Sonntag, 15. August 2010

Eins führt zum andern


Kettenreaktionen sind immer dann am schönsten, wenn man eigentlich etwas anderes, namentlich Wichtigeres zu tun hat.

Gehe ich heute früh runter in den Hof, weil es mir bei dem heftigen Sturm (ist eigentlich schon Herbst? 17 lausige Grad. Celsius!) die Wäsche vom Balkon geweht hat. Klaube die frischgewaschenen Teile wieder zusammen - da fällt mir ein, dass im Keller ein Buch sein muss, welches ich gut gebrauchen kann für meinen Text, der heute fertiggestellt werden muss.

Nun ist mein Keller seit meinem Umzug noch nicht in allerbester Ordnung; vor allem die Bücher sind viele und in keiner Weise nach Sachgebieten oder ähnlichem sortiert. Mit der Wäsche überm Arm mache ich mich auf die Suche, steige über Kisten und Kästen, remple ein Regal um, so dass eine Menge Bücher auf den Boden fallen, welche allesamt höchst interessant ausschauen und schon lange nicht mehr in meinen Putzfrauenhänden ruhten. Zwar ist das dringend gesuchte Buch nicht darunter, was ich aber in dem Augenblick vergesse, wo ein anderer vielversprechender Schmöker aufgeschlagen auf dem Kellerboden gelandet ist und ich nicht widerstehen kann, mal kurz einen Blick hineinzuwerfen.

Aus dem einen Blick werden zwei, dann drei, dann setze ich mich auf eine Kiste, polstere sie vorher ab mit der Wäsche, die sowieso noch mal in die Maschine gesteckt werden muss, fange an zu lesen und bedaure, dass es im Keller keinen Kaffee gibt. Aber das Buch erweist sich als so spannend, dass ich sogar den Kaffee vergesse. Als ich ein Kapitel gerade zu Ende habe, höre ich ein Klopfen am Lattenverschlag, so dass ich vor Schreck das Buch in eine geöffnete Kiste fallen lasse und bei der Gelegenheit sehe, dass sich in besagter Kiste ein Regalteil für die Tür meines Kühlschrankes befindet, welches ich schon lange gesucht und nirgends gefunden habe.

Hinter (oder vor, je nachdem) dem Lattenverschlag steht eine Nachbarin und fragt, ob alles in Ordnung sei. Ich bejahe, antworte "zumindest im Prinzip, mit Kaffee wär's gemütlicher", was die nette Nachbarin veranlasst, mich zum Frühstücken zu sich einzuladen. Plötzlich stelle ich fest, einen Bärenhunger zu haben, bin entzückt, klaube Wäsche, Buch sowie noch ein paar andere interessant aussehende Bücher (jedoch nicht das gesuchte, da nicht gefundene) mitsamt dem Kühlschranktürregalteil und dem Wäschebündel zusammen und folge der Gastgeberin. Vorher gehe ich noch schnell in meine Wohnung, stopfe die Wäsche in die Maschine und lasse sie laufen. Die Maschine, nicht die Wäsche.

Tolles improvisiertes Frühstück bei der Nachbarin mit Oliven, Ziegenkäse und Rührei, wie ich es in der Qualität schon lange nicht mehr genossen habe. Danach zurück in meine Wohnung, Maschine hat sich schleudernd ausgerumpelt, Wäsche aufgehängt. Wäscheständer in der Küche aufgestellt, weil, ich bin ja nicht blöd und stelle das Ding ein zweites Mal auf den Balkon bei diesen Windböen, die da heulend um die Ecken pfeifen (Dachgeschoss, Balkon ohne Abdeckung).

Ich freue mich über das wiedergefundene Kühlschranktürregalteil und fange an, es in die Kühlschranktür reinzupfriemeln. Sagen wir, ich versuche es. Wie immer liegt die Tücke im Objekt - irgend etwas klemmt. Da ich nach dem vorzüglichen Frühstück mit der fabelhaften Nachbarin nicht in der Stimmung bin, mich geduldig mit Verklemmtheiten auseinanderzusetzen, wende ich ein wenig rohe Gewalt an, nur ein ganz klein wenig, wirklich nicht viel, aber es hat gereicht, die bereits in der Kühlschranktür befindlichen Regalteile aus den Angeln zu heben und quer durch die Küche zu schleudern.

Was nicht weiter tragisch wäre, schließlich kann man alles Heruntergefallene wieder aufheben, wie ich bereits von meiner abgestürzten Wäsche wusste, nur waren es natürlich nicht bloß die blöden Regalteile, sondern ebenso alles, was auf ihnen gestanden hatte - unter anderem ein Becher Schlagsahne (geöffnet), ein Glas selbstgekochte Brombeermarmelade sowie ein Glas Dijonsenf extrascharf, meine Lieblingssorte. Die Flugbahn der drei Objekte verlief folgendermaßen: Während der Becher Schlagsahne im Tiefflug über den Wäscheständer segelte und sich dabei partiell entleerte, landete das Glas mit der Brombeermarmelade auf dem Boden direkt neben dem Wäscheständer, wo es zerbarst. Das Senfglas fiel rücksichtsvollerweise auf den Wäscheständer, wo es zunächst ruhig und unbeschädigt liegen blieb, dann jedoch, der Schwerkraft folgend, zwischen den Wäschestangen nach unten durchrutschte und direkt unter der aufgehängten Wäsche mit einem lauten, hässlichen Knall ebenfalls zerbarst.

Brombeeren mit Schlagsahne und Senf ergeben auf heller Wäsche aparte, rorschachtest-ähnliche Klecksbilder, die meiner Phantasie augenblicklich Flügel verliehen hätten, hätte es mein Nervenkostüm nicht vorgezogen, einen barbarischen Brüll abzusondern und sodann aufs unflätigste zu fluchen ohne Rücksicht auf den Umstand, dass ich nicht allein im Wald wohne, sondern in einem urbanen Mietshaus, was die nette Nachbarin (sie wohnt links unter mir) veranlasste, über ihren Balkon besorgt zu mir hochzurufen, ob alles in Ordnung sei?

Das gab mir den Rest. Ich beugte mich übers Geländer und sagte "Nein!", mit einer von jener psychopathischen Sanftheit geprägten Stimme, die andere Leute schon hat übers Kuckucksnest fliegen lassen.

Danach ging alles von vorne los. Die nette Nachbarin meinte, ich solle mich doch erst mal bei einem zweiten starken Kaffee bei ihr erholen, welchselbiger Aufforderung ich gerne folgte, nicht ohne zuvor die verdammte Wäsche ein drittes Mal in die Waschmaschine zu stopfen und sodann die Wohnungstür hinter mir zuzuknallen.

Als ich wenig später gestärkt zurückkehrte, empfing mich ein durchdringend stechender Geruch nach Senf mit Brombeeraroma. Ich lüftete und fing an zu putzen. Danach fand ich, es sei Zeit für einen vorgezogenen Mittagsschlaf. Aus diesem bin ich soeben mit rasendem Puls erwacht, weil mir alpträumte, ich hätte heute ein Text zu schreiben über schnelldrehende Big Macs, bestrichen mit Brombeersenf und Fleckensalz.

Jetzt aber endlich an die Arbeit.

10 Kommentare:

  1. Moin.

    Wenn noch möglich, empfehele ich, die Wäsche zu schleudern - am besten in einer stehenden Wäscheschleuder. Das ergibt sehr geile Muster.

    Am Stil hab ich mal was zu meckern (sonst stehe ich ja auf deinen): "welche(r/s)" als Relativpronomen sollte eher ein Notbehelf bleiben. Wenn sich das wiederholt, wird's zum Kopfsteinpflaster. Sach ich mal so. Wär dann mal ne Meinung, ne? Also nur so als äh ... Hinweis. Oder?

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  2. Besten Dank. Wird gleich aufgenommen in die laufende Textproduktion, in welchen (äh) sich schon wieder ein paar Welchlinge eingeschlichen haben. Machen die irgendwie hinter meinem Rücken, weiß auch nicht wieso.

    Stehende Wäscheschleuder, gibt es auch fliegende? Ich habe eine tanzende, die hüpft immer so rum. Soll ich sie festhalten?

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  3. BrombeerSahneDijon *lach* Ich stell's mir gerade vor: dunkel violett mit oldenglish white und dünnpfifffarben auf hell ... unn dass sich jezz auch noch flatter als verhinderter Künstler outet. Mönsch, hier iss 'was los *lol*

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  4. Jezz isses passiert, Du hast wohl Parakräfte?!!

    Der Zeitpunkt naht, wo die beste Ehefrau von allen sich aus dem Pfuhl schält (so gegen zehn - sie iss halt die Eule, ich bin die Drossel) - animiert und Appetit bekommen durch Deinen Post zu der Erkenntnis gelangt, man könnte ja 'mal den Tee durch Kaffe ersetzen ... und, was passiert? Naja: Kaffe malen, ohne den Behälter vor der Mühle iss nich wirklich kuhl, verteilt halt den Kaffe in der ganzen Küche, mit Schmackes, in alle Ritzen, überall, braun, duftend, knirschend ... Schoiße!!

    Moral: Tee schmeckt doch besser!, mit der Hand malen macht Kaffee und auch noch Spaß - weg mit dem elektrischen Scheusal!

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  5. Ich konnte mir bei der Vorstellung, wie sich Senf, Sahne und Brombeergematsche über der Wäsche verteilen, ein Lachen nicht verkneifen. Sorry dafür!
    Muss ein Bild für die Götter gewesen sein!

    LG

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  6. @Frau Vogel
    Falsche Moral. Meine Empfehlung an die Frau Gemahlin: Bei Kaffee bleiben, Grund: Mag er auch knirschen, so tut er doch köstlich duften, selbst aus der hintervorletzten Ritze heraus, was sich von Senf in keiner Weise behaupten lässt. Bei mir stinkt es trotz Putzen heute noch so penetrant, dass ich wochenlang keinen Senf anrühren werde. Was mir nicht schwerfallen wird - es ist ja keiner mehr da.

    Noch was. In Fragen der Moral sind Männer nicht unbedingt das, worauf man als Frau hören sollte, auch die eigenen nicht. Obwohl Ihr Kerl schon ein Pfundstyp zu sein scheint. Meinjanur.

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  7. @Klari
    Bild für Götter?
    Es war der Schlacht(vor)hof zur Hölle.

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  8. Iss tatsächlich so: Meine Frau 7:3 Kaffee, ich 9:1 Tee - also fast immer doppelte Arbeit für den Frühstücksknecht, die Drossel.
    So 'n leckerer Darljeeling (2nd flush) oder Keemun passt auch besser zu meinem Hang zu Handgeschnitztem und Mundgeblasenem ...

    PS.: Iss Dir nu was zum 16.08. eingefallen? Ich höre ... :-D

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  9. Hatte ich nicht das Wort an die Dame des Hauses gerichtet?

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  10. 16.08., lesen, Junge, einfach lesen. Natürlich an der richtigen Stelle.

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