Donnerstag, 5. August 2010

Kultur der Armut


Gestern abend zu (für meine Verhältnisse) später Stunde bin ich auf einen Text gestoßen, der mich umgehauen hat. Mit offenem Mund saß ich vor dem Bildschirm und war todmüde, aber elektrisiert, und blieb noch lange vor dem Bildschirm sitzen.

Da schreibt jemand über Dinge, die ich schon lange mit mir herumtrage und von denen ich noch nicht weiß, wie ich sie in Worte fassen soll; weil ich noch keine Worte gefunden habe, die verhindern, dass ich hart am Sozialkitsch vorbeischramme. Lieber halte ich den Mund. Aber hier findet einer die richtigen Worte - einfache, schmerzhaft klare Worte, mit denen er den Finger auf klaffende gesellschaftliche Wunden legt, ohne Angst, missverstanden zu werden, denn wer ihn missverstehen will, der soll es seinetwegen eben tun.

Ein halb unsichtbarer satirischer Metallicfaden ist in das Textgewebe eingesponnen. Er schillert ein wenig ätzend und kann Gänsehaut verursachen. Der den Text gewebt hat, heißt Dmitry Orlov, ist Russe und lebt in Amerika. Er schreibt ein phantastisch gutes, mutiges, eigenwilliges Blog, in dem er sich den american way of life in der Krise vorknöpft. Seine Texte pflegt Orlov mit 'Kollapsnick' zu zeichnen; damit gibt er bereits die Richtung seiner Gedanken vor - als Russe kennt er sich hervorragend aus mit Systemabstürzen.


In seinem aktuellen Text widmet Orlov sich dem american way of life nach der Krise. Er schreibt über Armut und Glück, über Sozialhilfe, über faule Arme und faule Reiche, über Gehirnwäsche, über Lenin, über die Nazis, über das verarmte Amerika, über die Russen im allgemeinen und die Russen in Amerika im besonderen, über gesunden Hunger.

Sein Hauptthema aber ist die Kultur, genauer: die Kultur der Armut.

Das Streben nach Elend
Während ich dies schreibe, bin ich unterwegs nach Washington zu einer Konferenz - einer Konferenz (unterstützt von der Community Action Partnership) zum Thema "Die neue Realität: Wie sich das arme Amerika einstellt auf kommende härtere Zeiten". Auf dem Programm stehen Diskussionen über Erwerbstätigkeit, Ernährung, Wohnverhältnisse, Gesundheitswesen, Sicherheit, Bildung, Transportwesen, und sogar solche gefühligen (touchy-feely) Themen wie Gemeinschaftszusammenhalt (community cohesion), Kommunikation und - last but not least - vor der Cocktailpause: Kultur. Die Empfehlungen dieser Konferenz werden in einen Bericht eingearbeitet und die Schlussfolgerungen auf der jährlichen CAP-Konferenz noch diesen Monat präsentiert werden.

Das arme Amerika wird möglicherweise ein Land sein mit nur wenigen guten Jobs, mit scheußlichem Essen, mit heruntergekommenen Wohnungen, mit einem unerschwinglichen Gesundheitswesen, mit einer beklemmenden, aber dennoch unwirksamen inneren Sicherheit, mit einem Bildungsprogramm vollgestopft mit Dinosaurier reitenden Jesussen (Jesuses), mit einem Verkehrswesen bestehend aus abgetakelten Kleinlastwagen und Straßen voller Schlaglöcher, mit nicht viel mehr Gemeinschaftszusammenhalt als momentan und mit einer Kommunikation, die immer noch dominiert sein wird von den unternehmenseigenen Medien.

Aber andererseits - was wird aus diesem sonderbaren kleinen Diskussionsthema werden, welches ganz am Ende der Agenda auftaucht: die Kultur? Zwar erwarten wir künftig ein Heer von Armen, unkultiviert, ungebildet, ungehobelt; aber sollten wir darüber hinaus nicht erwarten, dass sich eine Kultur der Armut entwickeln wird als eine Anpassungsleistung ans Armsein? Für einen Anthropologen stellt Kultur einen Mechanismus der Anpassung dar, welcher sich herausbildet, um die Menschen zum Überleben zu befähigen und ihnen zum Gedeihen zu verhelfen, gemäß den sie umgebenden Bedingungen. Gut, für andere Leute mag Kultur darin bestehen, einen Freudentanz aufzuführen oder auf einem Instrument zu klimpern. Für mich ist Kultur in erster Linie eine Frage der Literatur.

