Wenn alle Koalitionsverhandlungs-Stricke reißen, spielen Beteiligte gern die beleidigte Leberwurst.
Nein, damit ist nicht der rechts auf dem griechischen Koalitionsverhandluns-Sofa thronende, verknautscht wirkende PASOK-Parteichef Venizelos (links: Alexis Tsipras, der wohlgemut wirkende Vorsitzende der Koalition der Radikalen Linken Syriza) gemeint.
Vielmehr hat die derzeit deutlich verstimmte Troika aus EU, EZB und IMF gestern ihren für Mitte Mai angekündigten Besuch in Athen schmollend abgesagt. "Es wurden keine neuen Verabredungen getroffen." Aus der Schmollecke ließ "man" säuerlich verlauten, "man müsse wohl die politischen Entwicklungen in Griechenland abwarten".
Getretene Schlipse, wohin man schaut: Der rechts-konservative ND-Parteichef Samaras brach die Verhandlungen mit Tsipras bereits nach rekordverdächtigen 15 Minuten ab. Mit den vergrätzten Worten, er würde ja großzügig über eine Regierungsbildung verhandeln - schließlich ginge es um die "nationale Sicherheit" -, aber nur, wenn sich alle Beteiligten weiterhin der Troika an den Hals würfen, beziehungsweise sich deren Forderungen unterwürfen (also exakt das Gegenteil von Tsipras' politischer Verhandlungsposition), machte Samaras sich vom Sofa, dabei leberwurstelnd: "Mit mir nicht!"
Nicht fehlen durften die gebetsmühlenhaft wiederholten Mantras der im Dauer-B.L.(Beleidigte-Leberwurst)-Modus befindlichen deutschen Kanzlerin Angela Merkel, die mal wieder "betonte", an ihrer Haltung gegenüber Griechenland habe sich nichts geändert: Das Land dürfe ja ihretwegen gern in der Eurozone verbleiben, müsse aber, komme was wolle, an den strengen Auflagen der Troika festhalten und damit basta. Je starrer sich die deutsche Dompteuse an ihrer Haltung festklammert, desto elastischer scheinen die Griechen das mit dem Festhalten zu sehen. Und damit noch lange nicht basta, Frau Merkel.
Hochgradig beleidigt auch die Reaktion aus dem deutschen Kanzleramt auf den von Alexis Tsipras geäußerten Wunsch, sich mal mit der dortigen Amtsinhaberin zu treffen: Das vermessene Ansinnen des kontaktfreudigen Jungpolitikers wurde in den Staub getreten mit der vor Leberwurstfett triefenden Absage: "Die Kanzlerin trifft sich nur mit Staatsoberhäuptern und Regierungschefs." Wie heißt es immer? Beleidigte Leberwürste soll man so lange im eigenen Saft schmoren lassen, bis sie von allein platzen. Oder so.
War noch irgendwer beleidigt? Ach ja, richtig, die Finanzmärkte natürlich, aber das ist nun wahrlich nichts Neues. Das Eingeschnapptsein ist bei denen bekanntlich zum Dauerzustand geworden: Anders als bösartig zu knurren und mit gefletschten Zähnen nach demokratisch gewählten griechischen Hosenbeinen zu schnappen können die ja gar nicht mehr.
Gibt es eigentlich noch jemanden, der nicht beleidigt ist? Ich glaube fast, ja. Weil, wenn nicht alles täuscht und kein intriganter photoshoppender Anti-Euro-Bösewicht am Werk war, macht der Linke auf der linken Bildseite einen erfrischend unbeleidigten Eindruck. Während eines Päuschens inmitten des Verhandlungsmarathons hat er mal eben vom Sofa runter kurz getwittert:
"Die beiden (bisherigen) Koalitionsparteien prügeln unablässig auf uns ein mit der Gefahr, die uns drohe, wenn wir aus dem Euro aussteigen - ohne zu erwähnen, dass ihre Politik uns 75 Milliarden Euro gekostet hat!"
Heute geht's weiter auf dem Sofa. In Echtzeit zu verfolgen auf dem Athens News Live Blog, so informativ wie unterhaltsam.
zum glück wird bald neu gewählt. und neu gewählt. und neu gewählt. bis das gewünschte ergebnis rauskommt. so geht demokratie :-)
AntwortenLöschenKurzer, kluger Kommentar von Michalis Pantelouris.
AntwortenLöschenEine Schlagzeile zum Fürchten:
AntwortenLöschen"Die Schlagzeile, vor der sich alle gefürchtet haben"
Worum geht's?
Nach einer aktuellen Umfrage ist Syriza inzwischen die beliebteste Partei in Griechenland: von 16,8 % nach den Wahlen am Sonntag gestiegen auf 25 % am Mittwoch.
Angst essen Börsenkurse auf.
Arbeitslosigkeit in Griechenland weiterhin am Steigen.
AntwortenLöschenReuters:
"Greece's jobless rate hit a new record in February, underscoring the pain austerity policies required by the EU and IMF have inflicted on the debt-laden country which is struggling to form a government."
Übrigens ist die Arbeitslosigkeit dort am höchsten, wo die Anti-Bailout-Linkskoalition Syriza bei den Wahlen am Sonntag am besten abgeschnitten hat: in Athen. Welch ein Zufall.