Freitag, 27. Mai 2011

Der Müll, das Leben und die Not



Crane ist das Pseudonym einer amerikanischen Bloggerin. Das Wort crane hat im Englischen zwei verschiedene Bedeutungen: 'Kranich' oder 'Kran'. Die Bloggerin crane jedoch will diesen Namen explizit als beides verstanden wissen: Kranich und Kran. Unter dem Blogtitel Dumpsters 2001 schreibt crane über ihr Leben als professionelle Dumpster-Diving*-Fachfrau und firmiert dabei mit dem Nickname crane-station.

Crane ist etwa 50 Jahre alt ("I'm in good shape!"), arbeitslos, verheiratet mit einem ebenfalls arbeitslosen Mann. Dessen Arbeitslosenunterstützung lief letztes Jahr aus; seither leben die beiden von der Sozialhilfe. Um genau zu sein: Natürlich leben sie nicht von der Sozialhilfe, denn mit den Zahlungen aus der Sozialhilfe schaffen sie es gerade mal, Miete und Heizkosten zu bestreiten, die Autoversicherung, die Internetverbindung, Telefon- und laufende Rechnungen.

Für Lebensmittel bleibt so gut wie kein Geld übrig. Die monatlich bewilligten food stamps (Lebensmittelmarken) in Höhe von etwa 20 Dollar würden allenfalls reichen, um das Benzin für die Fahrten zum Lebensmitteleinkauf zu finanzieren. So beschlossen crane und ihr Ehemann im November 2010, zum Sattwerden auf Dumpster Diving umzusteigen, und zwar systematisch, gut organisiert und bis ins kleinste Detail durchgeplant - professionell eben und "with positive results".

Inzwischen hat sich das systematische Dumpster Diving der Eheleute weit über das bloße Beschaffen von Lebensmitteln hinaus entwickelt: Altmetall, Kupferdrähte, Batterien, Kartonagen, Getränkedosen, Haushaltsgegenstände und -geräte - es gibt fast nichts, was die beiden nicht schon ergattert hätten auf ihren straff und umsichtig durchgezogenen Beutezügen. Mit dem Weiterverkauf von Metallschrott finanzieren sie inzwischen ihre Benzinkosten, müssen allerdings befürchten, demnächst zur Einkommenssteuer aus diesen Transaktionen veranlagt zu werden.

Sicherlich ist Dumpster 2011 nicht das einzige Blog, das sich mit Dumpster Diving befasst. Aber mit Sicherheit ist crane-station die frechste, intelligenteste und erfrischendste unter den Müllverwertungsbloggern.
"Glauben Sie mir, die Konkurrenz auf diesem Gebiet schläft nicht. Die Konkurrenz wächst. Dumpster Diving entwickelt sich zum Mainstream. Neulich trafen wir zur gewohnt frühen Stunde bei der Autowaschanlage ein, um Getränkedosen zu sammeln und begegneten einem Mann. Wir dachten, er sei gekommen, um dort seinen Müll abzuladen. Er dachte, wir seien gekommen, um unseren Müll abzuladen. Er war scharf auf unsere Getränkedosen. Wir waren scharf auf seine Getränkedosen. Am Ende haben wir uns alle drei totgelacht."
Crane-station versteht sich wunderbar aufs Geschichtenerzählen aus der nicht immer wohlriechenden Parallelwelt der Dumpster Diver. Außerdem ist sie eine scharfe und scharfzüngige Beobachterin des wachsenden Elends in ihrem Land. Sie spart nicht mit beißender Sozial- und Systemkritik, und ihre lakonisch-sarkastischen Kommentare zum Status quo wie auch Status in spe dürften bereits den einen oder anderen, sich abgesichert wähnenden Leser nervös gemacht haben.
"Ich habe den Verdacht, dass viele Leute - mögen sie auch nicht so hart an der Schmerzgrenze leben wie wir - so etwas wie eine zehnminütige Halbwertzeit haben, was ihren Lebensstil angeht. Lass' irgend etwas Unerwartetes in ihrem Leben passieren, und diese Leute werden Müllcontainer in einem ganz neuen Licht sehen."
Es kann (fast) jeden treffen.



*deutsch: 'Containern', siehe Wikipedia-Artikel; wesentlich informativer ist der englische Wikipedia-Eintrag.

1 Kommentar:

  1. Vor knapp 2 Jahren gab es auch einen deutschen Containern Blog(frage mich bitte jetzt nicht nach dem Link, zu müde...) leider wird dieser seit eben 2 jahren nicht mehr aktualisiert,schade. Hut ab, für das Ehepaar... Ich sehe immer wieder, wie gut es mir geht, und schäme mich dafür...
    Danke für den Tipp.

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