Dienstag, 23. März 2010

Doremifasolatido


Woran erkennt man, dass Frühling ist? Daran, dass die Vögel zwitschern. Woran noch? Daran, dass die italienischen Lieferanten singen. Die anderen singen nicht. Weder die deutschen noch die marokkanischen noch die griechischen Lieferanten singen. Gut, die Griechen haben zur Zeit vielleicht nicht so furchtbar viel Grund zu singen - nur, woran erkennt man die Italiener? Daran, dass sie singen, ohne einen Grund zu haben. Bis auf den Frühling halt.

Ansteckend ist das, und wie. Bestimmt fünfmal flitzte heute der kleine Feinkostitaliener die Kellertreppe runter, jedes Mal schwer beladen mit Kisten voll frischem Rucola, Brunnenkresse und Austernpilzen (die Salatsaison ist eröffnet). Er schleppte sich halbtot und erleichterte sich durch geräuschvolles Ausatmen auf dem Weg nach unten. Weil er ein lustiger Vogel ist und gut bei Stimme, tat er dies jeweils in drei Intervallen, fing auf den obersten Stufen an laut zu schnaufen, stöhnte noch einmal, lauter, in der Mitte der Treppe und endete mit einem kolossalen, lang anhaltenden Brüller beim dritten Mal, unten angekommen, wo er seine Ware absetzte und seiner Anstrengung lustvoll Luft machte.

Und weil er ein lustiger Vogel ist, der gern singt, trat er den unbeschwerten Rückgang nach oben trällernd an. Was liegt auf einer Kellertreppe näher, als die Tonleiter nach oben zu singen? Do-re-mi-fa-so-la-ti-do. Sang er. Und freute sich an der guten Akustik im alten Kellergewölbe. Erst sang er, dann schmetterte er. Jede Treppenstufe bekam eine Tonsilbe. Nun hat die Kellertreppe nicht acht, sondern elf Stufen, was den Tenor dazu veranlasste, das letzte Do auf den obersten drei Stufen jeweils lang zu halten: do-re-mi-fa-so-la-ti-dooo. Göttlich. Vergiss das Opernabo.

Später kamen die Getränkelieferanten, ein eingespieltes Duo bestehend aus einem Deutschen und einem Polen. Dieser polnische Mann ist ungeheuer groß, also, riesengroß und ungeheuer riesenbreitschultrig. Er sieht ein bisschen aus wie einer der Klitschko-Brüder; welcher von beiden, könnte ich im Moment nicht sagen. Also ein ziemlich bulliger Typ. Stets freundlich und mit hintersinnigem Witz ausgestattet, aber ruhig und zurückhaltend im Auftreten. Was soll ich sagen? Der Pole sang. In den höchsten Tönen. Die Kellertreppe rauf und runter, egal ob er einen vollen oder leeren Getränkekasten trug. Volare sang er, jenen uralten Italohit, zauberhaft. Dabei schmetterte er das 'Oh-Oh' nach jedem 'Volare...' in die Tiefe des Kellergewölbes hinein, das 'Oh-Oh-Oh-Oh' nach jedem 'Cantare...' klang, als ob ihm gerade jemand einen guten Witz erzählt. Er kannte den italienischen Text des Liedes auswendig.

Derweil räumte Mrs. Mop im Gemüsekeller und wurde vom Ohrwurm voll erwischt - obwohl in den Gemüsekeller keine Sonne scheint, außer an wenigen Tagen im Jahr. Selbst als der singende Pole und sein schweigender Kollege längst wieder weg waren, schmetterte sie noch Volare durch den Keller. Schmettern bei Kellerakustik ist einzigartig. Am liebsten mochte ich die Stelle mit dem 'Oh-Oh'.

Dann kam der andere italienische Feinkostlieferant, der mit den Scampi und den gefüllten Tomaten. Ich war gerade dabei, ein besonders schmalziges 'Volare... Oh-Oh' rauszuschmettern, da stand er plötzlich vor mir mit der gefüllten Tomatenkiste und schmetterte zurück: "Cantare... Oh-Oh-Oh-Oh". Und kannte - selbstredend - den Text auswendig. Die Kellerwände wackelten.

Cantare. Lauthals. Einfach so. Doremi. Weil Frühling ist. Oh-Oh.


2 Kommentare:

  1. das klingt total nach spaß - ich hab' jetzt auch 'nen ohrwurm, sitze also später 'volare, oh-oh, ...'-trällernd auf dem pferd :D. woher können die bloß alle den text?! scheint ja aber insgesamt eine tolle stimmung bei euch im restaurant zu sein - in verklemmter umgebung singt nicht mal ein getränkelieferant im keller, denke ich...

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  2. oh-oh, Dein Pferd wird wiehern vor Freude, garantiert!

    Die Italiener können den Text natürlich, der Song ist für die ja wie für die Deutschen 'Es gibt kein Bier auf Hawaii', oder so ;). Und warum der Pole - ich habe keine Ahnung. Er sang das ganz selbstverständlich.

    Sagen wir mal so: Selbst falls oben die Stimmung mal nicht so toll sein sollte, dann hebt sie sich unten mit Sicherheit bei dieser Beschallung. Mit anderen Worten, ist die Stimmung im Keller, sollte man schnurstracks in den Keller gehen. Nicht bloß zum Lachen, sondern auch zum Singen :).

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