Mittwoch, 28. November 2012

Geh, wohin dein Hintern dich trägt


Mir wackelt der Hintern vor Lachen. Der Hintern, das ist jenes Gebilde, was irgendwo hinten am Körper angebracht ist. Daher der Name. An anderen Menschen nagen dahingehend leise Zweifel:
... nach einem Tag wie heute weiß ich nicht mal mehr, auf welcher Seite meines Körpers der Arsch angewachsen ist.
Ist das herrlich oder nicht? Es ist nicht herrlich, es ist oberherrlich. Eins steht fest: Der Mann, der dies bekennt, hat einen Arsch in der Hose, völlig wurscht, wie herum er seine Hose trägt. Aus letzterer lässt er zum Thema "Was ist Zivilisation?" ein "kurzes, eher tonloses WTF?" entweichen, welches sodann, sprachlich angereichert, den Raum mit herrlich dicker Luft füllt:
Einerseits möchte ich damit meiner Begeisterung über die Courage und Vernunft erheblicher Teile der ägyptischen Bevölkerung Ausdruck verleihen. Nachdem der von unserer (zivilisierten, westlichen) Seite viel beachtete Arabische Frühling den Ägyptern schlussendlich, wenn man die aktuellen Gesetzesinitiativen betrachtet, auch nur einen neuen GRÖFAZ-Kandidaten beschert hat, gehen die doch glatt wieder auf die Straße! Anstatt sich wie normale (zivilisierte, westliche) Menschen ins winterliche finstere Kämmerlein zurückzuziehen und ausgiebig die allgemeine Sinnlosigkeit jeden Protests zu beweinen, fangen die einfach an wieder zu protestieren. Wenn wir davon schon nichts lernen wollen, dann sollten wir uns wenigstens anständig schämen.
Genau dasselbe dachte ich heute, als ich das sah:



- hielt es jedoch nicht für nötig, etwas darüber zu schreiben, weil, ja, wieso eigentlich? Ich fürchte fast, in mir war so ein degenerierter westlich-zivilisierter Impuls am Werk nach dem Motto 'bringt ja eh nix, lass es bleiben'. Also ließ ich es bleiben, ohne weiteres Reflektieren, zu welchem mich jetzt - verspätet, aber immerhin - der Mann mit dem Arsch in der Hose angeregt hat. Schämen tu ich mich auch ein bisschen, um genau zu sein: anständig.

Gottlob verschafft dieser Kerl seinen ketzerischen Gedanken weiterhin Luft:
Bei uns (zivilisierten, westlichen) Staatsbürgern hingegen tobt ein Sturm im Wasserglas Furz im Schnapsglas, weil die Bundesregierung einen von ihr selbst in Auftrag gegebenen Bericht, in dem so oder so nichts steht, was nicht jeder seit Jahren wüsste - so es denn jemanden interessierte - so überarbeitet hat, dass er zum offiziellen Regierungsnarrativ passt. Welch vollkommen unvorstellbar ekelerregender Verrat an allen humanistischen Idealen der letzten 25.000 Jahre! Jemand gibt einen Bericht in Auftrag und verlangt dann, dass darin nur das formuliert wird, was er dort auch lesen will!
Was ist das für ein Land, in dem der Skandal nicht darin besteht, über Jahre hinweg und unter Mitwirkung aller Parteien, aktiv steuernd immer größere Teile der arbeitsfähigen Bevölkerung in immer schlechter bezahlte Niedrigstlohnarbeit zu drücken, währen die Vermögen und "Einkommen" der stetig abnehmenden Zahl der wirklich Wohlhabenden sich in immer exorbitantere Höhen aufschwingen, sondern absurderweise darin, dass jenes Gremium, das genau diese Entwicklung seit Jahren im vollen Licht der Öffentlichkeit mit allem Nachdruck betreibt, eine "kritische" Berichterstattung darüber nicht veröffentlichen mag.
Egal, auf welcher Seite seines Körpers dieses Mannes Arsch angewachsen ist, eins steht fest: Er hat das Herz auf dem rechten Fleck und das Gehirn dort, wo es hingehört. Und bringt mich mit beidem zum Lachen und gleichzeitig zum Schämen: ein Volltreffer.
Die Ägypter haben ein echtes Parlament und eine vernünftige, demokratisch agierende Regierung verdient.
Und wir?
Und wir haben schon, was wir verdienen.
Noch ein Volltreffer. Befund: Herz, Hirn und Hintern an genau der richtigen Stelle. Ohne jeden Zweifel. Herrlich, das.

Dienstag, 27. November 2012

Messages from Greece



A message from Greece:

Männer und Frauen ohne Job, ohne Einkommen, ohne Zuhause. Eine Supermarktkarre zum Transport der Überreste einer ehemals annehmbaren Bleibe: ein paar in Tüten gestopfte Klamotten, ein paar Decken, ein Schlafsack. Ein Camping-Gaskocher, ein Topf und ein Löffel. Und ein Dach aus Plastik zum Schutz gegen Novemberregen und -kälte. 
In einem öffentlichen Park, irgendwo in Griechenland. Im Griechenland des Jahres 2012, dem dritten Jahr der Troika-Rettung, der Kreditvereinbarungen und der Austeritätsgesetzgebung: 'Camper' durch Gesetzeskraft. 
A message from Greece:
Verdoppelung der Tafel-Gäste in Griechenland innerhalb der letzten zwei Jahre:
100-prozentiger Anstieg der Personen, die bei Tafeln Zuflucht suchen
A message from Greece:
Schock in Athen: Menschen suchen nach Essen in Mülltonnen
Verrottetes Gemüse, angeknackste Eier, abgelaufene Milchprodukte, alte Brotlaibe...eine Handvoll irgend etwas Essbares. Menschen, die sich noch nicht einmal einen Laib Brot für 80 Cent leisten können. Szenen einer Gesellschaft, die in verzweifelte Armut abstürzt (Video). Szenen, die sich in immer mehr Vororten der griechischen Hauptstadt abspielen.
"Bitte hängt Lebensmittel und Brot außerhalb der Mülltonne hin"
(Gefunden an einer Mülltonne in Kallithea, 
einem Mittelschichtsvorort im Süden Athens)
Ich habe mich schon einige Male gewundert, wieso die Leute Plastiktüten mit altem Brot an die Mülltonnen meiner Nachbarschaft hängen, und ob es tatsächlich Menschen in unserem Mittelschichtsumfeld gibt, die das alte Brot mit nach Hause nehmen. Dann kam dieses Bild und hat meine Frage beantwortet. In Griechenland im Jahr 2012, im Griechenland der Europäischen Union und der Eurozone.
A message from Greece:
Griechenland in der Krise - dramatischer Anstieg von Suiziden: 
3.124 Menschen in den Jahren 2009 bis 2012
Das entspricht einem Suizidanstieg von 37 Prozent zwischen 2009 und 2011.
2009: 677
2010: 830
2011: 927
2012: 690 bis zum 23. August
A message from Greece:
Was tun?
Wir müssen uns auflehnen, wir müssen etwas tun, denn sie werden uns alle arm machen. Schluss, aus fertig. Die Menschen haben Hunger.
Und wie?
Es gibt kein 'Wie'. Wenn wir über das 'Wie' zu lange nachdenken, sind wir erledigt.
Was tun?
Alles besetzen. Alles dichtmachen. Aber nicht für ein paar Tage, sondern länger als einen Monat.
Was tun?
Schwierige Frage. Irgendwie ist diese Art von Protest ermüdend geworden und außerdem unzureichend. Was soll ich sagen? Wenn der Minister ankündigt, dass die Streikenden tun, was sie zu tun haben, dann tun wir das, was wir zu tun haben. Ich glaube, wir müssen anfangen zu besetzen, um die Menschen zu mobilisieren, denn die meisten von ihnen sind müde geworden.
Und wie soll das praktisch geschehen?
Praktisch? Das will ich nicht aussprechen ...
Doch, sagen Sie es!
Im Grunde mit Gewalt, aber nicht im Sinne von losziehen und Leute töten. Ich weiß nicht, ob ...
Was tun?
Nichts, was heißt: was tun ...
Nichts?
Aufstand. Aufstand des Volkes, losziehen und all die Politiker abschlachten.
(Video 'A message from Greece' via From the Greek Streets
A message from Greece:


A message from Greece:
Wir müssen uns mit den Menschen organisieren, um dieses Regime zu stürzen.
Wir sollten uns nicht stark machen für Wahlen für ein Parlament, das zu einem Feigenblatt eines grausamen Regimes verkommen ist, das seine Menschen vernichtet und das Land ausverkauft. Wenn wir so weitermachen mit der Verfahrensweise der Parlamentswahlen wie beim letzten Mal, dann legalisieren wir de facto alle Gesetze, die den Verantwortlichen und Kollaborateuren an dieser nationalen Tragödie Asyl gewähren. Wir legalisieren die "internationalen Verpflichtungen" des Landes und die Praktiken und Ziele unserer Gläubiger (derzeit eine Opferung der ganzen Bevölkerung, internationale Stigmatisierung der Griechen, offene Erpressung, Verhängung eines Besatzungsregimes usw.). Diese Vorgehensweise ist nach den Grundsätzen der internationalen Rechtsordnung als kriminelle Handlung gegen die griechische Bevölkerung einzustufen. Sie verletzt die grundlegenden Menschenrechte und ist als solche von den internationalen Gerichten zu verfolgen.
Man kann heute nicht einfach nach Wahlen schreien, wie wir sie bisher kennen. Man muss nach Demokratie für die Menschen rufen.
Den Zähler auf Null zurückstellen und von vorne beginnen. Und zwar in einer Art, die im internationalen Recht anerkannt ist; alle rechtlichen Zusicherungen und Garantien verfallen, die von der herrschenden Clique willkürlich oder illegal vorgenommen wurden.
Unser grundlegendes Ziel ist, einen politischen Generalstreik von langer Dauer zu organisieren, der als zentrales Thema haben müsste "Übergeben Sie die Macht, gehen Sie nach Hause und nehmen Sie Ihre schlechten Chefs bloß mit!" Von diesem Ziel werden wir nicht abweichen, denn dann würden wir den Kampf für die Demokratie aufgeben.
Im Moment zeigt das Land alle Anzeichen eines Kollapses, wie ihn Argentinien 2001 erlebt hat, als es komplett kollabierte und absichtlich in einen dreijährigen Bürgerkrieg gezwungen wurde, der Tausende von Opfern hinterließ. Mit diesem Chaos droht uns (Ministerpräsident) Samaras, und damit es im Land auch wirklich herrscht, müssen zwei Bedingungen erfüllt sein: die Fortsetzung der heutigen Politik und politisches Personal, das so eingeschworen ist, dass es das Chaos der Massenvernichtung von Menschen organisiert. Von oben und mit voller Absicht.
Je mehr wir zulassen, dass der Weg von lokalen und ausländischen Häuptlingen bestimmt wird, umso mehr ist ein Ding sicher: Die Anzahl der Opfer wird sich erhöhen, bis selbst dem Ignorantesten das Ausmaß der Vernichtung klar wird, dem das griechische Volk anheimfällt.
Angesichts dieser Situation haben wir nur eine Pflicht: das Überleben unseres Volkes und die Befreiung unseres Landes. Viele haben nur im Selbstmord einen Ausweg gesehen, was zu vielen Tausend Toten in den letzten zwei Jahren geführt hat. Allerdings kann man sich auch für die Würde entscheiden anstatt für den Selbstmord. 
Wir sollten für unsere Würde als Mensch kämpfen, als Bürger, als Volk und als Grieche. Es steht einem Menschen nicht an, sich wie ein Tier behandeln zu lassen. Es steht dem Volk nicht an, sich wie ein streunender Hund in seiner Angst vor Gangstern zu ducken, die es all die Jahre bestohlen und haben und nun in die Sklaverei verkaufen wollen. Und es steht einem Griechen nicht an, sein Land ohne Kampf, ohne Schlacht, ohne Krieg an die zu übergeben, die ihn mehr betrogen haben als es jede Besatzungsmacht jemals vermochte.
Aus einem Interview (Übersetzung aus dem Griechischen: Edit Engelmann) mit dem griechischen Ökonomen Dimitris Kazakis, Aktivist bei EPAM ("Vereinigte Volksfront").

EPAM strebt als parteiübergreifende politische Bewegung ein unabhängiges, freies Griechenland an und organisiert im ganzen Land soziale Projekte wie Lebensmittelsammlungen, Tauschprojekte und Kooperativen aller Art. Kazakis wird - wegen seiner radikal basisdemokratischen Haltung und seines Plädoyers für die Wiedereinführung der Drachma als Währung - von den Massenmedien gemieden und meidet seinerseits die Massenmedien als verlängerten Arm der EU-Politik und damit des Ausverkaufs der griechischen Bevölkerung. Er ist Herausgeber der während der Krise ins Leben gerufenen Zeitschrift "Xoni" (auf deutsch etwa: Horn, Sprachrohr, Megaphon), die inzwischen an fast jedem griechischen Kiosk erhältlich ist.

A message from Greece:

'Utopia on the horizon', ein Dokumentarfilm von ROAR (Reflections on a Revolution) über die Krise und die Anti-Austeritäts-Bewegung in Griechenland: 
Gewidmet all denen, die sich entschieden haben zu kämpfen
Das dramatische Porträt eines Landes, das am Rande des Kollapses taumelt; und von Menschen, die sich entschieden haben zu kämpfen, um eine neue Welt aus den Ruinen einer alten Welt aufzubauen.
Utopien sind keine schwärmerischen Tagträume. 
Utopien entstehen aus harten Erfahrungen der Verzweiflung, der Enttäuschung, der Aussichtslosigkeit, des Scheiterns, des Lernens und des ungebrochenen Willens weiterzukämpfen.
Utopie heißt Kampf.


Donnerstag, 22. November 2012

Unbekannte Fluchobjekte




Huch. 
Was so alles passieren kann, wenn man nicht aufpasst. 
Vor allem beim Fliegen.
Drum sollte man immer gut aufpassen, 
speziell beim Besteigen eines Fliegers.
Natürlich auch auf Schuhe; 
auf die sollte man stets besonders gut aufpassen.
Am allermeisten aber auf fliegende Schuhe.
Guten Fluch!
Wenn auch mit Fluch.
Huch.

Montag, 19. November 2012

Wanderers Einkehr


Ha. Zwei Fundstücke animieren mich zu einer nachträglichen Referenz an meinen gestrigen Beitrag, wo es um ein Gipfelerlebnis in Cádiz und
- der Gipfel! - gegen Austeritätspolitik demonstrierende Polizisten in Madrid ging.

Zum einen dies:
Protestierende spanische Polizisten:
"Bürger, vergebt uns, dass wir nicht die wirklich Verantwortlichen für diese Krise verhaften: Banker und Politiker."
war am Samstag auf einem Transparent zu lesen.

Liest sich gut. Könnte fast ans Herz gehen. Die Polizei entschuldigt sich bei den Bürgern, quasi daneben gegriffen zu haben! Weil, eigentlich hätte die Polizei ja - eigentlich, hätte sie die cojones dazu gehabt - dann hätte die Polizei eigentlich, ja, was eigentlich tun sollen? Wir probieren es einfach nochmal:
"Bürger, vergebt uns, dass wir nicht die wirklich Verantwortlichen für diese Krise verprügelt haben: Banker und Politiker."
Liest sich noch besser. Könnte allen, die am 14. November während des Generalstreiks von der Polizei verprügelt und (wahlweise mit Gummigeschossen oder Tränengas, gern auch beidem) beschossen wurden, fast ans Herz gehen. Fast. Wären da nicht die Schusswunden, die blutenden Köpfe und die blauen Flecke am ganzen Körper, sowie die realistische Aussicht, bei der nächsten Protestaktion aufs neue übel zugerichtet zu werden, von einer reumütigen Polizei: Bitte vergebt uns bereits heute für unsere Übergriffe von morgen, weil, wir meinen das gar nicht so, wir meinen das eigentlich ganz anders - wir verstehen uns, oder?

Zum andern das:

"Der Wanderer über dem Nebelmeer"

Spanischer Polizist beim Gipfelerlebnis:

Über allen Gipfeln ist Ruh',
in allen Wipfeln spürest du
kaum einen Hauch.
Nicht nur Bürger wandern, sondern
wir auch:
Dann schweigen die Knüppel auf der Straße,
das Gas und die Wasserwerfer.
Aber warte nur, balde
schlagen wir wieder zu.

Sonntag, 18. November 2012

Starker Stoff


In der südspanischen Stadt Cádiz muss gestern schwer was los gewesen sein. Anlässlich eines ibero-amerikanischen (Spanien, Portugal, Lateinamerika) Gipfeltreffens haben sie sich dort die Naturkräuter gegenseitig um die Ohren gehauen, dass es nur so gequalmt hat.

Der bolivianische Präsident Evo Morales wollte das Kauen von Coca-Blättern legalisiert haben, - etwas, was zuhause in den Anden sowieso jeder tut, von den Vereinten Nationen jedoch mit einem Verbot belegt ist, welches wiederum die Vereinigten Staaten von Amerika mit Zähnen und Klauen sowie dem Argument verteidigen, Coca-Blätter seien der gefährliche Rohstoff für das gefährliche Rauschgift Kokain, dessen Hauptkonsument weltweit die Vereinigten Staaten von Amerika sind. Bitte gut durchkauen und auf der Zunge zergehen lassen.

Ferner ging der mexikanische Präsident Felipe Calderon auf die Barrikaden, weil ein paar US-amerikanische Bundesstaaten das Rauchen von Marijuana legalisiert haben wollen, - etwas, was in Amerika sowieso jeder tut, von Calderon jedoch mit Zähnen, Klauen sowie dem Argument bekämpft wird, "sein Land könne sich keinesfalls auch nur einen einzigen Schritt zurück leisten im Kampf gegen Drogenhandel" und die ganze Kriminalität, und außerdem mache der Genuss von Marijuana gewalttätig und überhaupt.
Bitte in angemessenes Papier rollen und tief inhalieren.

Undokumentiert ist, worauf während des festlichen Gipfel-Dinners herumgekaut und wieviele Ofenrohre anschließend zu Verdauungs- und Erleuchtungszwecken herumkreisten. Dokumentiert ist jedoch die jüngste Erleuchtung des spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy; der geht nämlich auf Betteltour bei den ehemaligen spanischen Kolonien Lateinamerikas:
In einem historisch zu nennenden Rollentausch hofierten die rezessionsgeplagten Länder Spanien und Portugal die Regierungschefs ihrer ehemaligen lateinamerikanischen Kolonien - Länder mit inzwischen stärkstem Wirtschaftswachstum.
Die Lateinamerikaner, so Rajoy, sollen sich jetzt mal gefälligst erkenntlich zeigen und den Spaniern "helfen, ihre tiefe finanzielle Krise zu überwinden mithilfe von Investitionen", - jetzt, wo "die Rollen vertauscht seien", die früheren Kolonien prosperierten und also ruhig mal den krisengebeutelten Ex-Kolonialherren unter die Arme greifen könnten.
"Unsere Augen sind auf euch gerichtet: Wir brauchen mehr Lateinamerika."
- sekundierte der spanische König Juan Carlos und vergaß nicht, eindringlich hinzuzufügen, dass
"... in Spanien schwierige Situationen in Erscheinung treten, verursacht durch die finanzielle und wirtschaftliche Krise."
- womit er gewiss auf die schwierigen Situationen anspielte, die derzeit auf Spaniens Straßen in Erscheinung treten, wo Hunderttausende von Menschen gegen die ihnen aufgehalste finanzielle und wirtschaftliche Krise protestieren, sowie (zeitgleich zu dem Gipfeltreffen in Cadiz) über 5.000 gegen Kürzungsmaßnahmen in Madrid demonstrierende Polizisten, die wissen wollen, wie sie, bitteschön, weiterhin auf jene Hunderttausende einprügeln sollen, wenn ihnen, den Polizisten, die Renten gekürzt und das Weihnachtsgeld gestrichen werden?

Noch ist nicht dokumentiert, wie die früheren spanischen Überseekolonien auf den von Rajoy angetragenen Klingelbeutel reagiert haben. Fest steht nur, dass sich die herzzerreißende Betteltour gestern im symbolträchtigen Cádiz zugetragen hat, jener spanischen Hafenstadt also, die vormals in schwunghafter Blüte gestanden hatte, zu jener Zeit, als dort die erbeuteten Schätze der Azteken und Inka aus dem fernen Lateinamerika importiert worden waren.

Hoher Dröhnfaktor in Cádiz, alles in allem. Man wäre nicht ungern dabeigewesen. Schon um zu wissen, was die bei so einem Gipfel alles rauchen, wenn sie lange genug darauf herumgekaut haben.

Freitag, 16. November 2012

Sleep well with Deutsche Bank



Der russische Dokumentarfilmer Victor Kossakovsky hat einen kleinen dreiminütigen Film gedreht.

Ort: eine Deutsche-Bank-Filiale in Berlin.
Handlung: Ein paar Menschen ohne Wohnsitz schlafen auf dem Boden des Geldautomaten-Vorraumes. Zwei Bankkunden betreten den Raum, steigen über die schlafenden Gestalten und ziehen Geld aus einem Automaten. Dann betritt eine Frau den Raum und bleibt zögernd in der Eingangstür stehen.
"...eine Frau öffnete die Tür zu den Geldautomaten, und als sie wahrnahm, dass drinnen Menschen schliefen, schloss sie langsam wieder die Tür und ging auf Zehenspitzen weg, während sie sagte, 'schlaft gut!'"
Victor Kossakovsky, NYTimes
Der Film heißt Lullaby (Schlaflied) und wird untermalt von dem träumerischen Lied Lullaby der udmurtischen Sängerin Nadezhda Utkina. Das Kunstwerk aus Film, Musik und Gesang ist so subtil, so melancholisch, so berührend und so verstörend, dass ich mich vor weiteren Worten scheue und lieber immer wieder den Film auf mich wirken lasse. Ich glaube, wenn Kunst so zu wirken vermag, dann - und nur dann - ist sie: Kunst.


Donnerstag, 15. November 2012

Fuchteln und Knuddeln


Einfach zum Knuddeln, diese Deutschen. Vor allem, wenn sie in jedes stereotype Fettnäpfchen reintreten, vorzugsweise mit voller Breitseite und extra ungeniert im Ausland, wo der Gestus des besserwisserischen Zuchtmeisters besonders gut ankommt. Wenn dann das deutsche Knuddelpaket auch noch auf den Namen 'Fuchtel' hört und erwartet, dass alle auf den Fuchtel hören, bloß weil der Fuchtel den Schulmeister gibt und mit dem oberlehrerhaften Zeigefinger ("Wofür die Griechen 3.000 städtische Müllabfuhrleute brauchen, das schaffen die Deutschen mit 1.000 Mitarbeitern!") herumfuchtelt, dann darf der Fuchtel sich nicht wundern, wenn er mit ein paar fliegenden Eiern geknuddelt wird.

War natürlich, wie üblich, alles "nur ein Missverständnis" und gar nicht so gemeint, als ob man die Griechen in typisch deutscher Manier von oben herab behandeln wolle. I wo. Deshalb legte der Fuchtel auch gleich nach, dass er "vollstes Verständnis für die Probleme der Griechen" habe und niemand ihnen das Recht aufs Demonstrieren absprechen dürfe. Selbst die Deutschen nicht. Wieso der Fuchtel dann allerdings zielsicher ins nächste bereitstehende Fettnäpfchen meinte schliddern zu müssen:
"Wir müssen ihnen (den Griechen) die Möglichkeit zum Demonstrieren und Protestieren geben, denn das ist das Recht eines jeden Bürgers in einer Demokratie."
- und damit expressis verbis kundzutun, unter wessen Fuchtel er die protestierenden Griechen sieht, wissen noch nicht mal die Götter. Vielleicht sollte bald das delphische Fettnäpfchen-Orakel befragt werden.

Willkommen, bienvenido, benvenuto!


Gestern hat Angela Merkels sprichwörtlicher Mutterwitz mal wieder gnadenlos zugeschlagen und, als der Tag zur Neige ging, seine tiefen Spuren hinterlassen.
... sie (Merkel) heiße die Proteste willkommen und jedermann habe ein Recht zu demonstrieren, schließlich "habe ich 34 Jahre in einem Land gelebt, wo man nicht demonstrieren durfte"
- gab sie großherzig am 14. November zum Besten, wo in ganz Europa gestreikt und protestiert werden durfte gegen die Austeritätspolitik Merkelscher Machart. In den späten Abendstunden wurde die staatstragende deutsche Grußbotschaft in Spanien, Portugal und Italien zügig beim Wort genommen und gnadenlos zugeschlagen.

Willkommen auf den Straßen Europas.

Portugal today

Mittwoch, 14. November 2012

Ohne Grenzen


Rockaways, Queens (New York City)

Ärzte ohne Grenzen - wer denkt da nicht an Dritte-Welt-Länder? An wirtschaftlich unterentwickelte Staaten? An medizinische Nothilfe in Krisen- und Kriegsgebieten? Wo war die nochmal, die sogenannte Dritte Welt? Richtig, in den industriell hoch entwickelten Industriestaaten der sogenannten Ersten Welt. Der hoch entwickelte Kapitalismus schafft es nämlich nicht mehr, in seinen eigenen Krisengebieten die humanitäre Nothilfe samt erforderlicher Koordination und Logistik bereit zu stellen. Vielleicht will er es auch gar nicht schaffen. Vielleicht scheren ihn humanitäre Notstände auf eigenem Boden noch weniger, als man bislang dachte. Jedenfalls fühlt er sich überfordert.
Im Gefolge des Hurrikans Sandy haben 'Ärzte ohne Grenzen' ihr erstes Krankenhaus in den Vereinigten Staaten errichtet. Eine Woche, nachdem Sandy über New York gestürmt war und Elektrizität und öffentlichen Nahverkehr lahmgelegt hatte, eröffneten 'Ärzte ohne Grenzen' befristete Notkliniken in den Rockaways - ein abgelegener Teil von (New Yorker Stadtteil) Queens am Atlantischen Ozean -, um sich um Bewohner von Hochhäusern zu kümmern, die immer noch ohne Strom und Heizung leben und von dem Sturm isoliert wurden.
Vom Sturm isoliert wurden? Seit der Sturm die Halbinsel verwüstet hatte, wurden die Bewohner Rockaways nicht vom Sturm, sondern von jeglicher Hilfe isoliert:
Die Situation in Far Rockaways ist entsetzlich und völlig außer Kontrolle. Ans Haus gebundene alte Menschen können ihre Wohnungen nicht verlassen, weil sie keine Treppen steigen können. Sie brauchen Medikamente und ärztliche Versorgung, zusätzlich zu Essen und Wasser. Aus einem der Gebäude wurde gestern ein Leichensack gezogen. Es gibt dort keine National Guard, kein Rotes Kreuz oder sonst irgendeine Organisation für Katastrophenhilfe.
- und wer es noch nicht erraten hat, der kann es sich - mithilfe seiner Desasterkapitalismus-gestählten Phantasie - fast denken: Bei den zuerst vom Sturm, dann von offizieller Hilfe isolierten Bewohnern von Rockaways handelt es sich überwiegend um arme, alte, gebrechliche oder kranke, jedenfalls hilfsbedürftige Menschen. Was soll's, um alles und alle kann er sich nun mal nicht kümmern, der hoch entwickelte Kapitalismus. Ärzte ohne Grenzen, übernehmen Sie.

Obwohl. Andererseits ist der Desasterkapitalismus US-amerikanischer Prägung um grenzwertige "einzigartige Lösungen" zur Behebung von katastrophenbedingten Notständen nicht verlegen. Allein in Staten Island (New York) haben über 5.200 Menschen infolge des Sturmes kein Dach mehr über dem Kopf. Nur rund zwei Dutzend von ihnen konnte bislang mit einer Notunterkunft geholfen werden. Wohin mit dem lästigen Rest?


Antwort: Ab in den Knast. Zu irgendeiner Zweitverwertung müssen stillgelegte Gefängnisse ja gut sein, im Kapitalismus, auch wenn diese heruntergekommen, "mit deaktivierter Infrastruktur", also ohne funktionierendes Abwassersystem und Heizung vor sich hin gammeln. Könnte sich um ein zukunftsweisendes Konzept zur "Lösung" des im hoch entwickelten Kapitalismus um sich greifenden Obdachlosenproblems handeln: endlich alle unter einem Dach. Schlecht versorgt, aber unter Kontrolle. Und, nötigenfalls, hinter Schloss und Riegel.

Was will man mehr? Musik, bitte:


Redman's Hurricane Sandy Relief Freestyle

Samstag, 10. November 2012

Übelkeit


In mir steigt gerade eine kleinere Übelkeit hoch. Also das, was der Volksmund als ein leichtes Kotzgefühl bezeichnet. Nichts Dramatisches, nur eine kleinere Übelkeit, eine sich abzeichnende Magenverstimmung, die sich aber zu einem chronischen Problem auswachsen könnte, insofern das am 6. November in Amerika mit knapper Mehrheit gewählte sogenannte kleinere Übel sich anschickt, zu einem dauerhaften Phänomen zu werden.

"The Smellabration" by Mr. Fish

Das mit den Gefühlen ist natürlich so eine Sache, seien es Kotz- oder andere Gefühle. Andere Länder, andere Gefühle. Während die um vier Jahre verlängerte Amtszeit des sogenannten kleineren Übels von dessen Anhängern angemessen überschwenglich gefeiert wird, macht sich andernorts eine bemerkenswert abgestumpfte Gefühlskälte breit. In Pakistan beispielsweise:
Islamabad nahm die Nachricht von Obamas Sieg mit einem unbeeindruckten Gähnen zur Kenntnis... "Die Hauptsache, für die die Leute sich hier interessieren, sind Angriffe von Dronen (ferngesteuerte Raketen)," sagte ein TV-Kameramann beim Aufbauen seiner Technik vor der US-Botschaft. "Schließlich wissen wir alle, dass sich nichts ändern wird, egal wer (in Amerika) an der Macht ist."
Ein pakistanischer General im Ruhestand kommentierte,
"Viele Leute hier mögen Obama nicht wegen des Problems mit den Dronen,"
fügte jedoch beschwichtigend hinzu,
"aber die gute Nachricht ist, dass (seine Wiederwahl) eine Kontinuität verspricht und Obama wenigstens derjenige ist, der weiß, mit wem und mit was er es zu tun hat."
Vermutlich liegt es an jener erwartbaren außenpolitischen Kontinuität, weshalb das Land im mittleren Osten gleichgültig gähnte statt in Freudentaumel auszubrechen. Ist es ihm zu verdenken? Deutlich gefühlvoller reagiert die pakistanische Zivilbevölkerung, wenn ihresgleichen von einem mörderischen Dronenangriff erwischt wird, kollateral, versteht sich:


Der zehnjährige Junge hieß, als er noch lebte, Naeemullah. Er wurde verletzt, nachdem ein ferngesteuerter Flugkörper in zwei Nachbarhäuser ("zwei verdächtige militante Verstecke") eingeschlagen, Granatsplitter und herumfliegende Trümmerteile durch die Wand in sein Haus geborsten und in seinen Körper eingedrungen waren. Eine Stunde, nachdem der Vater seinen Sohn fotografiert hatte, starb Naeemullah an seinen Verletzungen.

Anhänger des für vier weitere Jahre amtierenden Herrschers über drones, kill lists und einer darüberhinaus eigens kreierten disposition matrix bezeichnen solche Kollateralschäden an der Zivilbevölkerung als das kleinere Übel (gern auch als "smart warfare" eines noch smarteren Präsidenten), gemessen an den viel verheerenderen Schäden einer flächendeckenden Bombardierung. Grund genug, das wiedergewählte sogenannte kleinere Übel frenetisch zu bejubeln und sich nicht allzu zimperlich anzustellen, wenn mal wieder eine Menge unbeteiligter, unschuldiger Menschenopfer in die Luft gejagt wurden - bei mehr als 300 von Obama bislang autorisierten Dronenangriffen in Pakistan.

Unfair wäre es allerdings, jetzt dem smarten Präsidenten vorzuwerfen, er sei nichts als ein hartgesottener, gefühlskalter Brocken. Ist er nicht! Ihn hat nämlich vorgestern die menschliche Rührung übermannt, als er seinen Wahlhelfern für deren übermenschlichen Anstrengungen dankte, denen er seinen Wahlsieg verdankte. Da hat er sich, während er smart an seinem Kaugummi weiterkaute, doch glatt verstohlen ein paar Tränen (ich glaube, es waren zwei) aus den Augen gewischt und damit bewiesen, dass er, der Präsident der Herzen, ein - ja doch! - ein Herz hat. Fast hat es ihm vor lauter Dankbarkeit das Herz zerrissen, was wiederum seine erfolgreich kampagnenführenden Anhänger zu herzzerreißenden Jubelausbrüchen bewegte.

Apropos übermannt. Kaum waren dem dankbaren Wiedergewählten die Tränen der Rührung über die Wangen gekullert, ging das stockkonservative Macho-Gezetere los: was für ein weinerlicher Waschlappen - und der will ein mannhafter, kriegsstarker Präsident sein?
Das wirkt fehl am Platze: Der Präsident der Vereinigten Staaten bricht in Tränen aus, als er seinen Kampagnenhelfern dankt für deren unermüdlichen Einsatz für seine Wiederwahl.
- wobei beschwichtigend angemerkt wird, auch ein harter Kerl namens Putin habe es schon mal öffentlich in die Kameras kullern lassen und sei trotzdem nachweislich ein beinharter Kerl geblieben. Da wird sein amerikanischer Kollege doch auch mal Gefühl zeigen dürfen, ohne dass ihm deshalb die Maskulinität in Abrede gestellt wird.

Und überhaupt - wenn's wirklich hart auf hart kommt, sollte er unbedingt baldmöglichst zeigen, was er so drauf hat als echtes Mannsbild, dem der Ruf des kleineren Übels vorauseilt: schnell mal den nächsten Dronenangriff autorisieren auf ein paar Kinder irgendwo im mittleren Osten, und schon ist wieder alles im Lot.

Wenn da bloß diese kleinere Unpässlichkeit in meiner Magengegend nicht wäre.

Donnerstag, 8. November 2012

Demokratie, verabschiedet


Wie bekannt, wurde am gestrigen späten Abend im griechischen Parlament das sogenannte "Sparpaket" (vereinbart zwischen Regierung und Troika) "verabschiedet".

Warum "Sparpaket" statt Sparpaket? Weil es obszön ist, von Sparen zu sprechen, wenn eine Regierung unter Druck von oben 90 Prozent ihrer Bevölkerung auf die wirtschaftliche Schlachtbank und das Land in den Ruin treibt.

Warum "verabschiedet" statt verabschiedet? Weil das einzige, was gestern abend in Athen tatsächlich verabschiedet wurde, die Überreste des demokratischen parlamentarischen Systems waren:
Während der Abstimmungsprozedur erhob die Opposition Einwand gegen die Verletzung der nationalen Verfassung durch mehrere Aspekte des 'unique artcle' (= "Sparpaket"). gemäß den Verfahrensregeln stimmten die Parlamentsmitglieder per Handhebung, und der Einwand wurde von den Anwesenden akzeptiert. Allerdings zog der Vorsitzende (Parlamentsmitglied der Regierungspartei Nea Dimokratia) das Ergebnis in Zweifel und forderte eine namentliche Abstimmung, eine Forderung, die von der Opposition akzeptiert wurde. Jedoch - nachdem klar wurde, dass nicht genügend Parlamentsmitglieder der Regierungspartei anwesend waren - unterbrach der Vorsitzende die ganze Prozedur und verlangte eine 30-minütige Pause vor einer Fortsetzung der Abstimmung. Diese Pause, die gegen den Willen der Opposition und entgegen der Verfahrensregeln gemacht wurde, dauerte weitaus länger als 30 Minuten und zielte darauf ab, alle abwesenden Parlamentarier zurück in den Plenarsaal zu forcieren, damit sie - selbstverständlich - gegen die Verfassungswidrigkeit jener speziellen Aspekte des unique article (= "Sparpaket") stimmten.
Vor einer Weile hat die Abstimmung begonnen. Der Plenarsaal ist nun gefüllt mit Parlamentarieren, die zuvor nicht anwesend gewesen waren...
Ganz offensichtlich hat diese Regierungskoalition schon seit langer Zeit jegliches Gefühl der Verpflichtung verloren, sich nach den Wünschen und Interessen des Volkes zu richten; aber in den letzten Tagen hat sie sogar die letzten Grenzen überschritten, grundsätzlichen demokratischen Regeln - und sei es nur zum Schein - zu folgen. Dies ist umso folgenschwerer angesichts jener Maßnahmen, die von ihr akzeptiert werden, Maßnahmen, die nicht nur die Austerität und die Rezession verschlimmern, sondern verlangen, alle öffentlichen Versorgungseinrichtungen aus der Hand zu geben, alle Institutionen des Gemeinwohles, das Land, das Wasser und die Ressourcen des Staates, Maßnahmen, die sämtliche sozialen, Arbeits- und Umweltrechte aushöhlen.
Die Situation ist sehr kritisch, und da eine Kenntnis dieser Situation wichtig ist, um eine Solidarisierung zu erreichen, nehme ich mir die Freiheit, euch zu informieren und darum zu bitten, die Bürger eurer Länder zu informieren und euch zu solidarisieren.
Wir dürfen ihnen nicht erlauben, unsere Rechte noch mehr zu verletzen! Wir müssen unsere Kämpfe gemeinsam weiterführen, in ganz Europa!
Mit kameradschaftlichen Grüßen,
Nikos
(Nikolaos Chountis, Mitglied des Parlamentes für SYRIZA)
via Red Slice

P.S.:
Nach der namentlichen Abstimmung wurden die nunmehr namentlich bekannten Abweichler der Parteien Nea Dimokratia und Pasok von deren Parteivorsitzenden aus ihren Fraktionen ausgeschlossen.

via Athens News

Dimitris Hatzopoulos - Ta Nea Newspaper

Mittwoch, 7. November 2012

Auf den Bush geklopft


"We are all in this together"
- wiegte beruhigend der siegreiche King of Drones alle seine Wähler und Nichtwähler gestern in den Schlaf.

Bei mir bewirken solche einlullenden Alle-in-einem-Boot-Schäfchenwolken immer das genaue Gegenteil: Ich fahre ganz verstört aus dem Schlaf hoch. Wie, zusammen? Worin? Wir? Wer?

Schlafgestört fing ich in den frühen Morgenstunden an zu googeln:
"We are all in this together"
Wie zum Teufel ist das zu verstehen?

Einer hat's verstanden: kein geringerer als George W. Bush, der republikanische Vorgänger des demokratischen Präsidenten Barack Obama. Der hat doch glatt bei den gestrigen Präsidentschaftswahlen für Obama gestimmt. Echt jetzt.

Hinterher hat Bush zwar behauptet, das sei ihm "aus Versehen" passiert, weil er sich irgendwie am Wahlcomputer verdaddelt habe. Glaubt dem texanischen Vollhorst natürlich keiner, weil, so verdaddelt kann nicht mal der Daddeljuh sein. Muss also in voller Absicht und bei klarem Bewusstsein geschehen sein.

Ein hartnäckig recherchierender Reporter wollte es genau wissen. Dem soll der Bush nach seinem Lapsus, der keiner war, verschwörerisch zugezwinkert und dabei gemurmelt haben:
"You know, we are all in this together"
- und als der Reporter ganz verstört fragte: "Wie, zusammen? Worin? Wir? Wer?", da soll der Bush kichernd gegluckst haben: "Wir alle!", worauf der Reporter - ein kritischer Obama-Wähler - verwirrt stotterte: "Wie, ich dachte, Obama sei das kleinere Übel?", was den Bush in schallendes Gelächter ausbrechen: "Ja schon, aber er ist der bessere Republikaner!" und händereibend das Wahllokal verlassen ließ.

Dienstag, 6. November 2012

Schock nach Plan


Die Einschläge kommen näher. Während die streikenden Griechen sich aufbäumen vor der - angeblich letzten - Troika-Vernichtungskeule, die den Arbeiterrechten und -löhnen den Garaus machen und der eine so korrupte wie brüchige Regierungskoalition morgen zustimmen will (eventuell auch nicht, denn die streikenden Griechen meinen es ernst),


- berät im Nachbarland Frankreich die sozialistische Regierung über eine "Schockbehandlung", um der lahmenden Wirtschaft auf die Sprünge zu helfen. Die Wirtschaft, so heißt es, sei nämlich unfähig, im globalen Maßstab mitzuhalten, weil ihrer Wettbewerbsfähigkeit die - zu hohen, was sonst - Lohnkosten im Wege stünden. Abhilfe schaffen soll eine "30-Milliarden-Schock-Senkung" der Lohnkosten.

Was eine waschecht sozialistische Regierung ist, die packt so eine Hauruck-Schockbehandlung, ohne von einer Troika dazu geknebelt zu werden; die lässt sich den Schock direkt und ohne Umwege ins Programm diktieren von einem ehemaligen Konzernchef (EADS). Der Sozialist Hollande hat bereits versprochen, "alle nötigen Schlüsse" aus der empfohlenen Schocktherapie zu ziehen, während Industrieminister Montebourg - auch er ein Sozialist von Kapitals Gnaden - die Empfehlungen aus der Konzernetage zu beherzigen und "respektieren" gelobte. Montebourg ist übrigens derselbe, der erst vor kurzem lauthals die Globalisierung verantwortlich gemacht hatte für die "Zerstörung" des französischen Arbeitsmarktes.

Sind sie nicht zum Gernhaben, die global operierenden Genossen der Bosse?

Keine Wahl


"Vote" by The Dirt Floor

...auch wenn dir das Wasser bis zum Hals steht...

"Awsome Shit" by Mr. Fish

...und dein Klo bis oben verstopft ist


...und du die Schnauze gestrichen voll hast.

Der letzte zieht die Klospülung.

Sonntag, 4. November 2012

Fünf Jahre und ein bisschen Strenge


Fünf Jahre hat Angela Merkel mal eben aus dem Ärmel geschüttelt, am Samstag. Fünf Jahre werde die sogenannte Eurokrise noch dauern. Mindestens, hat sie gesagt. Wo sie das hernimmt? Na, aus ihrem Ärmel. Merkels Ärmel ist jener magische Ort, aus dem Prognosen herausgepurzelt kommen, einfach so. Prognosen, die keiner Begründung bedürfen; und wenn da jetzt ganz hemdsärmelig, schwupp, fünf Jahre herauspurzeln, dann sind das eben fünf Jahre, klar?,
und basta.

Fünf Jahre sind ein ziemlich langer Zeitraum. Innerhalb von fünf Jahren kann ziemlich viel passieren. Zum Beispiel können ziemlich viele Leute verhungern oder erfrieren oder einfach wegsterben, und wenn man Merkel heißt, kann man sich entspannt zurücklehnen und dabei fünf Jahre lang zuschauen, weil, vielleicht hat sich auf diesem Weg die sogenannte Eurokrise bis dahin von selbst erledigt und alles wird gut.

Na ja, das klingt jetzt vielleicht ein bisschen streng, aber ohne ein bisschen Strenge geht es nun mal nicht, vor allem nicht voran mit der sogenannten Eurokrise. Drum hat Merkel gleich noch "ein bisschen Strenge" aus dem Füllhorn ihres Ärmels geschüttelt. Jetzt, wo klar sei, dass die sogenannte Eurokrise noch mindestens fünf Jahre dauern werde, ließ sie - an ihrem Ärmel zupfend - herauspurzeln, dass jetzt "die Zeit für ein bisschen Strenge gekommen" sei.

Vermutlich will sie damit sagen, dass alle bisherigen Knebelprogramme - strenggenommen - lediglich weicheierige Aufwärmübungen waren, denen nun endlich der eigentliche Härtetest zu folgen habe, klar?, und basta.

Da trifft es sich gut, dass der Winter naht und mit ihm die ein bisschen strengeren Temperaturen- örtlich unter zehn Grad Celsius gefallen -, was immer mehr Kommunen in Griechenland dazu veranlasst, immer mehr Schulen und Kindergärten zu schließen, weil fürs Heizen kein Geld da ist. Was müssen die griechischen Kinder auch zur Schule gehen? Erfrieren können sie genauso gut zuhause bei den Eltern, wo ebenfalls kein Geld fürs Heizen da ist. Wenn nicht dieses, dann halt nächstes oder übernächstes Jahr, wir haben ja fünf Jahre Zeit zum Erfrierenlassen. Härtetest bestanden, basta.

Gut ins Merkelsche Timing passt auch die Entscheidung des deutschen Pharmakonzerns Merck, keine Krebsmedikamente mehr nach Griechenland zu exportieren, weil die dortigen Krankenhäuser zahlungsunfähig seien. Klingt strenger als es gemeint ist, denn schließlich, so der Sprecher des Hauses Merck, könnten die Griechen ja nach wie vor Krebsmedikamente direkt aus der Apotheke beziehen, sofern sie den Kauf aus eigener Tasche finanzieren. Klar? Klar, wozu brauchen arbeitslose oder geringverdienende Griechen auch Krebsmedikamente? Alles, was sie brauchen, ist Austerität aus dem Hause Merkel, gepaart mit ein bisschen Strenge. Wird schon wieder, das mit dem Krebs. Vielleicht nicht dieses oder nächstes, sondern erst übernächstes Jahr. Ihr habt ja fünf Jahre Zeit zum Sterben.

Flaschenpost




Sting, Message in a Bottle
2. November 2012
New York City


Freitag, 2. November 2012

Power to the people from the people



Nee, ist kein Fahrradladen.


Ist auch kein Outdoor-Hometrainer.



Ist eine Strom- und gute-Laune-Ladestation.


Profit unter Strom


Schockdoktrin, die nächste: Never waste a good crisis™.

Wozu gibt es Krisen, wenn nicht, um daraus Profit zu schlagen? Warum nicht das Desaster nach dem Hurrikan Sandy nutzen, um Druck auszuüben? Druck, öffentliche Infrastruktur an private Investoren zu verkaufen? Noch mehr öffentliche Infrastruktur an noch mehr private Investoren? Weil, wie es gern heißt, die privaten Investoren das Bewirtschaften öffentlicher Ressourcen viel besser in den Griff bekommen, namentlich in krisenhaften Engpässen. Was, wie derzeit in New York und anderswo zu erleben, von dem amerikanischen (in Investorenbesitz befindlichen) Energieversorger ConEd aufs peinlichste ad absurdum geführt wird:
Stromausfälle infolge Hurrikan Sandy verschlimmert durch Unterinvestment und vernachlässigte Planung
Mehr als sechs Millionen Menschen an der amerikanischen Ostküste sitzen seit nunmehr fünf Tagen im Dunkeln vor warmen, leeren Kühlschränken, kalten Heizungen, verstopften (da strombetriebenen) Müllschluckern, verstopften (da mit strombetriebenen Wasserpumpsystemen funktionierenden) Toiletten und wissen nicht, was sie angesichts fehlenden Internets, Rundfunks, Fernsehens und stromloser Mobiltelefone tun sollen, um wenigstens notdürftig über die Runden zu kommen. Manche greifen in ihrer Not bereits zu solchen Notmaßnahmen.

Während ConEd beschwichtigend die Schuld an fortdauernden, angeblich nicht zu behebenden Stromausfällen auf umgestürzte Bäume, ungeahnte Sturmstärken, gottgewollte Naturkatastrophen und die Welt schiebt, halten Kritiker entgegen: It's your fucking cost-cutting, stupid.
Zwar können Stromversorger keinen Willensakt Gottes verhüten, aber sie können schneller darauf reagieren.
Wie? Die "praktikabelste Lösung", um die Stromversorgung möglichst schnell sicherzustellen:
"Menschen. Boots on the ground (Arbeitskräfte)."
Die Frage, wie lange die Leute noch ohne Strom bleiben werden, hängt ab von den zur Verfügung stehenden Arbeitskräften.
"Maßgeblich ist, wieviele Reparatur-Crews ein Stromversorger hat in Relation zu den existierenden Stromausfällen."
"Kostensparende Beraterexperten haben der Energieversorger-Industrie unglaubliche Einsparungen beschert - Einsparungspotentiale, die von der Deregulierung noch beschleunigt wurden. Aber der Einspar-Wahn hat jetzt den schlimmsten Alptraum jedes Ökonomen hervorgebracht, wo wochenlange Blackouts die Produktivität im Internetzeitalter beeinträchtigen. Nicht zu vergessen die logistischen Komplikationen und möglicherweise lebensbedrohende Situationen von Stromkunden."
So viel zur profitgierigen Ausbeutung gottgewollter Naturkatastrophen mit "unlösbaren" Folgen.

Zur Vertiefung sei die Lektüre von naked capitalism empfohlen.

Zur Aufhellung des Gemütes eine menschengewollte Lösung, an der keiner etwas verdient, aber alle profitieren: