Mittwoch, 22. Juli 2009

Nase im Wind

Wenn der Amtsschimmel einmal zu wiehern angefangen hat, hört er nicht mehr auf. Erst kürzlich hat das Ordnungsamt einige Unordnung in den Gemütern hinterlassen. Nun haben sich gerade die Wallungen gelegt, da kommt der nächste Aufreger zur Tür herein.
Diesmal sind es die Amtsträger von der Verkehrsplanung. Das Restaurant, so ist zu erfahren, liege im sogenannten baulichen "Umgestaltungsbereich" eines Straßenabschnittes. Der Straßenabschnitt ist eigentlich ganz nett, so wie er ist: relativ wenig Verkehr, viele große alte Bäume, im Schatten ein paar Bänke zum Sitzen. Jetzt soll der Straßenabschnitt aber zu einem sogenannten "Begegnungsraum" umgestaltet werden. Genau. Ein Begegnungsraum. Als ob es den nicht bereits gäbe in Gestalt des Restaurants mit seinem überaus regen Garten- bzw. Straßenbetrieb. Eben diesem droht jetzt der Würgegriff durch die erforderlichen Baumaßnahmen auf den Bürgersteigen. Die Invasion erfolgte amtlicherseits wie aus heiterem Himmel, ohne Vorwarnung oder -info. Kein Wunder, dass die Nerven schon wieder blank liegen. Zumal, meteorologisch gesehen, ein stabiles Hoch in der Luft liegt und gute Freiluftumsätze verspricht. Baubeginn ist nächste Woche.
Ich habe dann einen Blick in das amtliche Begleitschreiben geworfen, in welchem wundersame Dinge geschrieben standen. Angekündigt werden diverse Objektinstallationen auf verkehrsberuhigten Straßen und Bürgersteigen; die Rede ist von "Sitzbubbles", "farbigen Betonwürfeln" sowie "Sitzauflagen aus Gummigranulat". Das klingt alles schwer postmodern und lässt sogleich die Suchmaschine rotieren. Die Sitzblasen interessieren mich am meisten; die ersten Suchergebnisse führen zu einem 'WC-Sitz Bubble 3D' (39,99 Euro) sowie zu dem premiumverdächtigen 'WC-Sitz Cool Bubble' (77 Euro). Wieso lande ich eigentlich immer bei WC-Sitzen, egal wonach ich im Netz suche? Erst wenn man tapfer die ganzen Klodeckel nach unten scrollt, wird offenkundig, dass es sich bei einer Sitzbubble keineswegs um ein Meditationskissen zum Aussitzen der Kreditblase handelt, sondern um so etwas. Eine Art futuristischer Flachsitzer. Mal sehen, wer künftig auf der baumbeschatteten Bank Platz nimmt und wer auf einer frei herumstehenden Sitzblase.
Betonwürfel muss ich nicht groß guhgeln, das werden Würfel aus Beton sein zum Schienbeinaufschlagen. Gummigranulat ist bestimmt etwas Praktisches, Wasserabweisendes, klingt halt irgendwie unsinnlich.
Aber dann stoße ich auf ein Wort, das mich augenblicklich fasziniert: die sogenannte "Gehwegnase". Steht da wirklich. Gehwegnase wie 'Geh weg, Nase!'. Alle Straßenecken rund ums Restaurant, heißt es in dem Schreiben, sollen zu Gehwegnasen umgebaut werden. Finde ich fabelhaft, bei all den dubiosen Gerüchen, die mich beim Arbeiten umgeben. Das heißt, immer wenn meiner Nase zum Davonlaufen zumute ist, renne ich kurz zum Restaurant raus, bleibe an der nächsten Nasenecke, ähm, Straßenecke stehen, hole ein paar Mal tief Luft und kehre gestärkt zurück. Gehwegnase besiegt Küchengully. Nie mehr sage ich etwas Despektierliches über kommunale Verkehrsplanung.

2 Kommentare:

  1. diese blasen sehen unbequem aus - vor allem, wenn man älter als 23 ist und keine lust mehr hat, sich bis auf 10cm über straßenniveau runterzuhocken. ^^

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  2. ...und dort die Abgasluft zu schnuppern...ganz recht ;).

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