Jetzt also Wahlkampf. Flächendeckend. An jeder Straßenecke? Wenn's nur das wäre! Heuer sind anscheinend die Damen und Herren Straßenbildverschandler dermaßen verzweifelt, dass sie sogar die Radwege gekapert haben. Ja, sind die noch zu retten, diese Betonköpfe aus Berlin?
Kein Durchkommen - nur wer sich vor den raumgreifenden Wegelagerern rechtzeitig wegduckt, kommt ungeschoren davon. Und auch nur, wenn er den Slalom im Schrittempo absolviert. Und auch nur, wenn er überhaupt sieht, was sich ihm da in den Weg stellt.
Alle drei Bedingungen waren heute früh um zwanzig vor sechs nicht gegeben. Ich gehöre zu den Radfahrern, die gern zügig fahren und ein gewisses Tempo lieben, gelegentliches Brettern nicht ausgeschlossen. Heute früh bin ich zwar nicht gebrettert, aber doch flott getreten, weil ich zehn Minuten zu spät dran war. Heute früh war es stockdunkel, so dass die kackbraunen Rückseiten der Politplakate von der Nacht verschluckt wurden. Heute früh habe ich mich weder weggeduckt noch bin ich ausgewichen - vor was auch? Es war ja nichts zu sehen gewesen.
Und deshalb habe ich eine gewischt bekommen.
Wie sich herausstellte, war es Frau Merkel gewesen, die mir mit voller Kraft eine vor den Bug geballert hatte, sprich gegen die linke Schulter. Zwar ist es ihr nicht gelungen, mich vom Sattel zu säbeln - gottlob gibt es das Kraftpaket CDU nur aus/auf Pappkarton plus Sägemehl -, aber es tat weh. Zumindest schmerzte es so sehr, dass ich beim Blick über meine linke Schulter zurück nicht umhin konnte, aus dem Grienen der Bundeskanzlerin triumphierende Häme herauszulesen, etwa so: Wir haben die Kraft, unsere verbale Kraftmeierei durch physische Krafteinwirkung zu bekräftigen, glaubst du's jetzt? Sympathischer Verein, echt.
Heute mittag nun musste sich ein radelnder Postbote geschlagen geben vor einem ausladenden männlichen CDU-Wahlplakatgesicht und absteigen, sonst hätte er mit seinem ausladenden Gefährt die Kurve nicht gekriegt. Falls jetzt irgend jemand denkt, ich hätte mich hier auf die CDU eingeschossen - falsch. Sie haben sich ALLE, quer durch sämtliche Parteien, darauf verständigt, die Verkehrsteilnehmer maximal zu behindern, ihnen die Sicht einzuschränken, sie auf Schritt und Tritt zu nerven - mit einem Wort: zu stören.
Oh, wie sie mich stören.
Hinter den beiden großkotzigen Werbetafeln verbirgt sich (dem Blick) nichts Geringeres als die Ampelanlage einer vielbefahrenen Kreuzung - just an der Stelle, wo der Radweg nach links eine Abbiegespur anbietet, um direkt auf die Straße fahren zu können; eine von Radfahrern vielgenutzte Option. Jeder Radfahrer, der hier links abbiegt und die große Kreuzung anstrebt, checkt dabei die Ampel: Sprang sie eben erst auf Rot? Kann ich mir Zeit lassen mit dem Einfädeln? Springt sie grade von Gelb auf Grün? Muss ich Dampf machen? Weder Lafontaines väterliche Geste noch die Jobmaschine der Grünen lassen solch vorausschauendes Verkehrsteilnehmen zu. Keine Chance. Sie versperren einem einfach den Blick auf die Ampel. An einer der vielbefahrensten Kreuzungen der Stadt.
Wenn sie einem weder den Blick noch den Radweg versperren, muss es sich um die FDP handeln, der offensichtlich daran gelegen ist, den feinen Unterschied zwischen Parteienwahlkampf und Straßenstrich unkenntlich zu machen.
Die einen haben Kraft, die anderen Mut, die dritten haben Jobs, die vierten waren zu weit weg; was hat eigentlich die SPD, was andere nicht haben? Keine Ahnung. Sie hüllt sich in komplettes Schweigen, zumindest entlang meiner Radroute. Wenigsten steht sie nicht im Weg rum. Das ist zwar schon verdammt viel in Zeiten, wo Wahlkampf für öffentliche Belästigung steht, aber bitte keinesfalls als Wahlwerbung misszuverstehen.
Morgen früh werde ich ein Viertelstündchen früher aufstehen. Und mich ein Viertelstündchen früher aufs Rad setzen. Und im Rucksack eine Spraydose mit jener Neonfarbe dabeihaben, welche im Dunkeln so schön leuchtet. Mal sehen, was sonst noch zufällig im Rucksack sein wird. Oder steht irgendwo geschrieben, dass in Wahlkampfzeiten die Verkehrssicherheit außer Kraft gesetzt werden darf? Na bitte. Mann, hab ich 'nen Hals.
Vielleicht liegt es daran das die Radfahrer jetzt dem Autofahrer gleichgestellt werden und nicht mehr auf dem Radweg fahren müssen.
AntwortenLöschenIch wünsche Ihnen einen Unfallfreie Wahlkampfzeit auf dem Radweg.
Na, solange es noch Radwege gibt, möchte ich die als Radfahrer auch ungehindert nutzen dürfen!
AntwortenLöschenDanke für die guten Wünsche, ich werde die nächsten vier Wochen extra umsichtig unterwegs sein ;).