Samstag, 7. November 2009

Deutsch-Deutsches


Alle reden vom Mauerfall. Ich auch. Obwohl mir aus dem Stand heraus wenig dazu eingefallen wäre, bis ich auf diese Perle stieß. Aus Anlass des sich zum zwanzigsten Mal jährenden Falls der Berliner Mauer macht sich der Autor Bonanza auf die Suche nach deutsch-deutschen Gemeinsamkeiten. Er wird fündig in einem gemeinschaftsstiftenden Aufsatz über "Anredeformen in der DDR-Soldatensprache"; erschienen ist dieses kulturhistorische Juwel in einer wissenschaftlichen Publikation mit dem Titel "Militär, Staat und Gesellschaft in der DDR", und zwar im Jahr 2004.

Klingt ziemlich trocken bis jetzt, wird aber gleich saftiger. Bonanza erklärt uns nach Lektüre des Aufsatzes die hierarchischen Feinheiten jener "Anredeformen", vulgo Verbalattacken. Weil, zimperlich ging es unter den Soldaten jenseits der Mauer wohl nicht zu, hätte einen als BRDler auch gewundert, denn:
Während die Vorgesetzten untereinander zu einem freundlichen Umgangston neigten, der uns auch aus den Fußgängerzonen der BRD vertraut ist ("alte Granate"), herrschte im Umgang mit den unteren Dienstgraden ein rüder Ton. So galt als "besonderer Spaß", um den Soldaten ihre "Bedeutungslosigkeit klarzumachen", die Begrüßungsformel: "Achtung! Stillgestanden! Ganze Abteilung kehrt! Bücken! Morgen, ihr Ärsche!"
Also, jetzt aber! Stillstehen, umdrehen, bücken...ist ja schon gewagt, oder? Und dann Morgen, ihr Ärsche - ist ja eine nicht unpikante, um nicht zu sagen frivole Anredeform auf einem Kasernenhof. Haben die gewusst, was sie da sagten, damals? Sagen sie es heute immer noch, wenn ja, wo? Im Osten oder im Westen? Hüben wie drüben? Oder nur an ausgewählten Standorten? Solche mit Mauern zum Abstützen beim Sichbücken? Man steht ja als Frau ein bisschen außen vor bei dem Thema.

Jetzt aber etwas in eigener Sache. Von Bonanza erfahren wir:
Als "Kotzer" wurden Soldaten des zweiten Diensthalbjahres bezeichnet, weil sie, so der Autor, "besonders viel Anlass zu Ärger und Verdruss hatten, daher auch die Bezeichnungen Zwischenkotzkübel, Zwischenkotzlappen, Zwischenkotzcontainer" nebst zahlloser Derivate, "die sich wohl nur durch die Lust an sprachlich produktiver Betätigung erklären lassen". Pars pro toto möchten wir uns auf "Keimkotzkübelübeldübel" beschränken.
Das schlägt nun wirklich dem Fass den Boden aus, vielmehr dem Eimer den Henkel ab. Kübel, Lappen, Container - Grundbegriffe aus dem systemübergreifenden Wörterbuch einer Putzfrau. Kübel, Lappen, Container und jedes Mal zwischenmenschlich davorgekotzt - Beschimpfungen aus dem Wörterbuch des deutschen Arbeiter- und Bauernstaates. Ganz schön proletarierfeindlich, irgendwie.

PS: Keimkotzkübelübeldübel. Das Wort gehört lebendig eingemauert. Und mit Keimkotzkübeln festgedübelt.

2 Kommentare:

  1. *lach* Das fällt für mich alles in die Rubrik: Was sie nie über ihre Heimat wissen wollten! :D

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  2. ...aber unbedingt wissen sollten ;), weil, das ist ja schon schwer horizonterweiternd. Jedenfalls für einen Wessi :).

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