Freitag, 29. Oktober 2010

Aufs Brot geschmiert


"Und was kochst du heute?" werde ich oft von Frau Übermop gefragt.

Die Frage überfordert mich komplett, denn in aller Regel habe ich am Vormittag noch keinen blassen Schimmer, was ich nachmittags oder abends kochen werde. Anders Frau Übermop: Sie plant im voraus. Ich weiß seit vorgestern, dass es bei Übermops heute abend Kohlrouladen (legendär!) geben wird. Auch ist mir seit Tagen bekannt, was Frau Übermop am Samstagmittag auftischen wird, nämlich "nichts Besonderes, nur Kartoffelsalat (preisverdächtig!) mit Würstchen".

Ich selbst dagegen fange frühestens auf dem Fahrrad so gegen halb zwölf an, darüber nachzudenken, worauf ich heute Lust hätte. Was Frau Übermop in den Morgenstunden nicht davon abhält, mir die Frage stets aufs neue zu stellen. "Keine Ahnung", antworte ich dann stets aufs neue, und stets aufs neue schüttelt sie verständnislos den Kopf.

Heute fragte sie wieder. Statt "Keine Ahnung" sagte ich: "Nichts", weil mir sonnenklar war, dass ich heute bestimmt nichts kochen würde, denn gestern habe ich einen Wahnsinnslaib von einem Vollkornbrot gebacken, auf das ich mich schon den ganzen Morgen freute. Aha, meinte Frau Übermop, "also von hinten durch die kalte Küche", ein merkwürdiger Ausdruck, den ich weniger mit einer anständigen Brotzeit als vielmehr mit schwarzgelbem Getrickse assoziiere. Was ich aber für mich behielt. Erstens aus Prinzip und zweitens, weil das Telefon klingelte.

Frau Übermops Mann war dran. Wenn die beiden sich unterhalten, verstehe ich gemeinhin Bahnhof, weil Dialekt oder besser gesagt: Platt. Tiefstes, unkodierbares Platt. Fremdsprache mit sieben Siegeln. Satzkonstruktionen, die meine Ohren schlackern lassen, sofern ich überhaupt erfasse, worum es geht. Einen Satz verstehe ich inzwischen, weil er regelmäßig am Ende jedes Telefonates erfolgt; dann sagt Frau Übermop nämlich zu ihrem Mann: "Bring was für zum Kaffee mit!" Alles klar? Was. Für. Zum. Kaffee. Was sonst. Ein paar Stück Kuchen eben oder sonst irgendwas für zum Kaffee.

Auch heute trug sie, bevor sie den Hörer auflegte, ihrem Mann auf, was für zum Kaffee zu besorgen, und automatisch fing ich an zu überlegen, was ich noch besorgen könnte, um was für aufs Brot zu haben. Denn darum geht es ja: Wer ein gutes Brot hat, braucht was Gutes für aufs Brot. Versteht doch jeder. Ich stellte mir vor, wie ich an der Käsetheke stehen und zur Verkäuferin sagen würde: Ich brauch' was für aufs Brot. Kein Problem, würde die Verkäuferin erwidern, brauchen Sie vielleicht auch noch was für untern Käse, ein Brot zum Beispiel? Oder so.

Später fragte mich Frau Übermop in astreinem, fast steril klingendem Deutsch: "Und, was gibt es aufs Brot?" Keine Ahnung, gab ich bedauernd zurück - wo ich mich doch eben erst an das folkloristische Was für aufs Brot gewöhnt hatte. Es sollte aber noch besser kommen. Als ich um elf Uhr meine Sachen zusammengepackt hatte und bereits unter der Tür stand, rief sie mir nach: "Vergiss nicht, du brauchst noch was für zum aufs Brot!" Genau. Was, zum Teufel, brauche ich? Was für zum aufs Brot. Werde ich mein Lebtag nicht vergessen.

4 Kommentare:

  1. :-))
    Erinnert mich an einen lauschigen Abend in meiner Stammkneipe, gefüllt mit einer kabarettreifen Diskussion 3er Schauspieler über regionale Unterschiede in der deutschen Sprache. Anstoss zu diesem Gespräch war die Frage der Bedienung in der Frittenschleuder: "Kommt auf den Pommes watt drauf?" Ein abendfüllendes Programm!

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  2. "...Bedienung in der Frittenschleuder": Muss ja eine hammerharte Stammkneipe sein...:)

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  3. also, ich weiß ja immer noch nicht so genau, wo du wohnst ;), aber: meine mutter sagt das auch. wobei meine mutter sich ihren 'dialekt' [eigentlich hat sie ja fast keinen..] selbstständig aus 'der ganzen welt' zusammensucht.. manchmal rheinisch, manchmal wienerisch. tja. :)

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  4. Das Wienerische ist mir wohlvertraut. "Host no wos fia die Katzn zu'n Scheißn?" = Ist noch Katzenstreu im Haus?
    :)

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