Sonntag, 18. Juli 2010

An die Wäsche


Benjamin!
Ich hab' nichts anzuzieh'n!
Mein letztes Kleid ist hin.
Ich bin so arrrm.
Heute ist Waschtag. Unbedingt. Sonst habe ich nichts mehr zum Anziehen. Zwei Maschinen, eine für hell, eine für dunkel. Ist jetzt kein besonders prickelndes Thema für ein Posting, aber was soll man machen, auch die schnöden Niederungen des Alltags wollen durchschritten sein, also rein mit der schmutzigen Wäsche, denn sonst habe ich nichts mehr zum Anziehen.

Was natürlich kackdreist übertrieben ist von mir; es wäre noch mehr als genug da zum Anziehen. Wäre. Fakt ist aber, dass ich darauf keine Lust habe. Ich mag nur die Sachen anziehen, die jetzt nicht gehen, eben weil sie in der Schmutzwäsche sind. Ist jetzt auch kein besonders selten auftretendes Phänomen, aber heute habe ich mich zum ersten Mal bewusst damit beschäftigt, während ich die Wäsche auseinandersortierte, hell rechts, dunkel links.
Im roten Crèpe de Chine
kann ich doch nirgends hin.
Dass Gott erbarm'.
Tatsächlich, es hängen saucoole Klamotten im Schrank, zwar nicht aus Seidenkrepp, aber anziehen mag ich sie trotzdem nicht und nirgends hingehen mit ihnen erst recht. Ich ließ die Bügel durch die Finger gleiten und stellte fest, dass vieles, was ich noch vor ein paar Jahren begeistert am Leib getragen habe, mir heute immer noch gut gefällt, aber am besten auf dem Kleiderbügel. Zum Anziehen wäre es mir zu...ich suchte nach einem Wort, und alles, was mir einfiel, war: zu anstrengend.

Zu anstrengend, diverse Ober- und Unterteile probeweise miteinander zu kombinieren zwecks Erreichen des optimalen Outfits. Früher hat mich das nicht angestrengt, sondern, tja, wieder suchte ich nach einem Wort, aber alles, was mir einfiel, war: Ich fand die ganze Aufschnatzerei halt früher nicht anstrengend. Vermutlich habe ich es sogar gerne gemacht. Doch, so muss es wohl gewesen sein, nur kann ich mich eben nicht mehr daran erinnern.
Benjamin!
Das musst du auch ver-ste-hen,
Benjamin!
Ich kann ja nackt nicht ge-hen!
Stück für Stück schaute ich mir die Teile an, die ich in die Maschine stopfte, meine Basic-Garderobe also, meine Lieblingsstücke, ohne die ich weder das Haus verlassen noch drin bleiben mag: T-Shirts in Unmengen, vorzugsweise XXL (nein, die letzten Jahre haben mich nicht zugefettet, meine Konfektionsgröße liegt immer noch am anderen Ende der Skala) und vorzugsweise alt, wobei die T-Shirts nicht wirklich alt sein müssen, aber keineswegs neu aussehen sollten, alles andere führt zum Ausschluss.

Kurze Hosen, ein paar Jogginghosen, Jeans, was sonst. Trug ich je etwas anderes als Jeans? Gegencheck vor dem Schrank: Ich besitze un-glaub-lich viele Hosen, was mich jedoch (in besseren Zeiten) nicht davon abgehalten hat, mir alle Naselang eine neue Hose zu kaufen. Da liegen sie nun gestapelt, und das einzige, was mich interessiert, sind Jeans, und zwar immer dieselben zwei, drei Stück; die restlichen gefühlten zwanzig lassen mich kalt - sie passen, sie sitzen perfekt am Hintern, sie schauen saucool aus, aber sie sind mir zu anstrengend. Irgendwie.
Benjamin!
Hab' ich nichts anzuziehn,
nehm ich mein Negligé
und geh.
Dazu muss man wissen, dass als Negligé früher (also ganz früher, also lange vor meiner Zeit) das galt, was das Wort tatsächlich bedeutet: ein vernachlässigter Outfit. Denn - nein, auch zum Schluss wird es nicht prickelnder - im späten 17. und 18. Jahrhundert wurde "jede nicht-formelle, nicht-höfische Kleidung" als Negligé bezeichnet (Wikipedia). Auf gut deutsch, man konnte rumlaufen, wie man wollte.

Inzwischen ist die Wäsche getrocknet. Meine Güte, zwei Maschinen, das ist ein Haufen Negligés. Endlich habe ich wieder was zum Anziehen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen