Mittwoch, 8. August 2012

Wachsendes Schrumpftum


Läuft doch alles super nach Plan. Das mit der Austerität. Das mit der Gesundschrumpf-Krankmach-Diät made in Germany. Der europäische Süden prosperiert. Die Wirtschaft steht in voller Blüte. Die Erfolgsmeldungen überschlagen sich.
Mit seiner schrumpfenden Wirtschaft - bereits im vierten Quartal in Folge - hat sich Italiens Rezession verschärft. Um Schulden einzudämmen, hatte die Regierung Budgetkürzungen und Steuererhöhungen verhängt, unter denen Unternehmen und Privathaushalte zu leiden haben.
Was schrumpft, das wächst. Sagen alle.
Experten sagen, Wirtschaftswachstum sei ein Schlüsselelement, um die Staatsschuldenlast des Landes zu reduzieren.
Was noch mehr schrumpft, wächst umso stärker. Steht so im Plan. Also weiter im Plan.
Am Dienstag gewann Italiens Ministerpräsident Mario Monti ein Vertrauensvotum über einen Gesetzesentwurf, der weitere 4,5 Milliarden Einsparungen für dieses Jahr vorsieht. Die Kürzungen erfolgen zusätzlich zu den 10,5 Milliarden Einsparungen in Montis Austeritätspaket, das im Dezember verabschiedet wurde.
Zusätzlich eingespart werden soll übrigens im Gesundheitswesen und bei Arbeitsplätzen, zwei Bereichen - da sind sich alle einig -, in denen immer noch was geht. Getreu dem Planspiel: Erst wenn ihr euch totgeschrumpft habt, werdet ihr spüren, wie lebendig sich Wachstum anfühlt.
Die installierte Austerität und die für 2012 noch anvisierten Sparmaßnahmen dürften den weiteren Abwärtsdrall der italienischen Wirtschaft garantieren, denn die sinkenden Ausgaben des einen Wirtschaftssektors (Staat) sind die sinkenden Einnahmen eines anderen Wirtschaftssektors (private Haushalte und Unternehmen), simple Arithmetik. Da niemand in die Bresche springt und springen kann, müssen zwangsläufig die Sparmaßnahmen des Staates die Rezession verstärken. An dieser puren volkswirtschaftlichen Arithmetik ändern auch "Möchtegern-Reformer" (Technokraten) nichts.
- daran wollen die ja auch gar nichts ändern, solange alles nach Plan läuft. Noch ist des einen Schrumpfen des anderen Wachsen:
Letzte Woche verkündete die sehr populäre Bildzeitung lautstark ihren Lesern - so, als ob es ein Knüller sei -, dass Deutschland von der Fortführung der Krise profitiere. Geschätzt habe das Land über die letzten 30 Monate 60 Milliarden langfristige Finanzierungskosten eingespart, eine Summe, die von vielen Experten bestätigt wird. Die Populisten (der genannten Zeitung) schwelgen in diesem neuerlichen Erfolgsbeweis ihres Landes, während die meisten anderen (Zeitungen) so tun, als ob es hierzu nichts weiter zu sagen gibt.
Beobachtet wird dieser "neue deutsche Nationalismus" nicht von einer deutschen, sondern einer italienischen Zeitung, die ihre deutschen Kollegen, ebenso wie die Experten von der Ökonomenfront, der Kurzsichtigkeit zeiht.
Der neue deutsche Nationalismus redet am liebsten haarscharf am eigentlichen Punkt vorbei; er tut dies in einem Kurzschluss zwischen Wahlkampfdemagogie einerseits und andererseits den Dogmen einer konformistischen akademischen Elite.
Und während die einen das deutsche Erfolgsmodell feiern und die anderen "so tun, als ob es hierzu nichts weiter zu sagen gibt", findet eine weitere, diesmal englische Zeitung, dass es zum deutschen Erfolgsmodell noch einiges Aufschlussreiches zu sagen gibt:
Noch mehr schlechte wirtschaftliche Nachrichten - diesmal aus Deutschland, wo der Auftragseingang der Industrie im Juni um 1,7 Prozent gefallen ist. Auf Jahresvergleichsbasis war die Auftragslage in Europas Wirtschaftshochburg um 7,8 Prozent niedriger als noch vor einem Jahr.
- was die Apologeten der europäischen Wirtschaftshochburg auf dem völlig falschen Fuß erwischt haben muss, weil, man hört und liest so wenig darüber, außer zum Beispiel hier. Es lässt sich aber bestimmt ein Sündenbock finden, zumindest für die schwächelnde Auslandsnachfrage; denn was kann eine Wirtschaftshochburg und Austeritäts-Schaltzentrale im Norden schon dafür, wenn ihr die vollumfänglich austerisierten südlichen Handelspartner in die Suppe spucken?

Vermutlich wird demnächst ein großes nationales Lamento intoniert werden: Deutschland, bedauernswertes Opfer seines eigenen Austeritätsplanes. Textidee: Das ewig Schrumpfende zieht uns hinan. Hätten wir uns so nie träumen lassen.

3 Kommentare:

  1. Gestern stand in einem SZ-Artikel über die Probleme Sloweniens, dass das Land sich - wie die anderen Südländer - in der Rekonvaleszenz befände!!! Und ich glaube nicht, dass die Autorin Rezession gemeint hat.

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    1. Doch, ich glaube schon. Weil Rekonvaleszenz irgendwie hübscher klingt als Rezession. Doppelsprech, haben wir aus Amerika gelernt: Da ist schon seit fast drei Jahren die Rede von "recovery" (Erholung), bei stetig steigender Arbeits-, Wohnsitzlosigkeit und Kinderarmut und einer de facto zweiten Großen Depression.

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    2. Ich lese die SZ nicht, lese jedoch gerade hier, dass Slowenien gestern heruntergestuft worden ist (letzte Woche übrigens auch schon):

      "Diese Abwärtsbewegungen reflektieren das Risiko, dass Slowenien zum sechsten Eurozone-Mitglied werden könnte, das einer Rettung bedarf, nach Griechenland, Irland, Portugal, Spanien und Zypern."

      Klingt verdächtig nach Rekonvaleszenz. Ich glaub, ich muss auch weiterhin keine SZ lesen.

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