Frau Lagarde ist jene Person, die derzeit mit dem Klingelbeutel unterwegs ist. Nicht im Auftrag des Herrn, vielmehr im Auftrag des IMF.
Der IMF ist jener Verein, der Ländern wie Griechenland oder Irland (vielmehr deren Bürgern) gern drastische Armutsprogramme aufs Auge drückt, selbst aber dringend mehr Geld braucht, weshalb, im Umkehrschluss, besagte Armutsprogramme einem guten Zweck dienen. Aus Sicht des IMF jedenfalls.
Dass der IMF jetzt dringend noch mehr Geld braucht und deshalb betteln gehen muss, leuchtet jedem ein, dem das Treiben des IMF einleuchtet, weil, der IMF braucht nämlich dringend noch mehr Geld, um mit dem Geld, das dringend gebraucht wird, noch mehr Geld zu versenken als bereits versenkt wurde. Das Ganze nennt sich Beggars Banquet oder, etwas geschmeidiger, EU Bailout Funds.
Allerdings scheint die Spendensammelaktion eher schleppend zu verlaufen. Bislang weigern sich die meisten Länder, auch nur einen Pfennig oder ähnliches Kleingeld rauszurücken, weil sie angeblich keines haben, wobei jene Länder, die bereit sind, Kohle an den IMF abzudrücken, eigentlich auch kein Geld haben, jedoch die altbekannte Frage "Woher nehmen, wenn nicht stehlen?" mit der altbekannten Antwort parieren: Na, vom Steuerzahler, woher denn sonst? Blöd ist halt nur, dass der Steuerzahler gleichzeitig auch Wähler ist, was die knausrige Zurückhaltung der spendenunwilligen Länder ein Stückweit erklärt.
Was soll's, dachte sich die nimmermüde Frau Lagarde, irgendwie muss diese dümpelnde Spenden-Acquise doch auf Trab zu bringen sein - schließlich braucht der IMF, sprich: die Banken, dringend Geld, sprich: Rekapitalisierung - und legte bei den Meetings der G-20, des IMF und der Weltbank
einen Zahn zu:
"Was die Rekapitalisierung betrifft, könnten der ESM und der ESFS eigentlich überall in der Eurozone hilfreich einspringen - allerdings muss das immer auf dem Umweg über die jeweilige Staatssouveränität geschehen ('it has to be channeled through the sovereigns')."
- wie gesagt, blöd halt, dieser Umweg über die Staatssouveränität, auf jeden Fall lästig und zeitverschwendend. Darum will der IMF nichts anbrennen lassen und sinnt auf zügige Abhilfe:
"Darum setzen wir uns dafür ein, dass dies (die Rekapitalisierung der Banken) ohne den Umweg über die Staatssouveränität erfolgen kann."
- also, der Einfachheit halber den notleidenden Banken die wohltuende Finanzspritze direkt zu injizieren, ohne dieses ganze hemmende nationalstaatlich-bürokratisch-pseudodemokratische Gedöns. Selbstverständlich, ergänzte Frau Lagarde souverän, nicht ohne ein angemessenes übergeordnetes Kontrollinstrument:
"Es (die Rekapitalisierung der Banken) könnte und sollte (stattdessen) begleitet werden durch eine eher global ausgerichtete europäische Supervision."
Ja, warum eigentlich nicht? Könnte doch vieles vereinfachen, oder? Ob es das auch sollte, steht auf einem anderen Blatt, und in einem
anderen Blatt lese ich zum gleichen Thema unter der Überschrift
"IMF's Lagarde: Lasst die EU Bailout Funds den Banken zukommen ohne den Boxenstop beim Staat"
den folgenden folgenschweren Satz:
"Eine größere Sorge tut sich auf, falls die Banken beschließen sollten, den Staaten ('sovereigns') kein Geld mehr zur Verfügung zu stellen; dies könnte passieren, wenn die Banken zu dem Schluss kommen, die notwendigen Austerity-Maßnahmen und Haushaltskürzungen drosselten das wirtschaftliche Wachstum, welches für den Kreditsektor der entscheidende Maßstab ist."
- und denke, Moment mal: Die Banken beschließen, den Staaten kein Geld mehr zur Verfügung zu stellen? Hallo? Das hieße doch im Klartext, der Staat hat seine Funktion als Souverän mal eben ganz souverän an die Banken abgetreten? Ja, darf der das denn? Ohne seinen Souverän (
Volk und so) vorher zu fragen? Klar darf der das.
