Heute mal wieder Schnee von gestern. Ein Tässchen aufgewärmten kalten Kaffees gefällig? Bitteschön:
Mir scheint, das Lagerdenken kommt allmählich richtig in Schwung. Also, was heißt allmählich - keine Atempause!, es geht voran, und das zügig. Zwar stehen noch keine Güterzüge zum Abtransport bereit, aber die lassen sich bekanntlich schnell organisieren, sofern Handlungsbedarf besteht. Und überhaupt, was heißt Lagerdenken - es wird längst nicht mehr gedacht, es wird gehandelt. Eben weil nämlich Handlungsbedarf besteht.
Darf ich nachschenken? Bitteschön, noch ein Tässchen von dem aufgewärmten Gebräu, damals (21. Mai 2013) schrieb ich "Wohin mit dem ganzen Müll? Allmählich bahnen sich Lösungen an." Jetzt, genau drei Monate später, liegen die Lösungen fix und fertig auf dem Tisch, wurden einstimmig verabschiedet und sollen zügig in die Tat umgesetzt werden. Wegen des Handlungsbedarfs. Der ist dringend, heißt es.
Deshalb heißt das neue Endlösungsprogramm Emergency Homeless Response, was so viel bedeutet wie: obdachlose Menschen dringend raus aus der Stadt, und zwar zügig und systematisch, freilich ohne Zwang, denn die Zielgruppe hat die Alternative "Haut ab oder ihr werdet verhaftet". Und so funktioniert es:
South Carolina Columbia verabschiedet Plan zur Verbannung (to exile) seiner Obdachlosen
Die Polizei hat ab sofort den Auftrag, im Stadtzentrum zu patroullieren und dafür zu sorgen, dass obdachlose Menschen draußen bleiben.Ja, gibt es denn in Columbia dafür überhaupt genug Polizisten? Es gibt nämlich in Columbia 1.518 obdachlose Menschen, weshalb die örtliche Polizei klagt, ihr fehle es an "Manpower", um die ihr zahlenmäßig überlegenen Menschen ohne Wohnsitz abzutransportieren, zu "exilieren", wie es ohne falsche Scheu vor epochalen historischen Vorbildern heißt. Kein Problem, die Stadtverwaltung Columbias hat an alles gedacht, sogar an die knappe Personaldecke ihrer Ordnungsbehörde:
Zur Unterstützung des Ablaufes wird eine Hotline eingerichtet werden, mithilfe derer Geschäftsleute und Anwohner die Anwesenheit eines obdachlosen Individuums der Polizei melden können, um sicher zu gehen, dass ihr keiner durch die Lappen geht.Klingt irgendwie bekannt, oder? Wie gesagt, dringende Probleme erfordern systematische Lösungen. Irgendwo habe ich dazu den schockierten Kommentar gelesen: "Ja, haben die denn gar nichts aus der deutschen Vergangenheit gelernt?" und mir gedacht, wieso, im Gegenteil, die haben sogar sehr viel gelernt in Columbia und wenden das Gelernte jetzt eben an:
Die Polizei bittet um Ihre Mithilfe.
Melden Sie auffällige Personen.
Wir zählen auf Sie als verantwortungsbewusste, engagierte Bürger.
Helfen Sie, unsere Stadt sauber zu halten.
Lassen Sie uns gemeinsam den Müll fortschaffen.
Als adäquate Mülldeponie hat sich die Stadtverwaltung etwas ganz Besonderes ausgedacht: Ein bislang als Winter-Notunterkunft genutztes saisonales Lager am Stadtrand soll künftig ganzjährig und ganztägig den abtransportierten obdachlosen Menschen offenstehen. Also, was heißt offenstehen:
Während es obdachlosen Individuen erlaubt sein wird, in der Notunterkunft zu bleiben, wird es ihnen nicht erlaubt sein, das Grundstück wieder zu verlassen.Fürwahr ein epochales Unterbringungskonzept - wenn das nur nicht alles so verdammt bekannt anmuten würde. Aber bitte, ich hatte eingangs ja gewarnt, von wegen aufgewärmter kalter Kaffee. Oder sagt man dazu 'alter Wein in neuen Schläuchen'? Jedenfalls wird die Stadtverwaltung Columbias auf der Straße zur Notunterkunft einen Polizeiposten einrichten, der verhindert, dass einer der Insassen zurück in die Stadt marschiert.
