In der heutigen TAZ findet sich ein interessantes Porträt. Es besteht fast ausschließlich nur aus Originaltönen, verzichtet auf jedwedes interpretatorische Brimborium und macht dadurch die von sich erzählende Person äußerst lebendig. Dieses interessante Porträt einer interessanten Frau trägt den Titel "Drecksarbeit - zu Gast bei einer renitenten Putzfrau", und falls jetzt jemand denkt, die TAZ war zu Besuch bei mir, der irrt. Die TAZ war vielmehr in Gelsenkirchen bei der Putzfrau Susanne Neumann, die seit 30 Jahren für ein Gebäudereinigungsunternehmen putzt.
Frau Neumann kämpft für die Interessen der in Deutschland arbeitenden Putzfrauen, und wenn ich sage 'kämpft', dann meine ich das genauso und nicht etwa 'vertritt deren Interessen'. Im (medial völlig unterbelichteten) Gebäudereinigerstreik im Herbst 2009 riskierte die Rebellin aus dem Ruhrpott eine erfreulich dicke Lippe (das erste der dort verlinkten Videos); im TAZ-Interview ebenso:
Wenn du so einen Arbeitskampf hast, dann brauchst du Wut, Stärke, Hass und auch List. Die Weiber haben sich amüsiert über die Doofheit der Arbeitgeber, haben sich auch gegenseitig mitgezogen, wenn eine ängstlich war, grade bei den Befristeten. Das war wie so 'ne Welle. Das war ein Arbeitskampf der Frauen. 90 bis 95 Prozent waren Frauen. Also die haben die Arbeitgeber richtig vorgeführt. Du machst dir kein Bild da drüber.
Leider, muss man hinzufügen, konnte man sich nur schwer ein Bild machen, denn wie gesagt, verfuhr die öffentliche Berichterstattung über diesen Streik eher nach dem Motto: Wie können wir das Ding am besten hinten runter fallen lassen? Ich finde, Susanne Neumanns Idee mit dem Klobürstenweitwurf-Mehrkampf ("500, 600 Putzfrauen, du musst dir vorstellen, auf einmal war alles Ängstliche weg, alle waren selbstbewusst und haben gelacht") hätte es in die Tagesschau verdient gehabt.
Weiter im Klartext:
Du bist 'ne Ware und wirst verkauft! ... oder auch die Lohnbezuschussung für Arbeitslose, 50 Prozent kriegen die Firmen für die Eingliederung eines Langzeitarbeitslosen. Aber sie gliedern ihn nicht ein. Nach einem Jahr holen sie sich einen Neuen zum 'Eingliedern'. Das sind alles diese Schindludersysteme. Besonders übel ist die Sache mit der Leiharbeit ... Leiharbeit ist die größte Schweinerei, die's gibt.
Beim Thema Leiharbeit kommt Susanne Neumann richtig in Fahrt, knöpft sich einen Hartz-IV-Protagonisten aus der Rot-Grün-Ära vor und nimmt kein Blatt vor den Mund:
Mein schönstes Erlebnis war, als ich eingeladen war zur Polit-Talk-Show von Maybrit Illner. Da habe ich diesem arroganten Schweinepriester Clement ein paar vor den Bug geschossen. Nach der Sendung hat er zu Illner gesagt, das lass ich mir nicht bieten, in Ihre Sendung komme ich nicht noch mal. Und sie hat gesagt: Ach wissen Sie, Herr Clement, Sie sind ja jetzt aus dem politischen Geschehen raus, wir hatten gar nicht vor, Sie noch mal einzuladen. Der ist fast geplatzt, hat seine vier Leibwächter gerufen, damit sie seinen Mantel holen, und ist abgerauscht. Dieser feine Herr, der hat als Superminister unter Rot-Grün die Leihsklaverei als sogenannte 'Zeitarbeit' gesellschaftsfähig gemacht und sie auch noch als Bestandteil von Hartz IV reingedrückt! Was der für ein Lobbyist war, der Schweinepriester, das hat er gezeigt nach seinem Ausscheiden aus dem Amt. Er hat sich, wie Schröder und wie viele, als Politiker sein Standbein für die Zukunft geschaffen. Jetzt sitzt er bei Adecco, einer der größten Leiharbeitsfirmen der Welt, in der obersten Etage im Aufsichtsrat. Die haben 500.000 Leiharbeitskräfte täglich im Angebot. Er leitet für die irgendein Institut für Arbeitsforschung und macht da so richtig Knete.
Sie erzählt, dass in ihrer Firma viele ältere Frauen arbeiten, die eigentlich Ansprüche hätten
...auf diese Dingsbumsrente da, die Grundsicherung-Sozialhilfe. Die wollen nicht, die schämen sich! Es wird ja auch überall Stimmung gemacht, wer Hartz IV bezieht, ist eine faule Sau. Das ist die Masche. Nee, so nicht, so kann's einfach nicht weitergehen!
Irgendwann knurrt der Hund und dann wird er bissig.*
*(Könnte von mir sein, der letzte Satz, stammt aber von der kampflustigen Politputzfrau aus dem Pott. Ehre, wem Ehre gebührt.)
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