Mittwoch, 30. Juni 2010

Entspannung


Was für ein zauberhafter Name für eine Sportkneipe.
Noch dazu am heutigen Tag,
wo der Fußball ruht und das Internet flutscht.


Heißa.

Dienstag, 29. Juni 2010

Heiß und kalt


Nach gelungenem Auftakt wurde der Tag immer cooler.

Nachdem ich vor der ersten Hitzewelle des Tages ins Kühlhaus geflohen war, hörte ich die Lieferanten im Keller rumoren. Zur Zeit ist der Keller ein beliebter (weil kühler) Austragungsort für Meinungsverschiedenheiten betreffs Fußball-WM; bei einem multiethnischen Lieferantenkreis ein durchaus heftiger Schlagabtausch. Der Gemüse-Marokkaner war Feuer und Flamme für Ghana ("Ich bin Afrikaner!"), der Getränke-Pole verteidigte Deutschland bis aufs Messer ("Schließlich lebe ich in Deutschland!"), worauf der deutschstämmige brasilianische Bierlieferant die Nase rümpfte und seinen Favoriten - nein, nicht Brasilien - Argentinien ins Feld führte ("...sind die einzigen mit einem gescheiten Torwart!").

Meine inzwischen bekannte persönliche Vorliebe für Ghana fand der Marokkaner zwar sympathisch, aber unverständlich ("Da machst du dir keine Freunde unter den Deutschen!"). Der Pole und der Brasilianer schüttelten nur mitleidig den Kopf und meinten "typisch Frau", was immer sie damit meinten.

Richtig hitzig wurde es erst, als Frau Übermop sich einschaltete und stimmgewaltig verkündete: "Madonna ist das Allerletzte!" Nun genießt Frau Übermop als Fußballexpertin allergrößten Respekt bei den Lieferanten, denn beim tagtäglichen Fachsimpeln kann ihr keiner das Wasser reichen, selbst wenn ihr dabei gern der eine oder andere Versprecher entrutscht. Madonna also, befand Frau Übermop im Brustton der Überzeugung, sei das Allerletzte.

Der Pole schaute den Marokkaner an, der Marokkaner schaute mich an, und alle schauten wir den Brasilianer an. Keiner von uns verzog eine Miene, obwohl uns das Lachen bis zum Halse stand. "So, so", antwortete der Brasilianer endlich, indem er sich vor Frau Übermop aufbaute, "das Allerletzte, findest du?" "Das Hintervorletzte", schnaubte sie zurück, "schau ihn dir doch an. Wie kann man sich nur so gehen lassen!" Der Brasilianer bekam gefährlich verengte Augenschlitze und eine etwas rötere Gesichtsfarbe. "Argentinien wird gewinnen", stieß er fast drohend aus, "einfach weil die Argentinier gut sind, verstehst du, so gut wie die Argentinier ist keine andere Mannschaft." Frau Übermop musterte ihn von oben bis unten und sagte schließlich versöhnlich: "Du hast recht. So gut im Foulspiel wie Argentinien ist keine andere Mannschaft."

Worauf der Brasilianer die Augen nach nach oben verdrehte und empathisch "Madonna!!" ausrief. Man wusste nicht so recht, ob es ein Fluch oder ein Gebet oder die Anrufung des argentinischen Trainers war. Er verlangte nach einem kalten Getränk. "Man sollte sich bei dem Wetter nicht allzu sehr aufregen", meinte Frau Übermop freundlich, als sie ihm eine große kalte Cola hinstellte.



Problemlösung


Problem gelöst. Draußen geschlafen - wie ein glücklicher Stein. Von der kühlen Morgenluft wach geworden. Dem Sonnenaufgang entgegengeblinzelt. Erfrischt und ausgeruht.

Und erst das Internet. Läuft wie geschmiert um diese Uhrzeit. Muss wohl damit zusammenhängen, dass es um sechs Uhr früh keine WM gibt. Bitte lieber Gott, lass es immer sechs Uhr früh sein.

Positiv sollst du den Tag beginnen.

Montag, 28. Juni 2010

Mut zur Lücke


Mir reicht's. Mir ist warm. Mir ist viel zu warm. Warum kühlt das nicht ab, wenigstens ein bisschen, wenigstens am Abend? Oder wird es neuerdings auf die Nacht zu immer wärmer statt kälter? Habe ich irgend etwas verpasst? Den neuesten Klimaschocker?

Ist mir warm.

Letzten Sommer (war es da überhaupt so heiß? Muss wohl.) war es mir abends auch manchmal viel zu warm, so um den Kopf herum, den man ja braucht, wenn man am Abend noch bloggen will. Die lästige Kopfhitze hatte ich damals genial ausgetrickst mit einer eisgekühlten Migränebrille rund um die Augen. Das Wunderdings hatte ich mir extra zu diesem Zweck (bin gottlob ein migränefreier Mensch) gekauft - es funktionierte hervorragend über gut 20 bis 30 Minuten.

Tut es in diesen Tagen nicht. Zwar kühlt die Brille immer noch phantastisch und macht einen klaren Kopf, aber nur für ganz kurze Zeit - höchstens zwei Minuten -, weil dann das Internet wieder mal abstürzt; ein Vorgang, der bekanntlich das Blut zu Kopf steigen lässt. The heat is on. Da soll ein Mensch bloggen.



Sonntag, 27. Juni 2010

Sprechfußball


Waka Waka und kein Ende.

Shakira hat das letzte Wort. In den Mund gelegt wurde es ihr von Dailywhat, mitsamt den herauskullernden Fußbällen. Tor. Tor. Tor. Tor. Vier waren es, glaube ich, heute nachmittag.

Samstag, 26. Juni 2010

Iron Man


Es gibt Leute, die lieben Bügeln. Die stellen sich gern stundenlang ans Brett und werden dabei ganz ruhig, ja meditativ, und sagen so Sachen von sich wie "beim Bügeln komme ich bei mir selbst an". Genau so stelle ich mir Menschen vor, die der stumpfen Plätterei einen leistungssportlichen Aspekt abgewinnen können und darum Bügelweltrekorde aufstellen, ja, diese zu übertrumpfen trachten. Weil, anders geht das ja gar nicht, tagelang am Bügelbrett stehen mit Wäschebergen, die nicht kleiner, sondern größer werden, weil ständig jemand vorbeikommt und neue Bügelware bringt.

Doch, tagelang! Nämlich 58 Stunden! Und 40 Sekunden! Danach war er (Daniel Peetz aus Deutschland) Weltmeister im Bügeln und hat damit eine gewisse Eufemia Stadler (Schweizerin, Weltrekord 2009) abgelöst, die es nur auf mickrige 57 Stunden und 38 Minuten gebracht hatte.

Nun beeindruckt es mich, - völlig unabhängig davon, dass ich Bügeln hasse wie die Pest - nicht im mindestens, wenn einer 58 Stunden am Stück bügelt. Hat der nichts Besseres mit seiner Zeit zu tun, frage ich mich, was natürlich eine dumme Frage ist an einen meditativ veranlagten Bügelfreak. Für den ist das vermutlich ein spirituelles Highlight, ähnlich wenn einer einen Achttausender erklimmt, für mich ist das uröd. 58 Stunden Lebenszeit, meine Güte.

Großen Eindruck hinterlassen hat bei mir dagegen ein fernöstlicher Meister der Hohen Bügelkunst; und das, obwohl ich Bügeln wirklich hasse wie die Pest. Der Virtuose aus Indonesien geht die Sache zwar auch sportlich, aber rein qualitativ an - nicht indem er ständig auf die Uhr schaut, ob er jetzt wohl endlich die Eufemia aus der Schweiz überrundet hat.


Das zischt und dampft und brodelt und groovt, das Eisen macht Salto mortale und wird vom Bügler erst entfesselt, dann beherrscht - ein tanzendes Bügeleisen, ein tänzelnder Bügler. Zum Nicht-dran-satt-sehen. Weltmeisterlich.

Freitag, 25. Juni 2010

Afrikanische Zustände


Netzwerktechnisch fühle ich mich derzeit wie in Afrika.
Oder warum mein Netzwerk auftaucht und plötzlich wieder wie von Geisterhand im Nirwana verschwindet. Oder warum es da ist, sich aber partout nicht anwählen lässt.
Kenne ich. Mal leuchtet der Netzwerkstatus schön grün, aber gehen tut nichts. Mal leuchtet er böse rot, aber trotzdem tut sich ein geheimes Schlupfloch auf. Ich beneide den JakBlog. Dem fliegen in Südafrika zwar auch dauernd die Leitungen raus, dafür schickt er wunderschöne Direktreportagen und Stimmungsbilder. Vorausgesetzt, er findet gerade ein Schlupfloch.

Mein Stimmungsbild ist ziemlich mitteleuropäisch vergrätzt, aber egal, Hauptsache, ich finde jetzt gleich das nächste Schlupfloch.

Donnerstag, 24. Juni 2010

Noch bei Trost?



Man sollte doch öfter mal eine gedruckte Zeitung zur Hand nehmen, statt sich immer nur für lau online zu informieren. Das kostet zwar Geld, bietet dafür jedoch handfesten Mehrwert: Man kann sich dann nämlich von der Klugheit der dahintersteckenden Köpfe ein gedrucktes Bild machen. Und sei es in Gestalt einer Anzeige, die gestern in der FAZ erschien.

"50 % Trost-Rabatt für alle Ghanaer" steht im Kleingedruckten.
"Dieses Niveau ist so unterirdisch, dafür würde sich keine Klowand hergeben", heißt es in den Kommentaren.
Klar so weit.

Zur Strafe sollte man die famose Autoverleihfirma mit ihren flotten Anzeigenfuzzis am Samstag (Ghana-Amerika) in einen ghanaischen Biergarten schicken. Dort müssen sie den ganzen Abend Table Dance machen, und zwar original afrikanischen Diski Dance.
Und die FAZ muss drüber schreiben. Eine Doppelseite mit Fotos vom Schauplatz. Wenn schon Klowand, dann richtig.

Mittwoch, 23. Juni 2010

Waka Waka


War nix mit Wodka Wodka. Es muss heißen Waka Waka. Ein übellauniger Zeitungskommentar hat mich zur Feinrecherche angetrieben.

Der Kommentator lässt an nichts ein gutes Haar, weder an Sängerin Shakira (wird als hüftwackelnde Jodeltante gedisst), noch an WM-Maskottchen Zakumi (mit "shakirahaftem" Grinsen, schon mal disqualifiziert), noch an Zakumis Hose (was braucht der eine Hose, "unser Goleo" hatte doch auch nichts an, und überhaupt, wieso ist es in Afrika so kalt?), noch an dem afrikanischen Text des Songs (wieso wird einem der nicht kaufertig übersetzt serviert? Zumutung!), noch an der kriegerischen Tradition des Liedes (kamerunische Scharfschützen! Haben so was Ähnliches im Weltkrieg gesungen! Geht gar nicht!), und dann auch noch "geklaut" bei dubiosem militärischem Liedgut (geklaut - ja, dürfen die das?).

Mann, hat da einer miese Laune. Muss wohl an letztem Freitag liegen. Oder an heute Abend. Welchen ich in einem ghanaischen Biergarten verbringen werde, auf deutschem Boden, versteht sich.

Es gibt eine kenntnisreiche Seite im Netz mit allem Wissenswerten rund um den Song, die Lyrics sowie den beteiligten Dialekten, einschließlich detaillierten Übersetzungsvorschlägen. Am umwerfendsten finde ich das Kapitel über die Herkunft des Songs aus dem kamerunischen Militär: Anscheinend diente das Lied parodistischen Zwecken, indem es gewisse militärische Protagonisten verarschte, weswegen es über viele afrikanische Ländergrenzen hinweg überaus popoulär war. Sehr, sehr lustig. Der sauertöpfische Zeitungskommentator hätte das mal lesen sollen, bevor ihn die Nörgelei übermannte.

Waka Waka heißt übrigens so viel wie Just do it. Man möchte ja wissen, was man da den ganzen Tag so singt.

Update 23:14 Uhr:
Unfassbar. Die verlieren und feiern Party wie die Wilden. Viel Reggae, gemäßigter Vuvuzelaeinsatz, Diski Dance im Hinterhof. Bombenstimmung. Und ich ohne Kamera.
In meinem Stadtteil feiern sie auch, aber eher nicht wie die Wilden. Da sitzen fast alle in ihren Autos und fahren mit gedrückter Hupe. Mächtig was aufs Ohr. Die nicht in ihren Autos sitzen, stehen auf ihren Balkonen und blasen Vuvuzela. Was fast ein bisschen schweizerisch-alphornmäßig aussieht und das geplagte Gehör noch mehr herausfordert. Sie feiern den Sieg der deutschen Mannschaft.
Was haben die Ghanaer eigentlich gefeiert? Keine Ahnung, Party halt.

Dienstag, 22. Juni 2010

Cool Vibes


Es gibt Begegnungen, die bleiben im Gedächtnis, obwohl sie nur ganz kurz waren. So, als ob eine leicht angezupfte Saite noch lange Zeit am Nachschwingen bleibt und einen feinen, angenehmen Ton hinterlässt, dem ich gerne hinterherlausche.

Klingt jetzt fast nach etwas Romantischem, war aber eine durch und durch prosaische Begegnung: Putzfrau trifft auf Heizungsgerätezählerableser, also einen Mitarbeiter jener Firma, die mit T anfängt und die alle kennen. Ich war gerade dabei, die Wohnung eines privaten Auftraggebers zu wischen, als es klingelte. Da stand der Ableser, mit dem großen Zählcomputer in der einen Hand, Stift und Klemmbrett in der anderen, und sah irgendwie intelligent aus. Ist schon merkwürdig, aber man sieht fremden Menschen auf den ersten Blick an, ob sie auf sympathische Weise intelligent sind oder strunzdoof.

Der Sympath betrat die Wohnung, stiefelte über die noch feuchten Böden und tat, was sein Job war. Während ich hinter ihm her stiefelte - der Boden war ruiniert -, fühlte ich mich durch irgendeine Bemerkung von ihm bemüßigt zu fragen, ob er das Zählerablesen hauptberuflich mache. Er lachte vergnügt, antwortete, er sei "von Beruf Beamter auf Lebenszeit" und fügte, als ich ungläubig die Augenbrauen hob, hinzu, das sei kein Witz. Er sei, erzählte er, vor langer Zeit einmal Fernmeldeingenieur gewesen bei einem Telekommunikationsunternehmen, also jener Firma, die ebenfalls mit T anfängt und die alle kennen.

Aha, dachte ich, und sofort ratterte in meinem Kopf das volle Programm durch: Der arme Kerl wurde von einer der zahlreichen Personaleinsparmaßnahmen erwischt, und jetzt geht er eben durch die Häuser und liest Zähler ab, nichts Menschliches ist mir fremd. "Nee", fuhr er freundlich fort, "nicht das, was Sie denken", obwohl ich gar nichts gesagt hatte. Vielmehr sei es so gewesen, dass er den Arbeitsvertrag damals aufgelöst habe: "Weil ich es immer unerträglicher fand, wie dort mit den Leuten umgegangen wurde, wie die Leute auf Linie getrimmt wurden, und am schlimmsten fand ich, dass die Leute es haben mit sich machen lassen. Widerspruchslos. Die fanden das sogar gut. Ich wollte so nicht werden."

Während er die abgelesenen Werte in seinen Computer tippte, sagte er beiläufig: "Irgendwann kam der Punkt, wo ich entschieden habe: lieber mit weniger Geld klar kommen, und dafür habe ich meine Ruhe." Ab da war er mir richtig sympathisch.

Außerdem, klärte er mich auf, arbeite er auch noch als Kfz-Mechaniker, und Fuhrparkleiter sei er auch schon gewesen. Er möge die Abwechslung und die Freiheit, - "na ja," ergänzte er, "die relative Freiheit", denn mit bescheideneren materiellen Ansprüchen ließe sich die Lebensführung viel freier gestalten, "das nimmt den Druck raus."

Der Kerl schaute klug und lustig aus seinem scharfgeschnittenen Gesicht heraus, betrachtete den Wischmop in meiner linken Hand und meinte dann anerkennend: "Das finde ich zum Beispiel super, was Sie da machen! Sie putzen Ihre eigene Wohnung, anstatt sich eine Putzfrau zu nehmen, das spart Geld und bringt einen auf den Boden der Tatsachen. Darf ich fragen, was Sie beruflich machen?" Oh Mann. Das sind Momente im Leben einer Putzfrau, die jede Seifenoper hinter sich lassen. Aber der Typ hatte recht: Putzen bringt einen auf den Boden der Tatsachen, weshalb ich, wenn ich mitten im Putzgroove bin, um eine bodenständige Antwort nie verlegen bin. Also hob ich den linken Arm mit dem Wischmop, wies mit dem rechten über den Boden und antwortete: "Das sehen Sie doch."

Jetzt war er es, der ungläubig die Augenbrauen hob. "Und wegen Ihnen", fuhr ich vorwurfsvoll fort, "muss ich jetzt die Böden nochmal wischen, ohne dass ich dafür mehr Geld kriege." Es ist immer wieder erstaunlich zu sehen, wie weit eine ganz normale Kinnlade der Schwerkraft zu folgen imstande ist. Der Typ war sprachlos, aber weil ich ihn immer noch sympathisch fand, fügte ich nett hinzu: "Im Gegensatz zu Ihnen bin ich Freiberuflerin auf Lebenszeit." Er verstand schnell. "Da sind Sie ja noch freier in der Gestaltung Ihres Lebens als ich!", sagte er mit dem breitesten Grinsen der Welt. Cooler Typ.

Als er ging, entschuldigte er sich noch für die fetten Bratzen, die seine Schuhe hinterlassen hatten. Kein Problem, sagte ich und meinte es genauso. Dann war er weg, und ich widmete mich den Tatsachen auf dem Boden.



Montag, 21. Juni 2010

Ghana will win


Der Afro-Ohrwurm hat mich fest in den Klauen. Auf dem Fahrrad, an den Mülltonnen, unter der Dunstabzughaube, am Glascontainer - Sa Me Na Mi Na San Ka Re Kwa, inzwischen hüpfen die Silben ohne zu stolpern, Wodka Wodka ey-hey, was soll man auch anderes singen beim Reindonnern der Leerflaschen. Singen ist überhaupt das Beste, was man tun kann, wenn keiner mit einem redet. Frau Übermop leidet noch spürbar am Serbien-Blues und ist ausgesprochen einsilbig. Also mache halt ich die Silben.

Halb neun Uhr, Auftritt ghanesische Küchenhilfe (sozusagen die Aushilfs-Küchenhilfe, weil die senegalische Küchenhilfe gerade in der Heimat weilt). Sie - Anfang 20, sonst meist schüchtern und zurückhaltend - trabt hocherhobenen Hauptes durchs Lokal in die Küche und ruft dabei mit fester Stimme: "Ghana will win!" Frau Übermop zuckt schmerzhaft zusammen, unterbricht das Tischewischen, richtet sich auf, stemmt die Fäuste in die Seiten und fragt mich im Befehlston: "WAS hat sie da gesagt?" Die Ghanesin bleibt siegessicher am Kücheneingang stehen, hebt den Arm mit der geballten Faust und senkt den ausgestreckten Daumen ein paar Mal nach unten: "Germany runter, verstehst du? Ghana will win!"

Frau Übermop hat schon vorher verstanden, aber jetzt versteht sie mehr als ihr lieb ist. Erst schnappt sie nach Luft. Dann haut sie die Knöchel der rechten Faust rhythmisch auf den Holztisch und skandiert empört: "Nie. Im. Leben. Aber nie im Leben!" Die junge Afrikanerin schaut ihr in die Augen, schüttelt stoisch den Kopf und sagt mit großem Ernst, fast ein wenig mitleidig: "You will see."
Es ging rund.

