Mittwoch, 27. Februar 2013

Deutsch, aber peinlich


Langsam wird es peinlich. Das war es zwar schon die ganze Zeit, aber jetzt, wo sie mal eben den Prügelknaben ausgewechselt haben, übersteigt es die Schmerzgrenze und ist kaum mehr zum Aushalten. War es bisher der faule, verantwortungslose Grieche, so muss inzwischen - der Wahlkampf naht, da legen die Deutschen so lustvoll wie zwanghaft noch eine Schippe drauf - der dumme, verantwortungslose Italiener herhalten.

Ein Anschiss jagt den nächsten. Es wird gerüffelt und gekrittelt, streng zurechtgewiesen und missbilligend Mores gelehrt, geschmäht, gedisst und mit Dreck geworfen - kurzum: Die deutschen Politiker samt Mediengefolge sind mal wieder in ihrem urbehaglichen Element, hauen auf die Standpauke und lassen es mit ohrenbetäubendem Gekeife krachen, auf dass den nichtsnutzigen, dummen, verantwortungslosen Südländern Hören und Sehen vergehe. In die Ecke mit euch, ihr Vollidioten jenseits der Alpen!

Die Schlagzeile
Italien weigert sich kindisch, die Realität anzuerkennen 
bringt - außer der Vorliebe der Deutschen für schulmeisterliches Zeigefingerwackeln - auch deren besorgniserregenden Realitätsverlust auf den Punkt. Immerhin scheint Italien das erste Land Europas zu sein, dessen Wahlbürger mit einem unmissverständlichen Vaffanculo zum Ausdruck bringen, dass sie das, was die angeblich alternativlose Realität (Wie, Austerität funktioniert nicht? Das beweist, es war zu wenig! Dann braucht ihr noch mehr davon!) von ihnen abverlangt, für unrealistisch halten. Kindisch? Kindisch ist allenfalls die starrsinnige deutsche Weigerung, die Dysfunktionalität dieser Realität anzuerkennen; und am allerkindischsten dieses trotzige, auftrumpfende Aufstampfen, dieser tobsuchtsanfallartige, reflexhafte Koller des autoritären Anschnauzens aller, die dem teutonischen Diktat sich zu beugen nicht bereit sind.
Die Italiener sind unfähig und unwillig, das tiefe Ausmaß ihrer wirtschaftlichen Misere zu begreifen, wird von deutschen Medienkommentatoren geltend gemacht.
- und die Deutschen brillieren in ihrer Unfähigkeit und ihrem fehlenden Willen zu begreifen, dass die Rechnung mit der Zwangsjacke 'Austerität auf Teufel komm raus' nicht aufgeht, obwohl es immer mehr Spatzen von den Dächern pfeifen. Die Rechnung - weiß der führende deutsche Medienkommentator -  geht natürlich nur deshalb nicht auf, weil die unfähigen, dummen Italiener den Spielverderber geben, weshalb das besagte Medium bereits gestern die bange Frage stellte:
"Machen sie jetzt unseren Euro kaputt?" 
Mal abgesehen davon, dass es immer wieder bereichernd sein kann, über das alte Thema Macht kaputt, was euch kaputt macht zu reflektieren, dürfte der chauvinistische Gebrauch des Pronomens "unseren" (vor "Euro") aus deutschem Mund bei den dummen Italienern so richtig gut ankommen und den vielbeschworenen europäischen Zusammenhalt auf eine weitere harte Probe stellen.

Man könnte das kollektive, dem Griechen-Mobbing auf dem Fuße folgende Italiener-Bashing auch einfach ignorieren, wenn es nur nicht so entsetzlich peinlich wäre. Und immer peinlicher wird es, weil es immer pathologischere Züge annimmt. Weil die notorisch deutsche Lust an der Strafpredigt, am Abkanzeln, Abwerten und Diffamieren der widerborstigen Südeuropäer nicht zuletzt auf schwere uneingestandene Störungen im deutschen Selbstbild hinweist. Weil - so viel Psychologie muss sein - hinter diesem schlecht inszenierten operettigen Donnerwetter, hinter jeder dieser selbstgerechten Hetztiraden ein kümmerliches, verkümmertes Selbstwertgefühl lauert, das sich mit so hochfahrender wie herablassender Rhetorik aufpumpt und zu seiner notdürftigen Stabilisierung des verbalen lynch mobs bedarf.

Und weil das alles irgendwie, irgendwann schon mal dagewesen ist.
Peinlichkeit, nimm deinen Lauf.

5 Kommentare:

  1. Danke für Deine Gedanken, die ich so nicht hätte besser schreiben können, liebes Blog.

    Die Teutsche Presse, Sprachrohr des Kapitals, kindisch mit den Füßen auf den Boden stampfend, will nicht demokratische Verhältnisse,sie will endlich Gehorsam und Eintracht, keinen Widerspruch und Bekenntnisse zum Euro hören. Die Gauck Rede hatte gefühlte 70 Mill. Bürger begeistert...ausser mich und viele Kritiker auch.

    Die ollen Italiener, die blöden streikenden Spanier und Griechen, wie Portugiesen, die ja auch leiden müssen unter den Teuschen Massnahmen, sind die Schuldigen, weil sie - laut ZEIT, über ihre...blablubbpalawer..Verhältnisse ...wissensschon..man wird nicht müde, diese Leyer aufrechtzuerhalten, damit endlich gespurt wird.

    Dem Schläfer im deutschen Morgenschlafmantel gefällt das, weil endlich sind wir wieder wer, Waffen exportieren zur Sicherung heimischer Arbeitskräfte, Frieden und Wohlstand in die Welt tragen ( auch die schöne deutsche Demokratie ) - wir machen was, wir schaffen was. Die Anderen? Siehste - alle faul. Peng. Schuss und Tor. Point. Das liest sich gut, das hellt im Michel die Laune auf. Nur wie lange?

    Niedrige Löhne, ein Hubertus Heil, der Amazon Fehler vorwarf, die seine S?PD mit Clement doch dazu ermutigte, Leiharbeit und Hungerlöhne, Befristungen und andere Schweinereien durchzuboxen. Vergessen, vergeben, weil die doch so sozial sind. Nix da, Blendwerk.

    Du kannst es nur schaffen, wenn du es willst, streng dich an, leiste was. Das sind sie, die tollen Sprüche der Neos.

    Ich hoffe, abschliessend, das ein Signal an alle Europastaaten von Italien ausgehen, den Sparzwängen zugunsten der Zocker endlich einen Riegel vorzuschieben und dem Volk seine gerechten Einkommen zurückgeben mag. Die vielen Wähler des Grillo bewundere ich. Die haben Mut bewiesen.

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    1. Man könnte es auch so sehen:
      Die sich echauffierenden Deutschen als positives Signal zu werten, weil es ein klares Zeichen dafür ist, dass die Italiener etwas richtig gemacht haben.

      Vielleicht besser für die Nerven, diese Haltung. Ich übe ;)

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  2. Danke, Mrs. Mop, für den wie immer auf den Punkt gebrachten und sprachlich brillanten Kommentar.
    Das ist nicht nur peinlich, was "unsere" Politiker und "Leitmedien" da mantraartig von sich geben, das ist eine Schande.
    Und ich freue mich riesig darüber, dass die Panikmache und der Druck im Vorfeld der Wahl so viele Wähler in Italien nicht beeindruckt hat.
    Aber was Deutschland angeht - wann begreifen hier denn die Menschen endlich, dass es sich für eine Mehrheit doch nur lohnen kann, sich zur Wehr zu setzen?

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  3. Und das Rumpelpumpelstielzchen der Sozialdemokraten, das demnächst gerne den Kanzler spielen und diese Nation auch auf diplomatischem Parkett international vertreten möchte, beleidigt den italienischen Präsidenten und nennt ihn einen Clown. Ist das demnächst die gängige Ansprache unter Staatsmännern? "Hey, Du Komiker, hasse ma nen Sparkonzept?"

    Und die Reihen der Parteisoldaten stehen fest gesschlossen hinter ihm (dem Peer).

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  4. Sehr gute Zustandsbeschreibung, Frau Mop. Mir fiel der rasche Wechsel bei den Schuldzuweisungen auch sogleich auf. Hierzu auch ein kurzer und treffender Kommentar eines Lesers im El País.
    Die deutsche Großmannssucht und jeglicher europäische Gedanke vertragen einander nicht. Die Geistesgrößen hier sind wohl auf Zerstörung programmiert.

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