Freitag, 30. September 2011

#OccupyWallStreetJournal


"Occupy what?", lautete, in aller Unschuld, gestern meine Frage. Heute mache ich einfach da weiter, wo ich gestern aufgehört hatte:
"Vielleicht kommt ja demnächst etwas Handfestes im Wall Street Journal."
- und, Yes men!, seit heute steht fest: Mit Sicherheit kommt demnächst etwas im Wall Street Journal, und die Frage Occupy what? -


- hat spätestens seit heute ihre Unschuld verloren.

Seit heute nämlich gibt es eine grandiose Spendensammelaktion:
"Occupy Wall Street ist der Anfang einer ganz neuen Art von Demokratie: eine von-unten-nach-oben Demokratie, angeführt von den 99 Prozent - eine kühne Phantasie für die Zukunft, die beginnt die Nation zu inspirieren. Um das durchzuziehen, brauchen wir ein bodenständiges Medium (people's media), das an keinerlei Geld aus der Wirtschaft gebunden ist. Wenn wir eine Demokratie für alle wollen, müssen wir Medien für alle aufbauen - beides ist nicht voneinander zu trennen."
Und jetzt kommt's:
"Unser erstes Projekt ist 'The Occupy Wall Street Journal', eine vierseitige, großformatige Zeitung mit einer Auflage von 50.000 für das breite Publikum. Die Idee dahinter ist, sowohl zu erklären, was es mit dem Protest auf sich hat, als auch Menschen zu porträtieren, die mitmachen und aus welchen Gründen sie mitmachen. Wir werden erklären, wie der 'general assembly'-Prozess auf Liberty Plaza funktioniert ... Unser Schwerpunkt wird auf Qualitätsinhalt liegen, auf Fotografie und Illustration, alles mit messerscharfem Humor gewürzt, damit das Lesen Spass macht."
Sobald sie 12.000 Dollar Spendengelder zusammen haben, wollen sie loslegen mit der Produktion des The Occupy Wall Street Journal. Heute ist der erste Tag der Aktion, die bis zum 9. Oktober laufen wird.
"Bitte spendet weiter! Wir haben keine Milliarden wie FOX News (rechtsgerichteter amerikanischer Nachrichtensender) und werden auch nicht von den Koch Brothers (u.a. Sponsoren der Tea Party Bewegung) finanziert. Wir haben nur EUCH! Je mehr Geld wir bekommen, desto mehr Zeitungen, Poster, Sticker und Flyer können wir drucken, um den 99 Prozent der Amerikaner eine Stimme zu geben. Bitte spendet weiter und sagt es euren Freunden, Familien und Kollegen weiter!"
Seit einer Stunde checke ich die Seite - das Geld tropft im Sekundentakt ins Sammelsparschwein; vor einer Stunde waren es 356 Spender, inzwischen sind es über 430; die Spendensumme beläuft sich aktuell auf 16.928 Dollar. Zielvorgabe bereits am ersten Tag klar erreicht - es kann losgehen.

Wer sind 'sie'? Sie, das sind The Yes Men: Eine Gruppe politischer, mit viel bösem Humor gesegneter Aktivisten, die sich mit der professionellen Verarschung von politischen und wirtschaftlichen Führungsfiguren einen Namen gemacht haben, und zwar speziell solchen Führungsfiguren, die sich mit ihrer Profitgier einen Namen gemacht haben*:
"Wir imitieren berühmt-berüchtigte Kriminelle mit dem Ziel, sie öffentlich zu beschämen. Unsere Zielscheiben sind Führungsfiguren und Großkonzerne, denen Profite wichtiger als alles andere ist."
The Yes Men betonen, dass es sich bei The Occupy Wall Street Journal um ein seriöses, funktionales Zeitungsprojekt handeln wird. Ich fange in den nächsten Tagen schon mal an, meine Moneten zusammenzukratzen: Ab 40 Dollar Spendenbeitrag gibt's nämlich ein Abo.


*(prominentes Beispiel: Nachrichtenagentur AP fällt auf Yes Men's Verhohnepiepelung von General Electrics herein)

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