Ach, das liebe Geld: Wo du nicht bist, Herr Jesus Christ. Das nur als Referenz an Gregor Gysi, der inmitten der gestrigen staatstragenden Aufwartung für den Papst mit sanfter Stimme anmahnte, der Katholikenführer hätte ruhig etwas zur wachsenden Armut sagen können, und mit noch sanfterer Stimme herumnölte: auch etwas zum wachsenden Reichtum hienieden auf Gottes Erden. Den einen gibt er, den anderen nimmt er - der Papst nimmt's hin. Hauptsache, von den Grünen gab's stehende Ovationen.
Also, das mit dem Geld. Und dem Reichtum. Es stehen ja immer noch jene sagenhaften 2,3 Milliarden Dollar im Raum, die neulich von einem Top-Mitarbeiter der Schweizer Investmentbank UBS ins Nirgendwo versenkt wurden - vielleicht war es auch die Bank (UBS, inoffiziell für: United BullShitters) selbst, wer weiß das schon so genau. Jedenfalls, die Kohle ist futsch. Überall haben sie danach gesucht - unterm Bett, im Schrank, in der Zuckerdose, in ihren Hosentaschen -, aber es nirgends gefunden. Seitdem ist das bankinterne Betriebsklima etwas verspannt, weil die angestellten Top-Herrschaften um ihre jährlichen Bonuszahlungen bangen müssen.
Wir bangen mit ihnen. Wissen wir doch seit spätestens 2008/2009, dass der internationale Finanzpfusch mit großzügigen Boni honoriert werden muss, weil sonst der Rest der Welt nicht mehr ruhig und fest schlafen kann. Haben wir gelernt: Wenn die ihre millionenschweren Weihnachtsgelder nicht kriegen, verliert die Bevölkerung das Vertrauen in die Stabilität der Finanzmärkte und alles bricht auseinander. Also wurde ihnen der Rachen gestopft - weil nun mal völlig undenkbar, nachgerade tabu ist, dass die wenigen Reichen die vielen Armen unterstützen; viel mehr Sinn macht es doch, aus jedem Armen jährlich ein paar Piepen mehr auszuquetschen, um damit ein Wohlfahrtsprogramm für die Reichen zu finanzieren, falls deren Portfolio mal wieder am Absacken ist.
Bereits neulich wurde die Bevölkerung prophylaktisch-sanft hirnmassiert, als es geheißen hatte: "Die Bonuszahlungen bei der UBS sind möglicherweise in Gefahr (at risk), nachdem das Unternehmen einen Verlust von 2,3 Milliarden Dollar hinnehmen musste." Klang schon wieder übel angstmachend nach Weltuntergang, aber gemach: Es hatte ja nur geheißen "möglicherweise in Gefahr", und wo Gefahr lauert, da gibt es Rettung ("where there's a risk there's always a way").
Und damit in die Vollen:
"Was die UBS Banker jetzt brauchen, ist ein Plan, der sicherstellt, dass der Verlust von anderen Leuten getragen wird als von ihnen selbst."
Wir sahen es kommen. Und ahnen, was auf uns zukommen wird:
"Zum Glück habe ich so einen Plan vorbereitet. Um den UBS Bonuspool zu retten, muss die Führungsspitze der UBS die Schweizer Bevölkerung davon überzeugen, dass sie, die Bevölkerung, für diese Unternehmensverluste gradezustehen (to eat the losses) hat, und dass sie, die Bevölkerung, dies mit großer Herzensfreude tun möge."
Ah, genial! Let them eat losses! Gut, ganz neu ist der Plan nicht; er hat, wie gesagt, schon 2008/2009 funktioniert - aber das ist ja das Geniale, deshalb wird er 2011 erst recht funktionieren! Sogar noch besser, denn es bedarf nur des Aufwärmens der ollen Kamellen - vulgo: Argumente -, und schon wird die Schweizer Bevölkerung Gewehr bei Fuß stehen. Oder sagen wir: das Schweizer Klappmesser stecken lassen. Denn sonst wäre ihr ja bereits vor drei Jahren das Messer in der Hose aufgegangen, bei folgendem Sachverhalt:
"Um die UBS über Wasser zu halten, hatte die Schweizer Regierung 6 Milliarden Franken Bailout-Stutz (Stutz: Schweizer Slang für Knete) locker gemacht und für fast 40 Milliarden Franken faule Vermögenswerte aus den Bankbilanzen gezogen."
Learning für 2011:
"Eine Rückerstattung der 2,3 Milliarden an die UBS wäre eine Investition in die Zukunft des Landes."
Loggisch, oddr? Weiter:
"Falls die Banker ihre Bonuszahlungen nicht kassieren dürfen, würden die besten und brilliantesten UBS-Leute zur Konkurrenz abwandern."
Geht gar nicht. Schweizer, ihr müsst euch entscheiden: Wollt ihr wirklich, dass die größten UBS-Talente abwandern zur National Bank of Greece? Oder noch schlimmer, zur Deutschen Bank? Was unausweichlich zu noch viel größeren Verlusten führen würde? Wollt ihr nicht! Als besonnene Schweizer seht ihr ein: Je besser dran eure Besserverdienenden sind, desto vertrauenswürdiger wird die UBS vor der ganzen Welt dastehen. Weil:
"Also, wenn die Schweizer Bevölkerung die UBS Bonuszahlungen rettet, wird sie damit effektiv das Verlustpolster der Verlustverursacher wiederherstellen, und zwar in seinem rechtmäßig aufgeblähtem Umfang. Und indem die Schweizer Bevölkerung dies tut, rettet sie sich selbst."
Derart schlüssig argumentiert müssten - so der schlaue Plan - die Schweizer eigentlich rumzukriegen sein für die dringend anstehende nächste Banken-Bailout-Runde. Falls das nicht reicht - stur sind sie ja, die Schweizer - könnte noch ein wenig auf der moralisch-sentimentalen Schiene nachgeholfen werden:
"Es geht hier um Fairness! Wenn arme Leute ihr Geld verlieren, ist das eine Tragödie, denn es gibt so viele arme Leute, dass die Regierung nicht viel dagegen tun kann. Anders bei den Reichen! Richtig gestellt muss die Frage also lauten: Ist es wirklich fair, Hunderte von schwervermögenden UBS-Profis für die Sünden eines einzigen 31-jährigen ghanaischen Traders zahlen zu lassen, nur weil sie kollektiv vergessen haben, ihn zu kontrollieren?"
Natürlich wäre das nicht fair, leuchtet jedem ein, war ja auch nur eine rhetorische Frage zum Zwecke der Bauernfängerei, die jedoch bei der sprichwörtlichen Bauernschläue der Schweizer sich eigentlich erübrigt hätte.
Abgerundet wird der geniale Plan mit einem bewährten Rundumschlag-Geschoss aus den Jahren 2008/2009; ein Griff in die argumentative Mottenkiste - nur leicht rezyklisiert - genügt:
"Die Grundlagen des Kapitalismus stehen auf dem Spiel ... Eine Pleite des UBS Bonuspools in einer Zeit größerer globaler und wirtschaftlicher Instabilität würde in verschärftem Maße das angeschlagene Verbrauchervertrauen gefährden ... Ein Zerstören der Finanzindustrie hätte weitreichende und dramatische Folgen."
Chunsch druus? Häsch dees? Was, nonig? Guet, letzschder Versuch:
"Die Botschaft an die Schweiz ist simpel: Bevor ihr an dem UBS Bonussystem irgend etwas ändert, müsst ihr es erst mal retten. Ich vertraue fest auf die Schweizer, dass sie das Richtige tun werden."
Zusätzliche freiwillige Spenden aus der Schweizer Bevölkerung sind übrigens hochwillkommen. Irgendwie muss eine Bank ja zusehen, wie sie zu ihrem Geld kommt.
PS.:
Ein Blick in den Kommentarbereich von Bloomberg.com lehrt, dass Wall Street Banker noch schlichteren Gemütes sind als gemeinhin vermutet. Mehr als der Hälfte der Kommentatoren entgeht der Premium-Sarkasmus-Charakter des Artikels von Jonathan Weil; sie nehmen die boshaften Botschaften des Autors 1:1. Andererseits ist ihnen das kaum zu verargen, denn die Trennlinie zwischen Satire und Realität ist in diesem Fall hauchdünn: Sämtliche "Argumente" zur "geplanten" UBS-Bonus-Rettung wurden 1:1 aus den Jahren 2008/2009 übernommen, als es um die Rechtfertigung von Banken-Bailouts und gigantischen Bonuszahlungen in den USA ging.
Da lacht der Rest der Wall Street.
(Bild: Julia La Roche via BusinessInsider)
Wie wir wissen, das Geld ist nicht weg, es hat nur ein(e) andere(e)r. Daher ist diese andere Seite, sozusagen die dunkle Seite der (ähem) Bankenlandschaft, durchaus in der Lage, ihren "Top-Bankstern" die gewohnten Boni auszuzahlen. Das Problem wäre gelöst und sauber bilanziert - vermutlich ist das auch so - wenn die Beteiligten ihre - ähh "Abschreibungen" jeweils eine Runde weiterschieben, verstehste? Nur dass diesmal die UBS den schwarzen Peter hat... und nächstes mal dann die SNB usw. usw. hmm? Ein ewiger Kreislauf des Geldes sozusagen... gute Nacht!
AntwortenLöschenNatürlich, das Geld ist nicht weg, es wird sogar gemunkelt, es sei in der Schweizer (ähem) Bankenlandschaft, aber wäre es nicht praktisch, wenn es aus der Schweizer Bevölkerung käme? Wo sich inzwischen doch alle an den profitablen Bailout-Mechanismus gewöhnt haben, ein ewiger Kreislauf des Geldes sozusagen?
AntwortenLöschenAu weia, jetzt springen sie bald wieder aus dem Fenster:
AntwortenLöschenZÜRICH (dpa-AFX) -
UBS-Chef Oswald Grübel zieht die Konsequenzen aus dem Zockerskandal bei der Schweizer Großbank und tritt ab. Der Verwaltungsrat habe sein Rücktrittsgesuch angenommen, hieß es in einer Mitteilung vom Samstag. Vorläufiger Nachfolger des 67-Jährigen wird das für Europa, den Nahen Osten und Afrika zuständige Vorstandsmitglied Sergio Ermotti (51). Das Investmentbanking der UBS (UBS Aktie) soll geschrumpft werden.
Aha. Wir dürfen also die Hoffnung auf eine De-Fenestrisierung nicht aufgeben.
AntwortenLöschenHier, das wird Dir gefallen ;).
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