Donnerstag, 17. Mai 2012

Grün starten, schwarz landen


Zweiter Tag von Blockupy Frankfurt, Zeit für eine Zwischenbilanz.

Zwar weiß keiner, was die nächsten Tage in dieser Stadt noch so alles passieren wird - aber wir Frankfurter sind ein hartgesottenes Volk, uns kann nichts so leicht erschrecken, und überraschen schon mal gar nicht. Weil, wir sind in Frankfurt ja einiges gewohnt. Gewöhnt haben wir uns vor allem an die Grünen in der Stadtregierung, weshalb uns deren straff geführte Law-and-Order-Politik zur Bekämpfung der überall lauernden Blockupy-Gefahren kein bisschen überrascht. Alles andere hätte uns vielmehr gewundert.

Gut, ein wenig haut es selbst uns abgebrühte Frankfurter schon aus den Latschen, wenn jetzt angesichts der allumfassenden Blockupy-Bedrohung die komplette Universität geschlossen wird - "jetzt drehe se völlisch dorsch!" ist der derzeit wohl am häufigsten zu hörende Kommentar von fassungslosen Frankfurter Bürgern, gefolgt von "da langst de dir bloß noch an de Kopp".

Wir ringen um Fassung, bevor wir sie verlieren. Dabei kommt uns dieser brilliante Artikel von 'gaukler' zu Hilfe, der uns erklärt, warum es überall grünt, so grün, wenn Frankfurts Grüne von der Leine gelassen werden:


Na, wir sind in Frankfurt ja einiges gewohnt, in den letzten Jahren, Jahrzehnten, da muß nicht erst Occupy kommen. Nicht dass uns eine CDU in der Landesregierung mit rechtsradikalen Traditionen sonderlich schocken würde, sie läuft schließlich seit Jahrzehnten rund. Auch ein Ministerpräsident erschreckt uns nicht wirklich, wenn er gleich eine ganze Abteilung von Steuerprüfern bei Frankfurter Banken als geistesgestört vom Dienst suspendieren lässt. Natürlich auch nicht, dass er direkt nach seinem Rücktritt in den Vorstand einer dieser Global Finance Player eintritt.

Und dass der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses dieser Finanzmarkt-Affäre als Berater für Hinterzieher von Kapitalertragssteuer arbeitet, naja. Das lässt uns in der deutschen Kapitale der Derivate und Hedgefonds einigermaßen kalt, so wie wir uns nicht wunderten, als Josef Ackermann zum Ehrenprofessor der Frankfurter Uni gekürt werden sollte. Bei uns am Main lernt man schließlich akademisch, wie sich die Risikooptimierung im Trading des globalen Nahrungsmittelmarkts – zum Beispiel – verbessern lässt.

Wir kennen ausserdem die Grünen im Römer als gefällige Regierungsfraktion in diesem Umfeld. Ein Trupp, der sich bei der OB-Wahl um den Law-and-Order Kandidaten Rhein – seines Zeichens CDU-Innenminister – schart, den Postenhoffnungen sei Dank. Solche grünen Posten finden sich etwa bei der ABG, dem kommunalen Wohnungsunternehmen mit 50.000 Wohnungen, das „gemeinnützig“ nur noch im Namen führt, natürlich. Und wenn dann einer der Grünen in dessen Führung gleich ganze Bewohnerschaften in sozialen Brennpunkten in den Wald verfrachten möchte, wundert uns das schon gar nicht, denn all das ist im Marsch durch die Institutionen nach Art grüner Realo-Politik doch zu sehr angelegt. Die stammt schließlich aus Frankfurt, und verschaffte einigen mehr oder weniger prominenten Gang-Mitgliedern richtig lohnende Jobs.

Und als es vor ein paar Jahren im Angesicht des großen Absturzes allerorts hieß, dass jetzt endlich ein paar Schranken für die Banken kommen, da haben wir hier vor Ort nur gegrinst, weil alle Kenner die Folgelosigkeit solcher Medienmärchen kannten, und bezüglich der „Opposition“ doch schon jede Thekenhilfe rund ums Westend weiß, dass die sich gelegentlich plusternden Grünen das Deregulierungsspiel der Finanzmärkte eifrig mit angeschoben haben.

Das ist etwa der Stand bis letzte Woche.

