Interaktiv ist, wenn alle mitmachen.
Show ist, wenn alle gaffen.
Kochen ist Kochen.
Fertig ist die interaktive Kochshow.
Gestern war ich den ganzen Tag als Nebendarstellerin in einer interaktiven Kochshow engagiert. Das geht so: In eine klitzekleine Fresshütte kommen 35 geladene Gäste und wollen den Koch beim Kochen begaffen. Zwischendrin wollen sie unbedingt ein langes scharfes Profimesser in der Hand halten und und sich vom Koch den Unterschied zwischen einer geschälten Zwiebel und einem abgehackten Finger erklären lassen. Das finden die Gäste aufregend, und deshalb gibt es die interaktive Kochshow.
Noch aufregender wird die interaktive Kochshow, wenn sie auf kleinster Fläche stattfindet, wo eigentlich schon 20 Anwesende ausreichen würden, um das Bedürfnis zu wecken, dem Nebenmann zur Rechten oder der Nebenfrau zur Linken das Profimesser in die Rippen zu jagen. Der Job der Nebendarstellerin besteht dann darin, überall gleichzeitig zu sein und dafür zu sorgen, dass am Ende tatsächlich geschmortes Kalbsfilet auf den Tellern liegt und nicht etwa frische Schlachtplatte mit geschmorten Rippen.
Darum bedarf eine interaktive Kochshow der wohlorganisierten interaktiven Vorbereitung. Um halb drei hatte es geheißen: "Um sechs kommen die Gäste, das schaffen wir locker", dabei den Umstand ignorierend, dass es um halb drei in der kleinen Fresshütte aussah wie bei Hempels unterm Sofa. Als es um halb fünf immer noch so aussah, als hätte ein Werwolf in die Hütte gerülpst, erlaubte ich mir die Frage, was das eigentlich für Leute seien, die um 18 Uhr in 35-Mann/Frau-Stärke anrücken würden. "Die Mitarbeiter von so einer Gebäudereinigungsfirma", hieß es. Aha. Augenblicklich erwachten meine Putzfraueninstinkte. Auf meine bis zum Haaransatz hochgezogenen Augenbrauen hieß es: "Nicht die Putzfrauen, sondern das Management." Ach so. "Also, das mittlere Management." Okay. Das mittlere Management einer Gebäudereinigungsfirma. Na dann.
Um 17 Uhr erschien, wie vom Himmel geschickt, eine weitere Nebendarstellerin in Gestalt einer Aushilfsputzfrau. Unteres Management, sozusagen. Eine blitzgescheite, sympathische, keineswegs auf den Mund gefallene, mit allen beruflichen Wassern gewaschene Kroatin. Ihr ist es zu verdanken, dass die Werwolfhütte um 18 Uhr aussah wie mit allen Wassern gewaschen. Die freche Bemerkung des Kochs an meine Adresse - "du machst dich gut als neue Frau Übermop" - ignorierte ich würdevoll.
Wenn 35 mittlere Manager einer Gebäudereinigungsfirma sich zu einer geschlossenen Gesellschaft versammeln, ist klar, dass den ganzen Abend beruflich gefachsimpelt wird. Selbstverständlich im branchenspezifisch geschlossenen Fachjargon. Da ich gewohnheitsmäßig mit den Ohren Maulaffen feilhalte, wurde ich schnell vertraut mit der Basisterminologie des mittleren Gebäudereinigungsmanagements: Objekte. Kräfte. Synergien. Objekteinheiten. Objektbetreuung. Von Subjekten, vulgo: Menschen, war nichts zu hören.
Als ich - mit Ohren so groß wie Garagentore - einem mittleren Managementsubjekt das Weißweinglas nachfüllte, glaubte ich mich dunkel zu erinnern, in grauer Vorzeit mal etwas von der 'Idee als Subjekt-Objekt-Einheit und als Bedingung der Wahrheit' gelesen zu haben. War das der olle Hegel? Keine Ahnung. Alles vergessen. Während der Weißwein ins Glas gluckerte und meine Ohren schlackerten, schoss mir impulsiv die Bedingung der Wahrheit durch den Kopf: Das, was du jetzt grade machst, ist ein klassischer Fall von Objektbetreuung. Vielleicht auch neoklassisch.
Einen ketterauchenden Objektexperten fragte ich höflich, ob ich mal so ganz subjektiv seinen Aschenbecher leeren dürfe, was der Objektraucher irgendwie köstlich fand. Er behielt mich für den Rest des Abends im Auge. Gegen Ende - es war schon spät, der Weißwein erstklassig, das Gewitter heftig - meldete sich beim Abräumen der vollgeregneten Aschenbecher das mittelhierarchische Gebäudereinigungssubjekt zu Wort und meinte leicht schwerenöterisch zu mir: "Ihnen merkt man an, dass Ihnen die Arbeit Spass macht!", worauf ich antwortete: "Stimmt, sogar ohne Trinkgeld!", worauf das Subjekt "Oho!" rief und mir einen Zehn-Euro-Schein zusteckte, worauf mir die Arbeit doppelt Spass machte.
Was lernen wir? Dass man sein Geld nicht geschenkt bekommt; man muss schon etwas dafür tun. Am besten irgendwas Interaktives. Weil, von nix kommt nix. Man muss ja nicht gleich dem Objekt das Messer an die Rippen setzen.
Mir fällt hierzu nicht wirklich etwas ein, außer: Als ich noch als Pizzabote jobbte, stand ich auch unheimlich auf Trinkgeld. Wie sonst sollte sich der Arbeitsaufwand lohnen, der mit 4€/h die Schwelle der Unanständigkeit stehend, ach was: hüpfend unterschritt.
AntwortenLöschenUnd eines habe ich dort gelernt: Die Leute, die wirklich Geld haben, geben. Alle anderen sind kleine, krampfige Würstchen, die eine Rechnung von 48,20 € auf 48,50 € aufrunden und sich hernach wie ein König fühlen.
Mehr als Dein damaliger Pizzabotenlohn hätte mich, ehrlich gesagt, interessiert, wieviel Trinkgeld Du heutzutage so abzudrücken pflegst.
AntwortenLöschenOffensichtlich habe ich nach dieser Logik also wirklich viel Geld.
AntwortenLöschenMeine persönliche Meinung ist ja, dass man sich Essen gehen, Frisör oder Pizzaservice genau dann leisten kann, wenn auch ein angemessenes Trinkgeld gezahlt werden kann.
Trinkgeld? Da bin ich unkreativ und richte mich grob nach der 10-Prozent-Regel. Jedoch mit Einschnitten bei wirklich miesem Service oder unbefriedigenden Produkten.
AntwortenLöschen