Dienstag, 29. September 2009

Phantomlächeln


Kaum sind die Wahlen entschieden, fällt die Bundeskanzlerin aus dem Rahmen. Sie hat sich vom schmuddeligen Straßenambiente des Wahlkampfes emanzipiert; jetzt kann sie es sich leisten, ihre Botschaft via schickem Hi-Tech-Werbeträger zu versenden. City Light nennt sich dieses Reklamevorführgerät, glaube ich: hinterleuchtete, hinter Glas geschützte Werbeflächen im innerstädtischen Bereich. Hier in der XXL Variante, wo verschiedene Plakatmotive durch Rotation abwechselnd gezeigt werden. Macht natürlich mehr Staat als all jene vorgestrigen Popelplakate. Frau Merkel hat jetzt für sich einen neuen Rahmen gefunden, und in demselben will sie wohl bleiben.

Nur, dieses grüne Jackett kommt wirklich hammerhart. So rein optisch jetzt. Ich meine, so mitten in der Nacht und von hinten beleuchtet ist das schon ein ziemlich unbarmherziges Grün. Die Kanzlerin wird ja ganz langsam von oben nach unten ins Bild gescrollt, also taucht als erstes der fette Balken Kanzlerin auf, hellfroschgrün unterlegt. Dann schiebt sich behäbig der grüne Oberkörper samt grünen Schultern mit auf den Bildschirm und macht Anstalten, dort zu bleiben.
Frau Merkel strahlt mich an, ich schaue ernst zurück, Frau Merkel strahlt mich weiter an, ich denke: Na, nun mach' schon! Für eine kurze Zeitspanne bleiben ihr Gesicht und Oberkörper im edlem Silberrahmen stehen; um genau zu sein, eine gefühlte Ewigkeit. De facto dürften es etwa drei Sekunden gewesen sein. Dann wandert die Kanzlerin langsam nach unten - Abgang Merkel, Auftritt Automobilindustrie.

Das Ganze vollzieht sich sehr gemächlich, niemand drückt aufs Tempo, Frau Merkel hat Zeit, es geht ums Beharren, ums Bleiben, darum, dass das optimistische hellfroschgrüne Lächeln möglichst lange präsent bleibt, bevor es von dem großen roten Auto nach unten weggeschoben wird. Logischerweise verschwindet bei diesem Abwärtsscroll zuerst der Mund und mit ihm das Lächeln aus dem Gesicht Merkels.

Einen Wimpernschlag lang sind nur noch die Augen zu sehen, und plötzlich scheint aller Optimismus wie weggewischt aus dem Gesicht. Diese Augen haben beschlossen, das Lächeln dem Mund zu überlassen. Aber auch das geht vorbei. Das dicke rote Ding ist stärker.

Bisschen gespenstisch, das Spektakel, um kurz vor sechs in der Frühe. Zu dem ganzen Wahlspuk rät mir Rebhuhn, mich mit Knoblauch zu immunisieren. Ich gehe jetzt ein paar Knochblauchzehen schälen.

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