Dienstag, 14. Juli 2009

Jäger und Sammler

Heute früh kurz bei Plopp & Plutsch vorbeigeschaut - desaströs. Infolge des nächtlichen Dauerregens gab es statt fester, frischer Kullerchen nur noch Mirabellenkompott. Zwar von einwandfreier biologisch-organischer Qualität, aber ein derart intensiv naturbelassenes Aroma verströmend, dass ich von meinem Erntevorhaben Abstand nahm.
Während der zwanzig Meter Fahrt durch Mutter Naturs Gär- und Waschküche (feuchtwarme Luft, 23 Grad schon um halb sechs) beschloss ich, künftig diese öffentliche Wegstrecke als mein privates Krisengartengrundstück zu nutzen, frei nach der Devise: Ernten ohne selbst anzubauen. Einfach mitnehmen, was die Scholle so hergibt. Okay, klingt jetzt vielleicht ein bisschen konsumistisch, so nach take away food - Habenwollen ohne Hand anzulegen, genau von diesem Anspruchsdenken will einen ja das Selbstversorgungsprinzip runterholen: kein Einverleiben ohne sich zu verausgaben. Aber bitte, immerhin bücke ich mich pausenlos, also, tun tue ich schon etwas, meinetwegen ist es Selbstversorgung light. Bei den Mirabellen ist noch längst nicht aller Tage Abend, da kommt noch einiges runter.
Schräg gegenüber vom Mirabellenbaum steht ein Birnbaum, den ich gottlob daran erkenne, dass er bereits kleine grasgrüne birnenförmige Früchte trägt. Noch sind sie unfotogen. Weitere Erntepotentiale werde ich die nächsten Tage eruieren. Für den Anfang nicht schlecht: Birnen einlagern über den Winter, Mirabellenmarmelade kochen und im Keller bunkern.
Ist ja überhaupt etwas Tolles, wie sich aus roher Natur etwas Gutes zum Essen verstoffwechseln lässt. Als ich heute morgen den Keller wischte, kam ein Fleischlieferant die Treppe herabgestiegen, auf der rechten Schulter einen schweren Karton tragend. Laut rief er: "Es gibt leider nur drei Kaninchen, statt sechs bestellten." Er erblickte mich im Keller und fügte erklärend hinzu, es bestünde derzeit ein Lieferengpass für Kaninchen. Schnaufend verschwand er mit Karton im Kühlhaus. Nun habe ich ja mit der Bestellabwicklung rein gar nichts zu tun, fand aber das mit dem Lieferengpass doch bemerkenswert. Wie kann das sein? Die Kaninchen springen, wie schon erwähnt, zu Hunderten in freier Wildbahn herum, man spricht von einer großstädtischen Plage, und der Kaninchenlieferant hat was? Einen Engpass. Sachen gibt's. Kaninchen-Butterberge, sozusagen.
Ich trug gerade meinen Wassereimer die Kellertreppe hoch, als der Kaninchenbringer hinter mir wieder auftauchte. Interessehalber fragte ich ihn, ob es sich um Keulen oder Rücken vom Tier handele, und er antwortete, nein, das seien komplette, unzerlegte Kaninchen, die erst von den Köchen auseinandergenommen werden. Fand ich zumindest ungewöhnlich; es werden ja schließlich auch keine unzerlegten Kühe angeliefert. So könne man das nicht sehen, meinte der Mann mit einem gutmütigen Grinsen, bei Kaninchen sei das etwas anderes als bei Kühen. Während er den Kopf schräg legte und überlegte, wie er sagen sollte, was er sagen wollte, ertönte vom oberen Ende der Kellertreppe die Stimme von Frau Übermop: "Damit man sieht, dass es keine Katze ist."
Fast schmoss es mich rückwärts die Kellertreppe runter vor Lachen. Ich weiß nicht, was mich mehr erheiterte - das mit der Katze oder der Übermop-Tonfall. Der Halbsatz 'damit man sieht, dass es keine Katze ist' kam beiläufig-belanglos daher als handele es sich um eine Marginalie, etwa wie 'an Spiegeleier gehören Salz und Pfeffer'. Im Krieg, so erfuhr ich, seien tatsächlich Katzen als Kaninchen vertickt worden, also musste man sich vorsehen als Käufer.
Ich raste sofort ins Kühlhaus um nachzuschauen, ob sich auch kein falscher Hase unter den dreien befand. Ich tippe auf dreimal Kaninchen, obwohl, beschwören könnte ich es nicht. Und wenn man erstmal ins Nachdenken kommt...kennt man ja.
Aug' in Aug' mit den drei küchenfertigen Häschen wuchsen meiner morgendlichen Krisengrundstücksvision Flügel. Dort purzeln nämlich nicht bloß Mirabellen und bald auch Birnen durch die Gegend, sondern ganze Kaninchengeschwader. Ich weiß, dass auf Kaninchen nicht geschossen werden darf, jedenfalls vermute ich es, aber ich sage ja auch nicht, dass ich auf Kaninchen schießen will, ich sage nur, Schrotflinte lernen wäre schon mal nicht schlecht, so krisentechnisch gesehen.
Vielleicht steige ich auch in die Destillierbranche ein, denn auf dem Rückweg ploppte und plutschte es wieder aus allen Rohren; frische Ware lag abholbereit. Warum nicht in Mirabellengeist machen? Warum nicht dereinst, wenn die Krise uns das letzte Hemd ausziehen wird, sich an Kaninchenbraten mit in Senf geschmorten Mirabellen stärken?
Warum in die Ferne schweifen? Jetzt wird erst mal Mirabellenkompott gekocht.


2 Kommentare:

  1. :) ich kenne diese nebenbeisätze... mein dirigent läßt sie am laufenden band in der probe vom stapel ^^.

    und, schon kompott im glas? :)

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  2. Hey, vier große Gläser im Küchenregal! Supergefühl...:)

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