Oh, wie lustig das bunte Herbstlaub durch die linden Lüfte wirbelt! Ist es nicht eine Freude? Jeden Tag lese ich eine dieser launigen Meldungen im Lokalteil über die frühlingshaften Temperaturen, dank derer die Menschen ihre eigentlich anstehende Herbstdepression noch eine Weile vor sich her schieben können (ich ja auch); extrem mild sei er, der Übergang vom Spätherbst in den Advent - wann öffnen nochmal die Weihnachtsmärkte? - egal, alle streben leichtgeschürzt in die Straßencafés, gehen spazieren wie die Weltmeister und erfreuen sich an den subtropischen Luftmassen, welche wiederum für viel frischen Wind sorgen und, siehe oben, das Laub so lustig wirbeln lassen.
Sehr lustig, dieses Laub. Noch. Denn noch hat der große Dauerregen nicht eingesetzt, den die Meteorologen ankündigen. Aber er wird kommen, und dann ist Schluss mit lustig, dann wird's pampig auf den Straßen - namentlich auf den Radwegen. Seit Tagen ist in den frühen Morgenstunden zu erleben, wie gewaltige Laubmassen von den Straßen auf die Radwege gekehrt werden, gern auch auf die Fahrradspur am Rande der Straße. Weil, irgendwo muss das ganze Zeug ja hin, sehe ich ja ein. Nur, warum es dort auch liegen bleiben muss, sehe ich weniger ein.
Mittlerweile will mir scheinen, es steckt ein Plan dahinter. Jeden Morgen pflüge ich durch feinsäuberlich aufgetürmte Laubberge, danke inständig dem Herrgott, dass er es noch nicht hat dauerregnen lassen, und jeden Mittag, wenn ich dieselbe Strecke zurückfahre, hat der stürmische Wind das zusammengefegte Laub wieder, nun ja, in alle Winde verweht. Will sagen, die Blättermassen nehmen nicht ab, sondern zu, weil das aufgehäufte Laub einfach liegen bleibt, neues Laub herabfällt, Winde kommen, Winde gehen, undsoweiterundsofort. Echt lustig, das.
Auch heute früh begegneten mir wieder ein paar laubkehrende Mitarbeiter der Stadtreinigung (ist die überhaupt noch kommunal organisiert? Oder bereits privatisiert? Teilprivatisiert? Oder in den Händen irgendeiner dubiosen sogenannten Beschäftigungsgesellschaft? Ach, man weiß so vieles nicht...). Wie jeden Morgen häuften sich die Häufchen zu Haufen. Ich - auf der Sinnsuche - bremste und fragte den netten jungen Mann mit dem Riesenbesen, was das für einen Sinn habe: Jeden Morgen Häufchen zu Haufen häufen, liegenlassen und am nächsten Morgen dasselbe Spiel von vorne. Wieso, wollte ich von ihm wissen, werde das Zusammengefegte nicht zweckmäßigerweise abtransportiert?
Weil, antwortete der nette junge Mann, "die kein Geld haben, die sind doch alle pleite". Zum Abtransport, fuhr er fort, brauche man genügend Spezialfahrzeuge, Laubgebläse und -gesauge und derlei Teures mehr, und dafür sein halt kein Geld da. Leuchtete mir ein. Wer hätte noch nie von klammen kommunalen Kassen gehört?
Nicht einleuchten wollte mir dagegen, wieso dann Geld da sei für sinnloses Laubfegen? Teure Personalkosten, für nix und wieder nix? Da lachte der junge Mann lustig - oder war es ein bisschen zynisch? - und sagte: "Wieso teuer? Die kriegen doch sogar noch was dafür!" Ich guckte begriffsstutzig - mitunter stehe ich ganz fürchterlich auf dem Schlauch -, worauf er einen Daumen senkrecht in die Höhe hob und schief grinsend erklärte: "Ein Euro, mehr is' nich'." Ach so. Subventionierte Beschäftigungsmaßnahme. Der Groschen fiel.
Das Grinsen des Ein-Euro-Jobbers wurde ein klein wenig bösartiger. "Irgendwie müssen die ja unter die versprochenen drei Millionen kommen", womit er auf die Arbeitslosenquote anspielte. Ich verstand, wenn auch unter Schmerzen in den Gehirnwindungen: Da fegen Langzeitarbeitslose Tag für Tag Laubberge zusammen, die dann vom Wind wieder auseinandergefegt und von den Beschäftigten (!) wieder zusammengefegt werden, bis der Wind die Laubberge wieder auseinanderfegt, undsoweiterundsofort - Hauptsache, sie, die Beschäftigten, sind aus der Statistik gefegt. Heiliger Strohsack.
"Heißt ab nächstem Jahr anders. Heißt ab 2011 Bürgerarbeit", setzte der nette junge Mann hinzu, "tolle Idee, was? Auf dem Mist der Arbeitsministerin gewachsen." Sarkastisch hob er beide Daumen in die Höhe.
Ich sehne den Tag herbei, an dem der Arbeitsministerin die Besen um die Ohren fliegen.
"Ich sehne den Tag herbei, an dem der Arbeitsministerin die Besen um die Ohren fliegen." bis dahin iss die Tusse doch schon längst Kanzleuse (falls Gutti der Gegelte nich dazwischen kommt, oder Rötti - der kann zwar gut reden, gibt aber immer die linke Hand, rechts trägt er die Keule) - gewählt von deutschen Menschen!
AntwortenLöschenZu dieser Politik fällt mir nur noch "schräge" Musik ein: Genauso beeindruckend wie hier bei Charles Ives die Pianisten zusammen wirken, wirkt die Tigerente mit Ihren Zulieferern von Bertelsmann, dem Ifo, dem INSM und uns, als Wahlvolk, zusammen. Was geht uns auf'n Senkel? Richtig: Ives!!
Jessas, was 'ne Nervmucke. Dann schon lieber Traktormusik...;)
AntwortenLöschen"Jessas, was 'ne Nervmucke" Ich hatte gewarnt! Zum Trost etwas romantisch schönes.
AntwortenLöschenSehr schön, für Nerven wie Seele. Danke.
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