Mittwoch, 25. Mai 2011

Darf's ein bisschen niedriger sein?


Mit runden Augen lese ich gerade, dass das neue Zauberwort des kostenreduzierenden kapitalistischen Wirtschaftens nicht mehr 'Outsourcing' heißt, sondern - ja, wie nennt sich das nun? 'Insourcing', vermute ich, käme der Sache wohl am nächsten.

Insourcing ist, wenn diejenigen Arbeitsplätze, die vormals ins Ausland 'outgesourcet' wurden, weil dort der Faktor Arbeit so spottbillig war, wieder zurück ins Inland 'ingesourcet' werden, weil es da mittlerweile noch spottbilliger geht. Wobei im konkreten Fall Ausland für Indien steht und Inland für Amerika.

Anscheinend haben die Inder keine Lust mehr, für Amerika den Callcenter-Billigheimer zu spielen. Kommt denen zu teuer, den Indern. Weil nämlich die indischen Callcenter-Agents derart anspruchsvolle Lohnforderungen erheben, dass sich das Outsourcing-Geschäft nach Indien nicht mehr lohnt. Weshalb die Inder - sind ja auch nicht dumm - ebendiese Callcenter-Jobs re-outsourcen ins Ausland, und zwar dorthin, wo Millionen Arbeitslose sich darum reißen, für einen halben Appel und kein Ei sich am Telefon krummzulegen. Also zurück nach Amerika.

"In einem schäbigen Hochhaus, nur einen Steinwurf von der Wall Street entfernt, schreitet Ray Capuana die lange Reihe von Zellen ab, wo seine Leute sich am Telefon abhetzen und auf eine Bonuszahlung hoffen. Allerdings sind seine Angestellten keine Wertpapierhändler, sondern Callcenter-Arbeiter, viele von ihnen Afroamerikaner ohne Collegeabschluss, manche ohne Schulabschluss. Sie arbeiten für eine in Mumbai (Indien) ansässige Firma namens Aegis Communications.

Konfrontiert mit steigenden Löhnen in ihrem Stammland, suchen Indiens Outsourcing-Konzerne nach Wachstumschancen in den Vereinigten Staaten. Weil jedoch Washington keine Visa für indische Gastarbeiter herausrückt, fangen einige Firmen wie Aegis an, Mitarbeiter in Nordamerika einzustellen, wo ihre größten Geschäftskunden ansässig sind.

Im Rahmen dieser evolutionären Entwicklung kehrt Outsourcing nachhause zurück."

"Outsourcing comes home". Klingt das - falls es nicht ironisch gemeint war, was ich bezweifle - nicht fast rührselig nach Heimweh? Nach back to the roots? "Evolutionäre Entwicklung" klingt auch nicht schlecht, irgendwie so nach dem natürlichen Gang der Dinge und 'alles wird gut'. Die indischen Outsourcing-Companies nennen es - optimistisch nach vorne blickend - "die nächste Generation des Outsourcing", womit vermutlich gemeint ist, dass die Amerikaner neuerdings die Inder der Inder sind, wer hätte das gedacht? Amerika mausert sich zum Dritte-Welt-Land.

Bewerben kann sich so gut wie jeder, wie der indische Aegis-Manager es erfrischend unkompliziert ausdrückt:
"Unsere Personalbeschaffungsstrategie ist ganz einfach: Mir ist es wurscht, ob sie von der Park Avenue kommen oder von der Parkbank. Wenn Sie den Job drauf haben, nehmen wir Sie."
Nun gibt es bekanntlich nach jeder nächsten Generation eine übernächste Generation. Was hat man sich wohl unter "steigenden Löhnen im Stammland" Indien vorzustellen? Ich tippe darauf, dass die dortige Evolution aus ehemaligen Hungerlöhnen Niedriglöhne gemacht hat, von denen zwar keiner leben kann, die jedoch dazu geführt haben, dass Indien als Niedriglohnland nicht mehr wettbewerbsfähig ist, weshalb ihm Amerika als Niedrigstlohnland jetzt den Rang abläuft.

Darüber sollten die Inder aber nicht traurig sein, denn bestimmt winkt ihnen in ein paar Jahren der Titel der "übernächsten Generation des Outsourcing", nämlich dann, wenn sie bereit sind, für noch weniger Geld als die amerikanischen Niedrigstlöhner zu schuften.

Immer hochtouriger dreht sich das globalisierte Personalkarussell im Niedrigstlohnbereich.

Das hat Rhythmus, wo jeder mit muss.

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