Ja, der Fußball hinterlässt seine Spuren an der multikulturellen Basis. Auffallend war, dass sich heute kein einziger italienischer Lieferant blicken ließ. Stattdessen ein marokkanischer, der abschätzig meinte, die (Italiener) hätten bei einer WM schon lange nichts mehr verloren und sollten lieber für gescheites Olivenöl sorgen, davon verstünden sie wenigstens etwas; vielleicht eine kleine marokkanische Eifersüchtelei. Frau Übermop verwickelte ihn in eine erregte Debatte über das Spiel Amerika gegen ... (hab' ich vergessen). Sie stritten heftig darüber, ob bei einem ominösen Tor ein Abseits im Spiel gewesen sei oder nicht: Übermop pro Abseits, Lieferant contra Abseits. Ich verstand Banane. Frau Übermop überzeugte durch Argumentationskraft, der Marokkaner gab sich geschlagen und meinte anerkennend, sie habe ja "echt voll die Kompetenz, dafür, dass sie eine Frau ist".

An der Stelle bog die Küchenhilfe mit einer Kiste frischer Pilze um die Ecke. "Die versteht was von Fußball", sagte der Marokkaner zu ihr und deutete auf Frau Übermop. Die Ghanesin blieb stehen, lachte lauthals, entgegnete selbstbewusst "nein, sie versteht nichts von Fußball", dann setzte sie die Kiste energisch ab und radebrechte ungerührt, dass jemand, der nicht erkennen könne, dass Ghana der Sieg schon jetzt gehöre, von Fußball nicht die geringste Ahnung habe. Sie bekam wieder dieses ernste Gesicht, als sie hinzufügte: "Wednesday I will pray for Germany!", in einer unnachahmlichen Mischung aus gefühlsbetont und herzlos.

Während ich die Küchenfenster putzte, quetschte sie mit großer Inbrunst Knoblauch, hackte wie besessen Petersilie sowie Pilze und ließ dabei ihrer nationalfußballerischen Überzeugung freien Lauf. Damit das klar ist: Was die junge Frau da zermalmte, waren weder Petersilie noch Knoblauch noch Pilze, sondern in Wirklichkeit die deutsche Nationalmannschaft. Sie war in unerschütterlicher Hochstimmung.

Um das leicht Voodoomäßige der Szene etwas abzudämpfen, versuchte ich es mit ein bisschen Wodka Wodka, ey-hey, - es funktionierte. Sie erkannte den Song, allerdings nicht als südafrikanischen Fußball-Gassenhauer, sondern als ein Stück Liedgut aus dem ghanesischen Militär, was mir zu dem Zeitpunkt dann auch wurscht war oder mir zumindest, wenn schon nicht das ghanesische Militär, so doch die ghanesischen Fußballer nicht unsympathisch gemacht hat, was wiederum, wenn mich nicht alles täuscht, dazu geführt hat, dass ich bei Frau Übermop Sympathiepunkte eingebüßt habe.


Sonntag, 20. Juni 2010

Kick It Like Southafrica


Ich liebe Fußball. Neuerdings. Das glaubt jetzt keiner, weil mein Blog bisher weder durch besondere Expertise noch durch Suchtsyndrome aufgefallen ist, aber es stimmt: Neuerdings liebe ich Fußball, und - es kommt noch besser - ich kann Fußball. Glaubt erst recht keiner. Ist
aber so.

Seit heute nachmittag beherrsche ich die fünf Basic Moves:

1. Juggle Juggle - Ball vom linken zum rechten Fuß passen,
2. Header - Kopfbälle,
3. Table Mountain - Ball auf flachem Rücken balancieren, dabei rückwärts gehen,
4. Trepa - Ball vom Nacken übern Kopf zurück auf den Fuß wuppen,
5. Bridge - Ball mit linkem Fuß über rechten Fuß passen und umgekehrt,

und zum Schluss, logisch, Schuss ins Tor. Und dann von vorne. Oh, wie ich es liebe! Kann gar nicht mehr aufhören. Also doch süchtig. Und was die Expertise angeht - hallo! - meinen Table Mountain macht mir so schnell keiner nach.
You get down get up, oh-hoh
And you get down get up, eh-hey
Down and up
Me Na San Ka Re Kwa
It's time for Africa

Sa Me Na Me Na, eh-hey
Wodka Wodka, ey-hey
Sa Me Na Mi Na San Ka Re Kwa
It's time for Africa
(Das mit dem Wodka kann auch ein Hörfehler meinerseits ein.)


Okee okee, ich kann vielleicht keinen Fußball spielen, aber Fußball tanzen, das kann ich seit heute nachmittag. Selbstverständlich mit einem imaginären Ball, das ist ja gerade die Kunst dabei. Diski Dance heißt der südafrikanische WM-Tanz. Diski ist ein Slangwort aus den Townships für Fußball. Die Moves und Grooves machen extremst gute Laune, Wodka Wodka ey-hey, bei mir sitzt längst der Ohrwurm. Anschauen, aufstehen, abfahren. Wenn nicht, selbst schuld.

Losgetreten wurde das großartige Video vom - jetzt den Ball festhalten! - Handelsblatt. Doch, von dem Handelsblatt. Finde ich ebenfalls großartig. Ich möchte fast sagen: Handelsblatt kickt. Wodka Wodka ey-hey, it's time for Africa!

Samstag, 19. Juni 2010

Zum Gähnen


Vor einer Stunde bin ich aufgestanden, habe gut und ausreichend geschlafen, eben einen phantastisch starken Kaffee in der frischen Morgenluft getrunken, fühlte mich frisch und bereit, den jungen Tag bei den Hörnern zu packen - und dann das: Seit ein paar Minuten gähne ich ununterbrochen. Ich kann gar nicht mehr aufhören zu gähnen. Unentwegt und völlig autonom, das heißt unkontrollierbar, klappt mein Kiefer nach unten. Kaum ist er wieder in Normalstellung, überkommt mich unbezwingbar der nächste Gähnanfall, es hört gar nicht mehr auf. Bei jeder Gähnattacke reiße ich den Mund noch ein Stück weiter auf, was heißt ich, es reißt meinen Mund ohne mein Zutun auf, ich kann gar nichts dagegen machen, und dann steht er sekundenlang - mindestens zehn Sekunden - weit offen wie ein Garagentor und es gähnt gewaltig heraus, in voll stöhnender Lautstärke, wogegen ich ebenfalls völlig machtlos bin.

Was ist passiert? Eigentlich überhaupt nichts. Nur dass ich, wie jeden Morgen, Zeitung gelesen habe. Gut, es kommt öfters vor, dass sich dabei gähnende Langeweile breit macht, aber derart vegetativ, wie ich heute reagiere, das ist mir neu. Es war auch nur ein einziger Artikel, den ich mir zu Gemüte geführt hatte, danach konnte ich vor lauter Gähnen nicht mehr weiterlesen. Es muss also an dem Artikel gelegen haben.

Worum ging es? Um die erste "Internationale Konferenz zum Gähnen", welche nächsten Donnerstag in Paris stattfinden wird, interdisziplinär besetzt mit Psychologen, Hirnforschern, Zoologen und Medizinern. Wie es heißt, sei das Phänomen des Gähnens bei Mensch und Tier bis heute wissenschaftlich ungeklärt: "Alle gähnen, aber keiner weiß, warum." Wobei unterschieden wird zwischen dem sozialen und dem physiologischen Gähnen; letzteres harrt noch der systematischen Untersuchung, wohingegen das soziale Gähnen als geklärt gelten darf. Weil Gähnen nun mal ansteckend sei, "es genügt, das typische Geräusch zu hören", und schon reißt alle Welt den Rachen auf und macht es dem Erstgähner nach. Wussten wir zwar schon vor der Gähnkonferenz, finden es aber dennoch wissenswert, dass sogar Haustiere sich gegen das soziale Gähnen nicht wehren können: Der Hund sei zwar immun gegen das Gähnen seiner Artgenossen. Gähnt jedoch sein Besitzer, lässt er (der Hund) sich in 70 Prozent aller Fälle anstecken. Phänomenal. Weiter heißt es:
Selbst das wiederholte Lesen des Wortes, ja sogar der Gedanke ans Gähnen macht uns anfällig: Jeder zweite Leser dieses Artikels wird in den kommenden Minuten gähnen - garantiert.
Was zu beweisen war. Schon überkommt mich die nächste Gähnattacke, was wiederum beweist, dass einen nicht nur das Lesen, sondern auch das Schreiben übers Gähnen gähnanfällig macht. Aber: warum nur jeder zweite Leser? Warum nicht jeder? Warum gehöre ich zur ersten Spezies? Auch dafür werden Hypothesen angeboten:
Einfühlsame Menschen sind besonders anfällig. ... Empathie macht uns zu sozialen Mitgähnern.
Was man, so der Artikel, von Autisten und Schizophrenen nicht sagen könne; denen sei ein gähnendes soziales Umfeld völlig schnurz und piepe. Offenbar gehöre ich zur Gattung der besonders sensiblen Menschen, denn es muss wohl an meinem ausgeprägten sozialen Einfühlungsvermögen liegen, dass ich seit einer halben Stunde gähne wie ein Weltmeister, obwohl weit und breit keine Menschenseele um mich herum ist.

Wer kocht mir noch einen Kaffee? Keiner. Wie unsensibel. Alles muss man selber machen. Gääähn.

Freitag, 18. Juni 2010

Am halben Gesäß vorbei



Muss man sich mal vorstellen: Da läuft am hellichten Tag die Polizei den Bürgersteig entlang, bewaffnet mit schweren Schneidbrennern, säbelt ein Fahrradschloss nach dem anderen auf, schmeißt die so erbeuteten Fahrräder auf einen riesigen LKW - und weg. Konfisziert nennt man das wohl. Ich würde es gewaltsamen Diebstahl nennen. Und auf der Stelle einen Herzkasper bekommen. Ich würde so ausrasten, dass man mich als hochexplosives Sicherheitsrisiko einstufen und genauso konfiszieren würde wie zuvor mein Fahrrad.

Fahrräder, muss man wissen, sind nämlich ihrerseits hochexplosive Sicherheitsrisiken (Rohrbomben unterm Sattel!), weswegen sie (die Fahrräder) komplett, gewaltsam und von Amts wegen entsorgt werden müssen, wenn ein Präsident die Stadt besuchen kommt. Selbstverständlich nur entlang jener Straßenzüge, auf welchen der Präsident samt Eskorte seine Runde zu drehen beliebt. Was nicht wenige sind, wenn der amerikanische Präsident Obama die Stadt New York City besucht und durch Manhattan zu tingeln beabsichtigt. Muss man sich mal vorstellen.


Warum allerdings die geknackten Fahrräder so locker auf die Ladefläche des LKW gerammt wurden, übersteigt meine Vorstellungskraft, wo doch die Bikes als potentielle Bombenträger galten, oder wie jetzt? Überhaupt, wenn ich Terrorist wäre, würde ich künftig meine Sprengkörper nur noch in Fahrradschlössern verstecken - wo denn sonst. Bitte, das war jetzt im Konjunktiv, ich bin kein Terrorist.

Muss man sich echt vorstellen, kann man sich aber gar nicht vorstellen, weil, jetzt mal übertragen auf deutsche Verhältnisse: Welcher Präsident soll hier um Himmels willen durch die Gegend tingeln? Gibt es überhaupt einen? Ein Wulff - nur mal so als Beispiel -, stehend im offenen Verdeck, den Massen zuwinkend, von den Massen bejubelt - kann sich wirklich keiner vorstellen. Höchstens als Witz. Leute, stellt Eure Fahrräder rein, der Wulff kommt. Gut, es gibt witzigere Witze.

Extrem witzig finde ich dagegen die Wortschöpfung halbärschig (half-assed). Der Gothamist verwendet sie, um die windige Stellungnahme der New Yorker Polizei zu charakterisieren. Finde ich um Längen witziger als etwa jemandem zu attestieren, er habe keinen Arsch in der Hose. Halbärschig. Ich habe es sofort in meinen aktiven Wortschatz übernommen. Was für ein Traumwort.

Donnerstag, 17. Juni 2010

Wenn, dann richtig


Eins der größten kosmischen Geheimnisse, auf deren Lüftung die Welt noch wartet, lautet: Warum geht immer gleich alles auf einmal kaputt? Wieso zieht jede Katastrophe nahezu magnetisch neue Katastrophen an? Weshalb wartet das nächste Problem nicht so lange, bis für das alte Problem wenigstens halbwegs eine Lösung in Sicht ist? Ist man nicht mit einem einzelnen Desaster schon gestraft genug?

Nein. Wo Unheil ist, soll noch mehr Unheil werden. Frühmorgens macht das Fahrrad die Vollgrätsche. Mittags meldet die Kamera einen Wasserschaden. Nachmittags ergibt die Internetrecherche: keine Chance für die Kamera, da entweder irreparabel oder viel zu teuer, kaufenseliebergleichneneue. Daraufhin fängt die Internetverbindung zu stottern an. Abends schließlich hat sich das Netzwerk komplett verabschiedet und gibt nichts als kryptische Fehlermeldungen von sich. Der Tag ist gelaufen, der Abend im Eimer.

Desaster im Dreierpack also. Wieso meine Waschmaschine noch funktioniert, ist mir ein Rätsel; auch für die elektrische Zahnbürste wäre im Hier und Jetzt der beste Zeitpunkt, den Geist aufzugeben. Immerhin hat der Radiowecker heute früh schon mal Katastrophentourist gespielt, indem er einfach nichts gespielt hat. Keinen Ton, keinen Laut. Weiß der Kuckuck warum. Unheil zieht Unheil an.

Fahrrad, Kamera, Internet: Hätte gestern eine gute Fee ihren Zauberstab geschwungen und mich gefragt, welche der drei Lebensfunktionen mir die wichtigste sei, wenn ich im Gegenzug auf die beiden anderen - wenn auch unter Leidensdruck - verzichten müsste, ich hätte sofort und ohne zu zögern um einen funktionierenden Internetzugang gebeten. Gar keine Frage.

Wie man sich täuschen kann. Es begab sich nämlich, dass das Fahrrad als erstes wieder voll funktionstüchtig war. Voll funktionstüchtig heißt: quasi runderneuert, ein Wahnsinnsteil von ergonomischem Sattel, endlich automatische Ventile, kein Quietschen, kein Scheppern mehr und mit satten fünf Bar hinten und vorne. Sich nach zwei Tagen kaltem Entzug auf so ein Fahrrad mit so einem Sattel zu setzen, die fünf Bar druckvoll unter sich zu spüren, um dann so geräuschlos wie anstrengungsfrei durch den Regen davonzupflügen - das ist Glück. Ich saß auf dem Rad, strotzte vor Glück und liebte das Leben. Das Internet juckte mich nicht im geringsten.

Inzwischen ist der Internetzugang dem Beispiel des Fahrrades gefolgt und funktioniert ebenfalls wieder. Möglicherweise zieht ja jede Problemlösung wie magnetisch neue Problemlösungen an. Ach, schön wär's. Wenn dem so wäre, würde jetzt unter diesem Post ein Wahnsinnsfoto von meinem neuen Wahnsinnssattel stehen. Aber man kann nicht alles haben, sprach die Fee und zauberte ein Wahnsinnsrad ohne Sattel aus dem Archiv.


Totalschaden


Fahrrad kaputt.
Kamera kaputt.
Internet kaputt.
War noch was? Ach ja, die Nerven. Völlig runter.
Und: Es ist NICHT möglich, von einem iPhone ins eigene Blog zu posten. Jedenfalls nicht vom iPhone des Feinkostlieferanten.
Meine Nerven.

Montag, 14. Juni 2010

Und Schuss und Tor


Public Viewing allerorten. Auch an meinem Arbeitsplatz. Natürlich erst abends, wenn die Gäste da sind; außerdem, frühmorgens kickt ja kein Mensch. Weil nach dem Spiel bekanntlich vor dem Spiel ist, läuft parallel zum öffentlichen Schauen die "Wahl des attraktivsten Fußballspielers". Wohlgemerkt, gesucht wird nicht der beste, sondern der attraktivste Fußballspieler. Es liegen Stimmzettel aus, auf denen mögliche Kriterien stehen, welche Qualitäten aus einem gemeinen Kicker einen attraktiven Kicker machen; eines davon lautet "mit Beinen wie von Bildhauern geformt".


Da Frau Übermop - im Gegensatz zu mir - sich jedes WM-Spiel anschaut, kennt sie sich bestens aus mit Bauch, Beinen und Po jedes WM-Spielers. Ich fragte sie, ob sie schon jemals einen Fußballer mit Beinen wie von einem Bildhauer geformt gesehen habe. Sie wiegte den Kopf und entgegnete: "Fußballer müssen krumme Beine haben." Fand ich eine waghalsige These - wieso das denn? Die Antwort fiel erwartungsgemäß übermoppig aus: "Sonst wären es keine Fußballer." Ja, aber das mit dem Bildhauer? Darauf meinte sie, ein guter Bildhauer könne "auch aus O-Beinen noch was rausholen", eine Behauptung, die mich ansatzweise frivol anmutete, aber bestimmt hat sie es nicht so gemeint. "Außerdem", fuhr sie fort, "werden ja nicht die geradesten Fußballerbeine gesucht, sondern die schönsten."

Während ich der Ästhetik von O-Beinen hinterhergrübelte und einwarf, dann würden ja in Wirklichkeit die krummsten (krümmsten?) Fußballerbeine gesucht werden, setzte Frau Übermop unverdrossen noch einen drauf: "...weil, wenn nach den geradesten Fußballerbeinen gesucht würde, würden ja alle Leute den Torwart wählen." Das ging mir zu schnell, von der Logik. Mein Blick wurde langsam.

"Man merkt, dass du keine Ahnung hast", seufzte Frau Übermop mitleidig, "ein Torwart darf keine O-Beine haben, sonst würde ja der Ball durchfliegen."

Und tröt.

Sonntag, 13. Juni 2010

Tröt


Das Internet wie leergefegt. Nichts Neues, nirgends, egal wo man herumlungert. Ich wollte schon aufgeben und mich der Offline-Kontemplation hingeben, da stieß ich auf jemanden, der ebenfalls herumlungerte:
Kommentar (jetzt mit Vuvuzela):
ööööööööööööö Olé olé olémine! öööööööööööö Kaum haben die Spiele begonnen, öööööööööö endet die Wirklichkeit: ööööööööööö Öllecks hören auf zu sprudeln, ööööööööööööö Nahostkonflikte werden beigelegt, ööööööööööööööö Topmodels bleiben ungecastet, ööööööööööööö Sparpaketkritiker verstummen öööööööööööööööö und die Hungernden vergessen, ööööööööööööööö dass zu Spielen auch immer Brot gehört. öööööööööööööööö Scha-La-La-Lachhaft, öööööööööööö bei diesem Lärm zu kommentieren... öööööööööööööööööö Aber Vorsicht: ööööööööööööööööö Der Affe schält die Banane nur solange, bis die Schale weg ist und er das leckerleicht gebogene Innere laut schmatzend verputzen kann - anschließend vernascht er sein Weibchen von hinten. öööööööööööööööööööööööööööööööööööö
Herrlich. Danke, Postillion. Gerade hat Klose das zweite Tor geköpft. Tröt.

Samstag, 12. Juni 2010

Eins nach dem andern


Der Schweizer Blogger Thinkabout hat ein paar interessante, mir vertraute Gedanken über Entfremdung niedergeschrieben. Daraufhin wurde er von rebell.tv zu einem Gespräch eingeladen. Herausgekommen ist das (Selbst)Porträt eines Herzblutbloggers ("Mein Schreiben, mein Atmen"), das mich beim Zuhören fest und mucksmäuschenstill aufs Sofa genagelt hat, von der ersten bis zur letzten Minute. Gut, die ersten Minuten kommen arg sämig daher, aber das geht vorbei. Dranbleiben lohnt sich.

Thinkabout sagt so Sachen wie: "Wenn ich schreibe, schreibe ich. Das Denken kommt erst nach dem Schreiben", ein Gedanke, der mich sehr zum Nachdenken gebracht und vom Schreiben abgehalten hat. Fast kommt es mir vor, als handle es sich beim Bloggen um die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Schreiben.

Freitag, 11. Juni 2010

Easy Rider


Ich liebe die Fußball-WM. Jetzt schon. Die Straßen sind wie leergefegt. Freitagnachmittag ohne Rush hour. Fast die einzigen Autos, die noch zu sehen waren, standen auf den Parkplätzen der Supermärkte mit sich grätschenden Hinterrädern unter aufgeklappten Kofferräumen, proppenvoll wie kurz vorm Krieg. Es verspricht ein tolles Wochenende zu werden.

I want to ride my bicycle,
I want to ride my bike.
I want to ride my bicycle,
I want to ride it where I like.

Freie Fahrt.

Donnerstag, 10. Juni 2010

Paperbag Writer


Man kann ja nie genug Taschen haben.

So abgefahren.

Wenn das Plagiat das Original an Originalität übertrifft, ist es dann noch ein Plagiat? Oder viel mehr ein längst überfälliges Statement - etwa: Recession chic strikes back.

Denn wenn die Edeltaschendesigner in diesem Frühjahr schon tief ins Müllbeutelsegment greifen mussten, weil ihnen sonst die Ideen ausgegangen wären, dann lässt sich dieser Spieß ebenso gut umdrehen. Kinderleicht, kostenlos, cool. Wo Intelligenz und Improvisationskunst sich paaren, bin ich immer ganz aus dem Häuschen.

Mittwoch, 9. Juni 2010

Im Bus


Da haben wir den Salat. Den Wortsalat. Das Schöne am Mittwoch ist, dass er sich verlässlich als Jour fixe des Wortverdrehens etabliert hat. Wo man sonst schon sich kaum mehr auf irgendetwas verlassen kann. Immer mittwochs fallen sie, die Späne, wenn an der Sprache herumgehobelt wird. Immer mittwochs gerät die Welt ein klein wenig aus den Fugen und fühlt sich hinterher sehr in Ordnung an. Ich fange an, mich auf die Mittwoche zu freuen.

"Für den Sicherungskasten brauchst du einen Imbiss-Schlüssel", klärte mich Frau Übermop auf. Äh, ja. Einen Imbiss-Schlüssel. Ich bekam auf der Stelle Hunger und ging erst mal zum Lachen in den Keller. Nachdem ich den Witz zu Ende gekaut hatte, kam ich wieder hoch und fragte, wo denn der Schlüssel sei? Welcher Schlüssel, fragte Frau Übermop, leicht vergesslich, und ich antwortete, bewusst vage: "Na, der Schlüssel eben, du weißt schon", weil ich beim besten Willen nicht wusste, wie ich den verdammten Schlüssel in dieser Situation am diplomatischsten spezifizieren sollte - Imbiss oder Imbus, also ließ ich das Präfix lieber gleich weg. (Ja, ich weiß, es heißt Inbus, aber alle Leute sagen Imbus, außer Frau Übermop; die tun das wegen der Koartikulation.)

"Woher soll ich wissen, welchen Schlüssel du meinst? Hier gibt es -zig Schlüssel", quälte mich die Übermop weiter, und ich schnaufte und konnte mich nicht zwischen Imbiss und Imbus entscheiden und sagte: "Na, den für den Sicherungskasten", worauf sie mich prüfend-streng anschaute und fragte: "Weißt du etwa nicht, was ein Imbus ist?" In solchen Momenten denkt man unwillkürlich, man sitzt im Bus bei dreißig Grad.

Doch, gab ich zurück, ich wisse gut, was ein Imbus ist, und noch besser wisse ich, was ein Imbiss ist, weil ich nämlich tierischen Hunger habe. Es gab dann eine sagenhaft gute Pizza. Womit ich sagen will, dass ich seit heute den Imbiss-Schlüssel in Händen halte. Sozusagen.

Dienstag, 8. Juni 2010

Bürgerwille


Wie der SWR berichtet, soll es demnächst in Mettenheim im Landkreis Alzey-Worms womöglich einen Lena-Meyer-Landrut-Ring geben. Bitte, wo, sagten Sie, wohnen Sie? In Mettenheim im Landkreis Alzey-Worms am Lena-Meyer-Landrut-Ring. Sag' das mal einer, ohne einen Knoten in die Zunge zu kriegen. Jedenfalls soll Lena jetzt in den Ring um das Mettenheimer Neubaugebiet steigen - so will es ein Bürgerbegehren.

Ich persönlich würde mich schön bedanken, so einen verstolperten Zungenbrecher als Adresse verpasst zu bekommen; hätte ich, falls mich jemand nach meiner Anschrift fragte, den Straßennamen mit Mühe herausgewürgt, würde ich jedes Mal einen jener mild-verständnislosen Blicke ernten, denen unschwer abzulesen ist: Hat die noch alle sieben Zwetschgen beisammen?

Während das Mettenheimer Bürgerbegehren seinen Gang durch die Ämter geht, hat andernorts ein Bürger zur spontanen Selbsthilfe gegriffen, um sein Begehren so zeitnah wie unbürokratisch realisiert zu sehen:

Ein offner Wald am Straßensaume
Ist dein Gedicht, du mußts ertragen,
Reibt sich an seinem schönsten Baume
Ein Schwein mit grunzendem Behagen.
Nikolaus Lenau

Montag, 7. Juni 2010

Gröspaz


Deutschland wieder mal an der Schwelle zum Rekord: Das Größte Sparpaket aller Zeiten (Gröspaz) wurde geschnürt. Ging schon mal in die Hose, aber es will sich keiner erinnern. Ist ja auch schon so lange her.




Von tiefen Einschnitten im sozialen Bereich war die Rede. Allem Anfang wohnt ein Grauen inne.

Sonntag, 6. Juni 2010

Mit fremden Federn putzen


Wer umzieht, hat mehr vom Leben. Der bekommt sogar Gratis-Putztipps vom Nachsendeservice der Deutschen Post. Vorausgesetzt, er hat vorher 15,20 Euro hingelegt für den Nachsendeservice; dann erhält er zwei Wochen später einen dicken großen Umschlag von der Post, in welchem sich allerlei Reklame, Rabattcoupons und sonstiger Trullala befinden, darunter besagte Putztipps.
Großes Putz-Workout
heißt es vielversprechend auf dem Cover der beigelegten Zeitschrift Neues Zuhause (Leserzielgruppe: frisch Umgezogene), herausgegeben von der Deutschen Post AG.