Der russische Autor Eduard Limonov schrieb einmal über seine Erfahrungen mit Armut in Amerika: Zu seiner Freude hatte er festgestellt, dass er seine Einkünfte mit Mitteln aus der Sozialhilfe aufbessern konnte. Jedoch musste er alsbald feststellen, dass es ratsam war, ebendiese Freude besser geheimzuhalten; nämlich dann, wenn er (bei der Behörde) erschien, um sich sein Geld abzuholen. Kurioserweise nämlich erhalten in Amerika nur die Elenden und Geknechteten Sozialhilfe, nicht aber diejenigen, die zwar der Sozialhilfe bedürfen, aber ansonsten ein völlig zufriedenes Leben führen. Und obwohl es in Amerika - genau wie überall sonst in der Welt - durchaus möglich ist, zugleich arm und glücklich zu sein, ist man in Amerika gezwungen sich zu entscheiden: Um zu vermeiden, in alle möglichen unerfreulichen Situationen zu geraten, sollte man in diesem Land sorgsam darauf bedacht sein, entweder seine eigene Armut zu vertuschen oder aber den Umstand, dass man glücklich ist. Will man Sozialhilfe bekommen, bleibt einem nur die Wahl zu leugnen, dass man ein glücklicher Mensch ist.

Ein weiteres Kuriosum besteht darin, dass unzählige Amerikaner - egal ob reich oder arm - für ein Verhalten wie das von Limonov nichts als Verachtung übrig haben: Ein ausländischer Autor lebt in Amerika von Sozialhilfe, obwohl er doch durchaus etwas Geld verdient! Nun mag es einleuchten, dass die Reichen auf einen Limonov so reagieren; denn wenn man die Armen nicht zu Elenden machen kann, was nützt es dann überhaupt, reich zu sein? Nur - warum regen sich die Armen genauso über einen Limonov auf? Auch dies ist eine typisch amerikanische kulturelle Eigenart: Was die Leute hierzulande empört, ist nicht etwa das Verschleudern von Staatsgeldern. Erzähl' den Leuten etwas über die Billionen, die an nutzlose militärische Projekte vergeudet werden, und sie werden mit nichts als einem Gähnen reagieren - weil das schließlich business as usual sei. Aber erzähl' ihnen etwas über irgendeinen bedürftigen Menschen, der etwas umsonst bekommt (eating a free lunch), und sie werden augenblicklich vor Entrüstung schäumen. Erstaunlicherweise glauben ausgerechnet die Amerikaner felsenfest an das revolutionäre geflügelte Wort von Lenin: "Wer nicht arbeitet, soll auch nichts essen!" Eine der rüpelhaftesten Fragen, die man von Amerikanern gestellt bekommt, ist "Womit verdienen Sie Ihren Lebensunterhalt? (What do you do for a living?)". die einzig angemessene Antwort darauf ist "Wie bitte?", gefolgt von einem selbstzufriedenen Grinsen und einem steinernen Schweigen - weil sie dann vermuten, dass du ein unabhängiger reicher Sack bist, vor dem sie kriechen können.

Am schockierendsten ist der Umstand, dass es viele arme Amerikaner gibt, die zu stolz sind, staatliche Unterstützung zu akzeptieren, trotz ihrer augenfälligen Bedürftigkeit. Hingegen würden die Russen so eine Einstellung als absurd betrachten: Sie würden sich fragen, womit diese armen Idioten ein Problem haben - mit dem Umstand, dass es sich um Geld handelt, oder mit dem Umstand, dass es das Geld umsonst gibt? Es gibt in Amerika lebende Russen, die, weil sie sich unbedingt an die amerikanische Gesellschaft anpassen wollen, eine hohe Dosis der hier üblichen Heuchelei verinnerlicht haben; aber selbst diese Russen werden einräumen (zumindest in ihren weniger heuchlerischen Momenten), dass es geradezu töricht wäre, free money abzulehnen. Und seien Sie versichert - auch diese Russen würden das Geld bis auf den letzten Penny herausleiern. Mutter Russland hat nämlich keine Schnullerpuppen (dummies) großgezogen.

Aber wir wollen diesen Opfern nicht ihre Haltung zum Vorwurf machen. Denn was diese bedauernswerten Seelen veranlasst, frei erhältliches Geld einfach auf dem Tisch liegen zu lassen, ist ganz simpel: Sie haben eine Gehirnwäsche verpasst bekommen. Schließlich werden die Massenmedien - besonders das Fernsehen und die Werbung - bewirtschaftet von den Reichen, und die hämmern den Leuten unaufhörlich die Botschaft ein, dass harte Arbeit und wirtschaftliche Unabhängigkeit tugendhaft seien, während sie die Faulen und die Armen dämonisieren. Dieselben Leute, die amerikanische Arbeitsplätze nach China und Indien ausgeliefert haben, um ihre Profite zu steigern, wollen es zum common sense machen, dass die daraus resultierende Misere ausschließlich das Versagen der Elenden ist. Und während die Rolle des Profitmotivs zwar eine maßgebliche ist, sollte keinesfalls vernachlässigt werden, die bedeutsame Tatsache zu erwähnen, dass das Produzieren von Massenarmut ein vordringliches Ziel an und für sich ist.

Sehen Sie, es sind schwierige Zeiten für reiche Leute. Früher einmal hat der Besitz von einer Million Dollars aus Ihnen einen Millionär gemacht; diese Zeiten sind vorbei! Um heutzutage ein absolut sicheres und von der ökonomischen Realität vollisoliertes Leben zu führen, brauchen sie mindestens zehn Millionen, wenn nicht noch mehr, und je mehr Sie haben, desto nervenzermürbender werden für Sie die heftigen Wellenbewegungen der Finanzmärkte und die düsteren Prognosen der Experten. Um es auf den Punkt zu bringen: Sie können das Vermögen einer Person, über den Daumen gepeilt, realistisch einschätzen, wenn Sie danach gehen, wie nervös und elend diese Person aussieht.

Neulich hatte ich Gelegenheit zu erleben, wie ebendieses Elend zur Schau gestellt wird. Wir machten eine Woche Urlaub in Cape Cod. Wir nahmen ein Segelschiff hin und zurück (den Wind gab's gratis) und ankerten (die Vertäuung wird kommunal zur Verfügung gestellt, ist also erschwinglich). Wir paddelten bis zur Küste und wieder zurück zum Schiff in unserem selbstgebauten Sperrholzboot. Dann fuhren wir mit dem Fahrrad durch die Gegend und sammelten essbare Pilze entlang des Radweges. Nun wird um die Jahreszeit dieser Teil von Massachusetts komplett überrannt von wildgewordenen Massen der allerneuesten blinkenden SUVs mit Kennzeichen aus New York und New Jersey. Sie werden gefahren von den verschiedensten Exemplaren mittelalter betuchter amerikanischer Büro-Menschenfresser (Office Ogre) - der Rechtsanwalt, der Arzt, der Zahnarzt, der Banker, der Lobbyist mitsamt dem Unternehmer - von Leuten also, die versuchen, mit ihrer gesamten geraubten Beute (loot) irgendwohin abzuhauen. Allerdings wird die hoheitliche Inszenierung irgendwie gestört von jenen griesgrämigen, missmutig dreinschauenden Menschenfressern mit ihren Reibeisenstimmen sowie ihren schlaffen, übermedikamentierten Ehefrauen mit Stimmen wie ungeölten Türscharnieren. Wenn sie nicht irrlichternd in ihren SUVs herumfahren, sitzen sie in exklusiven Restaurants der oberen Preisklasse, spielen mit ihrem Essen herum und klatschen und tratschen, dass einem angst und bange werden kann. Längst haben sie vergessen, was es bedeutet, glücklich und sorgenfrei zu sein, und ihre schwerfälligen Versuche, Freude am Genuss vorzutäuschen, sind schmerzvoll zu beobachten. Glauben Sie mir: Der Anblick von armen, aber glücklichen Leuten bringt sie zur Weißglut.

