Heute früh um zehn vor sechs war der Himmel noch ein wenig blauer als gestern, was kein Wunder ist, denn die Morgendämmerung beginnt ja jeden Tag zwei bis drei Minuten früher. Zwei bis drei Minuten früher, das sind täglich Riesensprünge, wenn man bedenkt, dass es im Januar gerade mal eine schwache halbe Minute pro Tag war. Außerdem wird die Gesamtdauer der Morgendämmerung immer kürzer werden (zur Zeit 33 Minuten), aber nur noch wenige Tage lang, nämlich bis zur Tagnachtgleiche am 21. März (Ende April wird die Dämmerungszeit bereits 37 Minuten betragen).
So weit, so trocken.
Ich hätte nie gedacht, dass so etwas wie ein Sonnenstandrechner mich jemals auch nur die Bohne interessieren könnte. Aber das war zu Zeiten gewesen, als ich mich morgens um halb sechs für anderes zu interessieren pflegte als für die Frage, wann es beginnt hell zu werden. Ob der Himmel nun um 5:50 Uhr oder um 5:47 Uhr anfängt blau anzulaufen, geht dem Schlafenden ja völlig an der Bettwurst vorbei. Der frühe Wachmensch dagegen lädt sich einen Sonnenstandrechner herunter und vertieft sich in die Märzdaten. Weil er, der Wachmensch, gar nicht genug bekommen kann von dem blauen Morgenhimmel, welcher jeden Tag hoch über ihm, dem Wachmenschen, ein paar Minuten früher aufbricht. Nach Datenlage müsste der 29. März eigentlich der Tag sein, an dem ich um 5:18 Uhr aufs Rad steige und zeitgleich der Himmel blau wird. Nur noch wenige Tage also. Das könnten stimmungshebende Aussichten sein, wenn...
...tja, wenn der Konjunktiv nicht wäre. Als mein Finger die kommenden Märztage herunterscrollt, stelle ich mit Entsetzen fest, dass Ende des Monats wieder alles stockdunkel sein wird: die verfluchte Sommerzeit. Augenblicklich beginne ich sie zu hassen; ihretwegen gibt es blauen Himmel um 5:18 Uhr erst wieder am 26. April. Ihretwegen geht das öde Strampeln im Dunkeln also von vorne los. Meine himmelblauen Frühlingsgefühle gehen schnurstracks in den allerschwärzesten Keller.
Wie ich mich so meinem sommerzeitbedingten Frust hingebe, bemerke ich, dass selbiger mir irgendwie bekannt vorkommt. War da nicht was? Doch, da war was. Den Jahreskalender 2009 aufgeklappt, den März runtergescrollt, und siehe da, der 24. März 2009 bringt es an den Tag, an welchem ich zum ersten Mal um 5:20 Uhr aufs Rad gestiegen bin, um meiner neuen prekären Beschäftigung nachzugehen. Ich erinnere mich noch gut, wie grauenhaft ich Uhrzeit und Dunkelheit empfand; an den darauffolgenden Tage ebenso. Damals war ich völlig außerstande, Nuancen in der Dunkelheit wahrzunehmen, Blautöne, Aufhellungen, Veränderungen. Ich sah nur schwarz.
Dann kam der 29. März 2009 und mit ihm die Umstellung auf Sommerzeit, und am Montagmorgen, den 30. März, wurde mir schlagartig und schmerzhaft klar, wie sich wirkliche Dunkelheit anfühlt. Erst im Nachhinein wurde mir an jenem Montagmorgen bewusst, dass ich in den Tagen davor ein paar wundervolle tiefblaue Stunden ignoriert hatte. So etwas wird mir im Jahr 2010 nicht wieder passieren - bis zum 28. März werde ich täglich blaue Wolken zählen, sie mir von allen Seiten anschauen, abmessen und dann die kleinste von ihnen vom Himmel klauen, in meinen Rucksack packen, davonfahren, und wenn mit der Sommerzeit die Dunkelheit zurückkommt (ist das nicht pervers?), wird die blaue Wolke in den schwarzen Himmel gebeamt und dort bleibt sie dann und wird die Stellung halten, bis die anderen blauen Wolken endlich zurückkommen werden, und die dumme Sommerzeit, die kann uns dann mal.
:) am 24.3. hat mein blog geburtstag... so tiefgreifende strukturelle veränderungen wie deine bringen manchmal total viele details mit sich :), scheint mir.
AntwortenLöschenJa, da hast Du recht, mein Leben hat sich sehr verändert...manchmal erkenne ich es kaum wieder ;).
AntwortenLöschenUnd ha!, Du feierst am gleichen Tag Bloggeburtstag wie ich...nun ja, was feiere ich da eigentlich? Meinen Eintritt ins Prekariat? Muss ich mir noch schwer überlegen, ob es da etwas zu feiern gibt...aber Zufälle gibt's :)!
Hmm... Siehst du die "strukturelle Veränderung" als Dauerzustand? Oder ist es für dich eine Warteschleife, in der du die konjunkturellen Turbulenzen auszusitzen gedenkst? Du warst selbständig, oder? Das birgt doch immerhin die theoretische Chance auf wieder anspruchsvollere (und lohnendere) Tätigkeit ...
AntwortenLöschenIch selbst habe im letzten Jahr etwa zur gleichen Zeit konjunktur- und nervenbedingt die Ohren anlegen müssen: Nach 20 Jahren Selbständigkeit war für mich Schluß - erst Chef, dann nix.
Schwer manchmal. Immernoch.
Aber der Novak ... Quatsch! ... Alex lässt mich ja nicht verkommen! ;-)
@Mrs. Mop
AntwortenLöschenäh - dein erster blogeintrag ist aber vom 21.5. *nachgeguckt hab o_O... war wohl nix, wa? ;)
@Britta
AntwortenLöschenInzwischen eher als Dauerzustand denn als Warteschleife, weil: Was vielen Selbständigen (zumindest aus meinem Beritt) derzeit widerfährt, sind längst keine "konjunkturellen Turbulenzen" mehr nach dem Motto 'mal auf, mal ab', sondern eine handfeste Strukturkrise. Sprich, Auftragssperren, wo man hinsieht...kaum mehr Fremdvergaben...mehr und mehr Praktikanten werden auf qualifizierte Jobs angesetzt, die sind so schön kostengünstig...Forschungsetats werden reihenweise gestrichen/gekürzt.
Die Chance, von der Du sprichst, ist also eine SEHR theoretische. Aber offenbar bist Du jemand, der aufgrund eigener Erfahrung gut nachvollziehen kann, was wirtschaftlich läuft und wie sie sich anfühlt, die berühmte 'Freiheit' der Freiberufler: freier als ich mir je habe träumen lassen... *Zynismus-Modus off*
@Rebhuhn
Es hat schon alles seine Richtigkeit. Wie in meinem ersten Post angemerkt, war ich damals (d.h. 21.5.09) bereits seit acht Wochen Putzfrau, bevor ich zu bloggen begann. Der 'Geburtstag', der mir am 24.3. blüht, hat also nix mit meinem Blog zu tun, sondern, s.o., mit meiner, ähm tja, Prekarisierung.
*vordiestirnhau
AntwortenLöschenjetzt verstehe ich die punkte '...' ... omg. mea culpa, mal wieder ^^.
da stellt sich mir?/dir? aber auch die frage, ob du dann nicht dauerhaft etwas anderes als putzen machen könntest/wolltest/solltest.... ?
Dauerhaft? Etwas? Anderes? Leicht gesagt. Weißt Du, wie es auf dem Arbeits-/Auftrags-/Stellenmarkt derzeit ausschaut? Und zwar NICHT nur auf dem für Akademiker?
AntwortenLöschenEs ist ja nicht so, dass das Putzen mich/meinen Tag/mein Leben ausfüllt. Der Job (ca. 4 Std.) hatte bzw. hat für mich die Funktion, in mein Leben Struktur und ein Stückchen Kontinuität zurückzubringen. Dass ich mir dafür die ganz brutale Nummer rausgesucht habe (4h aufstehen, 6h loslegen, harte körperliche Arbeit), hat neben persönlichen auch schlicht pragmatische Gründe: Wenn der frühe Putzjob beendet ist, liegt fast der komplette Tag noch vor mir, d.h. ich bleibe disponibel für andere Jobs, egal welche.
entschuldigung, ich wollte dir in keinster weise zu nahe treten! ich hatte auch ehrlich ein bißchen verdrängt, daß du ja bei den katzen zu gast warst... ich persönlich arbeite 'gern' an der kasse, oder mache inventuren. ach, ich halte meinen schnabel wieder raus da, tut mir wirklich leid, wenn ich dich verärgert haben sollte, vergiß' es einfach.
AntwortenLöschenGar kein Problem, Du bist mir weder zu nahe getreten noch hast Du mich verärgert ;)!
AntwortenLöschenEs ist nur so: Dieses "dauerhaft etwas anderes" bekomme ich öfters mal zu hören, und wenn ich dann zurückfrage "was denn zum Beispiel?", dann kommt große Verlegenheit auf.
Und richtig, jenen 'Katzenjob' im Dezember 09 konnte ich gottseidank annehmen, weil die Putzfrau ganz flexibel ein paar Tage 'Urlaub' dafür nehmen durfte.
Und jetzt bitte nicht den Schnabel raushalten! Schließlich weiß ich gut, dass mein derzeitiger Lebensentwurf für einen Außenstehenden nicht ganz leicht nachzuvollziehen ist. Mensch, deshalb blogge ich doch! Also bitte weiterschnabeln, OK? :)
Ogott, spätspät, nix wie aufs Rad...unn wech...