Es herbstet mit Macht. Trotzdem sind wir mitten im Hochsommer, was sich vor allem daran bemerkbar macht, dass die Alltagskonversationen von zwei Fragen beherrscht werden: 1. Warst du schon im Urlaub? und/oder 2. Wo warst du in Urlaub? Nun ist mir persönlich die erste Frage lieber. Denn ich kann sie mit einem knappen Nein beantworten, um sodann den Smalltalk umzulenken auf Themen, die mich mehr interessieren und zu denen ich mehr zu sagen habe, zum Beispiel zum aktuellen Wetter - da kann ich vollkompetent mitreden.
Bei der zweiten Frage wird es komplizierter. In aller Regel wird sie gestellt von einer Person mit stark gebräuntem Gesicht und einem für die derzeitige Witterung allzu offenherzigen Outfit, der den Blick auf ein Zuviel an weiteren braungebrannten Körperteilen ermöglicht, was mich immer etwas frösteln lässt, denn, wie gesagt, es herbstet. Das Gespräch verläuft dann häufig so:
(braungebrannte Person:) Wo warst du in Urlaub?
(ich:) Ich war nicht in Urlaub.
(braungebrannte Person:) Wann fährst du in Urlaub?
(ich:) Ich fahre nicht in Urlaub.
(braungebrannte Person:) Ach.
(ich:) Ja.
(braungebrannte Person:) Ach ja?
(ich:) Ja.
An der Stelle fällt der braungebrannten Person meistens nichts mehr ein, weshalb sie irritiert die Augenbrauen hebt und mich fragend anschaut, so als ob ich ihr eine Antwort schuldig geblieben sei; dabei habe ich doch zu allen Fragen wahrheitsgemäß und lückenlos Stellung bezogen.
Für mich gibt es dann zwei Verhaltensoptionen, je nach meiner aktuellen Gemütslage:
Bin ich gerade stoisch drauf, hebe ich meinerseits die Augenbrauen, um zu signalisieren, dass nicht ich, sondern die braungebrannte Person an der Reihe ist weiterzufragen. Meistens geht das Gespräch dann so weiter:
(braungebrannte Person:) Äh, wie, du meinst...?
(ich:): Was?
(braungebrannte Person:) Ja gut, also, man muss ja auch nicht unbedingt jedes Jahr in Urlaub fahren.
(ich:) Stimmt.
(braungebrannte Person:) Wo warst du denn letztes Jahr in Urlaub?
(ich:) Letztes Jahr war ich auch nicht in Urlaub.
Spätestens etwa um diesen Dreh herum wird es der braungebrannten Person sehr unbehaglich, so dass sie sich bemüht, das Gespräch in andere Bahnen zu lenken, was mir willkommen ist, denn dann brauche ich das nicht zu tun. Wobei das Restgespräch meist außerordentlich kurz zu verlaufen pflegt, was mir dann auch recht ist.
Bin ich dagegen eher genervt, sei es von der Fragerei selbst oder von irgend etwas anderem, trachte ich danach, möglichst schnell auf den Punkt zu kommen, schließlich habe ich meine Zeit auch nicht gestohlen. Dann setzt sich das Gespräch wie folgt fort:
(ich:) Ich habe kein Geld, um in Urlaub zu fahren.
(braungebrannte Person:) Oh - äh, ah ja. Mhm. (Pause.) Das tut mir leid für dich.
(ich:) Muss dir nicht leid tun.
(braungebrannte Person:) Ähm, ja. (Pause.) Na ja, ich würde dir einen Urlaub schon gönnen.
(ich:) Das ist nett.
(braungebrannte Person:) Ja, also - Mensch, du, vielleicht klappts ja nächstes Jahr mit in Urlaub fahren!
(ich:) Glaub' ich eher nicht.
Spätestens etwa um diesen Dreh (meist aber schon früher) beende ich unverbindlich das Gespräch, worüber, wenn mich nicht alles täuscht, die braungebrannte Person irgendwie ziemlich erleichtert zu sein scheint. Ich auch.
Wer jetzt denkt, ich könne einem schönen Urlaub nichts abgewinnen, der irrt. Ende Juli habe ich nämlich spontan beschlossen, im August eine Woche Urlaub von der Putzerei zu machen und dies der Frau Übermop mitgeteilt. Das Gespräch verlief so:
(Frau Übermop:) Wo fährst du denn hin in Urlaub?
(Mrs. Mop:) Ich fahre nicht in Urlaub, ich bleibe zuhause.
