Freitag, 6. August 2010

Gotteswort und Teufelswerk


Eigentlich war ich heute wild entschlossen, ein Blogpäuschen einzulegen. Der gestrige Übersetzungsmarathon sitzt mir noch in den Knochen. Aber dann passieren Sachen in der Welt, die lassen einem dann doch keine Ruhe.

Musik sei nicht kompatibel mit islamischen Werten, verkündet der iranische Ayatollah Ali Khamenei druckfrisch. Musik ist für ihn offenbar des Teufels. Ein 21-jähriger treu ergebener Staatsbürger hatte beim Obermufti nachgefragt, ob er wohl zum Geldverdienen Musikunterricht geben dürfe und erhielt eine barsche, wenn auch wohlbegründete Abfuhr: Es sei besser, "unsere teure Jugendgeneration" verwende ihre "wertvolle Zeit" mit dem Büffeln von Wissenschaften und dem Erlernen anderer "essentieller und nützlicher" Fähigkeiten, wie zum Beispiel Sport und "gesunden Freizeitaktivitäten", aber bitte nicht mit Musik.

Ein ehemaliger Mithäftling von Khamenei (ja, der saß zu Zeiten vor der islamischen Revolution mal im Knast und gehört da schleunigst wieder hin mitsamt seiner Musikparanoia) namens Houshang Asadi erinnert sich noch gut, dass Khamenei es absolut nicht verknusen konnte, wenn Asadi in der gemeinsamen Zelle ein iranisches Volkslied geträllert habe. Er möge das gefälligst bleiben lassen, wurde ihm von seinem Zellengenossen beschieden, und stattdessen zu Gott beten. "Er hat Musik von Anfang an gehasst", erzählt Asadi.

Jetzt, wo Khamenei längst wieder auf freiem Fuß und wichtigstes Mitglied der Regierung ist, weiß auch Präsident Ahmadinejad sich gut unterstützt von dem religiösen Hardliner an seiner Seite: Seit seiner Wahl 2005 griff er hart durch in allen musikalischen Belangen; war es zunächst nur westlich orientierte Musik, die auf dem Index stand, sind es inzwischen auch einheimische Künstler, die sich der populären iranischen Musiktradition verschrieben haben. Der Vertrieb von immer mehr Alben wird ebenso verboten wie öffentliche Konzerte (die einer amtlichen Genehmigung bedürfen).

Musikkonzerte, muss man wissen, sind der iranischen Obrigkeit auch deshalb ein Dorn im Auge, weil sie den oppositionellen Kräften im Lande eine willkommene Gelegenheit bieten, ihrer Unzufriedenheit mit den politischen Verhältnissen Luft zu machen. Der erfolgreiche und politisch engagierte iranische Sänger Mohammad Reza Shajarian erklärt es so:
Sie haben Angst vor meinen Konzerten, weil in jenen Augenblicken unmittelbar vor Konzertbeginn, wo die ganze Halle in Schweigen und Dunkelheit gehüllt ist, plötzlich einer anfängt zu brüllen 'Tod dem Diktator', und dann brüllt das gesamte Publikum mit, so dass es unmöglich ist, denjenigen zu identifizieren, der das Gebrüll losgetreten hat.


Eat this, Khamenei.

4 Kommentare:

  1. Hä? Und die singen ihren kleinen Kindern nichts vor, wenn die schlafen sollen oder sich beruhigen oder wie? Tzäh.

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  2. Na, da gehen frau die Nackenhaare hoch, nee nix mit Blogpäus'chen, gut zu verstehen!
    Musik macht teamfähiger, einfühlsamer, sozialer,... "Rhythm is a concept of unit."
    (übersetzen kannste ja!),weiß nicht mehr, wer das gesagt hat, finds aber sehr treffend.
    Und keine Rheumaschübe mehr in den Fingern seit ich trommel, HA!!! Ob die Pharmaindustrie sich jetzt auch bald einmischt...?

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  3. Sry, Madames, ich muss dem Herrn recht geben: Ohne Musik (24 h/d) geht gar nix! Unn dess is gefährlisch, gell? ;-)
    @ Mrs. Mop
    Kuhle Mucke von Mohammad Reza Shajarian!
    @ Mary Malloy
    Schönes Bild, o. li. Von Dir? "Selbstbildnis mit Spiegel"?

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  4. @Mary Malloy
    Bin mir sicher, dass im Iran hinter verschlossenen Türen (privat) gesungen und musiziert wird, dass es nur so kracht. Dieses Volk hat gelernt, subversiv zu handeln.

    @Uschi Basfeld
    Eben eben eben. Teamfähiger, einfühlsamer, sozialer...keine gefragten Qualitäten bei der islamischen Gottesstaatsobrigkeit. Sich unterordnen, Maul halten, beten - so muss es heißen.

    @ Vogel
    Brandgefährlich. Gestern abend wurde kräftig gekokelt.

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