Samstag, 16. März 2013

Vorsicht, Wirtschaftsschädlinge!


Ach, es könnte alles viel einfacher sein auf dieser Welt. Wie viele Krisen wären mit einem Schlag beendet, wie viele Probleme gelöst, wenn nur endlich, endlich das eine, das einzige, das alles verursachende Problem aus der Welt geschaffen wäre! Nämlich dieses leidige Problem mit der menschlichen Arbeit.

Also, nicht die menschliche Arbeit selbst, die soll natürlich keinesfalls aus der Welt geschaffen werden, wo kämen wir da hin, nein, es sind vielmehr die leidigen Kosten, die diese menschliche Arbeit verursacht, und die sind einfach viel zu hoch, diese Kosten, die kann sich ja kein Mensch mehr leisten zu bezahlen, weshalb sich kein Mensch wundern darf, dass das mit der Krisenbewältigung nichts wird und das mit der Eurorettung schon gar nicht, weswegen EZB-Präsident Mario Draghi jetzt endlich mal in die Vollen gegriffen und "die Führer der Eurozone belehrt" hat, nämlich über das Problem der zu hohen Arbeitskosten.

Ja richtig, belehrt hat er sie. Einen Late-Night-Crashkurs hat er ihnen verabreicht. Am späten Donnerstagabend um 23 Uhr. Volles Haus in Brüssel. Alle 17 Eurozonenführer saßen wie gebannt. Endlich sprach es mal einer aus:
"Die hohen Arbeitskosten sind schädlich für die Zukunftschancen der Eurozone."
Hoher Konsensfaktor bei den Zuhörern: Es gab keine Gegenrede. Alle waren sich einig, dass Draghi den Nagel auf den Kopf getroffen habe und endlich etwas getan werden müsse. Also runter mit den Arbeitskosten. Zwar schwieg sich Draghi aus über die hohen Arbeitskosten von Spitzenbankern, wurde aber auch von keinem der Anwesenden danach gefragt, weil, wer will schon einen harmonischen Gipfelkonsens inkommodieren?

Auch Eurozonenführerin Merkel zeigte sich schwer angetan von Draghis problemlösungsorientierter Power-Point-Parade. Wenn Frau Merkel etwas "sehr interessant" findet, dann weiß man, die Frau hat Feuer gefangen; lässt sich doch mithilfe der von Draghi erteilten Lektion die so gnaden- wie alternativlose Austeritätspolitik noch weiter schüren, denn, so Merkel, nicht etwa die Austeritätspolitik - nein! - sondern
"... die (zu hohen) Löhne sind verantwortlich für die hohe Arbeitslosigkeit heutzutage."
- nicht umsonst ist das Vorzeigemodell Deutschland, in dem niedrige Löhne zu niedriger Arbeitslosigkeit führen, im Begriff, international Furore zu machen.

Dass zu hohe Löhne schädlich für die Wirtschaft und darum ein Problem sind, das schleunigst gelöst gehört, hat jetzt auch das House of Lords - das Oberhaus des britischen Parlamentes - geschnallt. Das Oberhaus verfügt nämlich über eine eigene Kantine, also eine Art Szene-Wirtschaft, in der sich die Lords nach Herzenslust satt essen und gern auch mal einen über den Durst trinken können. Peers' Dining Room nennt sich das noble Etablissement, wo die Lordschaften (unter ihnen viele Millionäre) verköstigt werden.

Und zwar zu stark vergünstigten, das heißt steuerlich subventionierten Preisen, denn offenbar können Spitzenparlamentarier es sich nicht leisten, ein Mittagsgericht oder ein abendliches Besäufnis komplett aus eigener Tasche zu bezahlen - völlig unzumutbar bei einem mageren Taschengeld ("Anwesenheitsentschädigung") von 300 steuerfinanzierten Pfund pro Tag - weshalb jeder Oberhauslord eine wöchentliche Fress&Sauf-Zulage von 83,90 steuerfinanzierten Pfund erhält.

Neidisch, anyone? I wo, warum sollte so ein betuchter Oberhauslord leben wie ein Hund? Eben. Wenn schon leben wie ein Hund, dann bitte die anderen, die Underdogs im Oberhaus, die wirtschaftschädigenden Köche und Kellner und was sonst noch so kreucht in Küche und Keller, weil, you know, es muss nun mal gespart werden, it's the austerity, stupid, you know, and you're the stupid, didn't you know?

Unter der Überschrift:
Dem Küchenpersonal des House of Lords werden die Löhne gekürzt, um den Adligen weiterhin das subventionierte Speisen zu ermöglichen
ist zu erfahren, dass - wie üblich - "wir alle" den Gürtel enger schnallen müssen, allen voran das Küchenpersonal, denn die steuersubventionierten Wirtschaftskosten des Peers' Dining Room gelten als zu hoch unter der Prämisse, dass Ihre Lordschaften bitte weiterhin für einen (steuersubventionierten) Appel und ein (steuersubventioniertes) Ei gastronomisch verpflegt werden wollen. Zwar ließ der hochhäusige Adel nichts unversucht -
Ein Sprecher des House of Lords sagte: "Das House of Lords prüft sämtliche Optionen, um die Kosten für den Steuerzahler aus dem Bewirtungsbetrieb zu reduzieren."
- kam dann aber, nach Prüfung sämtlicher Optionen, doch zu dem Schluss, dass es die kochenden und kellnernden Spitzenverdiener (mit 8,55 Pfund Stundenlohn) seien, die die Bewirtungskosten für den Polit-Adel über Gebühr in die Höhe treiben und darum gekappt werden müssen. Ein freundliches Rundschreiben klärte die Kantinenbelegschaft auf, wer der Dumme sein werde - it's you, stupid! -
"Wir hoffen mit diesem Schritt auf gute Zusammenarbeit und dass sich so die erforderliche Reduktion an öffentlich verwendeten Steuergeldern erzielen lässt."
Na bitte, geht doch, wer sagt's denn? Arbeitskosten runter, Wirtschaft läuft, Problem gelöst.

Die Köche und Kellner sind über die Problemlösung, wie es heißt, not amused. Was tun? Streiken? Wird diskutiert. Oder einfach gute Miene zum bösen Spiel machen? Trotz Hungerlohn den hungrigen Lordschaften das verbilligte Essen servieren? So tun als ob nichts wäre? Mit freundlichem Gesicht?

Warum nicht. Noch weiß niemand, ob und wie sich das Personal von Peers' Dining Room zur Wehr setzen wird. Eins weiß ich aber mit Sicherheit: Wäre ich einer dieser raffzähnigen Lords, würde ich mir gut überlegen, wo ich künftig zum Essen und Trinken einkehre. Sehr gut überlegen würde ich mir das. Und unter Umständen einen großen Bogen um Peers' Dining Room machen.

Weil, unter Umständen sitzt ein geknechtetes Personal am längeren Hebel. Nicht nur in der Gastronomie. Dort aber besonders. Mahlzeit.

6 Kommentare:

  1. Aus dem Vorwort von "fight club":

    »Margaret Thatcher hat mein Sperma gegessen.« Er hob eine
    Hand, alle Finger gespreizt, und sagte: »Mindestens fünfmal ..."

    Ein Kellner zu Chuck Palahniuk bei einer Signierstunde.

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    1. Gastronomische Rache ist süß und kennt von subtil bis grausam alle Nuancen. Die Thatcher-Variante war mir neu - böse, aber gut :))

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    2. "Wir kochen euer Essen, fahren eure Krankenwagen, holen euren Müll ab, wir stellen eure Anrufe durch... WIR.BEWACHEN.EUCH,WENN.IHR.SCHLAFT. Versucht nicht, uns zu verarschen....!"
      ("The people you are after are the people you depend on. Do not fuck with us!" )
      Kam mir letzt beim Streik des Sicherheitspersonal in den Sinn.
      Fußpilz oder Weißer Trüffel? Das ist hier die Frage.

      Die sind aber auch etwas altbacken, was das Ausbeuten angeht, auf der Insel. Dabei hat Schwarzgeld in NDS doch vorgemacht, wie man ein ordentliches Betrugssystem aufzieht:

      http://www.direkteaktion.org/216/klinisches-geisterpersonal

      " 'Verrückt' würde es aber wohl erst erscheinen, wenn in der Psychiatrie Tätige anfingen, ihre imaginären KollegInnen auch zu grüßen."

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    3. Macchiavelli lesen ist nie verkehrt:

      "Wenn du schon meinst, den Leuten eine reinwürgen zu müssen, dann mach es so, dass du ihre Rache nicht befürchten musst" (oder so ähnlich) - weil, sonst war's das mit dem weißen Trüffel.

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  2. "[...]um die Kosten für den Steuerzahler aus dem Bewirtungsbetrieb zu reduzieren."

    Danke, ihr Altruisten, dass ihr immer nur an uns denkt.
    Ich habe mich köslichst amüsiert :D

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  3. die Köche und Kellner werden denen hoffentlich wenigstens oft in die Suppen und sonstigen Speisen reinrotzen....und dann..."Guten Appetit....

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