Sojourner Hardeman
42 Jahre alt
ehemalige Rechtsanwaltsgehilfin
arbeitslos
wohnsitzlos
sucht Job
Bewerbungsprofil:
"Wohnsitzlos, arbeitslos;
möchte vermeiden,
mit einem Einkaufswagen
zu Bewerbungsgesprächen zu erscheinen.
Schreibgeschwindigkeit 70 Wörter pro Minute.
Word- und Excel-zertifiziert."
Sojourner Hardeman verdient sich ihren Lebensunterhalt mit Betteln in der Fifth Avenue, der teuersten und exklusivsten Einkaufsstraße in New York City. An guten Tagen gelingt es ihr, sich ihr Essen, ihre Telefonrechnung, eine U-Bahnkarte und die Miete für einen Abstellraum zu finanzieren. An schlechten Tagen wird sie von der Polizei verhaftet mit der Begründung "You can't be here, this is Fifth Avenue!"
Im März wurde die festgenommen wegen angeblich ordnungswidrigen Verhaltens. Daraufhin erhob die gelernte Rechtsanwaltgehilfin Klage gegen die Polizei mit der Begründung, sie habe gegen keinerlei Gesetz verstoßen. Vor zwei Wochen befand ein Richter, es läge keine Ordnungswidrigkeit vor; seither bettelt Sojourner mit quasi höchstrichterlicher Erlaubnis.
Böse Zungen behaupten nun, Sojourner Hardeman habe sich durch ihren Mittelschichtshintergrund, ihren Bildungsvorsprung und ihr juristisches Knowhow einen Wettbewerbsvorteil verschafft gegenüber 'gemeinen' Bettlern, die nach wie vor von der Fifth Avenue vertrieben werden. Manche gehen so weit ihr zu unterstellen, sie habe es mit ihrer Klage auf eine Monopolstellung abgesehen auf dem "wahrscheinlich lukrativsten Ort der Welt zum Betteln".
Schwieriger Fall.
Hello,
AntwortenLöschen:) neoliberale Internalisierung...?
Aber stimmt, alles ist Markt bzw. muss´s sein! Die "unsichtbare Faust" ist groooß...
cheers
KB
Wie die Wirklichkeit doch immer wieder die Vorstellungen einholt - bald sind wir wohl zu langsam und die Welt überrollt uns.
AntwortenLöschenOder wir sollten uns einfach mal anständige Sachen vorstellen und nicht das alltägliche Elend immer weiter spinnen...
@Know-Budy
AntwortenLöschenJa, daran musste ich auch denken: "Markets in everything" ist ein englischer Slogan, der zum Ausdruck bringt, dass kein gesellschaftlicher Bereich von Vermarktungs- und Verdrängungsbestrebungen ausgespart bleibt, auch nicht der unterste Bereich des Existenzkampfes via Betteln.
@Amike
"Oder wir sollten uns einfach mal anständige Sachen vorstellen und nicht das alltägliche Elend immer weiter spinnen...":
Schon richtig. Nur, das alltägliche Elend wird ja nicht nur weitergesponnen, sondern de facto weitergelebt und vorangetrieben, siehe Fifth Avenue. Als ich den Artikel in der NYT gelesen hatte, habe ich mir zunächst ausschließlich "anständige Sachen vorgestellt", sprich: Respekt vor der bettelnden Frau empfunden. Später kam ich dann doch ins Grübeln, siehe meine Antwort auf Know-Budy.