Samstag, 6. Oktober 2012

Krise nach Plan


Die Krise, ach, die Krise. Das ist bekanntlich jenes mystische Ding, was - einer unkontrollierbaren Naturgewalt gleich - irgendwann urplötzlich vom Himmel gefallen ist. Und jetzt haben wir die Bescherung. Wie kommen wir da bloß wieder raus? Am besten betend, mit dramatisch zum Himmel gefalteten Händen, dem Ort, wo die rätselhaft naturkatastrophale Krise herkam.

Noch wichtiger: Wann kommen wir da wieder raus? Klare Ansage: in sechs Jahren. Wieso gerade sechs Jahre? Na, ganz einfach, weil in mancher Leute Zeitrechnung die Krise jetzt vier Jahre auf dem Buckel hat (2008, Lehmann-Pleite), plus sechs macht zehn, zehn Jahre sind eine Dekade, und mit runden Dekaden lässt sich rhetorisch so schön hausieren gehen, ohne sonst Erhellendes beizutragen:
Die Weltwirtschaft wird mindestens zehn Jahre brauchen, um aus der Finanzkrise herauszukommen, die 2008 begann, sagte der Chefökonom des Internationalen Währungsfonds Olivier Blanchard.
Begründungen, Argumente, Zahlen, Fakten? Fehlanzeige. Die magische Zeitangabe von insgesamt zehn - also jetzt noch sechs - Jahren muss genügen. So lange müsst ihr euch halt irgendwie zur Decke strecken, Leute, und dann wird das schon wieder, versprochen, wir haben nämlich eben mal in unsere Kristallkugel geguckt. Wir, das sind jene global tätigen, von niemandem gewählten, niemandem Rechenschaft schuldigen internationalen Kredithaie, die wir uns fürstlich von Kahlfraß ernährt haben, und weil wir jetzt so richtig auf den Geschmack gekommen sind, fressen wir noch ein paar Jährchen weiter, bis das Maß oder halt die Dekade voll ist. Das Ganze nennen wir dann "Erholung" und beten euch bereits heute vor, don't you worry,
"Noch ist es kein verlorenes Jahrzehnt."
Mit Sicherheit nicht, denn im Laufe von sechs weiteren Krisenjahren kann noch vieles zerstört und und die Krise satt ausgebeutet werden, können Regierungen in den Würgegriff genommen, Bahn- und Stromnetze privatisiert, Inseln gekauft, Gesundheitssysteme ruiniert und gewerkschaftlich erkämpfte Arbeiterrechte in die Knie gezwungen werden.

Obwohl, sechs Jahre finde ich ja eine ziemlich optimistische Prognose, ich meine, nur sechs Jahre? Wo doch bislang erst ein paar Länder Europas ausgehungert, ausgeblutet, ausgeplündert am Boden liegen? Wie wollen die das mit dem Rest Europas schaffen in nur sechs Jahren? Kann eigentlich nur bedeuten, dass sie künftig noch einen Zahn zulegen wollen bei ihrem zehn Jahre währenden Erholungs-Businessplan. Und natürlich den Leuten gut zureden, damit auch alle mit den Plünderern am gleichen Strang ziehen, wie heißt das Zauberwort? Noch ein Griff in die Gebetsmühle:
"Es muss Solidarität geben. Und ich denke, es gibt sie."
Solidarität! Ein schönes Wort, kommt immer gut und geht zu Herzen. Gemeint ist natürlich die Solidarität der Plünderer, Kaputtsparer und Profiteure, die Solidarität der international vernetzten Büro- und Technokraten, damit sind sie bis jetzt gut gefahren, warum also nicht weiter so? Immer schön zusammenhalten, dann haben wir in sechs Jahren den Sack zugebunden und ihr sitzt sowieso alle im gleichen Boot.

Der geniale Masterplan hat nur einen kleinen Webfehler: Die Leute unter Deck verstehen unter Solidarität etwas anderes. Etwas ganz anderes. Und ich denke, es gibt sie.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen