettes noch Niedliches noch in irgendeiner Weise Hilfreiches. Das Wort kommt aus dem Jiddischen und hat mehrere despektierliche Bedeutungen, von denen die einzig hier wiederzugebende, weil jugendfreie, diese ist: Idiot.

Putz im Sinne von Idiot wird, englisch ausgesprochen, zu Patz. Weiß man erst mal, dass ein Patz ein unguter Zeitgenosse ist, fängt es einem vor dem i schon an zu grausen. Ein i-Idiot - viel schlimmer kann es nicht kommen. Einer, der sich mords was einbildet auf seinen Besitz an Apple-Spielzeugen und denkt, er sei der Käs', bloß weil er stinkt. So jemand wird umgangssprachlich als iPutz bezeichnet:
"any nerd who claims to be cool because they own an iphone."
oder:
"anyone who waits in line anywhere for the latest Apple gadget."
Wieder was gelernt. Ich wollte kein iPutz mehr haben. Und ein iPutz sein oder so genannt werden will ich erst recht nicht. Wer will schon gerne iPutz genannt werden, selbst wenn er vielleicht einer ist? Keiner. Zumal, wie angedeutet, das semantische Umfeld des Wortes Putz alles andere als schmeichelhaft ist.

Einem ist es jetzt aber doch passiert. Und zwar nicht irgendeinem, sondern dem Präsidenten und CEO der Federal Reserve Bank, kurz Fed, in New York, Bill Dudley. Er wurde öffentlich als iPutz bezeichnet, und höchstwahrscheinlich ist er auch ein iPutz, hört das aber wohl gar nicht gern, denn es ist nun mal kein Kompliment und war in dieser Überschrift auch gewiss nicht als Kompliment gemeint.

Vor ein paar Tagen war nämlich der Fed-Chef missionarisch unterwegs gewesen im New Yorker Stadtteil Queens (ein Stadtteil mit nicht eben gutbetuchter Durchschnittsbevölkerung). Dort versuchte er einer Bürgergruppe weiszumachen, dass es derzeit in Amerika keine Inflation gäbe, beziehungweise dass die Inflation unter Kontrolle wäre, beziehungsweise dass, genau genommen, das Land sich in einer deflationären statt inflationären Entwicklung befände.

Den weniger gutbetuchten Bürgern wollte das nicht recht einleuchten. Müssen sie doch Monat für Monat tiefer in die Tasche greifen, um sich so Grundlegendes wie Lebensmittel, Heizöl, Benzin, Versicherungen und ärztliche Versorgung leisten zu können. Weil nun mal alles immer teurer wird.

Jedoch, einen Chefökonomen und ehemaligen geschäftsführenden Direktor von Goldman Sachs ficht das nicht an. Steigende Lebensmittelpreise? Peanuts. Dudley - ein Freund hedonischer Preisberücksichtigung - zog es vor, von dem unglaublich günstigen Preisleistungsverhältnis jeder neuen Generation von iPads zu schwärmen: Die würden womöglich ein bisschen mehr kosten, dafür aber eine Menge mehr Technologie fürs Geld bieten, deshalb unterm Strich sogar billiger werden und wären, so Dudley, ein sagenhaftes Schmankerlschnäppchen für jeden Technikliebhaber.

Dass man in ein iPad jedoch nicht reinbeißen kann, um seinen Hunger zu stillen, verdeutlichte der Einwurf eines vergrätzten Bürgers "Sir, wann waren Sie das letzte Mal Lebensmittel einkaufen?", was der Befragte nonchalant als rhetorische (und damit irrelevante) Frage unter den Tisch fallen ließ. Was zählte, sei die offenkundig deflationär sich entwickelnde Computertechnologie. Das müssten die Leute doch endlich kapieren. Auch solche Leute, auf deren Einkaufszettel gar kein iPad stünde.

Der Typ bringt mich auf Ideen: Ich streiche einfach von meinem Einkaufszettel so triviales Zeugs wie Brot, Butter und Bananen, schreibe stattdessen ein iPad drauf und zack!, geht meine ebenso gefühlte wie erlebte Inflationsrate in den Keller.

Fortan lebte sie in Saus und Braus, umgab sich mit iPads, wurde zum iPutz, und wenn sie nicht verhungert ist, dann lebt sie noch heute.

Samstag, 26. März 2011

Wahlversprecher


Was ist ein Wahlversprecher?

Ein Wahlversprecher ist ein Politiker, der vor einer Wahl ein Wahlversprechen abgibt.

So weit, so bekannt. Man kann es auch so formulieren:
"Vor jeder Wahl werden gerne von Politikern aller Parteien Wahlversprechen abgegeben."
Stimmt. Eigentlich von allen Politikern. Jedenfalls fällt mir keiner ein, der sich je eines Wahlversprechens enthalten hätte. Bis jetzt. Da diese Zeilen jedoch von einem Politiker stammen, schöpfe ich leise Hoffnung und lese mutig weiter:
"Oft leider in dem Wissen, dass sie nur schwer oder gar nicht zu halten sind."
Stimmt auch. Obwohl ich geneigt bin, korinthenkackerisch das Wörtchen "gern" im ersten Satz mit dem Wörtchen "leider" im zweiten Satz abzugleichen und spitzfindig zu fragen: Ja, was denn nun? Sitzen die beiden Füllwörtchen nicht verräterisch an der falschen Stelle? Müsste es nicht korrekt heißen: Vor jeder Wahl werden leider von Politikern aller Parteien Wahlversprechen abgegeben - gern in dem Wissen, dass sie nur schwer oder gar nicht zu halten sind?

Aber gut, es ist die heiße Endphase eines heißen Wahlkampfes, da wird schon mal was mit heißer Nadel gestrickt. Vor allem dann, wenn kurz vor Torschluss noch schnell eine zündende Anzeige geschaltet werden muss. Im Käseblättchen meines Kiezes.

Bis hierhin also ein vielversprechender Anzeigentext, eben weil nichts versprochen wird. Nicht unsympathisch. Endlich ein Politiker, der nichts verspricht. Ob er es auch halten wird? Etwa so: Ich verspreche Ihnen gar nichts, lassen Sie mich einfach ran. Oder so: Schluss mit der hirnrissigen Versprecherei, für mich zählen Taten, nicht Worte. Oder: Alle Versprecher sind Verbrecher. Hey, endlich einer mit Format!

Neugierig lese ich weiter:
"Ich verspreche Ihnen nur, dass ich mein Bestes geben werde zum Wohle unserer Bürger."
War nix. Absturz. Ernüchterung. Jetzt hat er sich doch versprochen, mein Hoffnungsträger. Er konnte es einfach nicht lassen.

Gerade war ich einkaufen und kam an den Wahlkampfständen der Parteien vorbei. Und da stand er, mein Wahlversprecher, und versprach allen Passanten, sein Bestes zu geben. Ich hörte, wie er zum Besten gab: "Versprechen kann ich Ihnen nichts, aber ich verspreche Ihnen, dass ich mein Bestes geben werde!"

Er gab sein Bestes. Stehengeblieben ist keiner.


Klassischer Fall von Wahlversprecher.

Freitag, 25. März 2011

Wehret den Anfängen


Bekanntlich ist Kriminalität ein gesellschaftliches Problem. Um Kriminalität gar nicht erst zum Problem werden zu lassen, wurde die Kriminalitätsprävention erfunden. Damit kriminalitätspräventive Maßnahmen greifen, müssen sie frühzeitig zum Einsatz kommen.
Weil, wo kommen wir sonst hin.

Zur wirksamen Prävention gehört das - wie gesagt, möglichst frühzeitige - Beeinflussen und Verhindern potentiell krimineller Karrieren. Am sinnvollsten fangen wir damit schon bei der jungen Generation an. Also, bei den Jugendlichen. Ach was, am besten bereits bei den Kindern. Oder halt, am allerbesten gleich bei den Kleinkindern, den Knirpsen, Krabblern und Hosenscheißern. Wäre ja noch schöner, sonst.
Kindern, die spielen, und Hühnern, die krähen,
soll man beizeiten die Hälse umdrehen.
Na gut, so martialisch wollen wir es nicht ausdrücken. Vielleicht besser so: Schäden verhüten, bevor sie auftreten. Ob nun auf öffentlichen Bürgersteigen oder an gefährdeten Kinderseelen. Schäden verhüten, genau. Klingt doch viel besser. Klingt irgendwie verantwortungsvoll. Verantwortungsvoll kommt immer gut.


Ein eklatanter Fall von Vandalismus im Vorschulalter verdeutlicht die Dringlichkeit präventiven Eingreifens des Gesetzgebers: Im australischen Melbourne wurden Kleinkinder auf frischer Tat ertappt, wie sie - schwerbewaffnet mit bunten Kreidestiften - den Bürgersteig vor einem Café mit graffiti-ähnlichen Schmierereien beschädigten. Graffiti! Illegal! Öffentliche Sachbeschädigung! Wenn das jeder! Wo kämen wir da hin!

Prompt erfolgte der Zugriff seitens der städtischen Behörden: Die Cafébetreiber wurden aufgefordert, den gesetzwidrigen Outdoor-Aktivitäten der lieben Kleinen unverzüglich einen Riegel vorzuschieben. Gut so. Weil, sonst müsste man ja die verwahrlosten Schmierfinken hinter Schloss und Riegel bringen. Präventiv, versteht sich. Weil, vom dreijährigen Schmierfinken zum pubertärenen Graffiti-Sprayer zum jugendlichen Straßendealer bis hin zum ausgewachsenen Zuhälter ist der Weg kurz. Weiß man ja.

Künftig sollen frühkindlich-kreative, besorgniserregende Delinquenzansätze scharf im Visier behalten, vulgo: im Keim erstickt werden. Wie aktuell verlautbart, tritt eine kriminalitätspräventive Sofortmaßnahme in Kraft: Das beliebte Kinderspiel Himmel und Hölle wird unter Androhung von Schwerstsanktionen verboten. Bei Zuwiderhandlung, liebe Kinder, droht den Kleinstkriminellen Schlimmes: Ihr kommt allesamt in die Hölle.



Donnerstag, 24. März 2011

Finden ohne Suchen


Frühmorgens auf den Balkon treten und die noch kalte Frühlingsluft schnüffeln.

Mehr ahnen als wissen, dass sie sich geschwind erwärmen wird.

Irgendeine Sehnsucht spüren, ohne sich zu kümmern, wonach.

Etwas finden, was der Sehnsucht eine Gestalt gibt:



Der katalanische Künstler Juan Miró und der amerikanische Jazzmusiker Duke Ellington begegnen sich zum ersten Mal für eine improvisierte Jazz-Session während einer Miró-Ausstellung in Südfrankreich.

Miró erzählt Ellington etwas über seine Skulpturen. Er tut es auf Französisch, und der Duke versteht kein Wort. Der Duke antwortet auf Englisch, und Miró versteht kein Wort. Beide verstehen sich großartig.

Inspiriert setzt sich der Duke ans Klavier und fängt an zu spielen. Der Schlagzeuger Sam Woodyard und der Bassist John Lamb lauschen und fallen ein. Lauschend lehnt sich Miró an eine Skulptur, genießt die Frühlingssonne und freut sich. Selbst die Skulpturen lauschen und freuen sich. Am Ende der Session ist die Luft so voller Energie, dass man die Knospen bersten hören kann.

Manchmal geschehen wundervolle Dinge, einfach so, wie aus dem Nichts.

Mittwoch, 23. März 2011

Wahlbeschiss


Man wird ja dieser Tage ganz wirr im Kopf. Von all dem Krümeln und Klügeln und Kringeln, und am Ende Asche aufs Haupt. Letzteres nennt sich dann Panaschieren. Nachdem einem zuvor vor lauter Kumulationseffekten schon Hören und Sehen vergangen ist.

Gerade wollte ich meiner unfrohen Wählerlaune Luft machen, stellte jedoch fest, dass dies bereits von jemand anderem besorgt wurde, und zwar so brilliant, dass ich mich einfach dranhänge. Weil, besser rumstänkern hätte ich jetzt auch nicht können.

Weil mein Balkon größer ist als meine Wohnung, habe ich das kommunalwahlbürokratische Monsterchart draußen auf dem Boden ausgebreitet und es mit Steinen beschwert. Ich frage mich eh, wieso sie das papierene Krümelmonster nicht nach Art eines dieser höchst praktischen, komplex faltbaren Stadtpläne aufbereitet haben; dann käme zum Klügeln und Kringeln noch das Falten und Fälteln hinzu, auf dass das Gemüt sich in tausend Runzeln lege, denn:
"(Die Wähler) trauen sich nicht ins Wahllokal mit ihren bis zu 93 Stimmen, weil sie fürchten, sie kommen da nicht mehr raus, unterzuckert, halb verdurstet und auch sonst sehr schwach auf den Beinen, wenn sie durch sind und am Ende."
...sowie, wäre hinzuzufügen, vorzeitig gealtert mit zerfurchter Stirn und gletscherspaltentiefen Nasolabialfalten.

Vor dem Kringeln hat der Herrgott das Häufeln (Kumulieren) gesetzt:
"Kumulieren, also 'häufeln', geht ungefähr so, sagen die Leute: wer was taugt, kriegt mehrere Stimmen. So mal übern Daumen. Kriegt einer drei Stimmen, hast du immer noch 90, wohin damit? So häufeln die Kumulierer vor sich hin und manchmal hört man sie murmeln, dass ihnen das kreative Kumulieren ohnehin keiner dankt."
Wem überm Herumkrümeln (Kumulieren) noch nicht komplett die Lust am Wählen vergangen ist, macht sich ans Panaschieren. Das Panaschieren macht vergleichsweise Spaß, weil man sich dabei für die verdorbene Laune rächen kann, die einem das Krümelmonster verursacht hat:
"...da kann man sich nicht entscheiden und verteilt seine Stimmen auf Kandidatinnen und Kandidaten verschiedener Parteien. Wer weiß, wofür's gut ist, sagt sich der Panaschierer, eins links, eins rechts, eins fallen lassen."
...schwupp, guter Tip, das schaffen auch einfach gestrickte Wählernaturen wie zum Beispiel ich.

Das Beste, weil am leichtesten Verständlichste, ist die Option des Wegstreichens:
"Das wird sehr gern genommen. Sagt dir jemand nicht zu, streichst du seinen Namen durch. Das macht vielen große Freude, sie nehmen gar ein Lineal, damit ihr Missfallen auch ordentlich aussieht. Frau Z. hier hat den in der Regel eher sparsam kumulierenden und panaschierenden Gatten schon zurechtgewiesen, weil sie einen Blick auf seinen Monsterzettel warf und feststellen musste, dass er fürs Streichen den falschen Stift genommen hat, diesen gelben Marker, wissen Sie, wodurch das Ergebnis jetzt so aussieht, als wünsche er gerade diesen Personen alles Gute. So war das aber nicht gedacht. Raus, raus, raus, sagt sie und streicht gerade noch mal nach, du und du und du! Und jetzt? Zähl mal durch: sind immer noch Stimmen übrig."
Das Wegstreichen, also das Lustigste an der ganzen Wahlqual, habe ich mir bis zum Schluss aufgehoben. Leider ist mir nicht mal dieser Frohsinn vergönnt. Eben warf ich auf dem Balkon einen Blick auf den Monsterzettel und musste feststellen, dass mir jemand zuvorgekommen ist: Auf zwei Kandidatennamen kleben mittlerweile zwei Häufchen Vogelschiss.

