Er ist gekommen. Nun ist er da. Nun sage niemand, er habe keinen Sinn für die Symbolik der Location, auf der seine Erscheinung zu erscheinen beliebt; auserwählt wurde die Plaza de Cibeles in Madrid, in deren Mitte der berühmte Brunnen Fuente de Cibeles steht. Dieser Brunnen ist der griechischen Göttin Kybele gewidmet, welche sich wiederum - mythologisch gesehen - der Fruchtbarkeit widmet. Womit sich der Kreis symbolisch schließt:
Seid fruchtbar,
gehet hin und mehret euch,
mit einem Wort,
habt Spass!
Das ließ die Jugend sich nicht zweimal sagen.
Sie ging hin,
mehrte sich,
feierte und sang:
Es lebe der Papst
und die freie Liebe!
Ein paar Ewiggestrige gingen auch hin, standen herum und warteten auf eines der Wunder, für die seine Heiligkeit berühmt ist. Zum Beispiel: Frieden auf Erden. Oder: den Menschen ein Wohlgefallen. Oder: das Ende der Finanzkrise. Oder wenigstens: das Ende der Arbeitslosigkeit. Oder, in aller Bescheidenheit: etwas zu essen, sprich, etwas gegen die Armut.
Sie warteten vergeblich. Denn er kam, sah und sprach:
Retranca*
"Ich bringe euch nicht, wie üblich, Brot und Fisch,
und auch nichts Leckeres fürs Abendmahl.
Vielmehr werde ich dafür sorgen,
dass es Banknoten regnet."
Wie nicht anders zu erwarten, haben die ewig unzufriedenen spanischen Indignados genau daran etwas zu mäkeln. Wurde im spirituellen Umfeld des Veranstalters noch frohlockt, wie anziehend der katholische Weltjugendtag sei - "Der Jugendtag des Papstes zieht eine Million an" -, stänkerten die Empörten mit Blick auf den maroden spanischen Haushalt: Der Papstbesuch zieht uns 50 Millionen Euro aus der Tasche! Ein Argument, das schwer von der Hand zu weisen scheint.
Jedoch, da haben die Indignados die Rechnung ohne die geschäftstüchtige katholische Jugend gemacht. Wie es einer der Organisatoren ausdrückte: "Wir verbreiten nicht nur die Frohe Botschaft - wir verbreiten auch Millionen Euros an Einkünften aus dem Tourismus." Womit er sagen wollte: Gehet hin und mehret euch,
oh Euros!
Wenn das keine frohe Botschaft ist. Auch ein 21-jähriger Papstfan, angereist aus Philadelphia, bewies Geschäftssinn mit seiner vorwurfsvollen Botschaft an die Adresse der Empörten Spaniens: "Was wir hier machen, kurbelt schließlich eure Wirtschaft an - ich verstehe überhaupt nicht, was ihr da zu meckern habt."
Und was sagen die Indignados dazu? Die verstehen allmählich auch nichts mehr. Jüngste Berichte aus Madrid belegen, dass die teure Papstsause Tausende, wenn nicht gar Millionen von Indignados anzieht. Sie gehen hin, mehren sich, stehen fassungslos am Straßenrand und greifen sich an den Kopf, während sie das jungdynamisch-geschäftige Treiben der katholischen Jugend verfolgen. Den meisten von ihnen hat die Große Heilige Bumfiedelei die Sprache verschlagen; nur einigen wenigen Erleuchteten dämmert, was die Stunde geschlagen hat:
"Erst die pädophilen Priester
und jetzt die altersgeilen Kinder..."
*(Cover der galizischen Satirezeitschrift Retranca im Oktober 2010 anlässlich des Papstbesuches in Galizien im November 2010. Das Titelbild fiel der Zensur zum Opfer.)
Während der JMJ (Jornada Mundial de la Juventud und nicht Jesses, Maria und Josef), also diesem Treffen da in Dings nach dem Motto "Schöner beten mit dem alten Sack", zahlen die papaflautas (jeje) einen reduzierten Satz für die Fahrkarten der öffentlichen Verkehrsmittel.
AntwortenLöschenFür wenig gelungen halte ich jedoch die gleichzeitige Anhebung der Ticketpreise um 50% für alle Nahverkehrsmittel in Madrid.
