Donnerstag, 22. Juli 2010

Kratzspuren


Es kam, wie es kommen musste.

Heute früh empfing Frau Übermop mich mit den Worten: "Wie siehst du denn aus?", und ohne eine Antwort abzuwarten (macht sie gerne), bohrte sie weiter: "Warst du mit dem Brasilianer im Urwald oder was?" Ist jetzt nicht exakt das, was mich morgens um sieben Uhr in Stimmung bringt. Ich bewahrte Haltung und sagte: "Ich war in den Brombeeren", was von Frau Übermop entwaffnend quittiert wurde mit: "Im Urwald gibt es keine Brombeeren." Gegen die Übermop'sche nichtlineare Logik bin ich machtlos.

Eine Stunde später fragte mich der brasilianische Bierlieferant: "Wie siehst du denn aus?", und er wirkte fast ehrlich betroffen dabei, aber eben nur fast, denn nachdem ich ihm geantwortet hatte: "Ich war in den Brombeeren", drehte er voll auf: "Wie, ohne mich? Du weißt doch, dass ich dir das verboten habe!" Auch dies ein Gutelaunemacher erster Güte.

Wieder eine Stunde später erschien ein Geschäftsführer, schaute mich erschrocken an und fragte: "Wie siehst du denn aus?", und ohne eine Antwort abzuwarten (macht er gerne), fragte er weiter: "Hattest du dich mal wieder mit Frau Übermop in der Wolle?" (was öfter vorkommt als es hier im Blog Erwähnung findet). Nicht ohne Mühe bewahrte ich Haltung und brummte so etwas Ähnliches wie "schon gut, die einen gehen in die Oper, die anderen in die Brombeeren", was, wenn nicht alles täuscht, der Geschäftsführer witziger fand als ich.

Vor einer halben Stunde war ich in meinem kleinen Supermarkt in der Nachbarschaft, um Gelierzucker zu kaufen (heute war zweite Ernte, ich sag' jetzt nicht, von was). Der Besitzer, ein Bosnier (er kennt mich inzwischen), schaute mich neugierig an, schwieg aber. An der Kasse standen zwei Frauen zum Bezahlen, die eine mit Kopf-, die andere mit Ganzkörpertuch, und beide musterten mich verhohlen aus den Augen- oder besser Tuchwinkeln, schwiegen aber.

Irgendwie ging mir das Schweigen im Laden noch mehr auf den Wecker als die Fragerei im Restaurant. Ich tippte auf den Gelierzucker und dann auf meine zerkratzten Arme, die Miene des Bosniers hellte sich schlagartig auf, strahlend rief er: "Ahh!, ...", es folgte ein fremdländisches Wort, zu dem er sich genüsslich mit der flachen Hand den Bauch rieb, "Marmelade bleibt, das da" - er zeigt auf die Kratzer - "das da vergeht wieder, schneller als du Marmelade essen kannst!"

Ich fühlte mich verstanden. Die Damen in Tuch schwiegen weiter.

Nächstes Mal gehe ich mit Burka in die Brombeeren.

*

Noch was.

Hat absolut nichts mit Brombeeren zu tun, mich aber ebenfalls den ganzen Tag verfolgt: Soul Shadows. Gesungen von dem wundervollen Nils Landgren, der überhaupt nicht singen kann und wundervoll singt. Wenn er nicht gerade Posaune bläst; eine rote Posaune übrigens. Ich singe das Lied schon den ganzen Tag, keine Ahnung warum. Es wird schon einen Grund dafür geben. Soul shadows. On my mind.

1 Kommentar:

  1. ich kenne solche tage :-/. da ist es dann irgendwann auch fast egal, wenn wieder jemand nett ist ;). - danke für den link zur musik-such-maschine!!

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