Nun ist es keineswegs so, dass ich mich daran weide. Nein, wirklich, mir tun diese armen reichen Leute leid, und ich habe sogar eine gute Nachricht für sie: Ihr Zustand ist alles andere als unheilbar. Ich kenne Leute, die sind vorzeitig ergraut, haben an Gewicht verloren und sind schon vor Schrecken schreiend aufgewacht, während sie ihre letzten 500.000 Dollar an Ersparnissen ins Nichts dahinschrumpfen sahen, begraben unter einem Haufen Schulden - aber wenn erst einmal das ganze Geld abgefackelt ist und die hartnäckigen Gläubiger sich davonmachen mit den Überbleibseln ihres Besitzes, dann haben diese Menschen ein viel, viel sorgenfreieres Leben, und das wird ihnen die Chance geben, nochmal von vorne anzufangen und zu gewichten, was im Leben wirklich wesentlich ist und was ihnen wirklich Freude bereitet. Wir sehen also: Wo Gram ist, wächst Freude nach. Darum müssen wir uns nicht übermäßig grämen über die armen reichen Leute, denn so wie die Dinge stehen, lösen sich ihre Probleme wohl ganz von selbst. Und vergessen Sie eines nicht: Verglichen mit den respektablen, oft unüberwindlichen Herausforderungen, vor denen jene stehen, die versuchen, ihrer Armut zu entkommen, fällt die sich nach unten orientierende Mobilität kinderleicht und kann mit ein bisschen Weitblick so komfortabel wie stilsicher vollzogen werden.

Für die Armen Amerikas habe ich ebenfalls gute Nachrichten. Obwohl es zwar extrem unwahrscheinlich ist, dass sie jemals um einen Deut reicher werden, sind sie bereits jetzt reich genug. Neulich hörte ich eine Story auf NPR über eine arme Familie, die auf Jagd zu gehen pflegt nach herabgesetzten Lebensmitteln, dann jedoch vor der Vorratskammer ihres eigenen privaten Minivans innehielt! Eine arme Familie also, die etwas besitzt, was in vielen Teilen der Welt auf ein komplettes Busunternehmen hinauslaufen würde! Weil, selbst wenn sie nicht genug herabgesetzte Lebensmittel auftreiben könnten, hätten sie immer noch genug, um ihre Kinder durchzufüttern, während die Erwachsenen eben eine Mahlzeit ausfallen ließen. Das ist gesund: Hunger ist symptomatisch für einen guten Appetit, und bei dem gegebenem Leibesumfang der meisten Amerikaner ist periodisches Fasten eine vernünftige Wahl. Mehr noch, diese Familie klang irgendwie ziemlich glücklich mit ihrem Lebensschicksal.

Was ich damit sagen will: Eine arme, aber sorgenfreie Zukunft mag auf sehr viele von uns warten, sowohl auf die faulen Reichen als auch auf die faulen Armen - wie eine einzige glückliche, wenn auch weitgehend verarmte Familie. Nur, um dies zu erreichen, müssen wir die Kultur verändern. Es sollte sich unbedingt herumsprechen, dass free lunch in der Tat eine sehr gute Sache ist, ganz egal, wer ihn isst und warum er das tut, und machen Sie sich nichts draus, dass Lenin einst sagte "Wer nicht arbeitet, soll auch nichts essen." Und wo wir gerade dabei sind, lassen Sie uns auch verzichten auf auf das abgedroschene Sprichwort von wegen "Arbeit macht frei", welches den Nazis gefiel, weshalb sie es in Schmiedeeisen gefasst oben auf die Tore ihrer Konzentrationslager plazierten. Lassen Sie uns die Kommunisten und die Faschisten und die Kapitalisten dem sprichwörtlichen Schrotthaufen der Geschichte übergeben! Lassen Sie uns stattdessen, völlig unentgeltlich, Jesus zitieren: "Sehet die Lilien auf dem Felde, wie sie wachsen. Sie arbeiten nicht und sie spinnen auch nicht. Und doch, sage ich euch, Salomo in all seiner Pracht und Herrlichkeit war nicht so geschmückt wie sie. ... Darum sollt ihr nicht besorgt sein: Was werden wir essen? Was werden wir trinken? oder Womit sollen wir uns kleiden? ... Daher sorget euch nicht um die Übel des morgigen Tages. Denn der morgige Tag wird für sich selbst sorgen. Es ist genug, dass jeder Tag hat seine eigenen Übel." Amen.

(Übersetzt von Mrs. Mop mit freundlicher Genehmigung des Autors.)