So dachten wir hier in Frankfurt unsere Pappenheimer zu kennen. Dass aber die Grünen in der Römer-Regierung inzwischen nicht mehr davor zurückschrecken, fast eine Woche lang das Frankfurter Bankenviertel zur Sperrzone zu erklären, schlicht eine Art Bannmeile für die EZB und die Deutsche Bank AG wie um ein politisches Herrschaftszentrum herum zu deklarieren, dabei vier Tage an Podiumsdiskussionen, Vorträgen und Musikveranstaltungen, ja selbst die Mahnwache der braven „Ordensleute für den Frieden“ zu verbieten und die Stadt in ein paramilitärisches Aufmarschgebiet zu verwandeln, da bleibt sogar vielen von uns erfahrenen Frankfurtern der Mund offen stehen.

Und wenn Frankfurter dann noch hört, dass auf Anraten der Behörden wegen der umfassenden Bedrohung gleich die ganze Universität für die nächsten Tage geschlossen wird, dann fällt er sofort wieder zu – „die drehn hohl“ wie´s hier so schön heißt.

Die tagelange Sperrung einer Stadt für politische Diskussionen, für substantiellen Diskurs, deren polizeiliche Durchsetzung und schließlich sogar das Verbot einer Kundgebung für das Recht auf freie Meinungsäusserung völlig unabhängig von “Blockupy” hat es wohl in Deutschland seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben, selbst nicht unter den aggressivsten Law-and-Order Regierungen irgendeiner Großstadt.

Es fragen sich auch viele Sympathisanten der Grünen vor Ort, die noch ein bißchen über das lokale Ökoangebot und den neuen Fahrradstreifen hinaus denken, was aus einer derartigen (Regierungs-)Partei geworden ist, die selbst zivilgesellschaftliche Diskurse im öffentlichen Raum mit einem Repertoire staatlicher Gewalt beantwortet und dazu passende Stimmungen sogar noch klandestin anheizt.

Nur mit solcher Rückendeckung kann ein Frankfurter CDU-Ordnungsdezernent feist verkünden, dass das 250 Quadratkilometer große Frankfurt wieder betretbar sein wird, weil nämlich die Blockupy Zelte, Bühnen und Stände der 100 Organisationen von Attac über Gewerkschaften bis zu den Pfadfindern an der Taunusanlage – vielleicht ein halber Frankfurter Quadratkilometer – polizeilich strikt unterbunden werden.

Was bleibt als Resümee: die Sonntags-Reden von der „Postdemokratie“ betreffen tatsächlich die Grünen selbst: ihre Parteispitzen sind aktive Akteure solchen autoritären Spiels. Da können sie sich noch so sehr hinter ihren mediengerechten Aufregern verbergen, die sie gelegentlich betreffend Hausarresten im fernen China oder Platzverboten in Rußland ins Land streuen – geht ja ganz leicht.

Bei uns wird ein anderes Lied geträllert und wir wundern uns in Frankfurt, welche Illusionen über Grüne Regierungsbeteiligungen in Deutschland existieren, über diese armseligen Pudel der Finanzbosse.


Mir sind einige Grüne in Frankfurt bekannt, die sich bei der Lektüre dieses Artikels schwarz ärgern würden. Das sind aber Ausnahmen. Die meisten stecken so eine bravouröse Beschimpfung locker weg. Weil, die Grünen in Frankfurt sind schon ein hartgesottenes schwarzes Völkchen. Das hat auf den Rest der Frankfurter abgefärbt. Nicht das Grüne, nicht das Schwarze, sondern das Hartgesottene.

Nur, mer greift sisch dieser Taache halt scho an de Kopp, gelle.

2 Kommentare:

  1. Schlimm, schlimm, schlimm, heute gab es die erste Sachbeschädigung. Irgend so ein verantwortungsloser Chaot hat in Bockenheim einen Mannschaftswagen in Mitleidenschaft gezogen. Fairerweise sollte man vielleicht hinzufügen, dass der verantwortunglose Chaot auch einen Mannschaftswagen fuhr. Jetzt übernimmt die Polizei nicht nur das Blockieren, sondern auch noch das Demolieren.

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  2. "Jetzt übernimmt die Polizei nicht nur das Blockieren, sondern auch noch das Demolieren."

    ... und das auf der Sonnenseite des Lebens.

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