Dienstag, 30. November 2010

Vom Schnee verweht


Schnee, so weit das Auge reicht. Ich glaube, im vergangenen Winter habe ich das schon mal frühmorgens geschrieben, um dann kapitulierend in den Bus zu steigen. Nicht so heute. Ich nehme das Rad, gebe den einsamen Biker-Yeti und fordere mich selbst zum Härtetest heraus. Weil, es könnte ja mal so weit kommen, dass gar keine Busse mehr fahren, weil das Öl knapp wird, und dann bin ich schon in Übung. Vermutlich werde ich dreimal so lange brauchen wie sonst, denn man rackert sich ja ab wie ein zweirädriger Schneepflug durch die verwehten Massen. Wenn man überhaupt je am Ziel ankommt und nicht von einer dieser gigantischen Schneewolken, die von den S-Bahnen aufgewirbelt werden, erfasst und begraben wird. Sollte es also ab morgen an dieser Stelle nichts mehr von mir zu lesen geben, wird man mich wohl in ein paar Jahrtausenden als gut konservierten mitteleuropäischen Radler-Ötzi auffinden, ins Heimatkundemuseum geben, und alle werden staunen. Vielleicht werde ich sogar berühmt.

Montag, 29. November 2010

Wüst und kalt und leer


Himmelherrgottsakra war das kalt heute früh. Es war eine solche Kälte, dass ich nach zwei Minuten auf dem Fahrrad überhaupt nichts mehr gespürt habe, noch nicht mal die Kälte. Irgendwie fuhr das Rad wie ferngesteuert, so als ob es gar nichts mit mir zu tun habe, und nach etwa zehn Minuten war mir die Kälte so zu Kopf gestiegen, dass dieser sich vollkommen leer anfühlte. Also, nicht einfach bloß leer, sondern von einer geradezu metaphysischen Leere angefüllt.

Wenn man dann von Frau Übermop schräg angeschaut und gefragt wird: "Was guckst du so leer?", dann, ja, fällt einem dazu auch nichts mehr ein.

Bis auf das: Morgen früh soll es noch kälter werden.

Sonntag, 28. November 2010

Gute Geschäfte


Bevor morgen - ich schwör's - von neuem die Propagandamaschine angeworfen und aus allen Rohren das fulminant (bombastisch/sensationell/rekordverdächtig) gute Weihnachtsgeschäft uns um die Ohren gehauen wird, welches am ersten Adventswochenende - wie prognostiziert - eingefahren wurde und an den nun folgenden drei Wochenenden jeweils sich selbst exponentiell übertroffen haben wird; bevor es also wieder losgeht mit dem ganzen hochtourigen Hype um die boomenden Einzelhandelsumsätze und mir von jeder zweiten Zeitungsseite die originelle Schlagzeile "Süßer die (Kassen)Glocken nicht klingen" entgegenknallt, sollte der Sachverhalt noch schnell in dürren Worten auf den Punkt gebracht werden:


Samstag, 27. November 2010

Fürchtet euch nicht


Man kann über Discounter schimpfen wie man will, aber sie haben einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil: Der Kunde wird nicht zum Opfer akustischer Belästigung gemacht.

Weder liegt mir dort ein unablässig quäkender Ladenfunk in den Ohren, der mich penetrant warmherzig daran erinnert, wie ich den ersten Advent mit Speis' und Trank "für meine Lieben zuhause" noch adventsgerechter gestalten kann, noch werde ich mit vorweihnachtlicher synthi-streicher-gesättigter Fahrstuhlmuzak ("Lustig, lustig, tralalalala, bald ist Nikola-haus-a-bend da") in die saisonal obligate Stimmung genötigt. Beides kann mir den letzten Nerv rauben, und wenn sie mich dann auch noch an der Kasse (gefühlt) bis zum dritten Advent warten lassen, während die Wiederholungsschleife mir zum fünften Male einbläut, dass es nun wirklich nicht mehr lange hin ist bis zum Nikolaustag, wo ich doch die frohe Botschaft bereits beim Warten an der Käsetheke zum dritten Male vernommen hatte, dann haben sie mich dem finalen Wahnsinn ein gutes Stück nähergebracht. Akustisch fühlt es sich an wie unter der verblödenden Dunstglocke eines gigantischen Advents-Bierzeltes, und wenn man dann endlich den Weg nach draußen geschafft hat, fragt man sich, warum in aller Welt man so blöd war, hier auch nur einen einzigen Cent seines sauer verdienten Geldes zu lassen, weil, was machen die mit meinem Geld? Stellen sie mehr Personal ein, um an einem Samstagmittag Ende November ein paar Kassen mehr zu öffnen? Nein. Sie investieren es in die nächste Zündstufe des vorweihnachtlichen Folterinstrumentekoffers. Denn in anderthalb Wochen hat es sich ausgenikolaust, das heißt neue, an den hauptweihnachtlichen Höhepunkt dynamisch angepasste Dröhnung muss besprochen, bespielt und angeschafft werden, und wer glaubt, dass die Fanfare "Wir möchten, dass Ihre Adventszeit dieses Jahr noch besinnlicher und genießerischer wird!" nicht mehr steigerungsfähig ist, den wird in den kommenden Wochen das Fürchten gelehrt werden.

Selbstverständlich muss ich im Discounter ebenfalls an der Kasse Schlange stehen, aber wenigstens habe ich dort meine Ruhe. Sage keiner, er werde dadurch weniger zur Besinnlichkeit angestiftet: Wer schon mal zehn Minuten lang neben einem kassenzonentypischen, durchaus saisonal kompatiblen Aktionswarenaufbau gewartet hat, über dem links das Schild "Frostschutzmittel" hängt und rechts direkt daneben das Schild "Glühwein", der weiß: Er erreicht alsbald einen kontemplativ-zentrierten, fast spirituell zu nennenden Status, der seinesgleichen sucht, denn irgendwann im Laufe der zehn Warteminuten beginnt die Frage an ihm zu nagen, ob nicht das eine lediglich ein anderes Wort für das andere ist, denn warum zum Teufel trinkt ein Mensch Glühwein, wenn nicht um sich vor Frost zu schützen? Erst recht, wo das eine in einer gewaltigen Kunststoffhenkelflasche mit praktischer Ausgießtülle und das andere in einem nicht minder gewaltigen Tetrapack, ebenfalls mit praktischer Ausgießtülle, verpackt ist und man zu dem Schluss kommt, für beide Produkte hätte es auch ein einziger Verpackungsmodus getan, nämlich ein standsicheres Fässchen mit Abfüllhilfe, oben drüber "Frostschutz" und basta.

Endlich draußen, empfängt mit ausgebreiteten Armen mich Väterchen Frost, bereit, meine gebeutelten Hirnwindungen durch ein gnädiges Kältekoma vor weiteren verkaufsförderungsinduzierten Trancezuständen zu schützen. Es glaubt ja keiner, wie besinnlich-genießerisch sich so ein paar mentale Frostbeulen anfühlen.

Freitag, 26. November 2010

Dem Truthahn sei Dank


Bekanntlich war bereits gestern der Tag des Truthahn-Massenmordes (andernorts auch "Thanksgiving Day" genannt), der mir leider insofern durch die Lappen gegangen ist, als mir der gestrige Tag gegen Gewalt an Frauen selbstredend wichtiger war als der gestrige Tag der Gewalt gegen Truthähne.

Die Tradition des Thanksgiving Day bringt es mit sich, dass man sich nicht nur im großen Stil überfrisst und nachhaltig betrinkt, sondern auch von ganzem Herzen bedankt. Bedankt für was? Na, für etwas, wofür man eben besonders dankbar ist. Naturgemäß ist das von Mensch zu Mensch ganz verschieden, denn wofür der eine sich bedankt, dafür würde sich der andere schön bedanken. (Subversiven Gerüchten zufolge heißt der Thanksgiving Day so, weil er der Tag des Jahres ist, an dem sich die Geflügelindustrie bei den Amerikanern dafür bedankt, dass sie insgesamt 300 Millionen Truthähne - davon etwa 100 Millionen am Thanksgiving Day - niedergemacht haben.)

Nun steht bei mir zwar weder ein Truthahn auf dem Tisch noch ein Besäufnis an, aber die Sache mit dem Bedanken gefällt mir. Übrigens dürfte auch bei sehr vielen Iren (ebenfalls Thanksgiving-Traditionalisten, feiern am 27. November) dieses Jahr kein Truthahn auf dem Tisch stehen; trotzdem finden sie Gründe, sich zu bedanken, zum Beispiel bei dem irischen Premierminister Brian Cowen,
"...weil uns zwar zum Heulen zumute, das Lachen aber trotzdem nicht vergangen ist: Ihm verdanken wir, dass Irland für den Rest des Jahres in den Schlagzeilen bleiben wird, was wir wiederum seinem inkompetenten Management der wirtschaftlichen Krise verdanken - welcher Krise eigentlich?"
Andere sind der Meinung, ein Bild sage mehr als tausend Worte, und bringen ihren Dank auf Dubliner Hauswänden zum Ausdruck:

"The Blues Brothers"
(Brian Cowen und der irische Finanzminister Brian Lenihan)

Und jetzt komme endlich ich an die Reihe. Wofür bin ich gerade heute besonders dankbar?

Für drei Dinge:

Erstens dafür, dass es noch Wunder gibt: Trotz großer Gefahr - Glatteis, Schneetreiben, knirschende Pfützen - bin ich heute früh nicht vom Fahrrad gestürzt.
Zweitens dafür, dass es noch Autoren gibt, die über die Krise Irlands sowie deren Folgen schreiben und denen das Schicksal großer Bevölkerungsteile in Irland mehr wert ist als nur ein halbherziger Nebensatz.
Drittens dafür, dass es noch Menschen gibt, die auf die durchgeknallte finanzwirtschaftliche Entwicklung mit angemessen durchgeknalltem Humor reagieren:

(Ben Bernanke, Präsident der US-Notenbank)

Donnerstag, 25. November 2010

Hoch die Faust


Es ist ja in den letzten Jahren (oder sind es schon Jahrzehnte?) erstaunlich ruhig geworden um den Internationalen Frauentag (25. November). So ruhig, dass ich diesen Tag schon fast vergessen hätte. Vergessen betäubt, habe ich gerade festgestellt; Lesen hingegen macht hellwach:

*Aus Anlass des 25. November 20010 , des Internationalen Tages gegen
Gewalt an der Frau*

*Pressemitteilung *

des

*ŞEHRAZAT- Transkultureller Frauen- und Kunstverein*

Sehr geehrtes Publikum, sehr geehrte Presseangehörige, liebe Frauen,

Wir haben die Rolle des Opfers satt!

Wir haben beschlossen die Hauptrolle zu spielen, um
menschenrechtswidrigen Taten gegenüber Frauen ein Ende zu machen.

Zuhause eingesperrt zu werden, unter Kontrolle gehalten zu werden,
umgebracht zu werden, sobald wir in eigener Bestimmung leben möchten
wird betitelt mit Tradition, mit Ehre, mit Kultur, mit Islam. Und wie
möchtet ihr dann die Morde an den Frauen anderer
Religionszugehörigkeiten und Kulturen erklären?

Lassen wir diese Hexenjägerei! Wie sollen denn die Vergewaltigungen,
8000 im Jahr, von denen viele noch nicht einmal geahndet werden, wie
sollen die als „ Familiendrama“ titulierten 150 Morde im Jahr erläutert
werden.

Sind nicht auch diese Morde wie diese, welche in islamischen Kreisen als
„ Ehrenmord“ benannt sind, solche, welche der männlichen
Herrschaftsvorstellung entspringen, in der eine tote Frau, einer freien
Frau vorzuziehen ist.

Frauenfeindliche Politik wird in diesem Land betrieben! Muslimische
Migrantinnen werden zur Zielscheibe auf diese Weise. Was unseren
deutschen Schwestern angetan wird, wird verschwiegen! Sind es nicht
Teile der Gewalt gegen Frauen, dass Frauen noch immer mit geringerem
Lohn arbeiten müssen, Arbeitslosigkeit und Armut auf ihre Schultern
gelastet wird, Migrantinnen mit rassistischer Politik ausgegrenzt
werden? Islam, ja auch der Islam ist wie jede andere monotheistische,
institutionalisierte Religion frauenfeindlich; weder mehr noch weniger;
wer sieht das nicht?

Sprachrohre der Nutznießer der Ausbeutung, Politiker, Journalisten,
angebliche Aufgeklärte und die mit Mikrofonen umherirrenden anderen:
Wenn ihr so überzeugt seid von der Unterdrückung der Frauen, dann lasst
das Weinen um sie; öffnet stattdessen die Grenzen Europas! Öffnet Frauen
die Türen, welche vor Krieg, Hunger, sexueller Verfolgung fliehen.

Erteilt Frauen, welche sich auf Grund von Gewalt scheiden lassen
mussten, bedingungslos ein Bleiberecht und die Erlaubnis zu arbeiten.

Stellt die Gelder der Staatskassen an Stelle von Kriegsausgaben lieber
der Bildung von Frauen zur Verfügung.

Schafft Gesetze, welche Frauen den Weg zu Lehrstuhl, Labor,
Leitungsposition und Öffentlichkeit ebnen. Schafft sie, damit ihr
glaubwürdig werdet.

Krokodiltränen erkennen wir, ihr braucht sie nicht zu vergießen!

Noch einige Worte haben wir an die, welche profitieren von der
männlichen Herrschaftsstruktur:

Wir geben Euch nicht das Recht, uns in schön, unattraktiv, muslimisch,
christlich, Hausfrau, Straßenfrau, homosexuell, heterosexuell zu
kategorisieren und zu spalten, unsere Körper und Arbeitskraft
auszunutzen und uns zu definieren.

Wir lassen uns, mit unserer Vielfalt, nicht zum Werkzeug für eure
Integrationsdebatten, rassistische, ausgrenzende und kapitalparteiische
Politik machen!

Unsere Vielfalt ist unser Reichtum!

Wir werden weiterhin arabisch singen und spanisch tanzen. Mit unseren
Kindern kurdisch sprechen und türkische Gedichte schreiben, uns in Saris
kleiden und gegen die Alpen jodeln.

Wir werden Bilder malen, obendrein Bilder welche zeigen wie hässlich ihr
und wie schön wir sind.

Was dagegen?

Gegen jede erhobene Hand gegen Frauen stehen wir zusammen.

Wir werden die Frauenmorde stoppen. Wir sind nämlich in überhand und überall

*ŞEHRAZAT- Transkultureller Frauen- und Kunstverein*
gefunden bei Che via Momorulez

Was dagegen?

Mittwoch, 24. November 2010

Ein Typ zum Schafe klauen


Es hat ja, glaube ich, jeder Mensch so seine Abneigungen gegen bestimmte Redensarten, ohne zu wissen, woher diese Abneigung eigentlich kommt. Ich zum Beispiel kann es auf den Tod nicht verknusen, wenn jemand sagt, mit mir (oder irgend jemandem) könne man Pferde stehlen. Ich kriege dann jedes Mal so ein Zucken um den Unterkiefer. Es ist mir völlig unerklärlich, aber es fängt an zu zucken, dabei habe ich überhaupt nichts gegen Pferde, und gegen das Wort stehlen eigentlich auch nicht, außer dass es etwas Illegales bedeutet, was man nicht tut. Wobei sich mit mir, wenn es darauf ankommt, bestimmt ein Pferd stehlen ließe, aber wozu brauche ich ein Pferd?


Ganz anders liegt der Fall, wenn jemand sagen würde "mit dir kann man ein Schaf klauen", da wäre ich sofort dabei. Also, bei der Redensart. Obwohl, für einen Moment habe ich gedacht: auf diesem Motorrad wärst du schon gern gesessen. Muss ich zugeben.

Dienstag, 23. November 2010

Protestschnipsel


Je früher der Morgen, desto belebender die Fundstücke.

Es gibt Formen des öffentlichen Protestes, bei denen wird mir ganz warm ums Herz.


Sich hinter den Reporter schleichen und der Kamera kurz und bündig die Meinung sagen, während der Reporter live von der aktuellen IMF-Rettungsaktion für die irischen Banken berichtet. Und sich nicht wegschubsen lassen, sondern standhaft und mit irischer Dickköpfigkeit sein Recht auf freie Meinungsäußerung verteidigen.

So einfach wie wirkungsvoll. Auf die Idee muss man erst mal kommen.

Montag, 22. November 2010

Brot für die Nerven


"Heute verführe ich dich!", trompetete der marokkanische Gemüselieferant auf der Kellertreppe, "magst du?" Nö, antwortete ich. "Wieso denn nicht?", kam es gekränkt zurück, "du kriegst auch was Schönes!" Versteh' einer die Marokkaner. Sittenstrenger Moslem, zuhause Frau und Kinder, und dann das. Ich schloss gerade mein Fahrrad auf und wollte nach Hause fahren. "Mach' dir keine Sorgen um dein Fahrrad, das verführen wir auch", fügte er hinzu. Ob er sie noch alle habe?, fragte ich ihn. Es stellte sich dann heraus, dass er mich gar nicht ver-, sondern entführen wollte. Unter Entführen, so stellte sich im weiteren heraus, verstand er, mich samt Fahrrad in seinem großen Lieferwagen nach Hause zu fahren.

Da es heute nicht nur kalt, sondern kaltkalt war, leistete ich der Entführung keinerlei Widerstand; ich genoss es, auf dem hohen Beifahrersitz zu thronen und mit viel Überblick die halbe Stadt zu durchqueren. Der Typ fuhr wie der Henker, aber durchaus umsichtig und schaffte es, nebenher zu plaudern wie ein Dampfradio und dabei so ausladend wie temperamentvoll zu gestikulieren. Als die Aufbauarbeiten für den Weihnachtsmarkt uns in den Stau zwangen, wurde er ein wenig einsilbig. Dann fragte er mich, ob ich den Rummel besuchen würde. Ich verneinte; ich hasse Weihnachtsmärkte.

Er fiel aus allen Wolken: "Aber du bist doch Deutsche!" Ja, aber eine weihnachtsmarkthassende. "Komische Deutsche du", schüttelte er verständnislos den Kopf und erzählte, er würde mit seiner Familie jedes Jahr auf den Weihnachtsmarkt gehen, hauptsächlich den Kindern zuliebe, "deutsche Folklore, weißt du". Die Kinder seien ganz verrückt nach gebratenen Kastanien und "Brot für den Magen".

Leider werde dieses Jahr der Weihnachtsmarktbesuch wohl ausfallen, fuhr er fort, "die machen zu viel Stress." Wer, die Kinder? Nein, nicht die Kinder. Wer dann? "Alle", meinte er, "alle machen Stress wegen Terror. Geht einer wie ich auf den Weihnachtsmarkt, denken alle, ich bin der Achmet mit der Bombe." Na toll, dachte ich. Da fädelt sich ein Marokkaner mustergültig in die deutsche Leitfolklore ein und wird unfreiwillig zum Integrationsverweigerer, weil der Terror mit dem Terror es schafft, ihn zum potentiellen schwarzen Schaf zu stempeln. "Macht keinen Spass", erklärte er, "bleib' ich lieber zuhause, kauf' ich Brot für den Magen bei Aldi, ist besser für die Nerven." Es sei halt bloß schwer, das den Kindern zu erklären.

Als Bomben-Achmet mich vor der Haustür absetzte, schenkte er mir etwas Schönes: Salat, Broccoli, Brunnenkresse und ein paar Handvoll Kastanien zum Selberbraten, "kannst du Weihnachtsmarkt zuhause machen!", lachte er. "Friede auf Erden", bedankte ich mich. Fand er lustig.

Ich brate mir jetzt ein paar Kastanien. Für die Nerven.

Sonntag, 21. November 2010

Viele Wege führen ins Prekariat


Die Geschichte ist schnell erzählt:


Eine frischgebackene Hochschulabsolventin stürzt sich hoffnungsfroh auf den (für Hochschulabsolventen) prekären Arbeitsmarkt, schreibt eine Bewerbung nach der anderen, stellt ernüchtert fest, dass kein Hahn nach ihr kräht, schreibt weiter Bewerbungen (abends), während sie (tagsüber) als Kellnerin ihren Lebensunterhalt verdient. Eines Tages wird Fionas (so heißt sie) Flehen erhört: Sie bekommt für ein paar Monate ein schlecht bezahltes Praktikum angeboten. Ist doch schon mal was.
Die ernüchterte Hochschulabsolventin wittert Morgenluft; mag sein, dass sie - desillusioniert, wie sie bereits ist - einer neuerlichen Illusion aufsitzt und einen Strohhalm mit einer beruflichen Perspektive verwechselt. Sie geht mit wehenden Fahnen zum Bewerbungsgespräch und ist bereit, alles zu geben. Denn es könnte ja - man hat schon grüne Pferde vor der Apotheke kotzen sehen - eine Festanstellung daraus werden.

So weit die Geschichte, so weit nichts Besonderes, jedenfalls nicht ungewöhnlich. Da man beim Lesen schon ahnt, dass der akademischen Berufsanfängerin in punkto Festanstellung eine weitere Desillusionierung droht, ist man geneigt, der jungen Frau sein aufrichtiges Bedauern auszusprechen.

Beim zweiten, dritten Lesen mischen sich gemischte Gefühle unter das Bedauern. Während des Bewerbungsgespräches für das schlecht bezahlte Praktikum in einer PR-Firma wird der Bewerberin erklärt, dass man Großes mit ihr vorhabe: Die Firma habe sich nämlich für die nahe Zukunft professionelles Kommunizieren via Social Media auf die Agenda gesetzt, und deshalb "müssen wir uns einen Eindruck verschaffen, wie geübt und kreativ Sie im Umgang mit diesen Tools sind." Warum nicht, denkt sich die hoffnungsfrohe Praktikantin in spe - schließlich ist sie längst als ausgekochte Selbstvermarkterin auf Facebook unterwegs, da wird so ein bisschen Social Media für eine PR-Firma schon zu wuppen sein.

Aber dann kam die Sache mit der "Social Media Challenge": Der Bewerberin wurde mitgeteilt, dass sie eine von zwei verbliebenen Kandidatinnen (Gesamtzahl unbekannt) sei, die von der Firma in die engere Praktikantenauswahl gezogen worden sei. Ehre, wem Ehre gebührt - das Finale erreicht zu haben stachelt den Ehrgeiz doppelt und dreifach an. Die Challenge (wer denkt da nicht sofort an herausfordernd-entblößende Castings im TV-Rampenlicht) bestünde nun darin, sich mit der Konkurrentin in einem edlen öffentlichen (!) Wettkampf zu messen, welche von beiden das bessere, sprich firmenkompatiblere Social-Media-Konzept auf die Beine stelle. Wie gesagt, nicht etwa von einer geschützten, verschwiegenen Büroecke aus, sondern in einer öffentlich inszenierten "PR-Firma sucht den Superstar-Praktikanten"-Castingshow. Der Gewinnerin winke nicht etwa eine Festanstellung, vielmehr würden - wir ahnen es - "ihre Chancen zu einer Festanstellung steigen". (Letzteres wird umgangssprachlich auch gern 'einen vom Pferd erzählen' genannt.)

An der Stelle hätte ich beim Lesen frisch drauflos kotzen können, und das, obwohl ich kein grünes Pferd bin. Offenbar gehört es mittlerweile zum arbeitgeberseitigen Standard, perspektivlose, im Überfluss auf den Arbeitsmarkt drängende Hochschulabgänger als beliebig zu verschaukelnde Manövriermasse in öffentlichen Schaukämpfen zu verheizen. Verzweifelt - aber noch nicht restlos desillusioniert -, wie die akademischen Frischlinge nun mal sind, beugen sie sich diesem "do-anything, fuck-anyone"-Standard und spielen das unwürdige Spiel in der Zweikampf-Arena mit, public viewing inklusive. Bei aller Empathie für die Verzweifelten mischt sich auch in mein Bedauern ein gewisser Brechreiz.

Eine Woche lang hat der Showdown gedauert. Auge um Auge, Zahn um Zahn. Nun hat Fiona - vor den Augen der Öffentlichkeit - eine Bauchlandung hingelegt und gegen ihre Mitbewerberin verloren. Macht sich bestimmt gut bei ihren künftigen Bewerbungen; man darf gespannt sein, ob ihre Chancen auf eine Festanstellung bei irgendeiner anderen Firma dadurch gestiegen sind. Ich kann es mir, ehrlich gesagt, nur schwer vorstellen.

Auf, auf, zum fröhlichen Praktikanten-Pitch! Nach dem Duell zeigte sich die PR-Firma gegenüber der Verliererin von ihrer menschlich-großzügigen Seite und betrostpreiste die Gescheiterte mit einem dreimonatigen Praktikum (vermutlich um keine schlechte PR wegen Erregung öffentlichen Erbrechens zu kassieren). Danach war Schicht im Schacht: Für eine Festanstellung fehle es der Firma an Geld. Good bye. War nett mit Ihnen.

Während dieses Abschlussgespräches kam die ausgemusterte Fiona auf die (vielleicht etwas verspätete) Idee, ihren Unmut über das von den PR-lern betriebene Einstellungsprozedere zu artikulieren: Ein solches Vorgehen, meinte sie, würfe ein schlechtes Licht auf die Firma (man darf ergänzen: auf eine mit Öffentlichkeitsarbeit befasste Firma). Als Reaktion darauf scheuten die kreglen Öffentlichkeitsarbeiter weder Mühe noch Kosten und kauften der Frischgechassten einen Schokoladekuchen, "a chocolate good-bye cake".

Viele Wege führen ins Prekariat.

Keine Ahnung, ob Fiona inzwischen einen neuen Job als Kellnerin gefunden hat.

Samstag, 20. November 2010

Freitag, 19. November 2010

Land und Leute


Andere Länder, andere Sitten.

Heute fragte mich die spanische Putzfrau beim Kaffeetrinken nach dem Rezept für meinen Schokoladekuchen. Während wir über das ausgewogene Verhältnis von Schokostückchen, Kakao, Zucker und Vanille diskutierten, gesellte sich ihr Ehemann, der Hausmeister (immer dabei, wenn es nach Kaffee riecht) zu uns und wollte wissen, wieso ich gestern einen fast kompletten Kuchen mitgebracht habe. Also erzählte ich die Geschichte.

Er hörte aufmerksam zu. Als ich fertig war, fing er an zu lachen. Er amüsierte sich königlich. Als er fertig war mit Lachen, sagte er: "Deutschland!" Mehr nicht. Aber er sprach das Wort mit so viel Sarkasmus in der Stimme und im Gesicht aus, dass jedes weitere Wort überflüssig erschien. Seine Frau nickte heftig dabei. Dann fing sie an zu erzählen.

Das spanische Ehepaar war vor gut 30 Jahren nach Deutschland gekommen (und lebt seit über 20 Jahren im ersten Stock über dem Restaurant). Sie habe 16 Jahre lang in einer deutschen Schule geputzt, danach acht Jahre lang in einem deutschen Kindergarten. In beiden Arbeitsverträgen habe eine Berufsbezeichnung gestanden, die sie befremdet habe, denn, so sagte sie: "Ich war eine Putzfrau, also habe ich die gefragt: Ich bin doch Putzfrau von Beruf, warum schreiben Sie da was anderes rein?" Sie konnte sich an das befremdliche Wort nicht mehr erinnern, meinte, es sei so etwas ähnliches gewesen wie "Hausangestellte". Nein, rief ihr Mann, "es hieß anders, es hieß - warte mal - ah ja, Raumpflegerin hieß es. Raum-pfle-ge-rin!" Seine Stimme troff schon wieder vor Sarkasmus.

Seine Frau lachte: "So was Dummes - ich pflege doch keinen Raum, ich putze ihn!" Ja, konterte der Spanier, "aber dann müssten die Deutschen Raumputzerin sagen, und das geht nicht. In Deutschland geht das nicht. In Deutschland sagen sie nicht gern das, was sie meinen. Sie erfinden dauernd komische Wörter, um nicht das sagen zu müssen, was sie meinen."

Dann erzählte die Spanierin von ihrer Arbeit im deutschen Kindergarten: Jedes Mal, wenn ein Kind das Wort Putzfrau in den Mund genommen habe, sei es ihm von der Erzieherin "verboten" und stattdessen der Begriff Raumpflegerin verordnet worden. Sie habe das lange Zeit nicht verstanden, fuhr die spanische Putzfrau fort, aber sie habe deutlich wahrgenommen, dass 'Putzfrau' als "irgendwie böses Wort" gegolten habe. Ihr Mann ergänzte: "Im Deutschen ist es ein Wort der Erniedrigung."

In Spanien, fuhr seine Frau fort, heiße eine Putzfrau Limpiadora und werde auch so genannt:"Eine limpiadora ist bei uns eine limpiadora, fertig. Eine limpiadora ist ein ganz normaler Beruf. Eine Frau, die putzt, ist halt eine limpiadora - wo ist das Problem?" Im übrigen, setzte sie hinzu, gelte in ihrem Herkunftsbereich (der Süden Spaniens) jede Frau, die gerade am Putzen ist, als limpiadora, also auch jede x-beliebige Hausfrau, die gerade ihren Küchenboden wischt.

Irgendwie, meinte die spanische Frau, sei das eine "typisch deutsche" Geschichte, die ich da erlebt hätte. Was daran typisch deutsch sei, wollte ich wissen? "Weißt du", antwortete sie, "ich habe drei Kinder großgezogen, und alle drei habe ich so erzogen, jeden Menschen als das zu sehen, was er ist - als einen Menschen..." (Als die Spanierin dies sagte, wurde mir ganz komisch zumute; einerseits empfand ich eine berührende Wahrhaftigkeit in ihren Worten, andererseits meldete sich in mir so eine linkshemisphärisch-verzickte Stimme zu Wort, die mir zuraunte, das sei nun aber doch irgendwie ein Tick zu sentimental und naiv. Ich glaube, das war eine sehr deutsche Reaktion von mir gewesen.) "...als einen Menschen - egal, was er macht und wie er sein Geld verdient. Viele Deutsche erziehen ihre Kinder dazu, etwas Besseres als andere Menschen zu werden", ergänzte sie. "Werden zu wollen", wurde sie von ihrem Mann korrigiert.

Die Deutschen seien kompliziert, resümierte der Spanier, "sie verachten den Beruf Putzfrau, wollen aber ihre Verachtung verbergen. Also denken sie sich ein neues, umständliches Wort aus, hinter dem sie ihre Verachtung verstecken können. Was die sich alles für neue Wörter ausdenken!", lachte er, "dabei wäre es doch so einfach: Wenn sie die Putzfrauen nicht verachten würden, bräuchten sie auch kein neues Wort." Darüber musste ich auch lachen und sagte ihm, das klänge viel zu unkompliziert, um wahr zu sein. "Siehste", grinste der Hausmeister ('siehste' ist eins seiner deutschen Lieblingswörter), "nur ein Deutscher kann über etwas Unkompliziertes sagen, es sei zu unkompliziert." Das saß. Ich seufzte und wäre gern eine unkomplizierte Spanierin gewesen.

"Ach," dachte ich laut, "warum machen wir Deutschen uns das Leben so schwer?" Da fing der Spanier wieder an, spöttisch zu grinsen und gab zurück: "Was fragst du mich das? Ich denke, du hast studiert?"

Ts.

Donnerstag, 18. November 2010

Kuchen statt Brot


Heute war ein Festtag. Es gab Schokoladekuchen für alle: Putzfrauen, Küchenhilfen, Hausmeister, Lieferanten. Zwar hatte keiner eine Ahnung, was es zu feiern gab, aber geschmeckt hat es allen. Ruckzuck war der Kuchen weggehauen. Ich habe versprochen, bald wieder einen zu backen.

Mittwoch, 17. November 2010

Nüchtern betrachtet


Aua. Den heutigen Tag hatte ich mir anders vorgestellt. Es hat nicht sollen sein. Was mache ich jetzt mit dem angebrochenen Nachmittag? Stänkern.

Ich hatte mich auf eine Geburtstagseinladung gefreut. Gestern einen hammermäßigen Schokoladekuchen gebacken. Die Tochter einer Bekannten wird 18, geht noch zur Schule, macht nächstes Jahr Abitur. Ein blitzgescheites Mädchen mit guten Noten, solider humanistischer Bildung und gelegentlich vorlauter Klappe - eine vielversprechende Kombination. Ob es an der Bildung oder an der Klappe liegt (oder an beidem), weiß ich nicht, jedenfalls trafen das Kind und ich uns auf derselben Wellenlänge, hatten stets Gesprächsstoff im Überfluss und teilten die Vorliebe fürs Scharfzüngige. Wenn so eine Hoffnungsträgerin 18 wird, backe ich Schokokuchen der Extraklasse. Da steht er nun, der Schokokuchen, und wird dort stehenbleiben. Er wird meine Wohnung nicht verlassen; ich auch nicht. Shit happens.

Mittags ein Anruf von der Frau Mama: Sie würden sich alle schon so freuen auf mein Kommen, man habe sich ja so lange nicht mehr gesehen, die Tochter könne es gar nicht erwarten, mich mit ihren Freundinnen bekannt zu machen, "nur eine kleine Bitte" habe sie, die Frau Mama - es wäre ihr recht (O-Ton), wenn ich das mit meinem Putzjob heute nachmittag nicht an die große Glocke hängen würde, ob das ginge? "Vor all den Mädels", ergänzte sie, "du verstehst, was ich meine?" Nein, ich verstand es nicht. Absolut nicht. Zwar ahnte ich durchaus, was gemeint war, hatte aber keine Lust es zu verstehen. Absolut keine Lust. Ich schwieg unheilvoll. Was die Mutter dazu bewog, sich wasserfallartig um Kopf und Kragen zu reden.

Quintessenz des mütterlichen Redestroms: Man dürfe doch die jungen Menschen nicht desillusionieren, jetzt, wo sie an der Schwelle zum Schulabschluss, zur Universität, zum Beruf, zum - ja! - zum Leben stünden mit all ihren Erwartungen und Hoffnungen und natürlich - ja! - leider - jaa! - auch Ängsten, weil "es" heutzutage eben schwierig sei, so mit Beruf und Arbeitsmarkt und so - jaaa! - und man habe ihnen, den jungen Menschen, darum von klein auf Bildung vermittelt und ihnen eingebläut, dass Bildung das Allerwichtigste sei und ohne eine gute Ausbildung nichts laufe und da würde ihnen halt so ein, äh, Putzjob einer, eh, Akademikerin, irgendwie, du verstehst?, irgendwie doch die Fundamente dieser, öh, Zuversicht erschüttern, also dieser Zuversicht, dass "es" mit umfassend guter Bildung schon zu schaffen sei, du verstehst, am Aufbauen dieser Zuversicht habe man schließlich jahrelang konsequent gearbeitet, und da käme so ein, äh, Putzjob halt nicht so doll rüber, so von der Message, verstehst du?, weil, rein so als Message sei das ja eher, öh, ernüchternd, könnte man sagen, verstehst du, was ich meine?

Ja, Herrgott. Alles verstanden. Das mit der Ernüchterung könne ich sehr gut verstehen, erwiderte ich, denn mein Putzjob sei tatsächlich ernüchternd und das nicht nur so als Message, sondern vollumfänglich. Mehr sagte ich nicht, weil mir mehr nicht einfiel - bei abgesackter Kinnlade, erhöhtem Puls, adrenalinbefeuert. Weil ich dieses Gespräch doch als ziemlich, öh, ernüchternd empfand. Wobei das ja nichts Schlimmes sein muss, so eine Ernüchterung. Ist halt hart und tut weh, macht aber klüger. Unbedingt.

Selbstverständlich bleibe ich der Feier fern. Weil mir nicht danach ist, dem Geburtstagskind nebst Schokokuchen eine Lüge über meine Person sowie eine faustdicke Bildungslüge aufzutischen. Ist mit mir nicht zu haben. Höchstens, wenn ihr mich dafür bezahlt, und zwar anständig. Ist nämlich ein anstrengender Job, den ganzen Nachmittag bei euch rumzuhängen und so zu tun als ob.

Inzwischen habe ich mich so weit wieder beruhigt, dass ich zur Vernichtung des Geburtstagsgeschenkes schreiten konnte. Bin schon beim zweiten Stück Kuchen. Schmeckt große Klasse. Während ich esse, gebe ich mich lustvoll-bösartigen Tagträumereien hin, wie es wäre, wenn ich der jungen Dame zum Geburtstag per Email einen Link auf mein Blog schickte, so als hochschulreife-begleitende Fortbildungsmaßnahme, so als Message, sozusagen. Mal ehrlich, ich kenne das Mädchen gut genug, um mir einzubilden, dass sie das Zeugs hier gerne lesen würde. Vielleicht würde das Lesen sie auch ernüchtern. Na und.

Es gibt Tage, da könnte ich das linksliberale Bildungsbürgertum in einen Sack stecken und grußlos auf den Mond schießen. Und zwar mit Sack und Pack. Eltern haften für ihre Kinder.

Dienstag, 16. November 2010

Wisch und weg



Mop unter Pantoffel

Montag, 15. November 2010

Antennen raus


Mir scheint, ich bin die renitenteste Putzfrau,
die es je in dieser Kneipe gegeben hat.


Ob das mal gut geht.

Sonntag, 14. November 2010

Geschlaucht statt geschnürt


Sonntag ist Basteltag. Wer bastelt, sündigt nicht. Weil, wer bastelt, der versündigt sich nicht an seinem magersüchtigen Budget. Vorausgesetzt, der Bastler verpflichtet sich dem konsequenten Rezyklieren und verweigert alle Zutaten, die Geld kosten. Insofern ließe sich das Basteln zur Königsdisziplin des Frugalen adeln. Denn bei allem, was nichts kostet, kriegt der Frugale ganz schmale Schlitzaugen vor lauter Gier und fühlt sich wie King Louis persönlich.

Schlitzäugig blieb ich heute an einem kolossal cool ausschauenden Paar Turnschuhen hängen. Es waren uralte, ausgebeulte Turnschuhe (schon mal per se ganz hoher Coolnessfaktor) mit Do-it-Yourself-Schnürsenkeln, die die Welt noch nicht gesehen hat: Schnürsenkel, gebastelt aus einem alten Fahrradschlauch. Wobei Schnürsenkel das völlig falsche Wort ist, denn der Witz bei diesen innovativen Senkeln ist ja gerade, dass sie nicht geschnürt werden. Das Geniale an nicht zu schnürenden Schnürsenkeln ist, dass man nie mehr schnüren muss. Klingt jetzt saublöd redundant, trifft aber ins Schwarze: Alles Geschnürte hat die lästige Eigenschaft, dass es immer wieder aufgeht und man es erneut schnüren und sich dafür in den ungelegensten Momenten bücken muss.

Die allerungelegensten Momente ereilen mich regelmäßig beim Fahrradfahren, wenn sich wieder mal ein Schnürsenkel heimtückisch geöffnet hat und das Pedal sich anschickt, das lose Teil zu fressen. Was sich, bei voller Fahrt, unterm Fuß extrem ungemütlich anfühlt. Also bremsen, absteigen, bücken, schnüren, wieder aufsteigen, weiterfahren - die Prozedur kann einem gewaltig auf den Senkel gehen.


Schluss damit. Soeben habe ich mir ein Paar schnürungsfreie Turnschuhe gebastelt. Dazu war nichts weiter nötig als ein alter Fahrradschlauch und eine Schere. Und natürlich ein Paar alter Turnschuhe. War alles vorhanden, ging ruck-zuck. Die elastischen Schlauchsenkel haben die ehemals geschnürten Turnschuhe in bequeme Reinschlüpfschuhe verwandelt: Beim Anziehen geben sie nach (nicht zu stark); ist der Fuß einmal drin, kehren sie zu ihrer ursprünglichen Länge zurück und lassen den Schuh schön straff sitzen. Zum Ausziehen muss ich mich nicht mal bücken - der eine Fuß streift den Schuh mühelos vom anderen Fuß ab. Das nenne ich Komfort für lau.

Wer kommt auf solche Ideen? Natürlich nur ein Fahrradfreak. Bei instructables findet zur Zeit ein Do-it-Yourself-Gewinnspiel statt: Wer bastelt aus gebrauchten Fahrradschläuchen irgendetwas Witziges/Alltagspraktisches/Künstlerisches/Durchgeknalltes (natürlich mit Bastelanleitung)? Es existiert bereits eine hochinteressante Bildergalerie von schlauch-rezyklierten Objekten, mit leichter Schwerpunktsetzung auf der Kategorie 'Durchgeknallt'. Einsendeschluss ist heute, 14. November, samt Ermittlung des Gewinners. Die Spannung steigt. Ich bleibe am Schlauch.

Samstag, 13. November 2010

Neues von der Frugalfront


Immer wieder wirft das frugale Leben (also meines) die Frage auf: Wie kriege ich den Rest aus der Tube? Die Rede ist von allen möglichen Produkten des täglichen Konsums mit cremiger Konsistenz, also Senf, Tomatenmark, Schuhcreme, Handcreme und, allem voran, Zahnpasta.

Als sparsame Verwenderin kommt es für mich überhaupt nicht in Frage, der Tube irgendwas zu schenken, sprich drinzulassen, nur weil irgendein bekloppter Hersteller (also die meisten) meint, wir lebten immer noch im Zeitalter der großen Verschwendungssause und könnten deshalb großzügig eine scheinbar entleerte Tube wegschmeißen, obwohl die Hälfte des Tubeninhaltes noch an den Innenwänden hängt.

Übertreibe ich? Nein. Wer schon einmal einer dieser Tuben, aus denen selbst mit Muskelkraft und brachialem Daumendruck kein Fitzelchen mehr herauszuquetschen geht, aufgeschnitten hat, wird erfreut festgestellt haben, dass er noch mindestens eine Woche lang seine Zähne putzen kann, bevor er zum Neukauf schreiten muss.

Nun kann ich mir nicht vorstellen, dass ich die einzige Tubenaufschneiderin auf Gottes Erdboden bin; aber entweder schneidet tatsächlich niemand sonst seine noch halbvollen Tuben auf oder die Leute tun es, wollen es aber nicht zugeben. Von einer guten Bekannten weiß ich, dass auch sie ihrer Zahnpastatube mit der Schere zu Leibe rückt; allerdings musste ich sie, um sie zu diesem Geständnis zu bewegen, mindestens so beharrlich ausquetscchen wie ich es mit der Zahnpastatube mache, bevor ich sie schließlich aufschneide. Irgendwie war der Frau das Thema genierlich.

Nachdem sie sich - unter Windungen - als Zahnpastatubenaufschneiderin geoutet hatte, fügte sie hinzu, dass sie "das" jedoch erst dann machen würde, wenn sie bereits eine neue Tube gekauft habe. Konnte ich nicht nachvollziehen. Wo doch für mich der Triumph des Tubenaufschneidens gerade darin liegt, mit dem Nachkauf, ergo dem Geldausgeben, noch eine volle Woche warten zu können. Nicht so jene Bekannte. Weil nämlich, erklärte sie mir, so eine aufgeschnittene Zahnpastatube im Badezimmer ein unerträglich peinlicher Anblick sei, den sie ihren Besuchern ersparen möchte. Weshalb sie die neue, unversehrte Tube auf die Glaskonsole vor dem Spiegel stelle und die alte, skalpierte Tube im Schränkchen unter dem Waschbecken deponiere, hinter verschlossener Tür. Und sich jedes Mal lieber unters Waschbecken bücke, wenn es ans Zähneputzen geht.

Wie verschieden doch die Menschen sind. Erstens wäre ich viel zu faul, mich für jedes Zähneputzen extra zu bücken; zweitens ist für mich eine aufgesäbelte Zahnpastatube das Normalste von der Welt. Peinlich? Pfft. Peinlich finde ich höchstens Leute, denen der frugale Lebensstil anderer Leute peinlich ist. Die haben Hausverbot.

Das einzig Unkonveniente am Tubenaufschneiden ist die Schere, der ich dauernd hinterherrennen muss, wenn wieder mal eine der zahlreichen Tuben im Haushalt geköpft werden soll und ich mich erst erinnern muss, welcher Tube ich zuletzt an den Kragen gegangen bin; in deren Nähe findet sich dann in aller Regel die Tubenaufschneideschere (selbstverständlich gesäubert, ich gehe ja nicht mit der Schere an die Zahnpastatube, solange noch Senf an ihr klebt, also, an der Schere).

Doch eine Lösung ist in Sicht. Eine ultracoole, frugale Lösung:


Einfach abreißen, ratsch, und schon kann man aus dem Vollen schöpfen. Oder schaben, je nachdem. Erfrischend und damit passend zum Produkt finde ich den Slogan "A new frugal ways", also sinngemäß "Die neue frugale Lebensart". Erfrischend deshalb, weil es eher gegen die herkömmlichen Vermarktungssitten ist, einen frugalen Lebensstil in Design und Funktion zu promoten. Und dann "Thrift"! Freihändig übersetzt würde ich mal fabulieren: "Dies ist die neue Sparbrötchen-Zahnpasta für einen bewusst-nachhaltig-frugalen Lebensstil - holen Sie das letzte aus Ihrer Tube raus!" Wobei man schon gern wüsste, was für eine Zahnpasta eigentlich in der Tube drin ist. Selbst als trendiger Frugalkonsument.

Ach ja, ganz erheblich interessieren würde mich auch, was die "lebensverändernde Zahnpastatube" kosten soll. Ich weiß nicht, warum ich das dumpfe Gefühl habe, dass es kein frugaler Preis sein wird.

Freitag, 12. November 2010

Whoopee!


Ich glaube, ich brauche ganz dringend einen Hoop.



Oh, wie ich es liebe.

Donnerstag, 11. November 2010

Nicht mehr ganz knusper oder was?


Knusper knusper Knäuschen,
Ich bin ganz aus dem Häuschen.
Vom Supermarkt, da komm ich her,
Ich muss euch sagen, dort spinnen sie sehr.
Allüberall an den Schnäppchenrängen
Sah ich dämliche Schilder hängen;
Und droben aus dem Marketingchor
Sah mit großen Augen die Blödheit hervor.
Und wie ich so strolcht' durch den finsteren Gang,
Da rief's mich in saublödem Dummdeutsch an:
"Oh Kundin", rief es, "tiefst ist der Preis,
Aber nur noch zwei Tage, also kauf unsern Scheiß'!
Unsre Preise fangen zu knuspern an,
Glaub uns, wir sind dir zugetan!"
Ich glaubte es nicht, doch brauchte ich Semmeln
(dafür lässt die Kundin sich gerne verömmeln)
So knusprig von außen wie hohl von innen:
Die Brötchen, die Preise, die Märkte - sie spinnen.
Mein prekäres Jobhopping brachte es mit sich, dass ich heute nachmittag einer Horde hungriger Kinder die Mäuler zu stopfen hatte. Am Morgen empfahl mir Frau Übermop - von Haus aus eine zweibeinige Sonderangebots-Litfaßsäule - zu diesem Zweck den Gang zum Penny-Markt, "die haben diese Woche die Brötchen reduziert!" Also, nicht etwa das Brötchenkontingent reduziert (wäre ja noch schöner), sondern die Brötchenpreise, aber nur noch bis Ende der Woche. Passte. Ich zu Penny. Obwohl ich Penny hasse. Seit heute mittag habe ich einen Grund mehr, Penny zu hassen.

Warum? Weil die Brötchen bei denen diese Woche besonders "preisknusprig" sind. Doch, im Ernst. "Backfrisch und preisknusprig", stand da (wer's nicht glaubt, bitte, auf Seite 2). Preisknusprige Brötchen! An vieles hat man sich gewöhnt, an backfrisch, an ofenfrisch, an marktfrisch, an fangfrisch, an ernte- und pflückfrisch, sogar knusperfrisch lässt man mittlerweile über sich ergehen - aber preisknusprige Brötchen, musste das wirklich sein? Es musste.

Ich kaufte 30 preisknusprige Brötchen à 15 Cent und griff mir an den Kopf. Die Kids fanden die Semmeln "superlecker", weil "so schön knusprig". Als ich betonte, dass die Brötchen nicht nur schön knusprig, sondern auch schön preisknusprig seien, schauten sie mich komisch an, und einer der Kurzen sagte zu seinem Kumpel: "Ich glaub, jetzt hat sie einen an der Waffel." Anhaltendes kollektives Gegröle war die Folge. Das Wort preisknusprig machte die Runde. Preisknusprige Slogans wurden kreiert, passende Reime gefunden und hingebungsvoll gebrüllt ("Knisper, Knosper, Knusperpreise - Knusperpreise, die sind scheiße"). Wie Kinder halt so sind. Ich stellte mir eine Kinder-Demo durch den Penny-Markt vor, mit Sprechgesängen und rhythmischem Gehopse.
Knisper, Knosper.

Mittwoch, 10. November 2010

Der Traktorfaktor


Noch ist das letzte Wort zum Castor-Transport nicht gesprochen. Muss ja auch gar nicht, denn wie ich soeben lese, ist nach dem Castor vor dem Castor. Kaum ist das eine dicke Ding von der Straße, wird schon das nächste auf die Schiene gebracht. Die Atommüllabfuhr läuft auf Hochtouren.

Um noch einen lustvollen Moment beim Widerstand der Atomkraftgegner im Wendland zu bleiben: Am besten gefallen hat mir die quasi natürliche Affinität zur naturbelassenen Militanz der dortigen Landwirte. Nicht nur haben sie insgesamt 1.200 Schafe und mehrere Hundert Ziegen höchst effektiv in Stellung gebracht (Bilder #6, #11, #12); es waren auch mehrere Traktor-Demos (Bilder #15, #24, #41) unterwegs.
An dem in Klein-Gusborn gestarteten Demonstrationszug beteiligten sich rund 600 Traktoren, sagte der Sprecher der Bäuerlichen Notgemeinschaft, Carsten Niemann,
und blockierten den Zugangsverkehr in die Region. Kein Durchkommen für die Polizei.
Landwirte (haben) mit Traktoren aller Modelle die Straße im beschaulichen Ort Splietau und dahinter versperrt. Fast 600 dicht an dicht stehende Traktoren sollen es sein, wie Polizisten und Landwirte vor Ort bestätigen. ... Statt wie geplant auf das nahe gelegene Kundgebungsgelände zu rollen, seien die an der Castor-Aktion beteiligten Landwirte einfach auf der Straße stehen geblieben.
Mit - zumindest denkbaren - Folgen:
Jetzt müsse man darauf achten, dass die Trecker auf der Strecke nicht noch zusammengekettet werden oder - in deren Schutz - zwischen den Fahrzeugen Hindernisse für den Straßentransport der Castoren errichtet würden.
Na bitte - da geht noch was. Da ist Musik drin. Vielleicht beim nächsten Mal.

Und hier spielt die Musik - with special guest on drums: ein groovender Traktor.


Dienstag, 9. November 2010

Lebenslänglich


Das ist jetzt KEINE Werbung.
Obwohl es natürlich eine Werbung ist.
Ist mir aber schnurzegal.


thanks, copyranter

Montag, 8. November 2010

Kopfkrise


Pünktlich zum Start der zweiten Novemberwoche dröhnte es mir heute früh ekstatisch aus dem Radio entgegen: Der Einzelhandel sei in Festtagsstimmung. Ein offenbar völlig zugedröhnter Angehöriger der Branche gab zum Besten, dass fürs kommende Weihnachtsgeschäft "Rekordumsätze" zu erwarten seien, gemessen an den flauen Zahlen der letzten Jahre. Rekordumsätze. Und das am frühen Morgen.

Beim Kaffeekochen verbrühte ich mir die Finger, als ich hörte, wie der Handelshansel seine Zuversicht begründete: weil nämlich die "Rahmendaten" stimmten. Rahmendaten! Ist es nicht großartig, dass es so etwas wie Rahmendaten gibt? In aller Regel werden sie aus der Tasche gezogen, wenn dem gemeinen Volk mal wieder irgendeine Geschichte auf die Nase gebunden werden soll. Gut, diesmal halt eine Weihnachtsgeschichte.

Im Jahr 2010 heißt die Weihnachtsgeschichte 'Handelsbarometer'. Die im 'Handelsbarometer' befragten Händler kriegen sich offenbar gar nicht mehr ein vor lauter Vorfreude auf den "erwartbaren", alle Rekorde brechenden weihnachtlichen Konsumrausch der Verbraucher. "Erwartbar?", fragte der Rundfunkmoderator, wie das bitte zu verstehen sei? Als Antwort kam das mit den "Rahmendaten", worunter wir bitte verstehen wollen: wachsende Beschäftigungszahlen, steigende Löhne und Gehälter, allgemein gute Stimmung im Land. Hey, das rockt: geschönte Arbeitslosenzahlen, sinkende bis stagnierende Löhne und Gehälter, steigende Energie- und Krankenkassenkosten, Bombenstimmung - da wird man doch noch ein bisschen euphorisiert im Wald pfeifen dürfen.

Zwei Stunden später fragte ich den deutschen Käselieferanten (vierfacher Familienvater) nach seinem erwartbaren weihnachtlichen Konsumrausch. "Statt zwei nur noch ein Geschenk pro Kind", sagte er ohne Umschweife, "ist hart, aber sie werden sich dran gewöhnen. Es gibt Schlimmeres, zum Beispiel eine ungeheizte Wohnung." Klare Worte. Ich bohrte weiter: was er unter "positiven Rahmendaten" verstünde? Da lachte der Käsemann und antwortete: "Keine Ahnung, aber du klingst so, als ob du mir gleich einen vom Pferd erzählen willst?" Nee, erwiderte ich, nicht vom Pferd, sondern vom Wirtschaftswachstum. Fand er richtig witzig: "Läuft aufs Gleiche raus." Fand ich dann auch witzig.

Am Rande erfuhr ich noch, dass aus der Sicht des Käselieferanten die Wirtschaftskrise auch ihr Gutes habe: Seit ein, zwei Jahren, erzählte er, sei "dieser Terror mit den Markenklamotten wie weggeblasen". Drei seiner vier Kinder gingen noch zur Schule, und er kenne keine Eltern mehr, die ihrem Kind eine Jeans für achtzig oder hundert Euro kaufen würden, "weil es inzwischen bei allen klemmt". Es sei normal geworden, in ganz normalen Jeans rumzulaufen. "Mit normal meine ich die Mehrheit", fuhr er fort, "die Mehrheit der Schüler läuft in ganz normalen Klamotten rum und muss sich nicht mehr von einer Minderheit diktieren lassen, welche Marken sie zu tragen haben." Das täte seinem Haushaltsbudget außerordentlich gut, in welchem es nämlich, wie er anmerkte, "keinerlei Anzeichen von Wirtschaftswachstum" gebe.

Heute mittag beim Radiohören war das Thema schon wieder auf dem Tapet. Es steht zu befürchten, dass die frohe Konsumbotschaft in den kommenden sechs Wochen per medialer Wiederholungsschleife gnadenlos in die Köpfe der Leute gehämmert wird. "Der Einzelhandel stellt eine ausgezeichnete Konsumstimmung bei Verbrauchern fest", wurde der Präsident des Handelsverbandes Deutschland (HDE) Josef Sanktjohanser zitiert, und zwar deshalb, so Johanser, weil "die Krise in den Köpfen der Leute" endgültig überwunden sei. So viel zu den Köpfen der Leute.

Und wo bleibt bei so viel Kopf das Herz? Frag' deinen vorweihnachtlich gedopten Einzelhändler, der kennt sich aus:
"Wenn es ans Herz geht, geben die Leute gerne Geld aus."
Das geht mir jetzt wirklich ans Herz.

Sonntag, 7. November 2010

Erbarmen, die Caritas kommt



Gerade eben haben sich alle meine zehn Fußnägel, einer nach dem andern, nach oben gekräuselt. Fühlte sich extrem unangenehm an. Erst dachte ich, wenn ich das Bild ganz schnell vom Bildschirm wegklicke, normalisiert sich das wieder - hat aber nichts genützt. Die Fußnägel rebellierten weiter und schabten von innen gegen die Socken. Grässlich. Es gibt halt so Fälle im Leben, wo Weggucken nicht hilft.

Ja, der Adventszyklus naht und mit ihm die kalte Jahreszeit. Bekanntlich haben dann die Menschen die Tendenz, ihr warmes Herz weit zu öffnen, auf dass der Geldbeutel dem Herzen folgen möge. Also hat sich die polnische Obdachlosen-Hilfsorganisation Caritas einen saisonal zu Herzen gehenden Werbe-Coup einfallen lassen, um die mageren Spendenkonten ein wenig aufzufetten. Es hat funktioniert: Das Spendenaufkommen ist im Vergleich zum Vorjahr um satte 100 Prozent gestiegen, wie die betreuende Agentur stolz vermerkt. Wer will da noch kleinkrämerisch-kritisch die Nase rümpfen?

Apropos Naserümpfen: Dazu hatten, möchte ich fast beschwören, die business-gestylten Warschauer Bank- und Büroangestellten keinen Grund, als sie eines Morgens ein paar schmuddelig kostümierte Obdachlosen-Mannequins auf dem Boden ihrer blankgewienerten gläsernen Lobby liegen sahen. Mit Sicherheit wurden die Models vor ihrem barmherzigen Einsatz gründlich geduscht und desodoriert, bevor man sie - geruchsneutral präpariert - in authentisch verdreckte Klamotten steckte und sie sodann in nächster Nähe von Fahrstühlen und Rezeption plazierte. Damit auch ja keiner der gepflegten Banker achtlos an den gekrümmten Gestalten vorbeilaufe oder angewidert wegschaute. Kennt man ja ansonsten aus den Fußgängerzonen, wo die meisten Passanten sich, völlig verscheuklappt vor so viel ästhetischer und olfaktorischer Zumutung, indigniert abwenden.

Mit dieser so exotischen wie - ähm - aufmerksamkeitsstarken - ähm, tja - Installation möchte die polnische Caritas auf die mehr als 300.000 obdachlosen Menschen in Polen aufmerksam machen. Auf dem braunen Schild ist zu lesen: "Ich habe die Nacht hier verbracht, weil ich draußen so gefroren habe. Meine einzige Anlaufstelle ist www.bezdomni.pl." (= die Homepage der Caritas, bezdomni heißt obdachlos.)

Wie gesagt, das Spendenaufkommen hat sich verdoppelt, die Herzen haben sich erwärmt und bestimmt haben sich alle spendierfreudigen Büromenschen sehr, sehr gut gefühlt. Weil, mit so einer Spende erleichtert man ja nicht nur sein Portemonnaie, sondern auch sein Gewissen. Alles in bester, ethisch einwandfreier Ordnung. Denn - ist es nicht so? - der gute Zweck heiligt alle nur erdenklichen Mittel.

Mich würde ja mal interessieren, wo bei manchen Zeitgenossen das Empfinden fürs Ethische - oder sagen wir mal: fürs Geschmacklose - sitzt. Sofern es überhaupt irgendwo sitzt. Bei mir, das lässt sich eindeutig sagen, sitzt es unter den Fußnägeln.

Samstag, 6. November 2010

Du darfst



Was sehen wir? Ein parkendes Polizeiauto.
Was wissen wir? Polizeiautos dürfen überall parken.
Was ahnen wir? Irgendwas stimmt hier nicht.

Was habe ich mich gestern aufgeregt über tonnenweise Herbstlaub, das die Radwege blockiert. Es geht auch anders. Hier blockiert eine Polizeistreife die Fahrradspur auf der vielbefahrenen First Avenue in New York City. Darf die das? Klar, die Polizei darf alles, hatten wir schon.

Bestimmt handelt es sich um einen Noteinsatz, der die Ordnungshüter zum ordnungswidrigen Parken zwang. Jetzt brauchen wir nur noch eine passende Definition von Noteinsatz. Kriegen wir hin. Denn Nötigung, das weiß jedes Kind, kommt von Not.

Blockiert ein Polizeiauto die Radspur, nötigt es die Radfahrer, auf die Straße auszuweichen. Dürfen die das? Natürlich nicht, denn die Straße ist - weiß auch jedes Kind - den Autos vorbehalten. Halten sich die Radfahrer nicht daran, verstoßen sie gegen das Gesetz und müssen, ist ja logisch, bestraft werden. Die könnten schließlich absteigen und ihr Fahrrad über den Gehweg schieben, wenn die Polizei in dringender Mission sich auf der Radspur zu parken genötigt sieht. Tun sie es nicht, kriegen sie halt einen Knollen verpasst. Man nennt dies eine geklärte Rechtslage.

Hartnäckig nölende Geister mögen sich jetzt fragen, was nochmal der unaufschiebbar dringende Grund gewesen sein mag, weshalb sich die Polizei auf der Radspur breit gemacht hat? Na? Na, ganz einfach: Um die Radfahrer an der Benutzung der für sie vorgesehenen Radspur zu hindern, sie infolgedessen zur Benutzung der Autostraße zu nötigen und ihnen sodann einen Knollen aufs Auge zu drücken. Man nennt dies kackdreist.

Wie, die dürfen das nicht? Natürlich darf die Polizei das. In New York City darf die Polizei so ziemlich alles. Die dürfen sogar einen Checkpoint einrichten, indem sie illegal auf Radspuren parken, damit die Radfahrer notgedrungen um das Polizeiauto herum auf der Straße manövrieren müssen, und zack!, haben sie die Radfahrer am Wickel wegen Verstoßes gegen die Verkehrssicherheit. Man nennt dies: den Radfahrern eine Falle stellen.

Man könnte es auch so formulieren: Die New Yorker Polizei begeht eine strafbare Handlung, um andere zu einer strafbaren Handlung zu provozieren. Oder so: Die Polizei verstößt gegen das Gesetz, um andere Gesetzesbrecher zu verknacken. Oder vielleicht am besten so: Die Polizei verursacht die Ordnungswidrigkeit, die sie dann bestraft.

Ganz schön clever, um nicht zu sagen, kackdreist. Nennt man dies noch Amtsmissbrauch, oder darf hier von polizeistaatlicher Willkür gesprochen werden? Oder kriege ich jetzt einen Knollen, weil ich von einer strafbaren Polizeiaktion zu einer strafbaren Aussage angestiftet wurde?

Freitag, 5. November 2010

Außer Besen nix gewesen


Oh, wie lustig das bunte Herbstlaub durch die linden Lüfte wirbelt! Ist es nicht eine Freude? Jeden Tag lese ich eine dieser launigen Meldungen im Lokalteil über die frühlingshaften Temperaturen, dank derer die Menschen ihre eigentlich anstehende Herbstdepression noch eine Weile vor sich her schieben können (ich ja auch); extrem mild sei er, der Übergang vom Spätherbst in den Advent - wann öffnen nochmal die Weihnachtsmärkte? - egal, alle streben leichtgeschürzt in die Straßencafés, gehen spazieren wie die Weltmeister und erfreuen sich an den subtropischen Luftmassen, welche wiederum für viel frischen Wind sorgen und, siehe oben, das Laub so lustig wirbeln lassen.

Sehr lustig, dieses Laub. Noch. Denn noch hat der große Dauerregen nicht eingesetzt, den die Meteorologen ankündigen. Aber er wird kommen, und dann ist Schluss mit lustig, dann wird's pampig auf den Straßen - namentlich auf den Radwegen. Seit Tagen ist in den frühen Morgenstunden zu erleben, wie gewaltige Laubmassen von den Straßen auf die Radwege gekehrt werden, gern auch auf die Fahrradspur am Rande der Straße. Weil, irgendwo muss das ganze Zeug ja hin, sehe ich ja ein. Nur, warum es dort auch liegen bleiben muss, sehe ich weniger ein.

Mittlerweile will mir scheinen, es steckt ein Plan dahinter. Jeden Morgen pflüge ich durch feinsäuberlich aufgetürmte Laubberge, danke inständig dem Herrgott, dass er es noch nicht hat dauerregnen lassen, und jeden Mittag, wenn ich dieselbe Strecke zurückfahre, hat der stürmische Wind das zusammengefegte Laub wieder, nun ja, in alle Winde verweht. Will sagen, die Blättermassen nehmen nicht ab, sondern zu, weil das aufgehäufte Laub einfach liegen bleibt, neues Laub herabfällt, Winde kommen, Winde gehen, undsoweiterundsofort. Echt lustig, das.

Auch heute früh begegneten mir wieder ein paar laubkehrende Mitarbeiter der Stadtreinigung (ist die überhaupt noch kommunal organisiert? Oder bereits privatisiert? Teilprivatisiert? Oder in den Händen irgendeiner dubiosen sogenannten Beschäftigungsgesellschaft? Ach, man weiß so vieles nicht...). Wie jeden Morgen häuften sich die Häufchen zu Haufen. Ich - auf der Sinnsuche - bremste und fragte den netten jungen Mann mit dem Riesenbesen, was das für einen Sinn habe: Jeden Morgen Häufchen zu Haufen häufen, liegenlassen und am nächsten Morgen dasselbe Spiel von vorne. Wieso, wollte ich von ihm wissen, werde das Zusammengefegte nicht zweckmäßigerweise abtransportiert?

Weil, antwortete der nette junge Mann, "die kein Geld haben, die sind doch alle pleite". Zum Abtransport, fuhr er fort, brauche man genügend Spezialfahrzeuge, Laubgebläse und -gesauge und derlei Teures mehr, und dafür sein halt kein Geld da. Leuchtete mir ein. Wer hätte noch nie von klammen kommunalen Kassen gehört?

Nicht einleuchten wollte mir dagegen, wieso dann Geld da sei für sinnloses Laubfegen? Teure Personalkosten, für nix und wieder nix? Da lachte der junge Mann lustig - oder war es ein bisschen zynisch? - und sagte: "Wieso teuer? Die kriegen doch sogar noch was dafür!" Ich guckte begriffsstutzig - mitunter stehe ich ganz fürchterlich auf dem Schlauch -, worauf er einen Daumen senkrecht in die Höhe hob und schief grinsend erklärte: "Ein Euro, mehr is' nich'." Ach so. Subventionierte Beschäftigungsmaßnahme. Der Groschen fiel.

Das Grinsen des Ein-Euro-Jobbers wurde ein klein wenig bösartiger. "Irgendwie müssen die ja unter die versprochenen drei Millionen kommen", womit er auf die Arbeitslosenquote anspielte. Ich verstand, wenn auch unter Schmerzen in den Gehirnwindungen: Da fegen Langzeitarbeitslose Tag für Tag Laubberge zusammen, die dann vom Wind wieder auseinandergefegt und von den Beschäftigten (!) wieder zusammengefegt werden, bis der Wind die Laubberge wieder auseinanderfegt, undsoweiterundsofort - Hauptsache, sie, die Beschäftigten, sind aus der Statistik gefegt. Heiliger Strohsack.

"Heißt ab nächstem Jahr anders. Heißt ab 2011 Bürgerarbeit", setzte der nette junge Mann hinzu, "tolle Idee, was? Auf dem Mist der Arbeitsministerin gewachsen." Sarkastisch hob er beide Daumen in die Höhe.

Ich sehne den Tag herbei, an dem der Arbeitsministerin die Besen um die Ohren fliegen.



Donnerstag, 4. November 2010

Mittwoch, 3. November 2010

Wir Müllmänner


Heute ging die Post ab. Vielmehr die Müllabfuhr. Und dann die Feuerwehr. Es war schwer was los.

Frühmorgens auf dem Fahrrad hatte ich wieder eine jener halluzinatorischen Frühlingsattacken: so früh, so hell, so warm. War mir warm! Viel zu warm. Föhnig warm. An der großen Kreuzung bei Rot riss ich mir die Mütze vom Kopf, den Schal vom Hals, die Handschuhe von den Fingern, den Anorakreißverschluss auf und machte laut "Puuh!" vor Erleichterung - da ertönte von der Mitte der Straße ein noch lauteres, männlich-zweistimmiges "Puuh!", gefolgt von einem dröhnenden Hupsignal. Die städtische Müllabfuhr, ebenfalls auf Grün wartend, hatte beobachtet, wie ich mich meiner Winterklamotten entledigte und wollte mehr sehen.

"Don't stop it, Baby!" rief es aus dem Fahrerhaus heraus. Die zwei Kerle, einer von ihnen ein alter Bekannter, kriegten sich nicht mehr ein vor Vergnügen. Sie verpassten darüber sogar die Grünphase. "Showtime!", brüllte Bongo aus dem offenen Fenster, haute animiert gegen die Fahrertür und hupte erneut. Ich glaube, ich habe noch nie in meinem Leben so früh am Morgen so viel gelacht. Das mag jetzt vielleicht einem Außenstehenden schwerverständlich erscheinen, für mich war es ein bombiger Start in den Tag.

Um kurz vor acht kam das Feuer und mit ihm die Feuerwehr. Es war zwar kein Feuer, sondern ein Schwelbrand, aber die Feuerwehr rückte trotzdem an. Mit vier Löschzügen, Wiederbeatmungsgeräten, Windmaschinen, Notarzt, Polizei, allem Drum und allem Dran. Aus dem ersten Stock drangen dichte, beißende Rauchwolken. Aus allen vier Stockwerken drangen aufgeschreckte Bewohner, husteten das Treppenhaus hinab und suchten Zuflucht in der Kneipe (Brandschutztür!).

Die Feuerwehr löschte, die Polizei ermittelte. Die unfreiwillig versammelte, großteils beschlafanzugte Hausgemeinschaft trank Unmengen von Kaffee, und - wie bei solchen Gelegenheiten üblich - jeder hatte eine Story auf Lager, wie es bei ihm oder Onkel Rudi oder Tante Helga oder dem Schwager seiner Schwiegermutter auch schon mal beinahe gebrannt habe. Es stellte sich heraus, dass eine schlaflose gläubige Katholikin aus dem ersten Stock heute früh eine verspätete Allerseelenkerze entzündet hatte und darüber eingeschlafen war. Der Rest war Kokel. Menschen kamen keine zu Schaden, Sachen schon.

Einträchtig hockten Katholen, Freidenker und hartgesottene Atheisten um den Tisch und debattierten heftig über Sinn und Unsinn von Allerheiligen, Allerseelen, der Heiligen Maria sowie der brandschutztechnischen Vorteile von Grablichtern versus Haushaltskerzen. Ich kochte Kaffee und versorgte neu eintreffende Schlafanzüge mit feuchten Handtüchern, zur Beruhigung der gereizten Atemwege. Ein herbeigeeilter Geschäftsführer - so schöngeistig wie nervenstark veranlagt - rezitierte dramatische Zeilen aus dem Feuerreiter von Eduard Mörike. Es war großes Kino am frühen Morgen.

Ein Hausbewohner aus dem obersten Stockwerk - Weh! dir grinst vom Dachgestühle dort der Feind im Höllenschein (dritte Strophe Mörike) - schien meine Gedanken zu erraten: Ich überlegte, ob das Ereignis lohne darüber zu bloggen. (Der Dachgestühlbewohner liest das Blog und ist leider Gottes zu faul zum Kommentieren.) Daraufhin kreischte der hellhörige Geschäftsführer "Untersteh' dich, du olle Internetgans!" (O-Ton), woraufhin ich befand, dass es lohne. Schließlich passieren nicht alle Tage so aufregende Geschichten.

Und wo bleibt jetzt die große thematische Klammer von Müllabfuhr und Feuerwehr? Hier:


Feuerwehr- und Müllmänner gehören zu den Top Ten jener Berufsgruppen, die in der Bevölkerung allerhöchstes Ansehen genießen. Wie ich seit heute finde, sehr zu Recht. Bedauerlicherweise wurde das Ansehen von Putzfrauen nicht abgefragt, aber egal, ich rechne mich einfach mal zu den Müllmännern und freue mich über das vorzügliche Ranking: Wir sind signifikant beliebter als Studienräte, Steuerinspektoren und Sparkassenmitarbeiter!

Weit abgeschlagen auf den untersten Plätzen finden sich die Berufsgruppen Politiker, Telekom-Mitarbeiter und Werber; letztere sogar mit über die Jahre hinweg sich konstant verschlechternden Popularitätswerten, während die guten Noten für die Müllmänner ein mittelfristig stabiles Wachstum hinlegen. Was wiederum nicht verwundert, sind es doch die fabelhaften Jungs von der Müllabfuhr, die den ganzen Werbemüll dorthin verfrachten, wo er hingehört.



Dienstag, 2. November 2010

Ohne Moos nix los


Manchmal, wenn es um Fragen von Zucht und Ordnung geht, geraten Frau Übermop und Mrs. Mop fürchterlich aneinander. Es fliegen dann die Fetzen.

via bookofjoe*

(Heißt, korrekt ins Deutsche übersetzt: Verarsch' dich nicht selber.)


*großklicken fürs Kleingedruckte

Montag, 1. November 2010

Zweiter Frühling


Das Herbstwetter ist großartig zur Zeit, sagen alle. Ich auch. Reinstes Biergartenwetter. Ein strahlend warmer Nachmittag, die Sonne scheint zur weit geöffneten Balkontür herein, T-Shirt-Time, und die Temperaturen machen Lust auf einen entspannten Grillabend, wenn nicht die früh einsetzende Dunkelheit so verwirrend wäre. Wer hat schon Lust, den Grill gegen 17 Uhr wieder zusammenzupacken und eine Stunde später Heizkissen zu verteilen? Tagsüber Frühling, abends Herbst. Gestern Oktober, heute November.

Seit gestern wird es verdammt früh dunkel. Das kann ans Gemüt gehen, muss aber nicht, denn andererseits wird es verdammt früh hell. Also, morgens. Als ich heute um zwanzig nach sechs aufs Rad stieg, war es deutlich heller als sonst: Es dämmerte bereits vielversprechend; wenig später waren die Kaninchen mit bloßem Auge, ohne Fahrradflutlicht und auf zehn Meter Entfernung gut zu erkennen. Toll. Dann wurde es schnell immer heller. Kurz vor sieben deutliche Anzeichen von Sonnenaufgang. Am ersten November. Den ganzen Oktober bin ich um diese Uhrzeit durch stockdunkle Nacht gefahren. Darum hat sich das heute morgen angefühlt wie ein astreiner Frühlingsschub und mich urplötzlich in ein merkwürdiges Stimmungshoch katapultiert, das jeglicher lebensrealistischen Basis entbehrte, aber trotzdem sehr real und dem gegenüber ich machtlos war. Ich fing doch glatt an auf dem Fahrrad zu singen. Zweiter Frühling, sozusagen.

Mal sehen, was so gegen 17 Uhr passiert.