24 Kommentare:

  1. Iss mir auch 'n Rätsel: Warum wollen wir nich alle arm unn glücklich sein?

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  2. Iss jetzt 'n Witz? Falls ja, find' ich'n doof.

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  3. Witz und Wahrheit - wie dicht beisammen. Man weiß ja so wenig.

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  4. Ganz generell kann ich mich sehr mit den Gedanken dieses Autors anfreunden.

    Trotzdem kann ich nicht umhin, der Familie im Minivan zu wünschen, dass keines ihrer Mitglieder krank wird. Denn spätestens wenn die Krankenversicherung fehlt, ist die Einstellung "klappt's-heut-nicht-klappt's-halt-morgen" auf eine SEHR harte Probe gestellt.

    Sorry, dass ich hier so rumstänkere, eigentlich fand ich den Artikel sehr schön. Vielleicht sollte ich mal nachsehen, ob unterm Bett ein Hund versteckt ist. Obwohl ich das, glaube ich, gar nicht muss. Da liegt mit großer Sicherheit ein Husky mit einem blauen und einem braunen Auge und wird mir zuknurren, sobald ich ihn ansehe: "Lass uns weit weg laufen, dorthin wo uns im Sommer die Mücken zerstechen und wir im Winter den Schnee in den Knochen spüren, dort wollen wir glücklich werden." Und da er bei einem "Später" als Antwort wohl höchst ungehalten reagiert, sehe ich wohl besser gar nicht erst nach.

    Ist Sich-dem-Fernweh-hingeben Eskapismus? Und warum hat der eigentlich einen so schlechten Ruf?

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  5. Ich nehme an, dass die Familie im Minivan sich nicht aus eher romantischen ("klappt's-heut-nicht-klappt's-halt-morgen") Motiven durchs Leben improvisiert, sondern weil sie sich dazu gezwungen sieht. So habe ich Orlov jedenfalls verstanden. Vermutlich betrachtet diese Familie das Krankwerden ebenso wie die Krankenversicherung als einen Luxus, den sie sich einfach nicht leisten kann.

    Ist doch nicht gestänkert von dir ;)!

    Ja, warum hat das Fernweh so einen schlechten Ruf - weil ihm der Hautgout der Realitätsflucht angehängt wird, oder? Aber den Schuh muss man sich ja nicht anziehen. Hast schon nachgeschaut, ob unterm Bett alles in Ordnung ist?

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  6. "Trotzdem kann ich nicht umhin, der Familie im Minivan zu wünschen, dass keines ihrer Mitglieder krank wird. Denn spätestens wenn die Krankenversicherung fehlt, ist die Einstellung "klappt's-heut-nicht-klappt's-halt-morgen" auf eine SEHR harte Probe gestellt. Das iss ein Unterschied zwischen vielen Amerikanern und uns: Die Krankenversicherung fehlt nich(!!) sie steht halt nich im Plan!! That's it.
    Robert ("Bob") wollte mit 67 aufhören zu arbeiten (vertraulich an mich: "Only Allan and you know: By the end of the year I shall retire!"), das war Sommer 2003; Frühjahr 2005, Bob war jezz 69: "Hey Bob, what the heck you're do'in here? I thought you get out to the golf course every day?" " Well, my Pension-Fonds, you know ..." That's it.

    PS.: Der Artikel iss gut, keine Frage, sollte auch keiner bestreiten. Mir hat sich einfach nur der Kurzkommentar oben ins Hirn gedrängt. Und der Langkommentar hier unten? Eine meiner Erfahrungen aus USA, zur Info wer mag.

    PSS.: @ Mrs. Mop: Du hast Deinen (meinen) Morgengruß gestern morgen um sechs gehört: Brav ;-) Gelle, Ravel zum Frühstück, das hat schon 'was!? Nich Jeder hat solche Personen als Frühstücksgäste!

    PSSS.: Für Sonntagmorgen - oder für 'n Morgen am freien Tach: http://www.youtube.com/watch?v=tkwPwabDTu0 - ich musste mich an das "Ahahaha" des Chores auch erst gewöhnen, vor vielen Jahren, heute kann ich mit Bestimmtheit sagen: Alle Aufnahmen (des gesamten Stückes) ohne Chor sind Schrott.
    Warnung: Wischeimer parat haben, süßer Schmalz läuft aus allen Ritzen.

