Mittwoch, 10. August 2011

Burning your illusions


Gibt es etwas Befriedigenderes, als einen Schuldigen zu haben? Einen richtig schönen, fetten Sündenbock? Dem man alles Böse dieser Welt aufs Kreuz laden, der sich dagegen nicht wehren, aber bestraft, also verboten werden kann, verboten dafür, dass er schuld an allem ist?

Rapmusik heißt der Bösewicht (via R@iner). Der hat nämlich das Unheil der gegenwärtigen Riots über England gebracht. Weil, ohne Rapmusik - Werk des Satans schlechthin - würden die Aufständischen nicht durch die Straßen toben, keine Läden plündern, keine Turnschuhe abgreifen, keine Flachfernseher klauen, keine Häuser abfackeln, kurzum: Ohne den Rap wären die Aufständischen nicht aufständisch. Der hat die nämlich dazu provoziert. Ermutigt. Verführt. Zum Hass. Zur Gewalt. Zum Ungehorsam. Wie ein Krebsgeschwür.

Und deshalb muss sie weg, die "vergiftete" Rapmusik, mit Sumpf und Stiel ausgerottet und von den Rundfunksendern verbannt werden. Von den Schulen natürlich sowieso; ersatzweise sollte ein neues Unterrichtsfach etabliert werden,
"...(to) urge - require, even - schools to teach that the world is a much better place without pointless rage."
Wie das neue Unterrichtsfach heißen soll, ist noch unklar - 'Schöne neue Welt' steht ganz oben auf der Namensliste -, aber feststeht jedenfalls: Den Rap-versauten Unterschichtskindern muss dringend beigebogen werden, dass "die Welt ohne sinnlose Wut ein viel besserer Ort" zum Leben ist.

Muss man sich jetzt nicht groß drüber aufregen, denn dieser Schwachsinn auf Krücken stand in einem englischen Revolverblatt, da wundert einen nichts. Verwunderlich, ja erfreulich hingegen ist die Reaktion der englischen Leserschaft: Die fahren dem Autor nahezu unisono auf so intelligente Weise übers Maul, dass der deutschen Leserin das Herz aufgeht und sie sich unwillkürlich fragt, ob die deutsche Leserschaft eines deutschen Revolverblattes wohl ähnlich intelligent auf ähnlichen Schwachsinn reagiert hätte?

Vermutlich eher nicht, steht zu befürchten. Mal abwarten, was in Deutschland so geschrieben wird, wenn es hier mal so weit sein wird. Mit dem Verbieten von gefährlicher, weil zersetzender Musik verfügt man hierzulande ja über reichhaltige Erfahrung.

So, und jetzt zum inoffiziellen Teil. Weil - unter uns -, selbstverständlich hat Musik die Kraft, einen Menschen zu versauen, sprich zu politisieren. Muss ja nicht unbedingt Rap sein; kann auch, wie in meinem Fall, Reggae sein. Mir hat nämlich seinerzeit ein gewisser Bob Marley jene Flausen in den Kopf gesetzt, die inzwischen bunte, prächtige Blüten tragen.
Burning and looting tonight

How many rivers do we have to cross
Before we can talk to the boss
All that we got seems lost
We must have really paid the cost

That's why we gonna be
Burnin' and lootin' tonight
Say we gonna burn and loot
Burnin' and lootin' tonight
One more thing
Burnin' all pollution tonight
Oh yeah, yeah
Burning all illusions tonight...
Der letzte Satz, "burning all illusions tonight", ist mir ein kleiner Ohrwurm geworden. Wird immer wieder gern geträllert.


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