Lange nichts mehr gehört von Irland. Was ja immer ein sicheres Anzeichen ist dafür, dass sich irgendwas zusammenbraut. Im Falle Irlands ist das zum einen die gefürchtete, dummerweise in der Verfassung verankerte
Volksabstimmung (
"Fiscal Compact Referendum") am 31. Mai, wovor es der EU-Kommission und dem IMF gleichermaßen graut, weil sich da eventuell irgendwas zusammenbraut. Immerhin, der Souverän wird befragt; steht ja nun mal so in der Verfassung, dummerweise.
Zum andern hat sich in Irland auf Initiative der Regierung - Volksabstimmung hin, Volksabstimmung her - ein dubioses Gremium zusammengebraut namens
"Constitutional Convention" (Versammlung zur Verfassungsänderung), die, wie der Name schon sagt, sich zum Ziel gesetzt hat, "die Verfassung (von 1937) einer Prüfung zu unterziehen und eine reformierte Verfassung zu entwerfen". Es durfte darüber spekuliert werden, wer in wessen Interesse welche Elemente der Verfassung reformieren, vulgo: über die Klinge springen lassen möchte.
Seit gestern nimmt das Vorhaben der irischen Regierung zur geplanten Verfassungsänderung endlich Gestalt an: Dem renitenten
Ice Moon Blog ist es nämlich gelungen, sich Einblick in ein bislang geheimes Regierungs-Memo zu verschaffen, aus dem hervorgeht, nach welchem Modus die irische Verfassung zweckmäßigerweise abzuändern sei, sobald das leidige
Fiscal Compact Referendum über die Bühne gegangen sein wird.
Im folgenden seien von den Artikeln der neuen irischen Verfassung bzw. den neuen Artikeln der irischen Verfassung die relevantesten zitiert:
Artikel 5
Irland ist ein Territorium des International Monetary Fund (IMF) mit vielen netten Pubs.
Artikel 6
Alle Rechte der Regierung, der Legislative, der Exekutive und der Justiz leiten sich - unter der Herrschaft des IMF - aus der EU ab, deren Recht es ist, das Führungspersonal des Staates zu bestimmen und, in letzter Berufung, über sämtliche Fragen der nationalen Politik zu entscheiden, entsprechend den Erfordernissen der herrschenden Klasse, die sich gegenwärtig aus multinationalen Konzernen konstituiert.
Artikel 10
Alle nationalen Ressourcen, einschließlich der Luft sowie sämtlicher potentieller Energieressourcen, die von dieser Verfassung als innerhalb des Geltungsbereiches von Parlament und Regierung liegend etabliert wurden, sind Eigentum des Höchstbietenden.
Artikel 11
Alle Einkünfte des Staates, egal aus welcher Quelle, fließen ausnahmslos in einen Fonds und werden bereitsgestellt, um Bondholdern in irischen Banken jenen Komfort zu gewährleisten, an den sie sich mittlerweile gewöhnt haben.
Artikel 28
Die Regierung soll für nichts verantwortlich zu machen sein. Die Vorgängerregierung wird für alles verantwortlich zu machen sein.
Artikel 29
Irland versichert seine Ergebenheit zu Unternehmensidealen, zu Kapitalismus, Profit, Kooperation mit den USA, und leugnet jegliche Solidarität mit anderen Nationen, insbesondere mit Griechenland.
Artikel 34
Die Rechtssprechung wird von Gerichten gehandhabt, die rechtskräftig von jenen Richtern etabliert werden, die dazu berufen wurden im Sinne dieser Verfassung, und zwar gehandhabt mit extremer Strenge gegenüber den Armen, den Regimekritikern und den Schwachen, jedoch nicht gegenüber den Reichen und Mächtigen und keinesfalls gegenüber korrupten Politikern oder Bankern, die das Land in den Konkurs getrieben haben respektive Leuten, die letztere geschützt haben.
Artikel 50
Gesetze, die von nationalen Parlament erlassen werden, müssen zuerst mit der Bundesbank abgestimmt werden.
Es heißt, das - streng vertrauliche - Dokument sei unverzüglich an Frau Lagarde weitergereicht worden zur gefälligen Überprüfung (schließlich will die irische Regierung weiterhin mit dem IMF auf gutem Fuß stehen). Lagarde - bekannt dafür, nach Herzenslust und Schulmeistermanier willfährige EU-Länder zu loben und aufsässige Mitgliedstaaten zu
tadeln - soll sich hocherfreut gezeigt haben: "Seht ihr", wird sie demnächst den Ländern der EU-Peripherie wohlwollend zurufen, "es geht doch, mit ein bisschen gutem Willen, Bereitschaft zur Zusammenarbeit und Anpassung. Nehmt euch ein Beispiel!"
Erwartungsgemäß wird das Volk lautstark murren. Egal. Was zählt, sind Regierungen, die in lautstarkem "Tschakka!"-Taumel delirieren. Und sich hinterher nicht mehr auf die Straße trauen.