Samstag, 24. Juli 2010

Botox für alle



Seit einer halben Stunde rolle ich nur noch mit den Augen. Ununterbrochen. Ich kann gar nicht mehr aufhören. Wenn das so weitergeht, fallen mir bald die Augen aus dem Kopf.

Gottseidank mache ich das in meinen eigenen vier Wänden, innerhalb derer ich bekanntlich tun und lassen kann, was ich will, obwohl, soo sicher bin ich mir da inzwischen nicht mehr. Denn was, wenn irgendwo eine heimlich installierte Orwell-Kamera hängt, sagen wir, schräg oberhalb meines Computers, und mich beim Augenrollen filmt? Dann würde möglicherweise demnächst die globale Tugendpolizei bei mir klingeln und mich vom Blog weg verhaften. Wegen ungebührlichen Augenrollens. Gesetzeswidrig, gnädige Frau, Sie verstehen? Schon klicken die Handschellen. Kein Scherz.

Wer jetzt ungläubig mit den Augen rollt, dem sage ich: zu früh gerollt. Der kann froh sein, dass er nicht in Elmhurst im Staate Illinois, Vereinigte Staaten von Amerika wohnt. Dort kann er sich nämlich das Augenrollen bald abschminken. Dort arbeiten nämlich die Stadtväter (können auch -mütter darunter sein) mit Feuereifer an einem Gesetz, welches öffentliches Augenrollen strafbar macht - man könnte ja irgendjemandem zu nahe treten damit.

Offenbar gibt es in Elmhurst, Illinois sensible (Kommunal-) Politikernaturen, die es über die Maßen kränkt, wenn ein zuhörender Bürger während einer öffentlichen Stadtratversammlung mit den Augen rollt (man liegt sicher nicht daneben mit der Vermutung, dass eine ganz normale Elmhurster Stadtratversammlung einem ganz normalen Elmhurster Bürger jede Menge Augenrollen ins Gesicht treiben kann). Deshalb soll die impertinente, den öffentlichen Frieden störende (doch, doch: "...to provoke a breach of the peace") Volksgewohnheit des Augenrollens unter Strafe gestellt werden, vulgo verboten.

Ja, das ist zum Augenrollen, ununterbrochen. Wo doch das Augenrollen eigentlich nur die sublimierte Reaktion auf irgend etwas Strunzdummes ist: Man enthält sich des verbalen Kraftausdruckes, will aber nicht den ganzen Frust unexpressiv runterschlucken und aktiviert darum gezielt die Augenringmuskulatur. Oder meinetwegen reflexiv. Bei mir passiert das Augenrollen quasi reflexhaft, weil kein Tag vergeht, an dem ich mich nicht mindestens zehnmal genötigt sähe, mit den Augen zu rollen; manchmal ist es schlichte Notwehr. Wäre ich Elmhursterin, bekäme ich bestimmt lebenslänglich.

Aber okay, ich bin verhandlungsbereit: Ich zum Beispiel kann es partout nicht leiden, wenn jemand mit gewohnheitsmäßig nach unten gezogenen Mundwinkeln herumläuft; da vergeht mir alles, da fühle ich mich irgendwie, ja, doch, kann man so sagen - gekränkt. Also, wenn im Gegenzug die scheppen Mundwinkel geächtet und verboten werden, bin ich gerne bereit, mit dem Augenrollen aufzuhören. Ob mir das gelingen wird, ist eine andere Sache.

Aber selbst wenn ich wieder delinquent werden sollte, wäre das auch keine schlechte Perspektive, schließlich wanderten dann die anderen ebenfalls in den Knast. Also die, die das mit den Mundwinkeln nicht lassen können. Sind ja doch eine ganze Menge, nicht wahr, besonders an politprominenter Stelle. Und dann würden wir eben alle gemeinsam einsitzen - Gespräche auf Augenhöhe waren noch nie verkehrt.

Obwohl, ich käme wahrscheinlich aus dem Augenrollen überhaupt nicht mehr raus. Wobei noch nicht geklärt ist, ob Augenrollen hinter Gefängnismauern überhaupt strafbar ist. Ein Knastaufenthalt ist ja in dem Sinn nichts Öffentliches, trotz permanenter Videoüberwachung. Mir kann das dann egal sein, denn bis ich meine Höchststrafe abgebrummt haben werde, ist eh alles vorbei, und wenn ich nicht gestorben bin, dann rolle ich noch heute mit den Augen.



4 Kommentare:

  1. Mit was für Dummheiten die Menschheit ihre Zeit verschwendet. Kopfschüttel und Augenroll.

    LG Frau Bipp

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  2. Wenn es nur Dummheit wäre. Es ist Bevormundung und Disziplinierung im allerprivatesten Bereich, nämlich meinem Gesichtsausdruck. Vielleicht ein Modellversuch in der amerikanischen Provinz, wer weiß, was noch folgt.

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  3. ja, die amis bekommen da erstaunlich viel durchgeboxt...

    ach, ich würde gern das 'beim reden auf den mund starren' verbieten - man gucke mir gefälligst in die augen!! -- du wirst aber auch immer wütender, nech? *g

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  4. Ei, was soll ich sagen? Was raus muss, muss raus :).

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