Donnerstag, 29. Oktober 2009

Neues vom Prekariat


Der erste deutsche Putzstreik ist beendet. Heute haben sich die Tarifparteien überraschend schnell geeinigt. Der Mindestlohn soll von 8,15 Euro auf 8,55 Euro steigen. Immerhin, besser als ein Loch in der Hose.

Wenn jetzt allerdings ein Gewerkschaftsfunktionär dahertrompetet:
"Das war der erste erfolgreiche Streik des sogenannten Prekariats",
dann spüre ich ein leichtes Ziehen im Fußbereich; und tatsächlich, wenn ich nach unten schaue, merke ich, dass meine Zehennägel sich markant aufrollen wollen. Das sogenannte Prekariat. Das klingt nach einem Erwerbstätigenbiotop, das man gewerkschaftsseits allenfalls mit spitzen Fingern anfassen möchte, notfalls mit Pinzette. Mit dem Prekären tun sie sich schwer, die Funktionäre. Das Prekäre ist so unübersichtlich, so vielgestaltig, so schillernd, so weggeduckt, so wenig fassbar und schubladisierbar. Das sogenannte Prekariat - so redet keiner, der sich dem Prekariat zugehörig fühlt. Der distanzierte Sprachgebrauch verrät sich selbst.

Es gibt ein kurzes, auf poppig gemachtes Video der IG Bau über den Gebäudereinigerstreik an der TU Berlin, die im Zuge der Aktion ungeputzt blieb und daher umgelabelt wurde in Prekäre Universität Berlin:
Ganz kurz im Bild zu sehen ist die Außenfassade der TU nach erfolgter Umbenennung.

Ein besseres, weil gekonnteres Video bringt der Asta der TU, deren Studenten sich mit den streikenden Putzleuten spontan solidarisiert haben:
Beide Videos via Santa Precaria

Informativ, gänzlich undistanziert und hochinteressant zu lesen ist die Begründung der Studenten zu ihrer Solidarität mit den Putzleuten. Offensichtlich wissen die Studenten der TU genau, wovon sie reden, wenn sie von prekären Beschäftigungsverhältnissen reden. Weil sie diese bereits am eigenen Leib kennen. Oder weil sie wissen, dass auch ihnen später einmal unsichere Lebensentwürfe blühen:

Warnstreik der GebäudereinigerInnen an der Technischen Universität Berlin

Die IG-BAU fordert 8,7% mehr Lohn, die Angleichung der Ost- und Westlöhne, sowie der Löhne von Männern und Frauen und eine angemessene Altersvorsorge. Die Studierenden der TU unterstützten den Warnstreik als StreikhelferInnen.

In der Pressemitteilung des AStA der TU-B heißt es: " Wir als AStA der TU unterstützen die Forderungen der Reinigungskräfte und zeigen uns aktiv solidarisch mit dem Streik. Die an der Universität tätigen Reinigungskräfte sind über verschiedene private Firmen beschäftigt. Die TU versucht so Kosten zu sparen, indem sie sich einerseits der Verantwortung gegenüber den ArbeitnehmerInnen entzieht und Aufträge an die billigsten Unternehmen vergibt, und andererseits, verschiedene Unternehmen beauftragt und so die Konkurrenz schürt, die eine weitere Abwärtsspirale der Löhne zur Folge hat. Die Universität macht es somit wie der Staat und lagert große Teile des Tagesgeschäfts in die Privatwirtschaft aus. Die Einkommen, die so zu Stande kommen sind oft so niedrig, dass Sozialleistungen zur Aufstockung gezahlt werden müssen. Dem Land Berlin entstehen so weitere Kosten und die klammen Universitäten haben zukünftig noch weniger Geld zu erwarten.
Wir lehnen prekäre Beschäftigungsverhältnisse strikt ab und das nicht nur weil auch die meisten Studierenden unter solchen Vertragsbedingungen arbeiten. Die Unsicherheit, welche so geschaffen wird, dient nicht dazu mehr Beschäftigung zu schaffen, sondern die ArbeitnehmerInnen mit der ständigen Drohung der möglichen Kündigung gefügig zu machen. Ein Streik unter solchen Bedingungen erfordert ein hohes Maß an Risikobereitschaft.
Auch direkt im Wissenschaftsbetrieb sind prekäre Beschäftigungsverhältnisse längst die Regel, Lehrangebote, wie Tutorien und Sprachkurse werden abgebaut und Pflichtveranstaltungen sind überfüllt.
Alles Symptome des gleichen Problems: Öffentliche Haushalte sollen zu Gunsten der Wirtschaft sparen. Beschäftigte und Studierende sind die VerliererInnen. Deshalb ist es für uns selbstverständlich, uns mit den Reinigungskräften zu solidarisieren ihr Kampf ist unser Kampf, auch wenn er auf anderen Ebenen geführt wird.


Und jetzt noch etwas Lustiges.

Musik aus Mexiko.
Los Pikadientes de Caborca.
Ein paar schräge Musiker spielen zum Tanz auf.
Ein paar schräge Putzfrauen und -männer fangen an zu grooven, dass die Bretterbude wackelt.




Gewidmet allen Prekariern, denen die Lebensfreude noch nicht vergangen ist.

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