Putz-Workout - klingt modern, klingt sportlich, wird gelesen. Auf Seite 58 lese ich die Überschrift
Energie und Haushalt
39 Tipps - statt Mutti zu fragen
und komme ins Stutzen, denn WER hat nicht schon einmal, wenn er in Nöten war, statt Mutti zu fragen bei frag-mutti gefragt? Aus meiner Erfahrung ist frag-mutti.de eine der hilfreichsten Anlaufstellen, wenn schneller haushaltstechnischer Rat gebraucht wird, vorzugsweise pragmatischer Natur. Jetzt also auch in Print, dachte ich zunächst beim Lesen, frag-mutti geht offline, wie lustig, warum auch nicht. Es findet sich jedoch nirgendwo im Heft ein Link oder Hinweis auf das 'Original' frag-mutti. Also doch nicht frag-mutti. Klingt halt nur so. Zufall, oder was.

Die 39 Tipps, die sich die Deutsche Post AG aus den (eigenen) Fingern gesogen haben will, sind fast durchweg alltagstauglich; fast, denn auf einen Geheimtipp (Nr. 30, "Krümeln vorbeugen") wie
Je mehr Sie vermeiden, Dreck zu machen, desto weniger müssen Sie putzen,
hat die Welt vermutlich nicht gewartet, sondern sich längst eine Serviette in den Hemdkragen gesteckt. Aber die meisten anderen Tipps sind teils einfach nur gut, teils brilliant in ihrer schlichten Bodenständigkeit: zum Beispiel einen Joghurtbecher voll Essig um den Wasserhahn binden, um die verkalkte Düse ohne großes Geschraube zu reinigen. Steht aber auch genauso bei frag-mutti. Stand, muss man betonen, denn der geniale Tipp stand bei frag-mutti schon, als es Neues Zuhause (Onlineausgabe hier) noch gar nicht gab. Um genau zu sein, ist der Originaltipp noch eine Schippe genialer, denn bei frag-mutti wird empfohlen, den Essig in einem Luftballon um den Wasserhahn zu binden.

Könnte einem bis hierher alles wurschtegal sein, war es mir auch, bis ich einen nach dem anderen der 39 Tipps der Deutschen Post AG bei frag-mutti gegen'recherchierte' und fast alle dort wiederfand. Ok, ok, den Tipp Nr. 8 "Tropfender Wasserhahn" fand ich bei frag-vati wieder; bleibt aber quasi in der Familie. Das große gelbe Unternehmen hat also erst bei frag-mutti gefragt und rät dann seinen Lesern, lieber nicht Mutti zu fragen, sondern die besten Tipps gleich bei der Deutschen Post (Impressum: "Neues Zuhause - eine Idee von Deutsche Post AG") abzurufen und nicht etwa bei der Originalquelle. Liebe Deutsche Post AG, ich finde das keine gute Idee, weil Ideenklau zwar modern ist, aber extrem unsportlich und ziemlich doof. Weil fremde Federn nun mal doof sind.

Samstag, 5. Juni 2010

Nichts bleibt, wie es war


Aus leicht...

...wird schwer.

Interessanterweise ist der Schornstein weg.
Fiel mir nur so auf.
Merkwürdig.

Freitag, 4. Juni 2010

For Girls Only


Ich glaube, es hackt.
For Girls Only. Ich hätte nie gedacht, dass es für so einen Schwachsinn einen Markt gibt, aber man lernt nie aus. Wo bleibt bitte die neue Barbie mit einem Kleiderschrank voller pinkfarbener Kittelschürzen? Irgendjemand muss ja die Karre durch den Dreck ziehen.

Donnerstag, 3. Juni 2010

Trauerfeiertag


Immer wenn Feiertag ist, feiern die Leute am Abend vorher. Ist ja klar. Deshalb heißt der Feiertag auch Feiertag. Weil es sich in den Feiertag so gut reinfeiern lässt. Lust auf Feiern haben die Leute eigentlich immer; nur die Gründe, warum sie feiern, unterscheiden sich. Eigentlich sind es immer fröhliche Gründe; nur selten wird aus einem traurigen Grund gefeiert. Aber auch das gibt es.

Zum Beispiel gestern abend, denn da haben sich - wenn die morgendlichen Spuren nicht trügen - viele Leute öffentlich getroffen zu einer gemeinsamen Trauerfeier.

Zu Grabe getragen wurde ein Stadtteil, welcher im Begriff ist, zu Tode saniert zu werden.


Ich finde, es hat etwas Tröstliches, wenn eine traurige Entwicklung öffentlich 'gefeiert' wird. Es wird der traurigen Würde eines alten, gewachsenen Stadtviertels gerecht.

Mittwoch, 2. Juni 2010

Dumme Frage


Ja. Doch. Du. Wer denn sonst.

Dienstag, 1. Juni 2010

Rückenschwäche


Es kam, wie es kommen musste. "Und, was sagst du zum Rücktritt vom Köhler?" Statt meine Antwort abzuwarten, sprach Frau Übermop einfach weiter, so dass wir beide gleichzeitig ihre Frage beantworteten und natürlich kein Wort verstanden von dem, was die andere sagte, außer einem einzigen Wort, welches in beiden Antworten enthalten war. Das Wort hieß Rückgrat. Wir starrten uns entgeistert an und fragten uns, wieder gleichzeitig: "Wie, Rückgrat?"

Wie sich herausstellte, hätten unsere Vorstellungen von Rückgrat unterschiedlicher nicht sein können. Sie fand, dieser Rücktritt zeuge von Rückgrat und nicht etwa von dessen Fehlen und verdiene darum Respekt; ich war in allen drei Punkten gegensätzlicher Ansicht. Wir gerieten uns ordentlich in die Putzwolle. Damit nichts eskalierte, griff ich zum Flaschenboy, schob ab und pfefferte mit hohem Klirrfaktor geschätzte 57 leere Flaschen in den Container, jede einzelne dem Rückgetretenen hinterher. Bei meiner Rückkehr meinte ich versöhnlich, ob wir uns nicht auf Raab for President einigen könnten, was die beiden anwesenden Getränkelieferanten wesentlich lustiger fanden als Frau Übermop.


PS: War sonst noch was? Nein. Doch. Wer mir auch nur einen, nur einen einzigen Gastronomen nennen kann, der zur Zeit nicht gefährlich übersäuert durch die Gegend läuft, dem spendiere ich eine Palette Zitronen. Ja, ja, ich weiß, das schlechte Wetter. Sagen alle. Sogar die ohne Biergarten.