(Frau Übermop:) Wie, du bleibst zuhause? Ich denke, du willst Urlaub machen?
(Mrs. Mop:) Will ich auch. Wer sagt, dass ich irgendwohin fahren muss, um Urlaub zu machen?
(Frau Übermop:) Du spinnst.
(Mrs. Mop:) Wieso?
(Frau Übermop:) Dann kannst du ja gleich hier weiterarbeiten, wenn du gar nicht wegfahren willst.
(Mrs. Mop:) Aber ich will doch Urlaub machen!
(Frau Übermop:) Kapier' ich nicht.
(Mrs. Mop:) Ich schon.
(Frau Übermop:) Du spinnst.
(Mrs. Mop:) In dem Fall nicht.
(Frau Übermop:) Doch.
Heute war, wie jeden Dienstag um 11:30 Uhr, Jour fixe für die große Besprechung von Geschäftsführung und Service. Normalerweise bin ich schon weg, wenn die ersten Teilnehmer erscheinen (frühestens um 11:45 Uhr); heute war ich ausnahmsweise noch im Restaurant und gerade im Begriff, meine Sachen zusammenzupacken. Einer der Geschäftsführer kommt mit strahlend braungebranntem Lächeln auf mich zu und ruft mit Begeisterung in der Stimme:
(Geschäftsführer:) Mensch, Mrs. Mop, du siehst ja richtig gut aus!
(Mrs. Mop:) Danke, mir geht's zur Zeit auch richtig gut.
Man ist ja dann auch blöd und lässt sich das Kompliment runtergehen wie Öl, ohne zu merken, dass von ferne eine Nachtigall angetrapst kommt.
(Geschäftsführer:) Ich habe gehört, du willst jetzt eine Woche Urlaub machen?
(Mrs. Mop:) Ja! Endlich mal!
(Geschäftsführer:) Wo fährst du denn hin in Urlaub?
(Mrs. Mop:) Ich fahre nicht in Urlaub, ich bleibe zuhause.
(Geschäftsführer:) Wie, du bleibst zuhause? Ich denke, du willst Urlaub machen?
(Mrs. Mop:) Will ich auch. Wer sagt, dass ich irgendwohin fahren muss, um Urlaub zu machen?
(Geschäftsführer:) Äh, ja - also, ich meine, dabei siehst du so gut aus - überhaupt nicht urlaubsreif!
Da hörte sogar ich die Nachtigall elefantengleich trampeln. Schnelles Reagieren war gefragt.
(Mrs. Mop:) Pass nur auf, wie gut ich erst aussehen werde, wenn ich aus dem Urlaub zurück komme!
(Geschäftsführer:) Äh, na ja, wahrscheinlich werden wir alle vor Neid erblassen. Sag' mal, äh, wenn du gar nicht wegfährst in Urlaub, könntest du dann nicht nächste Woche ein bisschen einspringen, weil, ausgerechnet nächste Woche wird es wohl ein wenig eng...
(Mrs. Mop:) Vergiss es.
(Geschäftsführer:) Aber warum denn?
(Mrs. Mop:) Ich mache Urlaub.
(Geschäftsführer:) Mein Gott, bist du stur. Man wird ja wohl noch fragen dürfen.
(Mrs. Mop:) Klar. Man wird ja wohl noch Urlaub machen dürfen.
(Geschäftsführer:) Aber warum denn ausgerechnet nächste Woche?
(Mrs. Mop:) Weil das mein Urlaub ist.
(Geschäftsführer:) Dabei siehst du so gut aus, als ob du gerade aus dem Urlaub kommst.
(Mrs. Mop:) Das kommt daher, weil ich mich so auf meinen Urlaub freue.
(Geschäftsführer:) (seufzend) Was haben wir uns bloß mit dir eingehandelt.
(Mrs. Mop:) Eine Putzfrau, die seit anderthalb Jahren keinen Urlaub gemacht hat.
(Geschäftsführer:) Mach doch, was du willst.
(Mrs. Mop:) Eben.
(Geschäftsführer:) Musst du immer das letzte Wort haben?
(Mrs. Mop:) In dem Fall schon.
Seit heute zähle ich die Tage bis nächste Woche und hol' jetzt schon mal meinen großen alten Koffer aus dem Keller. Weil, ich fahre zwar nicht in Urlaub, aber irgendwie eben doch, so unter uns. Wohin? Na, ist doch wohl klar. Psst, nicht weitersagen.