Dienstag, 29. Juni 2010

Heiß und kalt


Nach gelungenem Auftakt wurde der Tag immer cooler.

Nachdem ich vor der ersten Hitzewelle des Tages ins Kühlhaus geflohen war, hörte ich die Lieferanten im Keller rumoren. Zur Zeit ist der Keller ein beliebter (weil kühler) Austragungsort für Meinungsverschiedenheiten betreffs Fußball-WM; bei einem multiethnischen Lieferantenkreis ein durchaus heftiger Schlagabtausch. Der Gemüse-Marokkaner war Feuer und Flamme für Ghana ("Ich bin Afrikaner!"), der Getränke-Pole verteidigte Deutschland bis aufs Messer ("Schließlich lebe ich in Deutschland!"), worauf der deutschstämmige brasilianische Bierlieferant die Nase rümpfte und seinen Favoriten - nein, nicht Brasilien - Argentinien ins Feld führte ("...sind die einzigen mit einem gescheiten Torwart!").

Meine inzwischen bekannte persönliche Vorliebe für Ghana fand der Marokkaner zwar sympathisch, aber unverständlich ("Da machst du dir keine Freunde unter den Deutschen!"). Der Pole und der Brasilianer schüttelten nur mitleidig den Kopf und meinten "typisch Frau", was immer sie damit meinten.

Richtig hitzig wurde es erst, als Frau Übermop sich einschaltete und stimmgewaltig verkündete: "Madonna ist das Allerletzte!" Nun genießt Frau Übermop als Fußballexpertin allergrößten Respekt bei den Lieferanten, denn beim tagtäglichen Fachsimpeln kann ihr keiner das Wasser reichen, selbst wenn ihr dabei gern der eine oder andere Versprecher entrutscht. Madonna also, befand Frau Übermop im Brustton der Überzeugung, sei das Allerletzte.

Der Pole schaute den Marokkaner an, der Marokkaner schaute mich an, und alle schauten wir den Brasilianer an. Keiner von uns verzog eine Miene, obwohl uns das Lachen bis zum Halse stand. "So, so", antwortete der Brasilianer endlich, indem er sich vor Frau Übermop aufbaute, "das Allerletzte, findest du?" "Das Hintervorletzte", schnaubte sie zurück, "schau ihn dir doch an. Wie kann man sich nur so gehen lassen!" Der Brasilianer bekam gefährlich verengte Augenschlitze und eine etwas rötere Gesichtsfarbe. "Argentinien wird gewinnen", stieß er fast drohend aus, "einfach weil die Argentinier gut sind, verstehst du, so gut wie die Argentinier ist keine andere Mannschaft." Frau Übermop musterte ihn von oben bis unten und sagte schließlich versöhnlich: "Du hast recht. So gut im Foulspiel wie Argentinien ist keine andere Mannschaft."

Worauf der Brasilianer die Augen nach nach oben verdrehte und empathisch "Madonna!!" ausrief. Man wusste nicht so recht, ob es ein Fluch oder ein Gebet oder die Anrufung des argentinischen Trainers war. Er verlangte nach einem kalten Getränk. "Man sollte sich bei dem Wetter nicht allzu sehr aufregen", meinte Frau Übermop freundlich, als sie ihm eine große kalte Cola hinstellte.



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen