Dienstag, 20. Juli 2010

Ist das angekommen?


"Endlich ankommen."
Ist das nicht ein toller Werbeslogan? Will das nicht jeder, ankommen? Egal wo oder bei wem, Hauptsache ankommen? Endlich, endlich ankommen. Nach langer Mühsal.

Man denkt ja dann an so Pilgerreisen und Wüstenwanderungen und Oasen, vielleicht auch an den bald erklommenen Gipfel, vielleicht auch an ein bisschen Meditieren oder an alles mögliche, um zu sich selbst zu finden, daran, zur Ruhe zu kommen oder sich zur Ruhe zu setzen, je nachdem, daran, es geschafft und sein Ziel erreicht zu haben, endlich nach Hause zu kommen, ein Nest zu bauen und mindestens einen Baum zu pflanzen, man denkt an Sicherheit, an Belohnung, an Aufatmen, an immerwährend, an Endstation Sehnsucht, auf dass ein großer Friede einkehren möge. Notfalls reichen auch zwei Wochen Mallorca.

Endlich ankommen. Wer will das nicht. Doch, ich auch. Auch ich würde gern endlich ankommen, aber wenn mich jemand fragte: wo?, käme ich in Verlegenheit. Manchmal erstaunt es mich selbst, wie sehr ich mich an mein unstetes Leben gewöhnt habe; ich fühle mich sozusagen im Unterwegssein zuhause und nehme das auf der Stelle wieder zurück, weil es so bescheuert pathetisch klingt - als Pilger fühle ich mich nämlich weißgott nicht, obwohl meine Reise schon ziemlich beschwerlich ist.

Statt anzukommen schweife ich ab, drum komme ich jetzt endlich zur Sache:
"Endlich ankommen. Zentral. Nachhaltig. Luxuriös."
Stand da in großen Lettern an einem Bauzaun, und ich verwünschte den Tag, an dem ich meine Kamera im Regen liegen gelassen hatte.

Gut rübergebracht, das Eigentumswohngefühl des modernen Städters mit dem nötigen Kleingeld und dem richtigen Bewusstsein. Kommt bestimmt gut an. Und da ist er auch schon wieder, der immer mehr im Alltag ankommende Allerweltsspruch Weniger ist mehr, diesmal in der Variante
"Weniger (CO2) ist mehr (Klimaschutz)"
wogegen absolut nichts einzuwenden ist, auch wenn der nächste Spruch schon wieder verdächtig nach den Besseren unter den Guten klingt:
"Als Eigentümer einer Wohnung im XYZ sind Sie beim Klimaschutz fein raus",
wogegen aber auch nichts einzuwenden wäre, folgte dem nicht der Spruch
"...nicht zuletzt das gute Gefühl, Teil der Lösung zu sein",
aha, verstehe, wer weniger "deluxe" wohnt, muss sich mit dem schlechten Gefühl abfinden, Teil des Problems zu sein. Welchen Problems? Na, des Klimas! Der Umwelt! Überhaupt! Damit keine Missverständnisse aufkommen, was das für Leute sind, die im XYZ endlich ankommen wollen oder zumindest sollen, folgt der nächste Spruch auf dem Fuße:
"Prozent der XYZ-Eigentümer, die etwas für unser Klima tun: 100."
So schafft man Eliten. Wem das jetzt immer noch nicht klar geworden ist, muss sich an den Bauzaun stellen, dort wird es ihm mit einfachen Worten verständlich gemacht:
"Luxus ist, wenn Ihr Geschmack zur Maxime wird."
Ah, diesen letzten Spruch bitte auf der Zunge zergehen lassen! Sind Zweideutigkeiten nicht etwas Wundervolles? Zur Maxime für wen?
Ist angekommen, danke.

2 Kommentare:

  1. Huh, klingt ja schwer nach Kant. Also Kant, der angekommen ist - in der heutigen Zeit (wie viele Post sind's denn inzwischen vor der Moderne?). Prost Mahlzeit!

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  2. Kant ist endlich vor dem Bauzaun angekommen und staunt - so hatte er sich das irgendwie nicht gedacht.

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