Donnerstag, 2. Juli 2009

Soziale Kälte, revisited

Heute früh empfing Frau Übermop mich mit diesem gewissen Blick, den ich mittlerweile gut kenne an ihr. Sie schaut dann ganz ernst drein, schließlich will sie mir gleich etwas ganz Ernstes sagen. Aber irgendwo in den Augen blitzt ein versteckter Schalk: Sie grinst dann, sozusagen, ganz leicht aus den Augenwinkeln, obwohl ihre Mundwinkel keinerlei Anstalten machen zu lächeln. Ich wusste also heute morgen, aha, da ist ein Geschoss im Anflug. Es kam zunächst ganz harmlos daher in Gestalt einer Feststellung: "Du hast am Dienstag was vergessen!" Gemeint war: Im Rahmen meiner Putzaufgaben habe ich am Dienstag etwas vergessen zu tun.
Fieberhaft rekapitulierte ich gedanklich, was am Dienstag alles war, es wollte mir nicht gleich einfallen, kein Wunder, es war ja schon wieder 28 Grad warm, und beim Spüren der 28 Grad Wärme erinnerte ich mich, dass es am Dienstagmorgen auch verdammt warm war, und dass in meinem Blog am Dienstag etwas steht von wegen großer Schwüle, beziehungsweise Kälte, und dann fiel mir endlich das Kühlhaus ein und ich fragte: "War was mit dem Kühlhaus?" (So ein Blog ist wirklich prima gegen Ausfallserscheinungen im Kurzzeitgedächtnis.)
Frau Übermop schüttelte den Kopf und ließ mich noch ein Weilchen vergeblich raten. Sichtlich genoss sie es, die Katze nicht vorschnell aus dem Sack zu lassen. Dann kam das Projektil angeschossen: "Vor lauter Schäkern mit den Lieferanten im Keller hast du vergessen, den Haupthahn zum Wasserschlauch zuzudrehen." Sagte ich Geschoss? Bei mir kam es an wie eine Mittelstreckenrakete. Auf der Stelle wurde mir siedend heiß (bei 28 Grad, bitte). Mein erster, mein einziger, mein alles beherrschender Gedanke war: Frau Übermop liest in meinem Blog mit! Zwar ist in jenem Dienstagspost keine Rede von Schäkern, und was sich faktisch am Dienstag im Kühlhaus abgespielt hatte, war gewiss kein Schäkern, sondern eine kurze gemeinsame Auszeit von der unerträglichen Hitze; gewissermaßen eine kleine Flucht in die soziale Kälte (um diesen Begriff endlich einmal positiv zu besetzen). Aber bekanntlich entsteht ein Bild nicht im Text, sondern im Kopf des Lesers. Und Frau Übermop hat ja durchaus ihren eigenen Kopf. Mir wurde immer heißer. Ich wollte für den Rest meines Lebens nur noch ins Kühlhaus. Die liest in meinem Blog mit!
Tut sie natürlich nicht. Sie hat lediglich eine faktische (Wasserhahn) mit einer fiktiven (Schäkern) Aussage verknüpft, anders gesagt, sie hat spasseshalber mal so ein krummes Ding ausgelegt, um zu schauen, wie ich reagiere. Inzwischen lachten auch die Übermop-Mundwinkel breit. Das musste an meiner gesunden roten Gesichtsfarbe liegen. Reichlich lahm fragte ich, welchen Lieferanten sie jetzt meine? Und da war er schon wieder, dieser Blick, passend zur Antwort: "Na, es waren ja genug hier am Dienstag!" Da hat sie nun auch wieder recht. Die Getränkelieferanten gaben sich die Klinke in die Hand, klar, bei dem Wetter. Es wurde eine Unmenge, was sage ich, ganze Flotten von Getränkekästen in den Keller hinunter, Leergutkästen aus dem Keller nach oben geschleppt. Nicht nur die Kellertreppe war dauernd blockiert von schleppenden Kerlen, sondern der gesamte Kellergang sowie der Getränkekeller selbst. Eine herumwischende Putzfrau macht sich da nur unbeliebt.
Also blieb der Putzfrau gar nicht anderes übrig als sich zwischendurch immer wieder entspannt auf ihren Schrubber zu stützen, um die Dinge oder die Kerle an sich vorbeiziehen zu lassen, und dabei fiel natürlich das eine oder andere Wort. Man ist ja in keinem Stummfilm, weder als Putzfrau noch als Getränkelieferant. Und dass man bei solcherart fraktalem Arbeiten auch mal einen Wasserhahn aus den Augen verliert...hm ja, kann zwar vorkommen, sollte aber besser keinesfalls vorkommen. Ich entschuldigte mich angemessen. Meine Erleichterung darüber, dass Frau Übermop sich eindeutig auf die Getränkelieferanten bezog und nicht auf mein Blog, war so groß, dass ich alles zugab und nichts abstritt. Ich meine, wenn sie die schleppenden Flaschenboys nicht erwähnt hätte, würde ich jetzt noch mit rotem Kopf vor dem Computer sitzen. Weil ich ja denken würde, Frau Übermop liest jetzt grade mit. Jessas.


4 Kommentare:

  1. mir ist beim lesen grad auch ganz anders geworden. und dann ist mir eingefallen, daß Sie wohl kaum solches schreiben würden, wenn 'dem' so wäre.. *puh.
    [OT: könnten Sie sich vielleichtBitte auf eines der beiden dinge - kommentarfreigabe oder captcha-eingabe - beschränken? das wäre nett :)]

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  2. Dass irgendwer in deinem Blog mitliest, damit solltest Du Dich abfinden. Das bleibt nicht aus. Nicht, wenn Du das länger machst. Die einzige Wahl, die Du hast ist, was Du zeigst.

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  3. @remington
    Dass ich auf Mitleser Wert lege, versteht sich wohl von selbst, sonst würde ja Dein Kommentar hier nicht erscheinen. Die Rede war nicht von "irgendwem", sondern von einer gewissen Frau Ü., und wenn von dieser Dame hier mal ein Kommentar aufschlagen sollte, Mann, dann wäre ich der Ohnmacht nahe.

    @rebhuhn
    Danke fürs Mitzittern :).

    Ich habe jetzt eine der beiden Kommentar-Schikanen ausgeschaltet, danke für den Hinweis!

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