Sonntag, 19. Juli 2009

Durch die Blume

Womit man nicht alles seinen Sonntag verplempert. Nach einer kleinen privaten Putzattacke blieb ich vor einem knallbunten Blumensträußchen stehen, einem zehn Tage alten Geschenk. Das charakteristische Müffeln war nicht zu überriechen, dieses Angemoderte, leicht Morbide, ins Jenseits Hinüberkippende. Ich beschloss, meinen anfallartigen Putzrappel mit der Entsorgung des Stinkers zu krönen.
Statt zum Mülleimer lenkten mich jedoch meine Schritte auf den Balkon, wo dem Strauß ein Gnadenbrot zuteil wurde. Von weitem sah er immer noch hübsch aus, gemüffelt hat er nur im Nahbereich, welchen ich mied. Nette Außendeko, fand ich; dann kam nach endlos langem Regen endlich die Sonne heraus. Also Socken ausziehen, Relaxposition einnehmen, Kaffee trinken, Lesen.
Plötzlich beschlich mich das unangenehme Gefühl, angestarrt zu werden.
Ich schaute vom Buch hoch und direkt in die Augen meines neuen Balkonbewohners. Er schaute zurück, und das mit einem Blick, welcher dem Buch keine Chance mehr ließ. Ein paar Mal versuchte ich, in die Lesestrecke zurückzufinden, ging aber nicht. Dieser Blick. Irgendwie so durchdringend und erwartungsvoll. Als ob er etwas von mir wollte.
Eine ganze Zeitlang saß ich da und wir guckten einander an. Einfach so. Passiert ist weiter nichts, aber nach einer Weile fühlte es sich so an wie bei Mogli, der zu lange der Schlange Kaa in die spiraligen Augen geschaut hat. Mir wurde so trancemäßig zumute. Schwer klappten die Augendeckel zu, ich nickte ein. Aber nur kurz, vor allem unruhig.
Beim Öffnen der Augen kreuzten sich wieder unsere Blicke, jetzt guckte der bunte Aussiedler fast vorwurfsvoll, so schräg von der Seite.
Fotografieren soll ja helfen, böse Geister zu bannen. Also draufgehalten. Dann verzog sich die Sonne hinter den Wolken und ich mich vom Balkon. Was soll man auch tun, wenn weder Lesen noch Schlafen möglich sind. Bloggen könnte ich noch, dachte ich mir. Also gut. Fing eh grade wieder zu regnen an.
Eben hat der Regen aufgehört, die Balkontür stand offen, es roch schön frisch herein. Ich ging hinaus, draußen roch es überhaupt nicht frisch, sondern fortgeschritten moderig. Oh mein Gott.
Er sah mich an. Ich sah ihn an. Ich sah, dass er weinte. Er hatte genug. Er wollte nicht mehr. Es war zum Herzerweichen. Endlich verstand ich. Und erlöste ihn. Dann setzte ich mich auf den Balkon und schlug mein Buch wieder auf. Ging nicht. Mein Kopf drehte sich dauernd nach der Stelle, wo der Kleine gestanden hatte. Nicht dass ich den Blickkontakt vermissen würde. Aber irgendwas fehlt.

5 Kommentare:

  1. den putzanfall, den brauche ich dringend. so dringend, das geht schon nicht mehr. aber ich spiele lieber geige, mache sport, kommentiere blog-einträge und höre musik. komisch, ne?
    --> hilfe!

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  2. Das Gute am privaten Putzen ist ja, dass man sich sportlich betätigt und dabei Musik hören kann. Nur mit dem Geigespielen wird's schwierig, das geb ich zu ;).

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  3. ich sollte anfangen, es so und nicht anders zu sehen. ab morgen. ^^

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  4. ja, ich werde es heute abend [nach der spielkreis-probe] mit dem ipod shuffle am gürtel ausprobieren.

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