Aber gut, trotzdem sind ja noch mehr als genug Stimmen übrig. Was tun?

Ich hab's. Ich lass' das Krümelmonster einfach noch ein paar Tage auf dem Balkon liegen. Den Rest erledigen dann die Vögel.


Update:
Und gleich noch einen drauf: Weil Wählen so schön ist, hier der Mappus-Ticker.

Montag, 21. März 2011

The Boss In The Land Of The Bossa


Dieses herrgottsfrühe Radiohören bietet doch immer wieder Befremdliches, was einen am entspannten Weiterdösen hindert.

Kommt also der amerikanische Präsident in Brasilien an. Wirft ein paar wohleinstudierte Brocken auf Portugiesisch hin (kommt beim Volk immer gut). Und dann hat er den Nerv, das brasilianische Volk zu beglückwünschen. Glückwunsch wozu? Er gratuliert dem Volk - jedenfalls einem Teil von ihm - dazu, dass in den letzten Jahren doch glatt die Hälfte der brasilianischen Unterschicht es geschafft habe, in die brasilianische Mittelschicht aufzusteigen. Steil.

Unerwähnt blieb, dass es im gleichen Zeitraum doch glatt die Hälfte der amerikanischen Mittelschicht geschafft hat, in die amerikanische Unterschicht abzustürzen.


Ein wenig präsidentiale Schamesröte wäre angemessen gewesen.

Sonntag, 20. März 2011

Hoofs and Grooves


Sie nennen es Hoof Shoes.
Ich nenne es galoppierenden Designerschwachsinn:


Sie behaupten, durchgeknallter ginge nicht mehr.
Ich behaupte, doch, es geht noch durchgeknallter:


Sie sagen, die durchgeknallten Schuhträger hießen Hoofers.
Ich sage, die spinnen.

Weil:


Die einzigen, die wirklichen, the one and only, die unerreichten Original Hoofers sind nämlich diese großartigen Jungs.

Samstag, 19. März 2011

Klotzen und kleckern


Kinder, wie die Zeit vergeht.

Mein olles Blogprofil bedurfte dringend einer Aktualisierung.


Update:
Hm, pfft. Jetzt bedarf die Aktualisierung dringend eines lesbaren Layouts. Kann mir bitte jemand sagen, wie ich da Absätze reinzaubern kann?

Freitag, 18. März 2011

Reaktorsicherheit im italienischen Eimer


Starker Tobak. Wie aktuell zu lesen ist,
"... veranlasst die italienische Regierung die dringende Evakuierung von 120.000 minderjährigen Mädchen aus der unmitttelbaren Nachbarschaft des veralteten Reaktors Silvio Berlusconi."
Wurde auch langsam Zeit. Haben doch in jüngster Zeit die schadstoffhaltigen Emissionen des grenzwertigen italienischen Premierministers die zulässigen Grenzwerte fürs moralisch Akzeptable eindeutig überschritten.

In einer Eilmeldung via Rundfunk kündigte Italiens Innenminister Roberto Maroni Sofortmaßnahmen an:
"'Wenn Sie unter 20 Jahre alt, vollbusig, blond, naiv oder vielleicht einfach nur ein gerissenes kleines Luder sind, dann sind Sie in Gefahr! Zu Ihrer Sicherheit werden wir in den nächsten 24 Stunden Kleinbusse durchs Land schicken, um Sie einzusammeln und mindestens 150 Kilometer aus dem Umkreis von Silvio Berlusconi zu entfernen. Dabei empfehlen wir Ihnen, sich angemessen zu kleiden, Ihren Eltern Bescheid zu sagen und mit den Behörden zu kooperieren - allerdings nicht in der Weise, wie es Silvio gern hätte.'"
Wie verlautbart wurde, erschien die Evakuierungsmaßnahme dringend notwendig, seit der 75-jährige Berlusconi Anzeichen von gefährlicher Überhitzung gezeigt habe:
"'Diese alte Reaktoranlage hat sich als Potenzkraftwerk überraschend lange gehalten', sagte Maroni, 'aber in den letzten Jahren hat seine Außenfassade beträchtlichen Aufwand an teuren, jedoch letztlich wenig überzeugenden Reparaturarbeiten erfordert. Im Gegenteil, seine Instandhaltung verschlang immer größere Mengen des politisch hochgiftigen Treibstoffes Bunga Bung-A - einzig mit dem Ziel, weiterzulaufen wie bisher.'"
Es werde befürchtet, dass die erwartbare endgültige Kernschmelze von Berlusconi zu unberechenbaren Kettenreaktionen sexueller Natur führen könnte, die sich im weiteren Umkreis des Reaktorgeländes unheilvoll entladen würden.

Zur Vorbeugung habe der Innenminister bereits ein Team von hochqualifizierten Sexklempnern entsandt, um längst überfällige Kühlungsprozeduren an dem alternden Premier vorzunehmen.

Letzterer habe verstärkt im Kreuzfeuer der Kritik gestanden wegen seines armseligen Sicherheitsstandards, seiner ineffizienten Leistungen sowie seiner Neigung zu Fehlkalkulationen aller Art.

