Dienstag, 30. Oktober 2012

Katastrophenalarm


Es klingt ein bisschen wie nach dem Krieg: Ärmel hochkrempeln, zupacken, aufbauen. Kaum hat die verheerende Sturmkatastrophe zugeschlagen, kommen die Ökonomen - Ratten nicht unähnlich - aus den überschwemmten Löchern gekrochen und fiepsen: alles halb so schlimm! Sturmschäden helfen der maroden Wirtschaft auf die Beine! Wer wird da verzagen?

Einer von der Zunft kroch vor ein paar Stunden behende aus der (von Überschwemmung verschont gebliebenen) University of Maryland und schätzte voller Optimismus, dass
... (der Sturm) Sandy etwa 35 bis 45 Milliarden Schäden und Verluste verursachen, jedoch gefolgt sein könnte von immerhin 36 Milliarden Wiederaufbau-Ausgaben.
Wenn das nicht rattenscharf und kostendeckend kalkuliert ist!
Sollte also jemandem ein Baum aufs Haus gefallen sein oder das Dach seines Hauses sich nicht mehr dort befinden, wo es eigentlich hingehört, sei dies "kurzfristig" zwar dumm gelaufen, "langfristig" jedoch eine Segen für die Wirtschaft, denn irgendwer müsse das Dach ja reparieren, und das schaffe Arbeitsplätze.

Gut, der ohnehin dümpelnde Einzelhandel, heißt es bedauernd, bekäme die "wirtschaftliche Wucht des Sturmes" am stärksten zu spüren, weil "die Konsumenten" nun mal leider - unwetterbedingt - zuhause sitzen blieben statt Geld auszugeben. Ist aber kein Grund, sich die Geschäftslaune verderben zu lassen, denn so ein Sturm bringe durchaus frischen Wind in die darniederliegende Konjunktur, weil nämlich:
... das Last-Minute-Horten von Lebensmitteln und Gütern zur Notversorgung einen ausgleichenden Effekt auf die ansonsten rückläufigen Verkaufszahlen hat.
Ist ja grade noch mal gut gegangen; Sandy scheint ein Gespür fürs richtige Timing zu haben. Zwar werde der Jahrhundertsturm zunächst eine - wie heißt es immer so metaphernfreudig? - Spur der Verwüstung hinterlassen, in Gestalt - na? - "instabiler Einzelhandelsumsätze" im Oktober. Ist aber alles halb so schlimm, weil, nach dem Oktober komme ja der November, und nach dem November - heißa! - folge der Dezember, ein Monat, in dem die Umsätze quasi aus guter alter Tradition von ganz alleine "wieder auf die Beine kommen", das war schließlich schon immer so und wird auch immer so bleiben.

Es gibt andere Experten, die spucken den ökonomischen Frohnaturen ein wenig realistische Miesmacherei in die optimistische Jahresendsuppe:
"Wenn die Konsumenten in diesem (vom Sturm betroffenen) Teil des Landes Hunderte und Tausende von Dollars ausgeben müssen für so Dinge wie Notstromgeneratoren oder für Aufräumarbeiten nach dem Sturm, dann wird das wahrscheinlich zu Budgetkürzungen führen, Budgets, die die Leute eigentlich für ihre Weihnachtseinkäufe geplant hatten."
- woran unschwer abzulesen ist, worin die wirklich katastrophalen Folgen der Naturkatastrophe bestehen: Dem US-Einzelhandel schwemmt es die Weihnachtsumsätze weg. Man stelle sich vor - ein evakuierter, obdachlos gewordener Santa Claus mit leerem Sack in einer Notunterkunft! Gibt es Schlimmeres?

Ja freilich: Wenn es bei einem vom Sturm wirklich Betroffenen wirklich dumm gelaufen ist und ihm der Baum nicht nur aufs Haus, sondern auf den Kopf gefallen ist. Katastrophal! Ein Konsument weniger!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen