Allmählich bahnen sich Lösungen an.
Saubere, endgültige Lösungen mit einem für alle klar verständlichen, eindeutigen Schlusstrich: Lösungen, die radikal Schluss machen mit den lästigen Problemen von
Armut,
Alter, Arbeitslosigkeit, Wohnungslosigkeit. Endlösungen eben.
Die magische Formel heißt: Macht sie alle zu Kriminellen!
Wie das gehen soll? Ganz einfach: durch neue Gesetze. Radikale Lösungen erfordern nun mal radikale Gesetzesentwürfe, und sind die erst mal in Papier gegossen, lösen sich die lästigen Probleme wie von selbst.
Der neueste Hit zur großflächigen Verbrechensbekämpfung - hier: Verfolgung antisozialer Kleinkrimineller - nennt sich
Anti-Social Behaviour, Crime and Policing Bill, kommt aus Großbritannien und reißt die strafrechtliche Deutungshoheit an sich über alles, was im öffentlichen Raum so kreucht, fleucht, flucht, krakeelt und herumlungert. Vorzugsweise im Visier: auf der Straße abhängende, meist arbeitslose Jugendliche. Ganz besonders auf dem Kieker:
auf der Straße lebende, da obdachlose Menschen.
Dass es sich dabei um nichts als antisoziales Pack handelt, war eh schon die ganze Zeit klar, aber nun kann endlich juristisch reiner Tisch und die sozial auffällige Zielgruppe unschädlich gemacht werden, denn von nun an gilt per Strafgesetz die Gleichung: antisozial = kriminell. Verhaften, abführen, einbuchten, fertig. Problem gelöst. Hauptsache weg. Am besten mithilfe nächtlicher Polizeistreifen sowie geeigneter Einsatzfahrzeuge - ich stelle mir PS-starke, schußsichere Kombis vor mit großen, geräumigen fensterlosen Anhängern, so ähnlich wie die Dinger, die man von Vieh-Massentransporten kennt. Na gut, nicht bloß von Vieh-Massentransporten.
Ein großes Fassungsvermögen müssen diese Transportanhänger schon deshalb haben, weil ja die Kriminalitätsrate stetig steigt, weil ja immer mehr Menschen auf der Straße leben, weil ja immer mehr obdachlos werden, weil ja immer mehr sich die Wohnungsmieten nicht mehr leisten können, weil ja immer mehr - infolge
bedroom tax und gekürzten Sozialbudgets - immer weniger Geld verfügbar und außerdem immer weniger einen Job haben. Logisch, oder? Also her mit den Viehkarren.
Wer das unlogisch findet, hat sich mit der Logik der britischen Regierung noch nicht hinlänglich vertraut gemacht. Deren Logik geht so: Im ersten Schritt
schaffen wir Obdachlosigkeit, im zweiten
kriminalisieren wir sie. Oder, etwas langsamer zum Mitschreiben: Im ersten Schritt besteuern wir eure Wohnungen, vertreiben euch - zweitens - so aus euren Wohnungen, zwingen euch - drittens - auf die Straße, stellen ferner - viertens - sicher, dass es keine Jobs gibt, ziehen - fünftens - ein neues Gesetz aus der Tasche, mithilfe dessen wir Obdachlosigkeit als antisozial und - siebtens - infolgedessen als illegal definieren.
Ach so, fast vergessen: Wir erklären - achtens - , das neue Endlösungsgesetz diene ausschließlich dem Schutz und der Sicherheit der Bevölkerung - also, der restlichen, noch verbliebenen, naturgemäß immer kleiner werdenden Bevölkerung, die sich aus lauter Angst vor Kriminalisierung schon nicht mehr auf die öffentlichen Plätze traut - und haben schließlich das, was uns schon immer vorschwebte: einen sauberen, sicheren, menschenleeren öffentlichen Raum. Können wir jetzt bitte endlich die erforderlichen Einsatzfahrzeuge für den Massenabtransport bestellen? Wo? Na dort, wo wir kürzlich - Stichwort: sauberer, menschenleerer öffentlicher Raum - auch diese hypermodernen
Wasserwerfer bestellt und geliefert bekommen haben. Weil, dort haben sie das
Knowhow, ehrlich, die wissen aus Erfahrung, wie's geht.
Wobei, muss man sagen, (im Vergleich mit den britischen) die amerikanischen Behörden mit der Kriminalisierung ihrer Obdachlosen wesentlich geschmeidiger verfahren, oder sagen wir mal: pragmatischer.
The culture of the Wild West, you know. Die brauchen nicht groß irgendwelche neuen Gesetze und darum auch keine Viehkarren. Die
verfrachten kurzerhand die obdachlosen Menschen von Detroit in ihre Streifenfahrzeuge, fahren sie bis weit über die Stadtgrenze, setzen sie dort aus, knöpfen ihnen sicherheitshalber vorher das eventuell vorhandene Kleingeld ab - könnten sich ja sonst in den Bus setzen und zurück in die City fahren -, haben einen Riesenspass dabei und nennen das ganze Transportunternehmen
"We take them for a ride", auf deutsch: Wir machen mit ihnen eine Spazierfahrt. So eine Gaudi! Ach ja, übrigens gibt es für
We take them for a ride noch eine Slangübersetzung, die lautet: Wir verarschen sie nach Strich und Faden. Selten so gelacht auf nächtlichen Streifen in Detroit.
Okay. Das mit der Kriminalisierung der Obdachlosen wäre gebongt. Das mit dem Abtransport auch. Bis die Arbeitslosen ebenfalls per Gesetz zu Verbrechern abgestempelt und abtransportiert werden, dürfte nur noch eine Frage der Zeit sein. Weil, wenn das Gesamtkonzept erst mal greift - da tun sich ungeahnte Möglichkeiten auf!
Ich sage nur: Lager für die Armen und Obdachlosen, schön mit Stacheldraht und Hochspannungszaun, man muss es ja nicht KZ nennen, da fällt uns zu Tarnzwecken schon was Griffigeres ein, wie wär's mit, ähm, Sonderwohnbezirken? Asylstätten? Schutzräumen? Herbergsunterkünften? Oder vielleicht Ghettos? Na ja,
Ghettos, vielleicht ein bisschen belastet der Begriff, dann doch eher so was wie Umerziehungsunterkunft. Oder Zwischeninternierung. Oder Sammellager. Oder ganz einfach: Durchgangslager! Das rockt! Durchgangslager dienen ja bekanntlich dem Zusammenstellen von Transporten von ca. 1.000 (über die Richtwerte hat man sich noch nicht geeinigt) Gefangenen. Transport wohin? Ist doch egal, Mensch, Hauptsache weg, aus den Augen, aus dem Sinn, maßgeblich sind die Vernichtungskapazitäten im Endlager,
oops!, das ist uns jetzt so rausgerutscht, wollten wir eigentlich nicht so drastisch formulieren, aber gut.
Wenn da nur nicht das leidige Problem mit den Kosten wäre! Weil, so eine komfortable nationale Beherbergungsstättenkultur, die stampft man ja auch nicht von heute auf morgen aus dem Boden, das dauert seine Zeit, und dann die Kosten! Die Kosten, die so eine Infrastruktur verursacht! Jenes Land mit den hypermodernen Wasserwerfern hat es da besser, weil, also, die Infrastruktur ist ja dort vorhanden, im Prinzip jedenfalls. Gut, gegenwärtig haben die ihre ollen Lager zu Museen umdesigned, zumindest vorübergehend, aber da geht noch was, ohne Frage, denn immerhin, das ganze Schienennetz und die Straßen, alles vorhanden bei denen, also, das hat schon was.
Wie gesagt: Wir bleiben dran. Wir arbeiten konsequent an Entsorgungskonzepten für menschlichen Müll. Insbesondere denjenigen, den wir selbst produziert haben. Und sollte das mit den Lagern zu teuer kommen, bleiben uns immer noch alternative, sprich: effizientere Optionen.
Weil, vom Wasserwerferland lernen heißt siegen lernen.