Eigentlich dachte ich nichts Böses, als ich heute früh den Nachrichtensender AlJazeera anklickte. Eigentlich klicke ich AlJazeera und andere Informationsquellen jeden Morgen an; das heißt, immer nach einer rituellen Runde unergiebigen Radiohörens, während derer ich gewöhnlich ins Kopfschütteln komme und mich mit dem Gedanken "wollt ihr mich verarschen?" ans Kaffeekochen mache.
Manchmal kommt es beim Radiohören auch vor, dass ich Böses denke, zum Beispiel "wer zahlt euch dafür, dass ihr so einen propagandistischen Stuss verbreitet?", und während der Kaffee durchläuft, fällt mir ein, dass es die von mir entrichteten Zwangsgebühren sind, die den täglich verabreichten offiziellen sprachgymnastischen Stuss finanzieren. Um nicht böse zu werden - das wäre nämlich ungesund für den noch morgenfrisch-unschuldigen Organismus -, schalte ich dann das Radio aus.
Nichts Böses denkend klickte ich AlJazeera an, und Böses sprang mir ins Gesicht:
"Mobile biometrics to hit US streets"
(Mobile Geräte zur biometrischen Erkennung stehen bereit für den Einsatz auf Amerikas Straßen)
Um es kurz zu machen:
Ausweiskontrolle? War gestern. Viel zu hoher bürokratischer Aufwand, selbst bei biometriegestützter Ausstattung des Dokuments. Heute reicht ein simples Mobiltelefon zum Erfassen biometrischer Daten wie der Iris und der Fingerabdrücke. Okay, was heißt simpel - es bedarf halt eines kleinen Zusatzgerätes zum simplen Mobiltelefon: Mit dem lassen sich sämtliche physischen Merkmale an Gesicht und Fingern abfotografieren und ruckzuck ("on-the-spot") der weiteren Identifizierung zuführen. Ist kein futuristischer Orwell-Schmarren, sondern ausgereifte, durchgetestete Technologie, die ab Herbst 2011 der amerikanischen Polizei flächendeckend zur Verfügung stehen wird.
Eine Technologie, die zu unser aller Sicherheit dient. Die der Polizei hilft, Verbrechen aller Art frühzeitig zu erkennen und zu verhindern. Wer dies nicht versteht oder gar hinterfragt, macht sich schon mal verdächtig - zeigen Sie uns am besten gleich mal Ihre Iris, klar? Wie, Sie berufen sich auf Ihre bürgerlichen Grundrechte, auf Schutz der Persönlichkeit und Datenschutz? Kein Problem, wir können Sie auch gleich mitnehmen zur erkennungsdienstlichen Behandlung, wenn Ihnen das lieber ist. Und überhaupt, was erzählen Sie uns da von der 'Gefahr des Missbrauchs von Daten'? Haben Sie etwas zu verbergen? Na also. Augen auf und durch. Sehen Sie, hat doch gar nicht wehgetan.
Seit heute früh denke ich über die Anschaffung von - mich in der Öffentlichkeit - persönlichkeitsschützenden Kleidungsstücken nach, zum Beispiel einer maßgeschneiderten Burka. Bis vor kurzem habe ich über die persönlichkeitsschützenden Eigenschaften von Burkas noch anders gedacht, aber man muss ja mit der Zeit gehen; vielmehr mit den Fortschritten der Überwachungstechnologie.
Andererseits darf man die Behörden keinesfalls dazu provozieren, Böses zu denken, insofern ginge womöglich beim allseits um sich greifenden Terrorwahn (nur dem islamistischen, versteht sich, eine andere Terrorgefahr gibt es bekanntlich weder in Amerika noch in Europa) der Schuss nach hinten los, wenn ich mit Burka aus Versehen bei Rot über die Straße gehe. Vielleicht doch lieber eine solide Ganzkörper-Ritterrüstung mit auf- und zuklappbarem Visier? Die wäre nämlich multifunktional, böte sie doch obendrein einiges an Wehrhaftigkeit im erwartbaren Kampf auf der Straße - und zwar dortselbst nicht nur im Kampf um meine biometrischen Daten.
Böse Gedanken. Die bekommt unweigerlich, wer sich die Frage stellt, warum die Mächtigen dieser Welt uns mit ihrem manischen Kontrollwahn belästigen? Nein, nicht damit wir Angst vor ihnen bekommen. Sondern weil sie Angst vor uns haben. Weiß doch schließlich jeder, dass nur die Bürger und nicht die Politiker einen Wandel erkämpfen können. Wer also den Bürger kontrolliert, hat die Kontrolle über den Wandel. So einfach ist das.
Hi. Guter Kommentar. Mein Nachbar wird demnächst sechs Monate in den usa arbeiten. Ich hoffe, er hat Lust, mir hin und wieder aus dem Polizeistaat zu berichten.
AntwortenLöschenIch lache mich gerade kaputt. Die Poizei hat auf der Puerta del Sol die Plätze mit denen der Indignados getauscht. Das Camp sieht jetzt viel professioneller und ordentlicher aus: http://twitpic.com/608jpv
Man fragt sich derweil, ob das bis zum Papstbesuch so bleiben soll.
Lustiger Artikel dazu auch im El País, in dem auch die aktuellen Hash-Tags für Twitter hinterlegt sind: http://www.elpais.com/articulo/espana/helicoptero/acampadapolicia/triunfa/Twitter/elpepuesp/20110804elpepunac_13/Tes
Der Papst wird den Platz nicht wiedererkennen, und was hat er sich darauf gefreut, mit den Indignados Kontakt aufzunehmen, um sie in ihren Bemühungen für eine bessere Zukunft zu unterstützen:
AntwortenLöschenhttp://www.jungewelt.de/2011/08-05/061.php
Klar, freut der sich. Eine der Forderungen der Indignados ist die strikte Trennung von Kirche und Staat. Ein bißchen Gegenwind bläst ihm aus den eigenen Reihen entgegen: http://diepresse.com/home/panorama/religion/682714/Kosten-des-PapstTreffens-loesen-hitzige-Debatten-aus
AntwortenLöschenUnd neulich war dann auch wieder KiPo-Alarm: http://blog.fefe.de/?ts=b0c6a86b
Wann verbieten wir endlich diese Hokus-Pokus-Verbrecherloge und nehmen denen ihre gehorteten Schätze ab. Ich finde es ja unglaublich, daß der Ratze auch noch im Bundestag sprechen soll.
Papst Merchandising - Heute im Sonderangebot: Klopapier für Pilger: http://blogs.elpais.com/turistario/2011/08/papel-higienico-vaticano-para-peregrinos.html
AntwortenLöschenUnd weil er sich so freut und ihn alle lieben, werden 18.000 Polizisten zu seiner Begleitung abgestellt.
AntwortenLöschenDas war's jetzt von meiner Seite. Mehr Raum möchte ich der katholischen Kirche nicht in meinem Gehirn zur Verfügung stellen.
Ich habe euch gestern übrigens reingelegt. Bei dem Foto mit der Polizei sind die Zelte hinzugefügt worden. Das Original dazu ist hier: http://www.elpais.com/fotogaleria/Desalojo/ultimos/indignados/elpgal/20110802elpepunac_1/Zes/37
AntwortenLöschenRecht interessante Betrachtungen in englischer Sprache über das Geschehen in Madrid: http://knaves.posterous.com/i-havent-seen-this-in-spain-in-the-last-30-ye
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