Die Bewegung 15-M möchte dagegen demonstrieren und empfiehlt als Maßnahme massenhaftes Schwarzfahren und das Nichtbezahlen der Strafe. Wenigstens werden die Preise von Zehner- und Monatskarten nicht erhöht. (Quelle)
Zwei deutsche Anwälte haben beim Internationalen Gerichtshof Klage gegen den Papst eingereicht wegen "Verbrechen gegen die Menschlichkeit", konkret: wegen Verschleierung sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen.
AntwortenLöschen"Als Anwälte erleben wir seit Jahren das unermessliche Leid der Opfer klerikaler Kinderschänder. Die Kirche versucht, sich bis heute der Verantwortung und Wiedergutmachung zu entziehen, was wir bei der Vertretung und Beratung von Opfern immer wieder erlebten."
via Público.es
Irgendwas darüber in den deutschen Medien gelesen/gehört? Nö.
Der spanische Fotograf Daniel Nuevo hat die "Ausschreitungen" bei den nächtlichen Demonstrationen gegen JMJ/Papstvisite gefilmt und fotografiert und alles auf sein Blog gestellt (sein Video ist dort verlinkt).
AntwortenLöschenAusschreitungen, was für Ausschreitungen? Angucken.
Guter Kommentar zu den Entgleisungen und der Rechtsanmaßung der Polizei auf eljueves. Haben Demonstranten auch Rechte?
AntwortenLöschen"Desgraciadamente, sólo nos queda el derecho a pataleta. ... Los cansinos que dicen que con Franco estábamos mejor no sabemos de qué se quejan. En algunas cosas, estamos igual."
(Unglücklicherweise ist alles, was uns bleibt, das Recht auf einen Wutausbruch. Jene Luschen, die meinen, unter Franco seien wir besser dran gewesen, wissen nicht, worüber sie sich beklagen. In mancherlei Hinsicht sind wir heute genau dort, wo wir unter Franco waren.)
Spanisch ist eine wundervolle Sprache. Sie haben das Wort "hostia" - derzeit in Madrid häufig zu hören. "Hostia" hat eine doppelte Bedeutung: 1. Hostie (=Abendmahl-Leckerli), 2. Prügel, Schläge.
AntwortenLöschenBeides wird in diesen Tagen in Madrid gern verabreicht.
Bei europeanrevolution gibt es eine ausführliche Berichterstattung über die Übergriffe der Polizei während jener nächtlichen Demonstration (s.o.).
AntwortenLöschenIm letzten der dort eingebetteten Videos ist die Verhaftung einer Reporterin dokumentiert. Das von ihr begangene Delikt: Sie kannte ihre Rechte, im Gegensatz zu den Polizisten, die die Journalistin in Handschellen abführten.
Pech für die Polizei: die Reporterin hat den kompletten "Tathergang" unbemerkt auf Handycamera mitgeschnitten. Es kam zu einem heftigen, eskalierenden Wortwechsel zwischen der "Verdächtigten" (kein Mensch weiß, wessen sie verdächtigt wurde) und dem Polizisten.
Auf der verlinkten europeanrevolution-Seite ist dieser Wortwechsel ins Englische übersetzt, Höhepunkt:
(Polizist) "Sie müssen mir alles geben, was ich von Ihnen haben will, andernfalls knalle ich Ihnen eine und dann werden Sie schon sehen..."
Wie gesagt, "Hostias" werden zur Zeit großzügig verabreicht in der spanischen Hauptstadt.
Das Video von Daniel Nuevo ist der Hammer. Keine Langhaarigen und keine vermummten Steinewerfer sind weit und breit auszumachen. In der Straße ist nicht einmal etwas besonderes los.
AntwortenLöschenHoffentlich sehen es viele Menschen, die bisher immer sagten, man könne sich schließlich fernhalten und brauche sich nicht zu wundern, wenn man Schläge kassiert.
Ein häßliches Beispiel für polizeiliche Willkür. Den Leuten muß endlich klar werden, daß es jeden treffen kann. Ob alt oder jung, ob Männlein oder Weiblein.
Verdammt, ich bin gerade echt sauer.
Kurzum: Tengo una mala hostia que no te puedes imaginar.
AntwortenLöschen