Sonntag, 24. Mai 2009

Immer von oben nach unten

Gleich am ersten Tag wurde mir die sogenannte "Goldene Putzregel" eingeschärft, die da lautet: "Immer von oben nach unten!" Natürlich hat sofort mein Soziologenhirn zu rattern angefangen - aha, aufgepasst, es geht um die Putzfrauen-Hackordnung -, und ich spitzte die Ohren. Schließlich bin ich "die Neue", obendrein Berufsanfängerin und somit ein gefundenes Fressen für hierarchisch induzierte Fettnäpfchen aller Art. Dachte ich. Anstatt die Ansage "Immer von oben nach unten" einfach wörtlich zu nehmen. Denn dass Wasser, Fett und Putzmittel von oben nach unten tropfen, keinesfalls umgekehrt, leuchtet jedem ein, auch einer Sozialwissenschaftlerin.
Trotzdem stürzt diese an ihrem ersten Arbeitstag als Putzfrau sich zuallererst auf die Reinigung des Küchenbodens, einfach so, aus privater Gewohnheit. Oder weil der Küchenboden am schlimmsten aussieht. Oder weil ein Küchenboden schneller zu reinigen ist als ein verkrusteter Herd. Oder dies. Oder das. "Hirnlos!", werde ich ermahnt, "du hast noch nie geputzt, gib's zu." Selbstverständlich putze ich bei mir zuhause, entgegne ich. "Zuhause zählt nicht", heißt es lakonisch. Wieso das denn, Putzen ist Putzen, oder? Nix da: "Zuhause kann jeder putzen wie er will, die meisten Leute putzen ohne Hirn drauflos, aber das ist jedem seine Sache. Hier bei uns wird mit Hirn geputzt. Ab heute Hirn einschalten, klar?" Okay, das war jetzt wirklich, kann man so sagen, senkrecht von oben nach unten. Aber wo sie recht hat, hat sie recht.
Wer "sie" ist? Putzfrau, antwortet sie, nach ihrem Beruf befragt. Tatsächlich ist sie der gute Geist des Hauses, Mädchen für alles, Überblickerin, Warenbestellerin und -annehmerin, Wäscherin, Lieferantenabwicklerin, Allesmitkriegerin. Und natürlich Putzfrau. Und - ganz wichtig - Trainerin für neue Putzfrauen, so wahr ich Mrs. Mop heiße. Weil das alles so ist, suchte ich nach einem angemessenen Namen, der subtil die Goldene Putzregel auf den Punkt bringt, zugleich respektvoll die Differenz benennt, ohne schleimig daherzukommen, der kurz ist und ein bisschen lustig klingt. Ab heute nenne ich sie Frau Übermop.
PS. Wie man sich unschwer vorstellen kann, ist Frau Übermops Diktum ("Hirn einschalten!") nicht spurlos an Mrs. Mop vorbeigegangen. Gut, Hirn einschalten, das sagt sich so einfach. Aber - welches Hirn denn nun? Sollten beispielsweise soziologische Hirnareale eher deaktiviert werden, um so dem alltagspraktischen Stammhirn zu ungestörter Effizienz zu verhelfen? Oder ist eine friedliche Koexistenz beider möglich, ja produktiv? Ungelöste Fragestellungen bis dato. Immerhin hat Mrs. Mop einstweilen die Goldene Putzregel gut verinnerlicht: Angefangen wird immer ganz oben, dann systematisch nach unten weitergearbeitet, bis schlussendlich, ganz unten, das Gröfaz* kommt.

*Größtes Fettnäpfchen aller Zeiten

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