Wie der italienische Innenminister betonte, sei die momentane Reaktorsicherheit als äußerst risikobehaftet zu betrachten und des Reaktors Störungsanfälligkeit mit dem Begriff 'Restrisiko Berlusconi' nur unzulänglich umschrieben.
"Stellen Sie sich vor, Berlusconis überhitzte Brennstäbe würden nach all den Jahren schlussendlich versagen, dann würde die daraus resultierende Explosion ein riesiges Machtvakuum hinterlassen - weiß der Herrgott, wie kontaminiert wir dann enden würden! Womöglich schlimmer als nach einer seiner berüchtigten nächtlichen Kabinettsitzungen."
Mädels, steigt in den Bus.


(Quelle: Das wie üblich gut unterrichtete britische Satiremagazin NewsBiscuit)

Donnerstag, 17. März 2011

Saxophon Beats Security


Tu, was du für richtig hältst.

Tu es, egal, was die anderen sagen.

Tu es, solange du noch am Leben bist.

Tu es einfach.

Lebe.

"He's too saxy for these places.
Too saxy for these places.

(via Coilhouse)

Zwei Hunde in Japan





Mito, Ibaraki in Japan. Nach dem Tsunami.

Zwei verlorene, aber überlebende Hunde.

Der eine ist verwundet.

Der andere bewacht und beschützt ihn.

Manchmal ist Weinen das einzige, was bleibt.

Mittwoch, 16. März 2011

Einfach mal abschalten


Merkel heute früh im Deutschlandfunk (zum Paragraph 19, Absatz 3, Ziffer 3 des Atomgesetzes bezüglich der vorübergehenden Abschaltung der Kernkraftwerke):
"Wir gehen davon aus, dass die rechtliche Grundlage eine rechtliche Grundlage ist."
Erwähnte ich schon, dass ein Moped nichts anderes als ein Moped ist?

Die Frau muss dringend mal abschalten.

Montag, 14. März 2011

Dem Lenin sein Moped


Sprache an sich ist ja etwas Schönes, Sprachverarmung hingegen ein eher unschönes Phänomen. Wo doch unsere Sprache für alles und jedes ein prägnantes Wort bereit hält und damit besonders die mündliche Kommunikation so sinnstiftend wie schmückend bereichert.

Nun gibt es jedoch Situationen, wo das Schmückende den Kommunizierenden sonstwo vorbeigeht, und wo gerade das Sinnstiftende nach wenig elaboriertem Duktus und möglichst knappen Sätzen verlangt. Alles andere liefe in solchen Situationen auf Ressourcenverschwendung hinaus. Ein typisches Beispiel ist die Situation des Renovierens eines Ladenlokals; wo also ein bestehendes Chaos über den Zwischenstatus des Sekundärchaos gezielt in den Endzustand der frisch gestrichenen Neuordnung transformiert werden soll. Das Ganze bei maximaler Zeitknappheit, was schon für sich ein effizientes Kommunizieren via knapper Sätze rechtfertigt.

Kein Wort zu viel, hieß also am Wochenende die Devise. Als hilfreich hat sich der Gebrauch von Schlüsselwörtern erwiesen; Wörter also, die mit einem Schlag jedem Beteiligten klar machen, worum es geht; Wörter, die umgehend Reaktionen auslösen; Wörter, die dem Handwerkelnden den zeitraubenden intellektuellen Prozess der Wortfindung ersparen. Aber eben auch Wörter, die aussagekräftiger und plastischer rüberkommen als das traditionelle Dingsda.

Im vorliegenden Fall hieß das Schlüsselwort: Moped. Und zwar kurz ausgesprochen, so als ob es mit zwei P geschrieben wird. Mir persönlich war dieses Wort völlig neu (sofern seine Bedeutung über die eines motorbetriebenen, stinkenden, lärmenden Zweirades hinausgeht). Aber obwohl ich noch nie zuvor etwas davon gehört hatte, habe ich das Moped seit diesem Wochenende unverzüglich in meinen aktiven Wortschatz aufgenommen.

Es ging schon am Freitagabend los mit der pragmatischen Sprachverhunzung. Denn um am Samstag die Decke streichen zu können, mussten am Freitag alle zu Dekorationszwecken von der Decke hängenden Objekte - Liebhaber-Segelflugzeuge, schmiedeeiserne Kerzenhalter, antike Kinderfahrräder, ein monströser goldener Putto und einiges mehr - abgenommen werden.
"Kann mal einer die ganzen Mopeds von da oben runterholen?" Das war Freitagabend, und da guckte ich noch ziemlich begriffsstutzig.

Ab Samstagmorgen fing ich an, mich an die Entkomplexisierung der deutschen Sprache zu gewöhnen. Fragte mich einer nach "dem Moped da drüben", wusste ich sofort, es kann sich nur um Pinsel, Spachtel oder Malrolle handeln, im Einzelfall auch um einen Hammer. Reichte ich statt des gewünschten Schleifgerätes irrtümlich die Bohrmaschine rüber, hieß es: "Nein, ich meine das andere Moped!", und der Fall war klar.

Später, als ich auf dem rollbaren Bistrotisch stand, um die Deckenbordüre zu streichen, ging mir ganz selbstverständlich von den Lippen: "Kann mal einer mein Moped weiterschieben?" Ohne weiteres überflüssiges Wortvergeuden wurde ich geschoben.

Irgendwann maulte ein Streicher:
"Kann mal einer das Moped (=Radio) ausmachen?"
"Wieso das denn?"
"Weil ich dieses blöde Moped (=Musik von Modern Talking) nicht mehr hören kann."
Alternativ wurde eine CD mit dem Köln Konzert von Keith Jarrett eingelegt. Als die Stelle kam, wo der Pianist seinen Kopf gegen den Flügel schlägt, entfuhr es einem der Streicher: "Mann, das ist ja 'n Moped!", wobei unklar war, was er genau damit meinte - den Flügel, den Kopf oder den musikalischen Geniestreich -, aber alle waren sich einig, dass der Streicher recht hatte und das Köln Konzert mopedmäßig gut zum Streichen passte.

Weil das Renovierungswochenende im Zeichen des Frühlings stand, blieb die Eingangstür meist geöffnet, obwohl der Laden geschlossen war, was manchen Frühlingsspaziergänger veranlasste, neugierig das Chaos zu betreten. Sehr zum Gefallen von Fräulein Jekyll, die das Gefühl bekam, endlich auch etwas zu tun zu haben: Genervt von all den Räum- und Renovierungshyperaktivitäten beschloss sie, jedem unbefugten Betreter ihres Reviers die Hölle heiß zu machen. Respektvoll wichen die Eindringlinge zurück.
"Huch. Wie heißt denn das Hundchen?"
Antwort: "Moped."
Als wenig später aus anderen Gründen Fräulein Jekyll ein wenig renitent wurde, hieß es:
"Wer geht mit dem schwarzen Moped Gassi?"
Fräulein Jekyll fühlte sich aufgewertet.

Natürlich gab es auch befugte Betreter (sprich Stammgäste), die daran zu erkennen waren, dass das schwarze Moped vertraulich an ihnen hochsprang und jegliches Randalieren unterließ. Einer von ihnen musterte mich und fragte:
"Ich kenne Sie gar nicht, sind Sie neu hier?"
und bekam höflich zur Antwort:
"Darf ich bekannt machen, das ist die Mrs. Moped."
Merke: Ein Moped sagt mehr als tausend Worte.

Am Sonntagabend schließlich war es Zeit, all die Mopeds wieder an die frisch gestrichene Decke zu hängen. Ein besonders rares Sammlerstück wurde vom Chefsammler aufsehenerregend kommentiert:
"Das ist das Original-Dreirad vom kleinen Lenin! Ich schwör's."
Es folgte eine spannend erzählte Räuberpistole, wonach ein russischer Gast vor Jahren das hölzerne Raumschiff des längst verblichenen Politpromis dem Chefsammler als Geschenk verehrt habe. Die Sache ist nicht verbürgt, klang aber geschichtsträchtig.

Der Jüngste in der Renovierungs-Combo - offenbar zu jung, um russische Revolutionäre zu kennen - machte runde Augen und fragte: "Lenin? Nie gehört. Was soll der denn für'n Moped gewesen sein?" Die ältere Generation machte rollende Augen und gab Geschichtsnachhilfe. Der Junior pfiff beeindruckt durch die Zähne, sagte: "Nee, echt jetzt? Ist ja voll der Wahnsinn!", und fuhr fort:
"Schickes Moped."

Dem ist nichts hinzuzufügen.

Dem Lenin sein Moped

Samstag, 12. März 2011

No, we can't




Vielleicht müsste es korrekt heißen: "We could."

Bloß weil sie etwas reparieren können, heißt ja noch lange nicht, dass sie es auch wollen.

Kennt man ja.

Zum Beispiel von Leuten, die irgendwann mal gesagt haben: "Yes, we can!"

Freitag, 11. März 2011

Herzblut


Im Deutschlandfunk wurde heute früh schwer deutschgerockt. Nach der Berichterstattung zur Verabschiedung (gestern abend) des bisherigen Verteidigungsministers wurde die "unkonventionelle" musikalische Untermalung des Acts gewürdigt: Smoke On The Water - eine echte Herausforderung für ein traditionell auf Marsch- und Blasmusik getrimmtes Orchester.

Als ich hörte, wie der Deep-Purple-Klassiker in voller Länge vom Bundeswehrorchester heruntergeschrammelt wurde, fiel ich gepeinigt aus dem Bett.

Noch vor dem ersten Kaffee flüchtete ich mich zum Original, wo das Herzblut in die Musik fließt und nicht, wie beim Verabschiedeten, am Amt hängt:
"Wohl niemand wird leicht, geschweige denn leichtfertig das Amt aufgeben wollen, an dem das ganze Herzblut hängt, ..."
Wenn das Herzblut erstmal hängt, hat es zu pulsieren aufgehört. Da nützt alles Marschieren nichts.


Bundeswehrorchester, ab nach Montreux!

Kick it like Barbie


Unaufhaltsam rollt auf Deutschland ein neues Sommermärchen zu, die FIFA Frauen-Weltmeisterschaft 2011. Die Entwicklung des Frauenfußballs ist nicht zu stoppen:

"Alle Frauen haben das Recht, Fußball zu spielen."
FIFA-Präsident Joseph Blatter

Wenn einer wie Blatter das sagt, dann muss es wohl stimmen. Blatter war es auch, der sich bereits im Jahr 2004 visionär dahingehend äußerte, dass die Sportkleidung von Fußballspielerinnen "femininer" gestaltet werden solle - diese Maßnahme sollte neue Geldgeber, etwa aus der Kosmetik- und Modeindustrie anlocken. Von Spielerinnen- und Frauenverbänden bekam er dafür gewaltig einen auf die Mütze.

Das ficht einen wie Blatter nicht an. Wie zu lesen ist, ist der 79-jährige zum wiederholten Male auf Brautschau. Vielleicht ist unter den elf rosafarbenen Püppchen ja etwas Passendes dabei.


Mittwoch, 9. März 2011

Brav bleiben


Ich muss unbedingt meine Jugendmedienschutzbeauftragte Juschi ein wenig besänftigen. Die Juschi scannt nämlich das Blog nach jugendgefährdenden Inhalten, vor denen sie die Jugend bewahren möchte. Das ist löblich und ganz in meinem Sinne.

Nur manchmal gehen dabei unsere Meinungen etwas auseinander. Zum Beispiel gestern meinte die Juschi, es sei vielleicht keine so gute Idee, die Jugend zum zivilen Ungehorsam aufzurufen, während ich fand, dass das vielleicht schon keine ganz schlechte Idee ist.


Um die Juschi versöhnlich zu stimmen, stelle ich heute ein T-Shirt mit absolut jugendfreiem Motiv ins Blog: Gehorche, sei fügsam und widersprich keinem Erwachsenen, der dich auf Linie bringen will, und vor allem: Hör' auf keinen Erwachsenen, der dir etwas von Ungehorsam erzählt. Sei still und bleib' brav.

Nicht verschweigen möchte ich allerdings, dass die künstlerische Vorlage für das brave T-Shirt eher aufsässig rüberkommt. Vorsicht, jugendgefährdender Link.

Dienstag, 8. März 2011

Körper gegen Kapital


Nein, hier geht es nicht um Prostitution, ganz im Gegenteil.


Der Körper stellt sich gegen das Kapital.
Er stampft, begehrt auf, rebelliert gegen das Kapital.
Der Körper tritt das Kapital buchstäblich mit Füßen,
an genau jenem Ort, wo damit spekuliert wird.


Wie, der Körper? Welcher Körper?

Der tanzende Körper.

Wie - der Körper tanzt gegen das Kapital an?

Genau das macht er. Und zwar gegen das Finanzkapital.

Aha. Und wie macht das der Körper?

Indem er Rumba tanzt. Und zwar in der Schalterhalle einer Bank.

Darf der Körper das?

Nein, aber er tut es trotzdem.


La Rumba del banquero

Die Körper tun es trotzdem, und der Security-Mann weiß nicht so recht, wie er einem rumbatanzenden Flashmob Herr werden soll. Kaum ist es ihm mit Mühe gelungen, einen Tänzer rauszuschmeißen, kommt der zur gläsernen Drehtür der Bank wieder reingetanzt.



flo6x8 ist eine Gruppe von spanischen Aktionskünstlern aus Sevilla, die den Banken und der von ihnen verursachten Krise physisch zu Leibe rückt - mit all der Kraft, der Leidenschaft und der Wildheit des Flamenco.

Und mit Köpfchen.



(Dank an R@iner für den wunderbaren Hinweis auf flo6x8.)

Montag, 7. März 2011

Vom Sitzsack zum Stehgeiger


Zur Zeit reden alle von irgendeiner Revolution. Ich jetzt auch. Na gut, von einem Revolutiönchen. Jedenfalls fühlt es sich ein bisschen revolutionär an, obwohl es sich eigentlich objektiv um etwas eher Evolutionäres handelt.

Denn in der Entwicklungsgeschichte des Menschen wird ja gern von Evolution gesprochen, wenn sich aus der geduckten Haltung ein aufrechter Gang entwickelt. Nur, rein subjektiv fühlt es sich für den hockenden kleinen Krabbler bestimmt revolutionär an, sobald er es schafft, sich evolutionär am Tischbein hochzuziehen und stehend die große Welt zu überblicken.

Womit ich beim Thema bin: Vor ein paar Tagen habe ich mich sozusagen am Tischbein hochgezogen und überblicke jetzt meine Computerwelt aus dem aufrechten Stand - was sitzend war, soll stehend werden. Schluss mit der stundenlangen Hockerei. Wer steht, hat mehr vom Leben und mit Sicherheit eine bessergelaunte Wirbelsäule. Nunmehr stehe ich also und bereue nichts.

Angefangen hat alles so: In diversen Blogs las ich - sitzend, selbstredend -, dass es offenbar modern wird, vom Sitz- in einen Steharbeitsplatz überzugehen. Je mehr ich las und dabei saß, desto eindringlicher die Rückmeldung meines Rückens, dass er das bitteschön auch möchte. Also, stehen statt sitzen. Kreuzlahm beschloss ich schließlich, ein moderner Mensch zu werden.

Modern hieß in meinem Fall: Es muss eine ergonomisch sinnvolle Lösung her, die nichts kostet. Weil, einem angespanntem Rücken ist bei angespannter Finanzlage nur beizukommen, wenn sich der Kostenaufwand im Nullbereich bewegt. Also lautete mein oberstes Gebot: Neu gekauft wird nichts. Damit schieden - zugegeben, schicke - Problemlösungen wie diese hier von vorneherein aus:


Schließlich hatte ich mir geschworen, keinen Cent auszugeben.

Interessant, weil dem Do-it-yourself-Prinzip verpflichtet, schien mir zunächst dieser Standing Desk:


Ich verwarf die Idee aber schnell, denn 1. müsste ich ja in -zig Coladosen investieren, 2. mag ich kein Cola und 3. wirkt das Ganze zwar irgendwie kühn-kreativ, jedoch eher instabil, und bei der Vorstellung, mein Hund Blues würde sich in einem seiner bluesigen Anfälle schweratmend gegen diese fragile Konstruktion lehnen, wurde mir himmelangst.

Im Low-Budget-Bereich sind der Phantasie natürlich keine Grenzen gesetzt - wohl aber der ästhetischen Anmutung:


Man nehme seinen ollen Schreibtisch und erhöhe ihn mit Hilfe vieler Packen Druckerpapier zum Standing Desk. Hat einen gewissen provisorischen Charme. Zumindest von der Idee. Jedoch bin ich zu knausrig, mir viele Packen Druckerpapier zu kaufen. Und mal ehrlich, aussehen tut dieses Gebilde zum Davonlaufen - man will ja vor seinem neuen Steharbeitsplatz nicht davonlaufen, sondern freudig darauf zugehen.

Dann gibt es noch die Durchgeknallt-Fraktion. Der stehe ich zwar aus Prinzip und Überzeugung stets offen gegenüber, aber irgendwo ist ja dann auch mal Schluss mit lustig:


Zwar kein Steharbeitsplatz im engeren Sinne, aber immerhin von einer Art sportlichem Grundgedanken inspiriert, von daher erstmal attraktiv. Scheidet jedoch aus, weil es in meinem Haushalt wohl ein Fahrrad, aber kein Bügelbrett gibt. Und mit meinem Fahrrad weiß ich Besseres anzufangen als es zu einem Stellplatz vor dem Computer umzufunktionieren, also bitte.

Wie gesagt, ich saß und las, ich erwog und verwarf, dann nahm ich Maß (vorheriges Maßnehmen empfiehlt sich, denn die Höhe der Arbeitsplatte soll ja der eigenen Körpergröße angepasst sein - sehr hilfreich dafür: ergotron.org), und eines Morgens schritt ich zur Tat und krempelte meinen gruftigen Sitzarbeitsplatz um in einen dynamischen Standing Desk:


Was soll ich sagen? Es fühlte sich vom ersten Tag an revolutionär an. Mit jedem weiteren Tag lobpreise ich meine neue Workstation in den höchsten Tönen und komme zu dem Schluss: Ein Standing Desk ist das Beste seit der Erfindung des Hexenschusses.

Zum revolutionären Feeling gehört allerdings, dass das stundenlange Arbeiten im Stehen anfangs anstrengend ist (das waren Revolutionen schon immer, so viel ich weiß). Stehen strengt an, weil es Wachheit und ständige Bewegung erfordert. Sitzen strengt an, weil es ermüdet und auf Bewegungslosigkeit hinausläuft. Mir ist die Anstrengung des Stehens lieber. Meinem Rücken auch. Und meinem Geist, ganz nebenbei, ebenfalls: Der ist im Stehen wacher und beweglicher als er es in einem noch so perfekten Hi-Tech-Bürostuhl je sein könnte.

Wie heißt es so treffend? Viva la ... !


(Bild 1, 2 und 3 via smarterware. Am Ende des Artikels und in den Kommentaren finden sich viele informative Links zu Illustrationen und Erfahrungen von Sitz-zu-Steh-Umsteigern.)

Sonntag, 6. März 2011

Zugluft



De Zoch kütt, sagen die in Köln um diese Jahreszeit, glaube ich.

Das muss man sich so vorstellen: Man geht durch den Zug und denkt nichts Böses, und plötzlich kütt de Zoch an einem vorbei. Einfach so.

Dann kütt der nächste Zoch und dann noch ein Zoch, und vor lauter Züchen - oder sagen die im Rheinland Zöchen? - kommt man überhaupt nicht mehr zum Zug. Wenn sich das dann aufs Bloggen niederschlägt, spricht man von einem Entzuch.

Halt nein, in dem Fall muss es wohl Entzoch heißen. Oder so.

Freitag, 4. März 2011

Den Dreh raus


Also.

Ich arbeite ja neuerdings in so einem abgedrehten Laden bei zwei so abgedrehten Kerlen mit lauter abgedrehten Kochideen.

Und was das Abgedrehteste ist:

Neuerdings haben die ein eigenes, ziemlich abgedrehtes Blog.

Was aber das Allerabgedrehteste ist:

Das Blog habe ich den beiden heute eingerichtet.

Ui.

Dienstag, 1. März 2011

Tolle Aussichten


"Kleine Gäste, tolle Aussichten"

"Manchmal können die Eltern oder Großeltern nicht mit auf Reisen gehen. Kein Problem, denn alleinreisende Kinder sind bei der Bahn stets bestens aufgehoben. ... Langweilig wird die Fahrt bestimmt nicht! ... Was gibt es Spannenderes als die erste Reihe ohne Eltern und den Blick durchs Fenster auf die vorbeirauschende Landschaft?"

Tolle Aussichten in der ersten Reihe. Gute Reise, Kinder.