Sonntag, 18. November 2012

Starker Stoff


In der südspanischen Stadt Cádiz muss gestern schwer was los gewesen sein. Anlässlich eines ibero-amerikanischen (Spanien, Portugal, Lateinamerika) Gipfeltreffens haben sie sich dort die Naturkräuter gegenseitig um die Ohren gehauen, dass es nur so gequalmt hat.

Der bolivianische Präsident Evo Morales wollte das Kauen von Coca-Blättern legalisiert haben, - etwas, was zuhause in den Anden sowieso jeder tut, von den Vereinten Nationen jedoch mit einem Verbot belegt ist, welches wiederum die Vereinigten Staaten von Amerika mit Zähnen und Klauen sowie dem Argument verteidigen, Coca-Blätter seien der gefährliche Rohstoff für das gefährliche Rauschgift Kokain, dessen Hauptkonsument weltweit die Vereinigten Staaten von Amerika sind. Bitte gut durchkauen und auf der Zunge zergehen lassen.

Ferner ging der mexikanische Präsident Felipe Calderon auf die Barrikaden, weil ein paar US-amerikanische Bundesstaaten das Rauchen von Marijuana legalisiert haben wollen, - etwas, was in Amerika sowieso jeder tut, von Calderon jedoch mit Zähnen, Klauen sowie dem Argument bekämpft wird, "sein Land könne sich keinesfalls auch nur einen einzigen Schritt zurück leisten im Kampf gegen Drogenhandel" und die ganze Kriminalität, und außerdem mache der Genuss von Marijuana gewalttätig und überhaupt.
Bitte in angemessenes Papier rollen und tief inhalieren.

Undokumentiert ist, worauf während des festlichen Gipfel-Dinners herumgekaut und wieviele Ofenrohre anschließend zu Verdauungs- und Erleuchtungszwecken herumkreisten. Dokumentiert ist jedoch die jüngste Erleuchtung des spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy; der geht nämlich auf Betteltour bei den ehemaligen spanischen Kolonien Lateinamerikas:
In einem historisch zu nennenden Rollentausch hofierten die rezessionsgeplagten Länder Spanien und Portugal die Regierungschefs ihrer ehemaligen lateinamerikanischen Kolonien - Länder mit inzwischen stärkstem Wirtschaftswachstum.
Die Lateinamerikaner, so Rajoy, sollen sich jetzt mal gefälligst erkenntlich zeigen und den Spaniern "helfen, ihre tiefe finanzielle Krise zu überwinden mithilfe von Investitionen", - jetzt, wo "die Rollen vertauscht seien", die früheren Kolonien prosperierten und also ruhig mal den krisengebeutelten Ex-Kolonialherren unter die Arme greifen könnten.
"Unsere Augen sind auf euch gerichtet: Wir brauchen mehr Lateinamerika."
- sekundierte der spanische König Juan Carlos und vergaß nicht, eindringlich hinzuzufügen, dass
"... in Spanien schwierige Situationen in Erscheinung treten, verursacht durch die finanzielle und wirtschaftliche Krise."
- womit er gewiss auf die schwierigen Situationen anspielte, die derzeit auf Spaniens Straßen in Erscheinung treten, wo Hunderttausende von Menschen gegen die ihnen aufgehalste finanzielle und wirtschaftliche Krise protestieren, sowie (zeitgleich zu dem Gipfeltreffen in Cadiz) über 5.000 gegen Kürzungsmaßnahmen in Madrid demonstrierende Polizisten, die wissen wollen, wie sie, bitteschön, weiterhin auf jene Hunderttausende einprügeln sollen, wenn ihnen, den Polizisten, die Renten gekürzt und das Weihnachtsgeld gestrichen werden?

Noch ist nicht dokumentiert, wie die früheren spanischen Überseekolonien auf den von Rajoy angetragenen Klingelbeutel reagiert haben. Fest steht nur, dass sich die herzzerreißende Betteltour gestern im symbolträchtigen Cádiz zugetragen hat, jener spanischen Hafenstadt also, die vormals in schwunghafter Blüte gestanden hatte, zu jener Zeit, als dort die erbeuteten Schätze der Azteken und Inka aus dem fernen Lateinamerika importiert worden waren.

Hoher Dröhnfaktor in Cádiz, alles in allem. Man wäre nicht ungern dabeigewesen. Schon um zu wissen, was die bei so einem Gipfel alles rauchen, wenn sie lange genug darauf herumgekaut haben.

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