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  7. Tja, die nächste Blase ist im Anrollen: Das Retirement der Babyboomer - für viele wird daraus nichts werden. Auch deshalb wird der Druck wachsen. Hier, falls du es noch nicht kennst:
    http://www.ritholtz.com/blog/2010/08/the-problem-with-pensions/?utm_source=feedburner&utm_medium=feed&utm_campaign=Feed%3A+TheBigPicture+%28The+Big+Picture%29&utm_content=Google+Reader

    Ravel die zweite: Ich brauchte keinen Wischeimer, ich schmolz ganz ohne Schmalzgefühle. Was für ein Dirigent. Welche Hingabe. Diese Hände. Besonders die linke. Sie verteilt den Klang im Raum bis in den letzten Winkel. Selten habe ich 'Zeit und Raum' so stimmig und wahrhaftig erlebt.

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  8. Erstmal vielen Dank für die Mühe des Übersetzens und den Hinweis auf diesen Text, den ich anfänglich sehr wohlwollend gelesen habe. Wie der Herr Orlov allerdings dazu kommt, nach einer sehr hellsichtigen Analyse der Situation und allerlei hübschen Einsichten und Beispielen ein solch absurdes (und in meinen Augen dürftiges) Fazit zu ziehen, erschließt sich mir nicht.

    Vielleicht ist er Optimist von Beruf? :-) Es gibt jedenfalls viele weitaus düsterer klingenden "Prophezeiungen" der nahen Zukunft - die haben allesamt nichts mit einer "armen, aber sorgenfreien Zukunft" zu tun, die "auf sehr viele von uns warten" soll.

    "Es kommen härtere Tage.
    Die auf Widerruf gestundete Zeit
    Wird sichtbar am Horizont.
    Bald musst du den Schuh schnüren
    Und die Hunde zurückjagen in die Marschhöfe."

    (aus: Ingeborg Bachmann: Die gestundete Zeit)
    http://narrenschiffsbruecke.blogspot.com/2010/06/zitat-des-tages-36-die-gestundete-zeit.html

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  9. Nein, Orlov ist nicht Optimist von Beruf. Im Gegenteil, von seinen (zahlreichen) Gegnern wird er gern als "prophet of doom" (notorischer Schwarzseher) verunglimpft. Wenn du dich ein wenig einliest in sein Blog, wirst du feststellen, dass seine Prophezeiungen der nahen Zukunft an düsterem Realismus kaum zu übertreffen sind. Ich denke, Orlov würde Bachmann in jeder einzelnen Silbe zustimmen.

    Dass er am Schluss seines Artikels so eine scheinbar leichtfüßige Volte schlägt, ist m.E. pure Satire. Vergiss nicht, er ist Russe, und er lebt in Amerika, und manchmal verschlägt es ihm fast die Sprache, wenn der Verfall des einen Landes ihn schmerzhaft an jenen des anderen Landes erinnert. Manchmal ist satirische Distanz das einzige (Stil)Mittel der Wahl, um sich dem Grauen anzunähern.

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  10. Auf das satirische Element hast Du in Deinem Text ja bereits hingewiesen ... allein: Ich erkenne es in dem Bibelzitat nicht. Vielleicht muss ich mich mit diesem Blog aber auch erst näher auseinandersetzen - ich habe bisher noch nicht mehr gelesen als den von Dir geposteten Text.

    Wenn man beispielsweise wüsste, dass Herr Orlov dem evangelikalen Klüngel in den USA kritisch gegenübersteht (das ist jetzt bloß eine Annahme), würde man ein solches Bibelzitat natürlich aus einem ganz anderen Blickwinkel betrachten.

    Wie auch immer. Der Text ist eine Bereicherung, vielen Dank dafür.

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  11. Sei versichert - der Autor hat mit dem Bibelklüngel nichts, aber auch gar nichts zu schaffen. Das siehst du schon an den Lücken, die er in seinem Jesus-Zitat gelassen hat. Wenn du die Original-Bibelstelle liest, verstehst du sofort, warum.

    Guten Morgen übrigens. Stehst du auch so früh auf oder gehst du jetzt erst schlafen?

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  12. @Mrs. Mob
    Sach an: Klassik nervt, gelle? Falls nich (aber ährlich bitte) kommt dann und wann noch das eine oder andere Einsprengsel. Dann gibt's auch noch'n Sonnenaufgang! (Wir teilen wohl das Hobby: Frühaufsteher)! Wie gesacht: Ohne Musik geht, bei mir gar nix, jede (!) Musik - aber Klassik kann ich halt am Besten :-D

    Zum Retirement - frz. klingt's schöner, und: F iss näher*! -; denk' 'mal an D und andere europäische Länder, an unsere Beamtenpensionen etc. Und, wenn Du schon in die Ferne schweifen willst, was kommt bei steigendem Lebensstandard und chinesischer Einkind-Politik raus?

    Jaja, das Waxxtum, das liebe Wachstum, oder war's der Wachturm? Man weis ja so wenig...

    *Das war's (auch), was mich an dem Post "Kultur der Armut" (und an dem Link: "Nein! Schon wieder U_s_a_h_h"*stöhn*)gestört hat, sonst war der Post ja gut und die Schreibe von dem Dimitry ja auch, aber: Den Amis iss nich zu helfen!! Kinderglaube gepaart mit Ignoranz, Überlegenheitsgefühl und religiösem Eifer, Mr. Middelamerika, der durchschnittliche Redneck vom Lande, all diese Entlaufenen der alten Welt - da komm' ich hier mit Stammtischlern besser klar, obwohl die auch ... *würg* Wie ich kommentiert habe: Nach meiner Erfahrung fehlt "den Amis" keine Krankenversicherung, die steht einfach nich auf'm Plan. Usw.

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  13. Zu meinen Schlafgewohnheiten möchte ich mich als prekärer Journalist hier nicht äußern - ich bitte um Dein Verständnis. :-)

    Die Original-Bibelstellen mag ich aber dennoch nicht nachlesen - ich habe 20 Jahre Gottesdienst als Kirchenmusiker hinter mir und bin reichlich geschädigt von diesem Kram. Erspare mir das also.

    Einigen wir uns einfach darauf, was Du zu meinem letzten Kommentar geschrieben hast - ich bin der Größte, weiß alles und wäre der beste Kandidat für den demnächst freiwerdenden Posten des Königs von Deutschland. :-)

    (Ich habe schon oft versagt, aber das wäre die Königsdisziplin: Charlie versagt als König von Deutschland. Und jetzt viel Spaß beim Putzen - ich muss mich nachher auch wieder prostituieren.)

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  14. @Vogel
    Also, eins geht ja schon mal gar nicht: Untersteh' dich und nenn' mich noch ein einziges Mal "Mrs. Mob" - ich glaub', dir brennt der Kittel oder was? Gell, in deinem Sprachraum wird net so genau zwischen B und P differenziert? Wie auch immer - mein Name ist Mop, Mrs. Mop.

    Und dann. Klassik nervt?? Ei, wie komme se denn uff die Idee? War meine Ravel- bzw. Dirigentenhymne derart missverständlich? Gott, seid ihr Kerle kompliziert. Nochmal ganz langsam: Ich habe das Stück/den Komponisten/den Dirigenten geliebt. Tue es immer noch.
    Zwar verstehe ich von Klassik längst nicht so viel wie von anderen Genres, genieße sie deshalb jedoch um keinen Deut minder.
    Also her mit den Klassik-Teilen, pu-lease.

    Weiter im Text: Frühaufstehen=Hobby? Bisschen übertrieben. Mein Job fängt nun mal um sechs bzw. seit neuestem zwischen sechs und sieben an (habe gegen Frau Übermop einen kleinen, aber erfolgreichen 'Arbeitskampf' geführt - pro Gleitzeit - und gewonnen). Ja, ich hab' mich ans frühe Aufstehen gewöhnt und liebe inzwischen die frühe Stunde des Tages über alles, aber Hobby - na ja gut, ok, doch, kann man irgendwie schon so sagen, nur dass halt dem 'Hobby' die Maloche auf dem Fuße folgt...

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  15. @Vogel
    Sorry, wenn ich dich mit dem Ritholz-Link genervt habe - klangst halt so, als ob das Thema dich interessiert.
    Glaubst du im Ernst, der deutsche Michel steht dem Joe Sixpack in irgendeiner Weise nach, was Kinderglaube und Ignoranz betrifft? Gut, über kulturelle Unterschiede brauchen wir nicht zu streiten - aber ansonsten, Mediengläubigkeit, "mich wird's schon nicht erwischen, mir geht's doch gut..." - ich finde, da haben die Deutschen keinerlei Grund, sich intelligenzbestienmäßig den Amis überlegen zu fühlen.

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  16. @Charlie
    He he, keine Antwort ist auch eine Antwort - prekärer Journalist, ich kombiniere scharfsinnig, du gehst pi mal Daumen um die Zeit ins Bett, wenn ich selbiges verlasse.

    Zu Orlovs Bibel-Zitiermethode: Er hat aus dem Zitat seiner Wahl strikt alles Frömmlerische, was auch zu Missverständnissen führen könnte, entfernt.

    Wow, King Charlie - ob nun erfolgreich oder als Versager, ich würde sofort zur glühenden Monarchistin werden...:)

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  17. [unqualifizierter kommi ON]
    hahaha! pu-lease, ich lach' mich hier wech... :D
    [unqualifizierter kommi OFF]

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  18. Ach Rebhuhn.
    Schön, dass es dich gibt.
    :)

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  19. @Charlie
    "prekärer Journalist" - ich wünsch' Dir alles Gute - unn noch viel mehr!

    @Mrs. Mob - äh Mrs. Mopp :-D
    Jau, wir Kerle sinn sowass von kombliziert, isch versteh' misch meisdens selber nedd, gell?

    Dein Lob zum Vladimir* schien mir etwas überschwenglich (wenngleich ich es en detail nachvollziehen kann, nach nochmaligen Anschauen der Tube-Aufnahme, mit Links trägt er tatsächlich die Musik durch Raum und Zeit, dess iss schon gud). Den meisten Menschen geh' ich mit meiner Klassikphilie sowas von auf'n Keks, dass ich erst'mal dachte dass auch Du entsprechend aufmerktestest ... Der Ravel iss ja auch nett, sehr nett, sowas von nett, dass ich mir ein weiteres Link nich verkneifen kann: http://www.youtube.com/watch?v=it2svyHv6LQ gelle?, nett unn schön. Lass uns 'mal über Schönberg reden (Du würdest Dich wundern ...), oder über Shosti (Shostakovich - einer meiner Säulenheiligen neben Brahms, Beethoven, Schubert, Mahler, Bruckner, Barber, Bartok, Ives, Debussy, Sibelius, Grieg ... ich könnt' das ganze Klassiklexikon ab Haydn runterbeten), oder über "Dem Andenken eines Engels" von Berg. Was für ein Titel, was für eine Story, was für ein Stück ... In Düren gibt's ein Denkmal (Mahnmal), mich graust's jedes mal wenn ich da (selten) vorbeikomm' (kein unmittelbarer Zusammenhang, für mich aber gruselige Assoziation)!

    So, genug! Danke für Gelduld.

    *Ashkenase: Als Dirigent isser jut - ich krieg den Patzer (als Pianist der er in erster Linie war) aber nich aus der Birne: Es gibt eine katastrophal missverstandene Schumann-Aufname (Klaviersonate #2) von ihm, das hängt bei mir immer noch nach.

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  20. Dankeschön für die neue Ravel-Dröhnung. Gibt's morgen früh zum Sonnenaufgang - schwelge grade in Jazz-Abgründen...

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  21. Dieses Stück von Ravel (auch und grade wegen des Titels) hat mich eben ganz tief ins Mark getroffen.

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  22. Mahlzeit, Mrs Mop, ;-)
    Sry, wollte Dich nich erschüttern. Wenn Dir aber das schon nahe geht, Warnung: Hände weg von Mahlers "Kindertotenlieder" (grausam "schön", eindrucksvoll *schluck*), von Schönbergs "A survivor from warsaw" und was es noch alles für Musik gibt, wenn man sich mit Zusammenhängen, Gedanken, Hintergründen beschäftigt!

    Jezz lasse merrs dodebei! Freut mich, dass es Dich freut. Mehr Musik von Zeit zu Zeit (den dritten "Aufsteher" schick ich Dir zum Sonntag. Nur soviel: August, die klassische (:-D) Zeit für's Bergwandern ...) - unn dann mache merr 'ma Bause, gell?

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  23. Schon gut. Mir sind Erschütterungen lieber als ein abgedämpftes Dahinvegetieren. Leben besteht nun mal (auch) aus Eruptionen.

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  24. http://fp-world.blogspot.com/

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