Was wollen diese Insassen denn auch in der Stadt, jetzt, wo ihnen ein so komfortables Quartier vor den Toren der Stadt eingerichtet wurde? Immerhin bietet das umfunktionierte Kältenotlager Platz für bis zu 240 "Gästen"; da wird es wohl mit der sechsfachen Anzahl obdachloser Menschen (1.518) locker fertig werden, irgendwie. Doppel-, Dreifach-, Vierfach-Bettenbelegung oder so. Hauptsache hinter Schloss und Riegel. Out of sight, out of mind.
Ach so, noch etwas. Fast hätte ich's vergessen. Die in Columbia angestrebte vorläufige Endlösung erfolgte aufgrund mehrfacher Beschwerden ansässiger Einzelhändler, "die (obdachlosen Menschen) machen uns das Geschäft kaputt". Ein leidiges Phänomen, auch vielfach beklagt in der Frankfurter Innenstadt:
"Geschäftsleute genervt:
Obdachlose Großfamilie campiert nachts vor den Läden"
Über den ethnischen Hintergrund der obdachlosen Großfamilie erfahren wir auf Seite 3. "Rumänen und Bulgaren" hätte sich auf der Titelseite nicht so gut gemacht. Schließlich hat man aus der deutschen Vergangenheit gelernt, Sie wissen schon, lieber Leser. Für die Titelseite begnügen wir uns darum mit einem dezenten Hinweis auf den bedauerlichen Sittenverfall "unserer Momo", Sie wissen schon, exotisch, rassig, wenn auch nicht ganz reinrassig.
Wie gesagt, alles Schnee von gestern. Nichts als kalter Kaffee. Noch ein Tässchen? Oder lieber gleich eine Armbinde, 'O' für obdachlos, 'A' für arm, 'H' für Hartz IV, 'R' für Roma ... ach, machen Sie sich mal keine Sorgen, wir kriegen das Alphabet schon noch voll und die Stadt leer. Fröhlichen Stadtbummel!
Naja, dann wird es wohl auch nicht mehr lang dauern bis die Realität mal wieder die Satire einholt:
AntwortenLöschenhttp://www.youtube.com/watch?v=L8zhNb8ANe8
Freu dich drauf.
Oder die Realität die Fiktion: Past Tense - Star Trek (Deep Space Nine):
Löschen"The United States of America has attempted to solve the problem of homelessness by erecting "Sanctuary Districts" where unemployed and/or mentally ill persons are placed in makeshift ghettos."
à propos Fröhlichen Stadtbummel!
AntwortenLöschenEs geht auch anders.
Was auch immer man von solchen Projekten hält - Freakshow, Zoobesuch, Touristenattraktion oder tatsächliches Interesse an der Situation der Obdachlosen - liegt im Auge des Betrachters:
Querstadtein - Obdachlose zeigen ihr Berlin
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// DEUTSCHLAND, DU OPFER //
"TaDeWo - Tag der Wohnungslosen 11.09.2013"
Über 350.000 Wohnungsnotfälle existieren deutschlandweit. Die Zahl der von Wohnungslosigkeit betroffenen Opfer, sind in den letzten Jahren deutlich (10%) gestiegen.
Es ist an der Zeit, diesen Trend zu stoppen und ein Mahnmal zu setzen. Denn bis 2015 soll sich die Anzahl der Betroffenen dramatisch erhöhen (10 - 15%).
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Never look down on anybody unless you are helping them up. - Lee Jeffries