"Selig sind die am Geiste Armen", heißt es irgendwo in der Bibel, aber ich weiß nicht so recht, ob das wirklich stimmt. Weil, vielleicht ist ja einer erst dann selig, wenn er einen Geist hat, weil er dann nicht mehr so arm ist wie ohne Geist. Vorausgesetzt, der Geist zahlt ihm seine Miete. Das klingt jetzt ziemlich wirr, wurde aber jüngst bestätigt durch eine wissenschaftliche Studie, genauer gesagt durch eine, wie vermutet werden darf, Halloween-induzierte Umfrage.
Fragt man nämlich die Leute, ob sie bereit wären, ihre Wohnung mit einem Geist zu teilen, wenn sie dafür die Hälfte weniger Miete zahlen müssten, dann bejahen das immerhin 27 Prozent aller Amerikaner. Was bedeutet, dass ich mit 27 Prozent der Amerikaner sympathisiere, denn lieber würde ich meine Wohnung mit einem Gespenst teilen als mit einem der verbleibenden 73 Prozent Amerikaner, die so etwas nicht tun würden. Logisch, oder?
Natürlich bin ich mir im Klaren, dass so eine WG mit einem Gespenst nicht ohne Kompromisse zu haben ist. Aber immer noch lieber ein halbwegs entmaterialisiertes, pünktlich zahlendes Gespenst als einen wildfremden, vollumfänglich physischen Untermieter mit womöglich schlecht riechenden Socken, geistlosen Sprüchen und ständig im Mietrückstand.
Geklärt werden müsste freilich die Frage der gemeinsamen Haushaltsführung. Was, wenn der Geist all seine Freunde zum Feiern einlädt und die mir mein ganzes Bier wegtrinken? Geht dann der Geist zur Tankstelle und holt neues Bier? Hat er dafür Geld? Oder muss ich es ihm geben? Bin ich etwa unterhaltspflichtig? Wie gesagt, kompromissbereit wäre ich, würde allerdings darauf pochen, dass der versoffene Mitbewohner sich auch an den Betriebskosten beteiligt.
Auch drängt sich die Frage auf, wie reinlich so ein durchschnittliches Gespenst sich verhält. Muss ich ihm hinterher putzen? Wer wäscht dem Gespenst seine Laken? Geht ein Gespenst aufs Klo? Verbraucht es Klopapier? Lässt ein Gespenst auch immer schön die Klobrille unten? Alles läppische Detailprobleme, aber auch diese läppern sich am Ende. Am besten drücke ich dem Geist gleich die gesamten Nebenkosten aufs Auge, zusätzlich zur halben Miete. Wieder was gespart.
Wobei, wenn ich es mir recht überlege, sollte ich das Ganze eventuell geschickter einfädeln, um den Etat (meinen) noch niedriger zu halten. Das heißt, ich lasse das Gespenst erst mal drei, vier Wochen hier probewohnen. Mit Sicherheit wird das Gespenst es bei mir sehr gemütlich finden und bleiben wollen. Kein Problem, werde ich sagen und sodann listig fragen, ob es schon mal an den unschätzbaren Komfort einer eigenen Haushälterin gedacht habe? Wow, wird das Gespenst antworten, du bringst mich auf Ideen! Daraufhin werde ich großzügig den Kühlschrank öffnen und rufen: Was mein ist, soll auch dein sein!, worauf das Gespenst - maßlos, wie Gespenster nun mal sind - ein paar Bier zu viel zischen und einen gewaltigen in der blütenweißen Krone haben wird; just bei dieser Gelegenheit werden wir vereinbaren, dass das Gespenst mir für meine haushälterische Betreuung die andere Hälfte der Miete noch obendrauf legt. Ich wäre aller Sorgen ledig, und beide lebten wir fortan in Saus und Braus.
Doch damit nicht genug - mit etwas Geschäftssinn ließe sich das neuartige Gemeinschaftswohnmodell noch lukrativer gestalten; zum Beispiel könnte ich bei meinem Vermieter nachfragen: Haben Sie vielleicht auch Wohnungen mit zwei Gespenstern und 100 Prozent Mietnachlass? Ha, runde Sache, das! Mietfreies Wohnen plus zweimal satten Haushälterinnenlohn kassieren - ein sorgenfreies Lotterleben bis ans Ende meiner Tage.
Andererseits müsste ich dafür schon wieder umziehen, und darauf habe ich keine Lust. Jetzt, wo der Winter kommt. Ich hab's: Was hindert mich daran, in den eigenen vier Wänden Gespenst zu spielen? Wo Ich war, soll Geist werden. Bisschen rumgeistern, dann betroffen den Vermieter kontaktieren und ihn zur Mietreduktion auffordern. Das wäre dann die sogenannte kleine, durchaus marktfähige Lösung - es ließe sich eine maßgeschneiderte Serviceleistung daraus entwickeln ('Suchen Sie ein Gespenst auf Zeit zur mittelfristigen Senkung Ihrer Mietkosten? Rufen Sie an.'). Betonung auf mittelfristig, weil, langfristig geht man sich ja dann irgendwann selbst auf den Geist.